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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1962 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2024
Tränensee
Kuhn, R.

Tränensee


sehr gut

Tränensee ist ein interessantes, teilweise auch ungewöhnliches Buch. Man ist nah an der Protagonistin Anna dran. Sie ist eine weitgehend passive Figur, gerät jedoch immer wieder an Männer, mit denen sie in Konflikt gerät. Anders war es mit ihrem verstorbene Mann Brock, der ein bekannter Schriftsteller war. 20 Jahre lebten sie zusammen, zum Teil in offener Ehe, bis er plötzlich starb.
Danach hatte sie etwas mit Frieder, einem jüngeren Möchtegern-Journalisten und Angeber.
Als der verschwunden ist, beginnt der Polizist Cellini Anna Fragen zu stellen.
Manche Dialoge erschienen mir etwas knapp und unlogisch. Das hängt aber vielleicht auch mit der Protagonistin und wie sie reagiert zusammen.
Die verschiedenen Figurenkonstellationen sind das Besondere und spannende am Buch, das außerdem eine melancholische Stimmung aufweist. Das erzeugt eine eigentümliche Atmosphäre.

Bewertung vom 09.02.2024
Judenhass
Friedman, Michel

Judenhass


sehr gut

Aus Anlaß des Massakers in Israel durch die Hamas am 07.Oktober 2023 schreibt Michel Friedman über das Gefühl als Jude in Deutschland und der zu geringen Solidarität.
Friedman nutzt die Form der Briefe. Viele Kapitel sind Briefe, die sich an jemanden richten. Brief an die Gleichgültigen, Brief an die Christen, sogar ein Brief an einen Antisemiten ist drin.
Ein gewisser Pathos schwankt bei dieser Form auch mit. Literarisch würde ich das Buch nicht so hoch einstufen.

Der wichtigste Adressat ist vielleicht am der durchschnittliche deutsche Bürger, der vermutlich auch den Großteil der Leser dieses Buches ausmachen wird.

Wer die AfD als Protestwähler erwägt, dem sei dieses Buch empfohlen.
Friedman benennt die Gleichgültigkeit und die Akzeptanz der AfD sowie die Gefahr der Entmenschlichkeit.
Es gibt auch einen Abschnitt, in den sich Friedman an die Juden und Jüdinnen wendet.

Insgesamt ist es ein eindringliches Buch.

Bewertung vom 08.02.2024
Weiße Wolken
Seck, Yandé

Weiße Wolken


sehr gut

Dieo und Zazie

Weiße Wolken ist ein deutsch-senegalischer Familienroman, in dem besonders die Schwestern Dieo und Zazie im Mittelpunkt stehen. Während Dieo mit Simon verheiratet ist und 3 Kinder hat, ist die 7 Jahre jüngere Zazie noch etwas orientierungslos. Den Weg ins Leben zu suchen ist ein wichtiges Thema im Buch. Die Schwestern sind zwar sehr unterschiedlich, aber sie verstehen sich dennoch und sind sich nahe.
Die Kapitel wechsel zwischen Dieo und Zazie. Auch Simon hat ab und zu mal sein Kapitel.
Als der Vater der Schwestern plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, reise sie nach Senegal zur Beerdigung. Leider sind die Senegal-Passagen kurz gehalten, aber ansonsten hat mich die Plotgestaltung überzeugt. Es ist interessant gemacht und gut geschrieben. Vor allen sind die Figuren lebensecht und man kann ihnen gut durch das Buch folgen. Die Figurenentwicklung ist eine Stärke der Autorin und sie kann die Beziehungen zueinander zeigen. Es ist ein gutes Schwesternporträt.
Mit der in Heidelberg geborene Yandé Seck ist ein vielversprechende, neue literarische Stimme aufgetaucht.

Bewertung vom 08.02.2024
Das Haus verlassen / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.17
Menschik, Kat;Kornmüller, Jacqueline

Das Haus verlassen / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.17


gut

Inszenierung eines alten Hauses

Ein altes Haus, mehr als 140 Jahre alt. Das färbt auf die Schreibe der Autorin Jacqueline Kornmüller ab. Ihre Sprache wirkt gewollt altmodisch, um die Poesie alter Zeit einzufangen. Dennoch ist die Erzählerin im Heute und sie will das Haus verkaufen. Ganz sicher ist sie sich aber nicht.
Das Haus scheint zu leben. Auch das gelebte vergangene Leben von Vorbewohnern ist noch irgendwie spürbar.
Ein wenig inszeniert ist das ganze schon. Aber man spürt die Verbundenheit der Protagonistin mit dem Haus und hält einen inneren Dialog aufrecht. Das finde ich schön gemacht.
Erwähnt werden müssen natürlich auch die aufwendigen Illustrationen von Kat Menschik, die gut zum Buch passen.

Bewertung vom 03.02.2024
Heilung
Kaleyta, Timon Karl

Heilung


sehr gut

Mann in der Krise

Ein Mann sucht ein Sanatorium auf, denn er fühlt sich schlecht, da er seit langen schlecht schläft. Er kommt in keine Tiefschlafphase, träumt nicht.
Ansonsten ist er gesund, aber diese Müdigkeit und Unbehagen macht ihn fertig.

Die Anfangsszene zum Sanatorium San Vita in Südtirol ist atmosphärisch gemacht, fast unvergesslich. Er wird in einer winterlichen Landschaft von einem kleine Mann abgeholt.
Es gibt Zauberberganklänge, aber die sind dezent.
Schließlich, im zweiten Abschnitt des Buches, verlässt der Mann das Sanatorium und findet Unterschlupf auf dem Bauernhof seines alten Freundes Jespers.

Der Zustand des Mannes ist rätselhaft. Als Leser möchte man genauso sehr wie er die Ursachen findet.

Timo Karl Kayera hat einen einfachen aber guten Stil. Man liest den Roman fast wie in einem Rutsch, könnte es jedenfalls, falls man das möchte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2024
Glänzende Aussicht
Fang, Fang

Glänzende Aussicht


ausgezeichnet

Fang Fang zeigt sich als glänzende Autorin des Realismus und schreibt über eine vielköpfige chinesische Familie von den sechziger bis in die 80ziger Jahre.
Es ist eine Arbeiterfamilie, der es karg und oft rau zugeht. Die Kinder tragen keine Namen sondern werden als Bruder 2, Bruder 3, usw. bezeichnet.
Nur die beiden Mädchen werden Kleiner Duft und Großer Duft genannt.
Erzählt wird die Geschichte übrigens von Bruder 8, der als Baby gestorben ist und danach die ganze Zeit die Familie beobachtet.
Bruder 7 steht ziemlich im Mittelpunkt, aber im Prinzip erzählt Fang Fang die Geschichte von allen Familienmitgliedern.
Nicht selten erinnern Passagen aus Glänzende Aussicht an Filme des italienische Neorealismus, z.B. Fahrraddiebe.
Diesen leidenschaftlichen Roman darf man nicht unterschätzen. Fang Fang weiß viel von den Menschen und hat mit diesem Buch ein bewegendes, packendes Gesellschaftsporträt geschaffen.

Bewertung vom 01.02.2024
Klarkommen
Hartmann, Ilona

Klarkommen


sehr gut

Das erste Jahr in der Großstadt

Die Autorin Ilona Hartmann erzählt auf realistische Art vom leicht tristen Aufwachsen in einer Kleinstadt und dem damit verbundenen Lebensgefühl. Auch dem Gefühl eines Mangels und dem Wunsch, woanders mehr zu finden.
Die Erzählerin fühlt sich dabei mit ihren Freunden Leon und Mounai verbunden. Sie haben ihr Abitur gemacht und gehen gemeinsam in einer Großstadt. Erste Erfahrungen sind aber enttäuschend.
Der Roman bleibt handlungsarm. Es zeigt das zusammenleben, wie sie sich besser kennen lernen. Auch viele Besuche in Clubs mit vielen coolen Leuten, kann eine Desillusion nicht verhindern.
Die Erkenntnis: Das erste Jahr in der großen Stadt war achtlos an uns vorbegelatscht.
Die Kapitel sind kurz gehalten und lassen auch Leerstellen zu. Außerdem gibt es immer wieder Sätze, die ich für gut formuliert halte.
Ilona Hartmann zeigt, dass man auch mit ruhiger Erzählweise ein gutes Buch gestalten kann.

Bewertung vom 01.02.2024
Kibogos Himmelfahrt
Mukasonga, Scholastique

Kibogos Himmelfahrt


sehr gut

Kibogos Berg

Die in Frankreich lebende Schriftstellerin Scholastique Mukasonga schreibt natürlich über ihr Heimatland Ruanda. Es ist die Zeit des 2.Weltkriegs als viele Kolonisten in Ruanda waren. Das mündet in Ausbeutung. Hinzu kommt eine große Hungersnot auf das ohnehin geschwächte Land hinzu.
Scholastique Mukasonga nutzt die Form der Fabel. Erzählt wird der mythischen Figur Kibogo als Hoffnung für Regen zur Beendigung der Dürrezeit.
In den nachfolgenden Abschnitten kommen weitere Figuren in den Mittelpunkt:
Der Priester Akayezu, dann die als alte Hexe geltende Mukamwezi. Schließlich ein weißer Professor, der den Berggipfel ersteigen möchte.
Es steckt viel drin in diesem kurzen Roman und die Zusammenhänge sind vielleicht nicht auf den ersten Blick sofort zu erkennen. Doch das alles dient dazu, die Geschichte um Kibogo zu weben. Es ist ein Text, der den Leser beschäftigt.

Bewertung vom 30.01.2024
Fall, Bombe, fall
Kouwenaar, Gerrit

Fall, Bombe, fall


sehr gut

Der C.H.Beck-Verlag ermöglicht hier die Entdeckung eines niederländischen Klassikers aus den Jahr 1950.
Im Mittelpunkt steht die Gedankenwelt und Perspektive eines 17jährigen Jungen, Karel Ruis. Er ist ziemlich gelangweilt, dabei vermutlich viel zu klug.
Daher sind seine zum teil merkwürdigen Phantasien vielleicht nicht so ungewöhnlich.
Doch es ist eine schlimme Zeit. 1940 überfällt die deutsche Wehrmacht die Niederlande.

Manchmal ist es wirklich wertvoll, ein Buch der Vergangenheit doch noch entdecken zu dürfen, denn stilistisch ist es wirklich bemerkenswert.

Bewertung vom 29.01.2024
Das Philosophenschiff
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


sehr gut

Der Bericht

Der Österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier hat eigentlich immer einen originellen Schreibstil, so auch hier.
Ein Schriftsteller (Köhlmeier selbst?) erklärt sich bereit aus dem Leben einer 100jährigen Frau ein Buch zu machen. Dabei ist insbesondere die Verschiffung unliebsamer Personen, vor allen Intellektuelle 1922 aus Russland zu schaffen. Diesen Vorgang gab es wirklich.
Das Gespräch zwischen der Dame, die das damals als 14jährige mitmachte und dem Schriftsteller sind nicht ohne Witz.
Es wechselt zwischen ihren Dialogen und den Berichten der Frau.
Diese Berichte sind spekulativer Art. Es gibt viele gute Passagen, wie die Begegnung mit Lenin. Es gibt zahlreiche weitere Abschnitte, die außerordentlich gut verfasst sind.Michael Köhlmeier weiß wirklich zu schreiben, detailliert und gründlich, dennoch behält er eine Leichtigkeit.
Ein gutes Buch, wenn auch nicht mein Lieblingsbuch des Autors, den ich sehr schätze. Aber geschickt erzählt ist auch dieser Roman.