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Benutzername: 
orfe1975
Wohnort: 
Bonn

Bewertungen

Insgesamt 219 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2015
Dreikampf
Fink, Sabine

Dreikampf


ausgezeichnet

Hochspannender Krimi im Sportmilieu

Cover und Titel:
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Das Cover zeigt den Schwimmteil des Dreikampfes und bringt den Leser somit gleich in die richtige Stimmung. Toll ist, dass ein Teil des Aufdrucks glänzend oben als Extraschicht aufgedruckt ist, es wertet das
Buch gleich haptisch auf.

Inhalt:
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Die Kriminalkommissarin Maria Ammon nimmt am Triathlon im mittelfränkischen Roth teil. Am Vorabend des Startes wird eine Leiche in einer Toilette gefunden. Auf den ersten Blick scheint es Selbstmord zu sein,
doch keiner der Angehörigen des Toten glaubt daran. Schließlich geschehen im Laufe des Sportwettbewerbs weitere scheinbare Unfälle und Selbstmorde, bei denen Frau Ammon zufällig immer in der Nähe ist und sie fragt sich langsam, ob dies tatsächlich alles nur Zufälle sind und wenn nicht, wer der Mörder sein könnte. Schließlich gerät sie selbst in Gefahr.

Mein Eindruck:
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Die Kapiteleinteilung in Streckenabläufe fand ich anfangs gewöhnungsbedürftig, aber sie passt letztendlich sehr gut zum Inhalt, der sich rund um die Ereignisse während des Sportwettkampfes dreht.
Dies ist der dritte Teil der Maria Ammons-Reihe, ich kannte die Vorgänger noch nicht, bin aber sehr gut in den Krimi reingekommen. An wenigen Stellen ist es vorteilhaft, die Vergangenheit der Kommissarin zu
kennen, aber für den Krimifall nicht zwingend erforderlich. Dieser liest sich sehr flüssig und spannt einen Spannungsbogen, der von Anfang bis Ende nicht nachlässt. Es gibt immer wieder neue Spuren, die
nicht nur die Kommissarin, sondern auch den Leser auf eine neue Fährte bringen. Man fiebert mit, grübelt, wer der Mörder wohl sein könnte. Und immer wenn man dachte, man hat ihn/sie gefunden, geschieht
etwas, das einen wanken lässt.

Sympathisch ist auch die Ermittlerin Frau Ammon. Sie behauptet sich auf natürliche Art und Weise in ihrem Job und trotz privater Probleme (geschieden, alleinerziehend, eine undurchsichtige Affäre mit einem
Mann) fühlt man mit, aber wird nicht zu tief in den Gefühlsstrudel reingezogen. Der Fall selbst bleibt handlungsmäßig immer im Vordergrund. Die Auflösung war für mich eine große Überraschung, war aber für
mich nachvollziehbar und stimmig.

Da der Roman als Regionalkrimi deklariert ist, wird schon mal das ein oder andere Wort im fränkischen Dialekt gesprochen, was einen Nicht-Franken wie mich zum Schmunzeln gebracht hat. Im Vergleich manch
anderen Regionalkrimis, die sich mehr auf die regionale Atmosphäre als auf einen komplexen Fall konzentrieren, sticht dieser hier durch seine Andersartigkeit hervor: Der Fall ist komplexer als es scheint und
die Morde sind sehr detailliert aus Sicht des (bis zum Schluss unbekannten) Mörders dargestellt, sodass hier ein Hauch von Thriller mit eingeflochten ist. Das hebt diesen Krimi für mich sehr positiv in der
Sparte Regionalkrimi hervor.

Nachdem ich Frau Ammons 3. Fall in einem Rutsch verschlungen habe, werden unbedingt auch noch die beiden Vorgängerfälle folgen!

Fazit:
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Regionalkrimi mit stetigem Spannungsbogen, vielen Wendungen, einer sympathischen Ermittlerin und einem Hauch von Thriller

Bewertung vom 03.10.2015
Where the fuck is the Führer?
Seltmann, Christian

Where the fuck is the Führer?


sehr gut

Die locker erzählten Erfahrungen eines Berliner Touristenführers

Titel und Cover :
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Das modern aufgemachte Cover mit dem denglischen Titel verspricht eine kurzweilige Lektüre in modern lockerem Erzählstil.

Inhalt:
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Der Historiker und Schriftsteller Christian Seltmann schreibt in seinem Buch über das Leben und die Erlebnisse eines Touri-Führers in der Stadt Berlin.

Meine Meinung:
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Der Stil des Autors mutet besonders am Anfang sehr flapsig an. Auch wenn man aufgrund des denglisch-derben Titels einen lockeren Stil erwartet hat, war mir dieser am Anfang zu stark ausgeprägt. Im weiteren
Verlauf bemerkt man aber hinter dieser Lockerheit auch durchaus eine scharfe psychologische Beobachtungsgabe sowie eine sozialkritische Betrachtungsweise. Dies spiegelt sich auch in den Themen der Kapitel wieder, in denen die einzelnen Touri-Typen im nervigen und guten Sinne betrachtet werden, aber auch Berlin und sein soziales Umfeld spielen eine Rolle. Dabei ist sich der Autor auch nicht zu schade, das Touri-Tabu-Thema "Berlin von unten" aufzuführen, das er auf unterhaltsame Weise mit vielen versteckten Anspielungen auf Gesellschaft und Politik behandelt.

Spannend zu lesen war für mich auch der Blick hinter die Kulissen des Touristengeschäftes, u. a.

- Wie wird man zum Touri-Guide?
- Welcher Typ Mensch ist so ein Touri-Führer eigentlich?
- Was machen diese Leute nach Feierabend?

Solche und weitere Fragen zu diesem Gewerbe werden hier unterhaltsam beantwortet.

Es macht Spaß, dieses Buch durchzulesen, am besten vor einem Berlin-Tripp, denn es enthält neben den allseits bekannten Geheimtipps auch solche, die noch keiner kennt oder welche Orte man am besten vermeiden sollte.

Man sollte jedoch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen und sich durch den in meinen Augen zeitweise etwas zu flapsigen Stil verärgern lassen, dieser führt bei mir zu einem kleinen Punktabzug. Ansonsten hatte ich viel Spaß mit dem Buch.

Fazit:
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Wer sich schon immer gefragt hat, wie man zum Touri-Guide wird, was man dabei alles so erlebt und zudem viel über die vielen Gesichter der Stadt Berlin erfahren möchte, sollte dieses Buch lesen!

Bewertung vom 01.10.2015
Gelähmt ist nicht gestorben
Gschwandtner, Tom

Gelähmt ist nicht gestorben


ausgezeichnet

Als Querschnittsgelähmter mit starkem Wille und viel Humor zurück ins Leben

Cover:
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Auf dem Cover ist der Autor selber zu sehen, sodass gleich klar wird, um wessen Geschichte es hier geht. Er lächelt und sitzt lässig in seinem Rollstuhl, womit gleich klar ist, dass er trotz Lähmung sich mit seinem Leben glücklich arrangiert hat.

Inhalt:
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Im Buch schildert Tom Gschwandtner aus seiner Sicht, wie er nach einem Autounfall im Alter von 26, durch den er querschnittgelähmt wird, wieder zurück ins Leben findet.

Mein Eindruck:
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Das Buch lässt sich in 4 Phasen einteilen: Unfall mit anschließender Intensivstation, Unfallstation, Reha und schließlich sein anschließendes "normales" Leben.
Beeindruckend ist dabei, wie detailliert und gleichzeitig humorvoll er alles schildert. Er war sein Leben lang ein Stehaufmännchen, der kein Risiko scheute und das kommt ihm zugute bei der Aufgabe, mit
seiner Lähmung im Leben klarzukommen.

So schreibt er z. B. "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben...Also einfach abwarten. Abwarten, was auf mich zukommt. Fürchten kann ich mich dann ja immer noch". Dies ist nur einer von mehreren solcher tollen
Zitate, die man sich später als "Spruch des Tages" an die Wand pinnen möchte, um immer daran erinnert zu werden.
Obwohl sein Weg hart ist, mit Schmerzen verbunden und er auch viele Rückschläge einstecken muss und er auch zeitweise niedergeschlagen ist, versinkt er nicht in Selbstmitleid, sondern kämpft weiter und
versucht, allem etwas Positives abzugewinnen. Man erfährt hier auf unterhaltsame Weise nebenher eine Menge über Querschnittslähmung und die medizinischen und physiotherapeutischen Möglichkeiten, mit dieser umzugehen.

Tom Gschwandtner schafft es, trotz der ernsten Lage den Leser zu berühren, gleichzeitig durch Humor wieder zum Lachen zu bringen, dankbar zu sein für das eigene Leben und einen einfach mitzureißen. Schön ist auch, mitzuerleben, wie seine Freundin, deren Tagebuchauszüge an passenden Stellen eingestreut sind, das alles erlebt, auch "die andere Seite" kennenzulernen. Und immer wieder betont der Autor auch, wie
wichtig ihm der Beistand der Freunde und Verwandten in dieser Zeit war, ohne die er es nicht geschafft hätte.

Fazit:
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Eine Lebensgeschichte zum Lachen, traurig sein, dankbar sein und Mut machend, unbedingt lesen!

Bewertung vom 24.09.2015
Faule Marillen
Lercher, Lisa

Faule Marillen


ausgezeichnet

Gleich zu Beginn der Krimis fühlt man sich, wie in die Wachau versetzt, auch wenn man noch nie dort war. Die Landschaft ist schön beschrieben, ohne ausschweifend zu werden und die Dialoge sind geprägt vom Dialekt der Region. Letzteres ist jedoch gut zu verstehen und sollte der eine oder andere Ausdruck nicht geläufig sein, hilft wunderbar der Glossar im Anhang weiter. Die Gespräche der Personen sind zuweilen geprägt von sehr subtilem, manchmal auch sehr trockenem Humor, was den Krimi zu einem wahren Lesevergnügen machte.

Eigner selbst ist ein sehr sympathischer Ermittler mit manchmal rauer Schale, aber sehr weichem, sozialen Kern. Seine Frau ist früh verstorben, er hilft seiner Schwester, auf den dementen Vater aufzupassen und hütet ab und an seinen Enkel, wenn seine Tochter arbeiten muss, zu der er ein etwas schwieriges Verhältnis hat.
Die Umstände über den Verlust seiner Frau werden nur angedeutet, so bleibt weiterer Entwicklungsspielraum für weitere Romane dieser Reihe. Das gilt auch für den Charakter von Eigner selbst sowie die Beziehung zu seiner Tochter.

Den Mordfall betreffend bleibt es spannend bis zum Schluss. Es werden immer wieder neue Spuren gestreut. Ein paar führen in die Irre, ein paar letztendlich zum Mörder, der für mich trotz Vorahnung doch eine Überraschung darstellte.
Es gibt keine Kapiteleinteilung, die Abschnitte sind durch Sterne getrennt. Dadurch wurde ich erst recht zum ständigen Weiterlesen verführt, ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Schön ist auch, dass hier mit vielen Grautönen geschrieben wurde, es gibt moralisch keine Einteilung in schwarz/weiß bzw. moralisch richtig/falsch. Der Fall ist somit außergewöhnlich und sehr gut gelöst.

Fazit:
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Ein Krimi, bei dem alles passt: Schreibstil, österreichisches Lokalkolorit, trockener Humor, Spannungsbogen bis zum Schluss, sympathischer Ermittler. Bitte mehr, Frau Lercher!

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Bewertung vom 24.09.2015
Erben auf Italienisch
Pallavicini, Piersandro

Erben auf Italienisch


weniger gut

Das Cover zeigt einen Kellner, der auf Schlittschuhen und einem Tablett mit Alkoholgetränken übers Eis läuft. Im Hintergrund sind schneebedeckte Berge zu sehen. Es macht neugierig und suggeriert eine italienische Komödie mit Slapstickhumor.

Inhalt:
Der mittlerweile als Schmierkäsefabrikant zu Reichtum gekommene Alfredo lädt seinen Sohn Rogoredo und seine Tochter Carla samt Familie und Carlas bester Freundin Paola, genannt "Ottolina" nach Italien in sein Haus ein. Grund: er ist unheilbar krank und möchte mit beiden über ihr Erbe sprechen.

Mein Eindruck:
Das Buch ist in der Ich-Perspektive von Carla geschrieben und in der Gegenwartsform. D. h. der Leser erlebt alles direkt aus ihrer Perspektive mit. Dazu gehören (leider) auch ihre wechseljahrbedingten Gefühlsschwankungen und Gedanken. Carla musste ihr Leben lang hinter dem Bruder zurückstecken, auch beim Erben soll sie deutlich den geringeren Anteil erhalten. Sie selber hat sich größtenteils mit dieser Rolle abgefunden, ihre Freundin wird vom Vater permanent gehänselt und mit seltsamen Spitznamen betitelt, was beiden Frauen aber nichts auszumachen scheint.
Überhaupt mutet der gesamte Umgang der Charaktere etwas seltsam an. Es herrscht nach meinem Gefühl ein sehr derber Umgangston, bei denen Schimpfwörter oder seltsame Kosenamen wie Trottel oder Bulldogge zum Alltag dazu gehören.

Der Vater, Alfredo ist ein Mann von heftigen Späßen und Streichen, die ich ebenso wenig wie den Umgangston als lustig empfunden habe. Nur stellenweise entlockte mir der Roman ein Schmunzeln.

Auch von dem in vielen Kritiken beschriebenen Sprachwitz und italienischer Komik habe ich wenig im Buch erfahren dürfen. Es gibt viele Anspielungen auf italienische Filme, Comicserien und Prominente, mit denen man aber als nicht Italiener oder nicht Italienkundiger kaum etwas anfangen kann.

Die Geschichte lässt sich im Groben in 4 Abschnitte einteilen, es wird dabei abwechselnd vom Italienaufenthalt beim Vater und von Carlas späterer Londonreise erzählt. In Rückblenden erfährt der Leser nach und nach etwas aus Carlas Kindheit, wodurch sich nach und nach die Charaktere besser erschließen lassen.

Unter einer italienischen Komödie hatte ich mir etwas anderes vorgestellt, mehr Spritzigkeit und der Sprachwitz ist vermutlich größtenteils durch die Übersetzung nicht herausgekommen.

Überhaupt habe ich besonders anfangs einen roten Faden vermisst, man wusste nicht ganz, worauf es hinauslaufen soll. Auch ein durchgehender Spannungsbogen wird nicht aufgebaut. Mal passiert viel Skurriles auf einmal, dann plätschert der Roman vor sich hin. Am Anfang wollte ich das Buch abbrechen, da mir weder Charaktere noch Handlung gefallen haben.
Doch dann wird es nach und nach besser, es geschehen in der Mitte des Buches und gegen Ende doch noch unerwartete Wendungen und das Ende versöhnte mich dann etwas.

Fazit:
Unsympathische Charaktere, derber (Nicht-)Humor mit immerhin unerwarteter Auflösung - vorwiegend für Italienkenner.

Bewertung vom 22.09.2015
Ewig dein ..., m. Audio-CD
Klemm, Hans-Georg

Ewig dein ..., m. Audio-CD


ausgezeichnet

Romantik und Musikgeschichte unterhaltsam und lehrreich vereint

Cover und Aufmachung:
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Das Cover zeigt ein Porträt des berühmten Musiker-Ehepaars Robert und Clara Schumann vor einer Notenpartitur, die im Hintergrund durchschimmert. Das ganze im rötlichen Ton gehalten, dazu das passende Lesebändchen lässt alles altmodisch edel erscheinen und stimmt somit perfekt auf den Inhalt ein. Dieser stimmungsvolle Eindruck wird abgerundet durch eine CD im Buchinneren, die die wichtigsten klassischen Werke der behandelten Komponisten enthält, bei denen ihre Geliebten als Muse dienten.

Inhalt:
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Das Buch behandelt das Leben der 7 berühmten Komponisten Beethoven, Berlioz, Chopin, Liszt, Mendelssohn, Schubert und Schumann im Kontext mit ihren Liebesbeziehungen.

Mein Eindruck:
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Vom Titel ausgehend, hatte ich erwartet, dass jeder der Komponisten in einem für ihn bestimmten Kapitel abgehandelt wird. Das ist jedoch nicht der Fall. Stattdessen wird chronologisch erzählt, wobei einige Komponisten miteinander bekannt waren und sich ihre Wege zu bestimmen Zeitpunkten kreuzen. Jedes Kapitel behandelt also mehrere Komponisten und ihre Geliebten gleichzeitig. Das macht das Buch aus meiner Sicht sehr reizvoll, es lässt diese Männer lebendiger erscheinen, wenn man sich ihre Freundschaften und Bekanntschafen mit anschaut und wie einer den anderen teilweise beeinflusst hat.

Vom Stil her ist das Buch zeitweise verwirrend, da der Autor besonders am Anfang viele Persönlichkeiten einführt und die Übergänge nicht ganz eindeutig gekennzeichnet sind. Man muss sich stark konzentrieren, um nicht den Faden zu verlieren. Vor allem im ersten Kapitel, in dem alle Hauptpersonen angesprochen werden, wirkte das Buch sehr chaotisch. Dies löste sich allerdings bei mir schnell auf und ich hatte mich an den Stil gewöhnt, es wurden pro Kapitel weniger Personen behandelt und ich hatte bald den roten Faden erkannt. Hilfreich war dabei aber auch hin und wieder ein Blick auf die Zeittabelle am Ende des Buches.

Das Gleiche gilt für das Springen zwischen der reinen Beschreibung historischer Begebenheiten und poetischer Worte (Zitate, Gedichte), auch daran musste ich mich gewöhnen, habe es aber sehr bald als passend empfunden. Durch die Lyrik wurde die Zeit einfach noch viel deutlicher spürbar.

Inhaltlich war ich fasziniert, ich konnte das Buch gegen Ende nicht mehr weglegen. Ich war gefangen in den Liebesdramen bzw. nur zeitweise glücklichen Liebesbeziehungen der Komponisten. Besonders spannend fand ich dabei die vielen Hintergründe, die einem die Entstehung so mancher Werke näher gebracht und auch für (Halb)Laien viele musikalische Aspekte erklärt haben. Dazu die Stücke der CD gehört an den passenden Stellen- perfekt!

Fazit:
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Romantik und Musikgeschichte vereint-unterhaltsam, lehrreich, lesenswert!

Bewertung vom 18.09.2015
Charlotte
Foenkinos, David

Charlotte


ausgezeichnet

Das Leben der Charlotte Salomon auf besondere Art erzählt

Cover:
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Das Cover zeigt einen Ausschnitt des Selbstporträts von der Malerin Charlotte Salomon. Sie schaut den Leser direkt ins Gesicht, man fühlt sich somit direkt angesprochen und passt sehr gut zum Inhalt, der von
ihrem Leben handelt.

Inhalt:
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Der Autor David Foenkinos wandelt in dem Roman auf den Lebensspuren der jüdischen Malerin Charlotte Salomon, ausgehend von ihrem Werk "Leben? oder Theater?". Ihr Leben stand von vorneherein unter keinem guten Stern, sie hat aber bis zu ihrer Ermordung im KZ immer wieder gekämpft und dabei in der Entdeckung der Malerei halt gefunden.

Mein Eindruck:
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Das Buch überwältigt einen vollkommen und ist daher schwer in Worten zu beschreiben, ich versuche es hier und hoffe, dass es mir ansatzweise gelingt.
Der Schreibstil des Autors mutet anfangs sehr sonderbar an. Er schreibt in kurzen knappen Sätzen, die oft sehr abgehackt sind. Er schreibt selber in dem Buch über seine Schreibweise, dass er beim Schreiben
oft stockte. Dabei verwendet er oft Metaphern oder poetisch anmutende Satzkonstruktionen. Kurz: es ist der ungewöhnlichste Schreibstil, der mir bisher untergekommen ist. Dennoch: Ich habe mich schnell daran
gewöhnt, fand ihn sogar extrem gut. Man muss allerdings sehr genau und konzentriert lesen, stellenweise geht der Autor von der Geschichte in der Vergangenheit fließend in die Gegenwart über, in der er sich
auf Charlottes Spurensuche befindet. Dadurch empfand ich mich als Betrachter, wie bei französischen Filmen mit "Off-Kommentaren", wie im Film "Die Welt der Amelie" zum Beispiel. Dadurch fühlte ich mich auf
angenehme Weise an der Hand genommen vom Erzähler und im "Schwung der Geschichte". Für mich ist genau dieser Stil sehr lesefördernd, ich muss aufpassen, dass ich dadurch nicht zu sehr durchrase, sondern ab und an mal innehalte und die Poesie in der Sprache genieße. Der Stil ist schwer mit Worten beschreibbar, man muss sich einfach drauf einlassen.

Die Lebensstationen der Charlotte Salomon sind sehr einfühlsam geschrieben, man merkt daran, wie sehr der Autor die Malerin innerlich verehrt. Der Leser erfährt bei der Lektüre sowohl etwas über das Leben
der Malerin, nebenbei aber auch über die Recherche des Autors für seine Biographie. Durch den erzählerischen Übergang von ihrer Vergangenheit in Foenkinos Gegenwart, wird Foenkinos praktisch auch ein Teil ihres Lebens.

Was Charlotte Salomon in ihrem Leben widerfahren ist, ist so tragisch, das wünscht man niemandem. Es berührt, macht traurig und stellenweise wütend. Man wünscht sich ein gutes Ende, das es nicht geben wird -
leider. Und doch bewundert man auch ihre Stärke, immer wieder weiterzumachen und wie sie es schafft, durch die Malerei einen gewissen inneren Halt zu finden.

Foenkinos ist auf sehr außergewöhnliche Weise gelungen, eine bewegende und gleichzeitig informative Biographie über eine jüdische Malerin zu schreiben, die mittlerweile etwas in Vergessenheit geraten ist und
somit wieder neugierig auf Ihre Werke zu machen. Sie führt einem jedoch auch schonungslos die Grausamkeiten zu Zeiten der Weltkriege vor Augen und regt so zusätzlich zum Nachdenken an.

Fazit:
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Schwer einzuordnen und zu beschreiben, aber toll, unbedingt lesen!