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allegra
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Bewertungen

Insgesamt 292 Bewertungen
Bewertung vom 15.01.2013
Sehet die Sünder
Winterberg, Liv

Sehet die Sünder


gut

Liv Winterberg zeichnet mit der Handlung im Umfeld des Barons Amédé de Troyenne eine wahre Geschichte nach, die sich 1440 in der Bretagne zugetragen hat. Erklärungen dazu findet man in einem sehr informativen Nachwort. An dieser Stelle möchte ich davor warnen, das Nachwort zuerst zu lesen. Es ist zwar bei der Lektüre oft hilfreich, wenn man den historischen Kontext kennt. In diesem Fall ist es aber schade, weil man dann beim Kriminalfall nicht mehr unvoreingenommen miträtseln kann. Neben einer Personenübersicht der fiktiven Figuren befindet sich hinten im Buch ein Glossar, in dem auch die historisch verbürgten Personen aufgeführt sind.

Obwohl mich das Buch vom Inhalt her sehr anspricht und ich auch mit großem Interesse mit den Dorfangehörigen mitgefiebert habe, ob ein marodierender Söldner als Serientäters durch die Gegend zieht oder ob der Täter innerhalb der Dorfgemeinschaft zu suchen ist, hat mich die Handlung doch nicht so berührt, wie ich es mir gewünscht hätte. Durch die sehr kurzen Kapitel, die jeweils mit dem jeweiligen Schauplatz übertitelt sind und die häufigen Perspektivwechsel wurde der Spannungsbogen zwar immer recht hoch gehalten, mir war es aber schon zu hektisch, so dass ich nicht richtig ins Geschehen eintauchen konnte.
Die Hauptfiguren sind anschaulich und ausführlich charakterisiert, so dass ich mir eine gute Vorstellung von ihnen machen konnte. Leider ist mir das von einigen Nebenfiguren nicht gelungen. Julien Lacante, der als Bindeglied zwischen den verschiedenen Ständen eigentlich eine Schlüsselrolle inne hat, blieb mir zu flach.

Ganz besonders interessant fand ich die Darstellung des Inquisitonsprozesses. Das war weit mehr als was man so landläufig unter der Inquisition erwartet: dass eine Frau nur rote Haare brauchte und gleich auf dem Scheiterhaufen landete. Man merkt bei der Lektüre, dass es sich die Autorin nicht leicht gemacht hat und intensiv recherchiert hat.

Sprachlich hat Liv Winterberg im Vergleich zu ihrem ersten Roman „Vom anderen Ende der Welt“ noch einen Zacken zugelegt. Es ist ihr sehr gut gelangen durch die Wahl der Ausdrucksweise die Stellung der einzelnen Figuren in der Gesellschaft zu unterstreichen.

Die Handlung wird zu dem Abschluss geführt, den das historische Vorbild vorgibt, was mir sehr gut gefällt. Allerdings bleiben bei mir noch einige kleine Unklarheiten offen, die ich gerne auch noch aufgeklärt gehabt hätte. Wenn Personen als Verdächtige für falsche Fährten eingeführt werden, dann erfahre ich dennoch gerne, wo sie abgeblieben sind, auch wenn das die Geschichte an sich nicht voran bringt. Deshalb erscheint mir dieser Roman nicht so wirklich abgerundet.


Mein Fazit:

Dieser spannende historische Krimi hat mich recht gut unterhalten. Ich habe neben dem Kriminalfall einiges mitnehmen können, was die kirchliche Gerichtsbarkeit im Frankreich des 15. Jahrhunderts betrifft. Leider haben die häufigen Perspektivwechsel auf mich hektisch gewirkt. Ich wurde dadurch aus der Handlung herausgerissen und hatte Mühe, mit den Figuren Fühlung aufzunehmen.

3 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.01.2013
Torstraße 1
Volks, Sybil

Torstraße 1


ausgezeichnet

Dieses Buch ist eine Familiensaga, die die Geschichte zweier miteinander befreundeter Familien von 1929 bis in die Gegenwart erzählt. Drehpunkt ist das Haus Torstraße 1 in Berlin, das genau wie die Menschen im Buch eine sehr wechselhafte Geschichte durchlebt.

Die Eröffnung des Kreditkaufhauses Jonass ist der Geburtstag von Elsa, die im Jonass selber auf die Welt kommt und dem kleinen Bernhard, dessen Vater bei Elsas Geburt ihrer Mutter beisteht. Durch diesen Zufall sind die beiden Familien unentrinnbar miteinander verbunden.

Die Charaktere der Hauptfiguren sind sehr liebevoll herausgearbeitet und machen eine Entwicklung durch, die nicht zu letzt durch die politischen Wirren der Zeit geprägt ist. Als die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, muss Familie Grünberg, die das Jonass besitzt, in die USA auswandern. In dem Haus wird in den folgenden Jahren die Hitlerjugend organisiert. Nach dem Krieg wird es zur Zentrale der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.
Die Figuren verhalten sich völlig unterschiedlich und werden oft von Zweifeln und Ängsten geplagt. Sie arrangieren sich zum Teil mit dem System, profitieren auch nicht wenig von den Ungeheuerlichkeiten, die sich abspielen. Und doch bleiben sie menschlich, und ihr Handeln nachvollziehbar, weil man durch die Liebe, die sie verbindet, alles in einem etwas anderen Licht steht.

Das Buch ist in längere Kapitel eingeteilt, die die historisch unterschiedlichen Abschnitte widerspiegeln. In der Haupthandlung, die aus den verschiedenen Perspektiven der Protagonisten vorangetrieben wird, sind die Geschehnisse der Zwischenzeiten als Rückblicke eingestreut. Das ist manchmal etwas verwirrend, man merkt aber meist schnell, in welcher Zeit man sich befindet, vorausgesetzt man ist etwas vertraut mit den Meilensteinen der Geschichte.

Die Ausdrucksweise von Sibyl Volks hat mir sehr zugesagt. Sie verwendet Ausdrücke, die für die entsprechende Zeit passend sind. Es kommt aber nie zu Verständnisschwierigkeiten, weil man die Bedeutung aus dem Kontext erkennen kann. Ein paar Kenntnisse über das Leben in der DDR wären hilfreich gewesen. Da steht es bei mir nicht zum Besten, aber ich habe das Buch dennoch genießen können und ich bin sicher, dass ich bei einer erneuten Lektüre wieder andere Aspekte finden würde, die mir beim ersten Mal entgangen sind.


Mein Fazit:

„Torstraße 1“ erzählt einige wichtige Kapitel der innerdeutschen Geschichte aus unterschiedlicher Perspektive. Man erkennt Bedenken und Ängste von ganz normalen Menschen und kann sein Geschichtsbuchwissen durch neue Eindrücke ergänzen.
Mich hat das Buch richtig gefesselt, da mich immer sehr interessiert, wie ganz normale Menschen diesen Wahnsinn, der sich in relativ wenigen Jahren abgespielt hat, überleben konnten.

Von mir erhält dieses sehr wichtige Buch seltene 5 Sterne.

8 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.01.2013
Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6 (6 Audio-CDs)
Neuhaus, Nele

Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6 (6 Audio-CDs)


sehr gut

In ihrem 6. Band der Reihe um das sympathische Ermittlerpaar Pia Kirchhoff und Oliver Bodenstein reißt Nele Neuhaus ein sehr schwieriges Thema an. Es geht um sexuellen Missbrauch an Kindern. Einerseits ist das ein sehr wichtiges Thema, das man nicht totschweigen darf. Andererseits ist es schwierig sexuellen Missbrauch an Kindern in einem Roman so zu thematisieren, ohne dass es in Effekthascherei ausartet, was ich jetzt mit Kindern gar nicht schätzen würde.
Ich weiß nicht in wie weit in der Printausgabe des Buches Beschreibungen der Verbrechen an den Kindern ausgeführt sind. Zumindest im Hörbuch ist das sehr dezent gelöst. Es hat mich natürlich trotzdem betroffen gemacht, aber eine respektvolle Distanz wurde bewahrt, was mir sehr wichtig war. Sonst hätte ich das Hörbuch abgebrochen. Es gibt im Leben noch Gründe genug, schlecht zu schlafen. Da benötige ich nicht auch noch belastende innere Bilder aus meiner Lektüre.
Da das für mich bereits das dritte Buch aus dieser Serie ist, war ich mit den Hauptpersonen aus der Kripo Hofheim K11 bereits vertraut. Da Nele Neuhaus immer mit einer Vielzahl an Figuren aufwartet, hätte ich mich sonst nicht an die Hörbuchversion gewagt. Aber so viel es mir leicht, den Überblick zu wahren.
Obwohl ich diesmal vorher keine Inhaltsangaben oder ausufernde Rezensionen gelesen habe und nicht einmal wusste, dass Kindesmissbrauch drin vorkommt, war mir sofort klar, in welche Richtung die Handlung geht, als von diesem Verein „Sonnenkinder e.V.“ die Rede war. Von daher war die Auflösung leider relativ absehbar. Durch die Wahl unterschiedlicher Erzählperspektiven, weiß der Leser jeweils sehr viel mehr, als die Ermittler und da man davon ausgehen kann, dass die Autorin keine unwichtigen Nebenfiguren und Nebenschauplätze bewirtschaftet, war es nicht wirklich erstaunlich, dass die einzelnen Fälle in einem Zusammenhang stehen. Dennoch empfand ich den Aufbau des Krimis als sehr sorgfältig und beängstigenderweise auch glaubwürdig. Das heißt, eigentlich bin ich da doch noch mehr Optimist. Ich mag nicht hinter jedem sozialen Engagement zugunsten benachteiligter Kinder, gleich Böses wittern und hoffe auch, dass unsere Politiker und höheren Beamten nicht in zwielichtige Machstrukturen verstrickt sind.
Beim Titel „Böser Wolf“ habe ich natürlich einen Bezug zum Märchen erwartet. Einerseits drängt sich natürlich das Bild des Wolfs im Schafspelz auf. Das Märchen vom Wolf und den sieben (bzw. im Buch sechs) Geißlein kommt auch mal am Rande vor. Aber ich hätte etwas mehr von diesem Märchenbezug erwartet.
Abgesehen von zwei oder drei kleineren Punkten, die mir nicht so ganz schlüssig waren, fand ich die Handlung nachvollziehbar dargestellt, spannend und auch gefühlvoll, da wo es passt. Die Personen sind anschaulich und glaubhaft beschrieben, abgesehen von der kleinen Lilli und Hannah Herzmanns Tochter Meike, die mir beide zu einseitig und auch nervig erschienen.

Ich fand sehr angenehm, dass das Privatleben der beiden Ermittler in diesem Band eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt. Ich war auch erfreut, dass Pias Übelkeit am Ende des letzten Bandes nicht zu einem neuen Baby geführt hat, wie ich schon befürchtet hatte.

Die Sprache des Buches ist Alltagssprache mitten aus dem Leben. Der Satzbau ist eher einfach, wirkt aber authentisch und ist angenehm abwechslungsreich und flüssig zum Zuhören.

Die Sprecherin Julia Nachtmann hat diesem Buch ihre Stimme sehr glaubhaft verliehen. Sie schafft es, den verschiedenen Personen Charakter in die Stimme zu lesen, ohne in irgendeiner weise lächerlich zu klingen. Das gelingt ihr sogar bei richtig stämmigen Rockern, was für eine Frau alles andere als selbstverständlich ist. Ich werde auf jeden Fall gerne wieder Hörbüchern von Julia Nachtmann lauschen.

Der böse Wolf hat mir zwar nicht gerade Gänsehautschauer beschert, aber ich habe mich damit dennoch gut unterhalten gefühlt. Im Vergleich zu anderen Bücher von Nele Neuhaus fand ich diesen Band etwas schwächer.

8 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.12.2012
Die Bucht des blauen Feuers
Jary, Micaela

Die Bucht des blauen Feuers


sehr gut

Inhalt

Mit „Die Bucht des blauen Feuers“ entführt uns Micaela Jary in ein relativ wenig bekanntes Land – in die Kolonie Deutsch-Südwestafrika , dem heutigen Namibia. Die junge Emma Thieme, die gerade ihren Vater verloren hat, erfährt, dass ihre totgeglaubte Mutter in DeutschSüdwest lebt. Sie ergreift die Gelegenheit, die bekannte Pianistin Dorothee von Hirschberg als Fotografin auf ihre Konzertreise zu begleiten, die sie nach Lüderitzbucht, der Hauptstadt von Deutschsüdwest führt. Dort sind vor Kurzem Diamantenvorkommen gefunden worden und inzwischen herrscht ein regelrechtes Diamantenfieber.
Die beiden Frauen werden von Dorothees Vater, dem charmanten Manfred von Paschen sowie dem Reiseschriftsteller Ernst Keller auf der langen Schiffsreise begleitet. Die Überfahrt sowie die Ankunft in Lüderitzbucht verlaufen durchaus ereignisreich und die beiden Frauen finden durch ihre Reise zu sich selber und lernen interessante Männer kennen.


Meine Meinung

„Die Bucht des blauen Feuers“ ist ein leicht zu lesender Auswandererroman, der nicht nur große Gefühle sondern auch Spannungsmomente beinhaltet. Die Hauptfiguren werden anschaulich beschrieben und charakterisiert. Die beiden jungen Frauen erscheinen einem bisweilen etwas blauäugig und naiv, angesichts ihres bisher durch ihre Väter beschützten Lebens, ist das aber durchaus glaubwürdig.

Den geheimnisvollen Glanz eines geschliffenen Diamanten bezeichnet man häufig als „blaues Feuer“, das sich im Titel des Buches niederschlägt. Man erfährt im Buch einiges über den Diamantenhandel, aber ich hätte von diesem Feuer gerne etwas mehr gelesen. Bei mir ist der Funke der Faszination für Diamanten leider nicht so gesprungen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Die Reise von Berlin an den südlichen Zipfel Afrikas durchläuft viele verschiedene Klimazonen, die sich auch auf die Befindlichkeit der Figuren individuell auswirkt. Man spürt, dass Micaela Jary das sehr sehr gut recherchiert hat. Auch das neblige Klima von Lüderitzbucht und die Eintönigkeit der Wüstenlandschaft ist sehr gut eingefangen.


Mein Fazit

Das vorliegende Buch hat mir ein noch unbekanntes Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte vor Augen geführt. Ich habe mich mit dem Buch gut unterhalten gefühlt und konnte etwas vom stressigen Alltag abschalten. Da ich reine Liebesromane vor egal welcher Kulisse nicht so mag, war ich sehr froh, dass dieser Aspekt zwar durchaus zum Zug kommt, aber das Buch auch besticht mit sehr interessanten und undurchsichtigen Figuren, die die Spannung bis zum Schluss aufrecht erhalten.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.12.2012
Am Horizont das rote Land
Fitzpatrick, Kylie

Am Horizont das rote Land


ausgezeichnet

Rhia Mahoney muss miterleben, wie der Textilbetrieb ihres Vaters, „Mahoney Linen“, in Flammen aufgeht und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für den Reichtum ihrer Familie in Schutt und Asche liegt. Rhia, die sehr stark verankert ist in der keltischen Sagenwelt, reist von Irland nach London, um eine Stellung als Gouvernante zu suchen. Ihr Onkel Ryan bringt unter bei seiner Bekannten, Antonia Blake, die kürzlich ihren Mann verloren hat. Antonia ist Quäkerin und engagiert sich bei den Damen des Convict Ship Committees, das von Elizabeth Fry gegründet wurde als Folge der Gefängnisreform. Sie wohnt zusammen mit dem Cousin ihres Mannes, der Porträts erstellt mit Hilfe der neuen Technik der fotogenen Zeichnung.

Kurz nach Rhias Ankunft in London findet man ihren Onkel Ryan tot in seinem Lagerhaus. Es handelt sich augenscheinlich um einen Selbstmord, aber es fällt Rhia sehr schwer, das zu akzeptieren. Ein befreundeter Journalist beginnt Fragen zu stellen, während Rhia beruflich Fuß fasst. Sie ist eine begabte Zeichnerin und hofft, einige Entwürfe an den Seidenhändler Montgomery verkaufen zu können. Dieser scheint ernsthaft interessiert zu sein und stellt Rhia vorerst als Verkäuferin in seinem Ladengeschäft ein.

Schon bald wird Rhia von einem neuen Schicksalsschlag getroffen. Sie wird verdächtigt ein wertvolles Stück Stoff im Hause ihres Arbeitgebers entwendet zu haben und wird verurteilt. Sie soll für 7 Jahre nach Australien deportiert werden. Ihrer Freundin Antonia Blake gelingt es nicht, rechtzeitig Berufung einzulegen, so dass Rhia mit dem Gefangenenschiff „Rajah“ in Richtung Sydney ausläuft. Das Convict Ship Committee der Quäker engagiert sich sehr für die gefangenen Frauen und versorgt sie mit Stoffresten und Nähzeug, damit sie auf der Reise Quilts für den Verkauf anfertigen können. Dadurch können sie sich etwas Geld verdienen und durch die Näharbeit haben die Frauen eine Aufgabe, was sich beruhigend auf ihr Gemüt auswirkt.

Auf der „Rajah“ beschließen die Frauen einen besonders schönen Quilt anzufertigen und ihn den Quäkerfrauen als Zeichen ihrer Dankbarkeit zu schenken. Dabei handelt es sich um den „Rajah Quilt“, die einzige noch erhaltene Arbeit der Gefangenenschiffe, der in der National Gallery of Australia in Canberra aufbewahrt wird.

Die 10 Monate lange Überfahrt auf der „Rajah“ bildet das Herzstück des Buches und ist so ausführlich und anschaulich beschrieben, dass ich selber manchmal das Gefühl hatte, der Boden schwankte unter meinen Füßen.

Die Handlung wird langsam und sorgfältig aufgebaut und durch die abwechslungsreichen Beschreibungen der Orte und des Textilhandels, der beginnenden Industrialisierung, die die Handweber in Irland in ihrer Existenz bedrohen und nicht zuletzt der Technik der Kalotypie, einer Urform der heutigen Fotografie, wird die Spannung immer hoch gehalten. Sehr interessant sind auch die politischen Aspekte um den Opiumhandel, den England zwischen Indien und China betrieb.

Das Buch besteht aus drei größeren Teilen, die wiederum in zahlreiche kürzere Kapitel unterteilt sind. Die Kapitelüberschriften tragen jeweils die Namen von Stoffarten, Farben oder Mustern, die im betreffenden Kapitel eine Rolle spielen. Ich wusste nicht, dass es für so viele Mischgewebe eigene Namen gibt.

Vom Inhalt und von der Schreibweise her, hat mir das Buch ausgesprochen gut gefallen. Der Schreibstil ist flüssig. Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, was für Abwechslung sorgt. Rhia fühlt sich eng verbunden mit ihrer verstorbenen Großmutter, der sie Briefe in Form eines Tagebuches schreibt, was den Leser direkt in die Gedanken und Gefühlswelt von Rhia schauen lässt.

Schade finde ich, dass weder Klappentext noch Cover dem Inhalt des Buches gerecht werden. Das Buch – also der reine Inhalt zwischen den Buchdeckeln – erhält von mir 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.12.2012
Die letzte Sünde / Kommissar Rosenthal Bd.1
Höftmann, Katharina

Die letzte Sünde / Kommissar Rosenthal Bd.1


gut

Inhalt

Eine sehr schöne, junge Frau wird erdrosselt an einer Sprachschule für Immigranten aufgefunden. Kriminalkommissar Assaf Rosenthal, ein Grenzsoldat, der erst kürzlich nach Tel Aviv gekommen ist, bearbeitet seinen ersten Fall. Bald zeigt sich, dass die tote Marina Koslovsky ein Doppelleben geführt haben muss. Sie hat für den Zuhälter Dudu Batito gearbeitet, der ein Nobelbordell führt und auch im Drogengeschäft mitmischt.

Nachdem Marinas Freier der letzten Woche alle ein Alibi haben und nicht sehr verdächtig erscheinen, vermutet Rosenthal, dass sich Dudu Batito Feinde unter den Drogenbossen gemacht haben könnte und die Ermordung seines „besten Pferdes im Stall“ als Warnschuss für ihn gelten könnte


Meine Meinung

Katharina Höftmann hat mit Assaf Rosenthal einen interessanten Charakter geschaffen. Er ist jedoch nicht gerade ein großer Sympathieträger. Er zeigt sich als typischer Macho und ist in meinen Augen schon fast Sex besessen. Seine Gedanken sind fast immer damit beschäftigt, ob er mit einer Frau ins Bett hüpfen könnte. Als er in einer Bar das berühmteste Fotomodell Israels trifft und die auch gleich die Nacht bei ihm verbringt, empfinde ich das schon als etwas aufdringlich und unglaubwürdig. Das Intermezzo bringt auch den Plot nicht wirklich voran, so dass man gut darauf verzichten könnte. In Assafs Freundeskreis gibt es eine Anhäufung von Homosexuellen, ebenso wird gekifft, was das Zeug hält. Vermutlich zeigt das das bunte und tolerante Tel Aviv. Ob das in diesem Ausmaß realistisch ist, kann ich nicht sagen. Als Zionist mit deutlich rassistischer Einstellung hat Assaf mein Herz natürlich auch nicht gerade erobert. Aber das ist auch durchaus interessant, weil diese Konstellation auch eine Entwicklung seines Charakters offen lässt.

Das Buch ist gespickt mit hebräischen Ausdrücken und Begriffen aus dem jüdischen Alltag. Da mir diese gar nicht geläufig sind, hätte ich unbedingt ein Glossar gebraucht. Ich habe den Inhalt zwar trotzdem verstanden, es fühlt sich aber einfach nicht so gut an, wenn man in vielen Bereichen außen vor bleibt. Da würde mich sehr interessieren, wie das Buch auf Juden wirkt.

Insgesamt ist der Krimi locker und flüssig geschrieben. Im ersten Drittel spürte ich einige sprachliche Unsicherheiten. Auch empfand ich den einen oder anderen Dialog als etwas aufgesetzt. Was mir sehr gut gefallen hat, sind die schönen Beschreibungen der einzelnen Quartiere. Ich habe richtig Lust bekommen, bei „Google Maps“ mit zu recherchieren. Auch die Einrichtungen der Wohnungen und Häuser konnte ich mir sehr gut vorstellen.
Die Aufklärung des Kriminalfalles selber verläuft sehr geradlinig und ich habe relativ bald eine Vermutung gehabt, wer der Täter sein könnte. Die Hinweise waren für mich nicht subtil genug gesetzt.


Mein Fazit

„Die letzte Sünde“ hat mir ein bisher unbekanntes Umfeld näher gebracht. Ich konnte etwas in die bunte Welt Tel Avivs reinschnuppern und habe etwas in den jüdischen Alltag hineinschauen können. Der eigentliche Kriminalfall war für mich leider nicht aufregend genug.

Bewertung vom 12.12.2012
Zorn - Vom Lieben und Sterben / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.2
Ludwig, Stephan

Zorn - Vom Lieben und Sterben / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.2


sehr gut

Im Laufe dieses Krimis werden die beiden Ermittler Zorn und Schröder weiter ausgebaut. Zorn, den die Sehnsucht nach Maline zeitweise richtig verzehrt, zeigt immer mehr weiche Seiten seines Charakters. Auch in seiner Beziehung zu Schröder. Allerdings schafft er es nach wie vor nicht wirklich, seine Gefühle und Bedenken in Worte zu fassen und versteckt sich hinter einer stellenweise recht schroffen Fassade. Schröder ist gegen außen nicht so die harte Nuss wie Zorn und ordnet sich fast durchgehend unter, mit einer Ausnahme, wo er sich weigert eine Aufgabe auszuführen. Weshalb er das tut, wird am Ende des Buches aufgelöst. Auch Schröder schafft es nicht, sich jemandem anzuvertrauen und macht seine Probleme mit sich selber aus.

Mir gefällt sehr gut, dass beide Figuren eine Entwicklung durchleben. Jeder birgt ein Geheimnis in seiner Seele, das sich auf seine Stimmung und sein Verhalten auswirkt. Auch die Staatsanwältin Frieda Borck zeigt menschliche Regungen. Trotz ihrer kühlen Professionalität zeigt sie sich in diesem Band auch als eitel und ihrer Weiblichkeit bewusst. Das Intermezzo mit einem zugezogenen Ermittler hätte ich jetzt nicht gebraucht, aber vielleicht hat das Techtelmechtel ja eine Fortsetzung. Die Figur des Ermittlers wäre auf jeden Fall interessant genug.

Die Aufklärung des Mordfalles ist sehr spannend und nachvollziehbar beschrieben. Die Morde sind recht blutig, überhaupt enthält der Krimi recht viele Szenen von brutaler Gewalt. Ich bin eigentlich recht hart gesotten, aber an zwei Stellen habe ich auch etwas quer gelesen, weil ich mir die Pein der Opfer einfach nicht so genau vorstellen wollte. Es war schon spät am Abend, und so was belebt meine Träume in unerwünschter Weise.

Das Buch besteht aus drei Teilen, die insgesamt in 35 Kapitel von sehr unterschiedlicher Länge unterteilt sind. Zwischendrin sind kursiv und in Kleinbuchstaben gedruckte kurze Gedichte, die vermutlich den Gedanken des Täters entsprechen oder Tagebucheinträge darstellen. Ich konnte sie nicht immer einordnen und habe sie meistens erst im Nachhinein verstehen.

Wie beim ersten Teil empfand ich, dass manche Figuren etwas überzeichnet sind. Sie haben aber an Menschlichkeit und Konturen gewonnen. Schröder ist für mich eigentlich die Hauptfigur. Er ist mir wirklich ans Herz gewachsen und ich will auf jeden Fall wissen, wie es mit ihm weitergeht.

Der Sprachstil von Stephan Ludwig sagt mir sehr zu. Er verwendet genau die richtige Mischung auf Text und Dialog und setzt auch genügend Abschnitte, so dass die Lektüre auch möglich ist, wenn man in der Bahn sitzt oder sonst etwas gestört wird.

Da ich den ersten Teil auch gelesen habe, kann ich nicht wirklich beurteilen, wie wichtig es ist, die Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Der Kriminalfall an sich stellt eine abgeschlossene Geschichte dar, aber die Charaktere sind einem natürlich vertrauter, wenn man ihre Vorgeschichte kennt.

Bewertung vom 12.12.2012
Sorry, wir haben uns verfahren - Kurioses aus der Bahn
Orth, Stephan;Blinda, Antje

Sorry, wir haben uns verfahren - Kurioses aus der Bahn


sehr gut

Dieses Hörbuch beinhaltet eine Sammlung von Lustigem, Skurrilem aber auch wiederum Erstaunlichem von und mit der Deutschen Bahn. Die meisten Beiträge scheinen von Bahnreisenden an „Spiegel Online“ geschickt worden zu sein und die Autoren Stephan Orth und Antje Blinda haben diese Beiträge gesammelt und geordnet.
Neben „vertrackten Versprechern“ bei Durchsagen oder „Denglischsprachige“ Auskünfte enthält die CD aber auch historisch interessante Statements, die bei der Einführung der Bahn den Zeitgeist mitgeprägt haben. Mit der Bahn fuhr man laut einigen Spezialisten geradewegs in die Hölle. Witzig sind auch die Beschreibungen der Mitreisenden, die das halbe Abteil olfaktorisch am Inhalt ihrer Tupperdosen teilhaben lassen.
Besonders gut haben mir die Anekdoten und Geschichten gefallen, in denen couragierte Bahnmitarbeiter echt Humor gezeigt haben beziehungsweise unkompliziert und am Rande der Legalität gehandelt haben, so dass Fahrgäste doch noch ihr Ziel erreichten.

Wieviele von den Histörchen wirklich wahr sind oder von den Einsendern ausgeschmückt wurden, lässt sich natürlich nicht sagen. Die ein oder andere Übertreibung dürfte schon dabei sein, es ist ja doch im Moment gerade „in“ sich über die Bahn aufzuregen oder lustig zu machen. Es wäre aber zu schön um wahr zu sein, man könnte denken, dass das alles ja übertrieben ist, weil so eine CD ja alle möglichen Unglaublichkeiten vereint. Das geht leider nur so lange bis man selber wieder mal mit der Bahn zu tun hat und schon der Kauf eines simplen Tickets in eine unglaublich komplizierte und teure Angelegenheit ausartet. Wenn man dann noch auf dem Bahngleis steht und der gebuchte Zug gar nicht oder mit eklatanter Verspätung fährt, bleibt einem wirklich nur noch der Humor.

Ich konnte wunderbar lachen mit dieser CD. Es ist aber nicht so, dass ein Gag den anderen jagt. Es hat auch eher informative Passagen drin und einige der Pointen hat man natürlich auch schon anderswo gehört. Die CD ist mit Bahntypischen Hintergrundgeräuschen untermalt. Die Sprecher wechseln sich ab, so dass es sich eher wie ein Hörspiel anhört.

Was ich schade finde ist, dass die Kapiteleinteilung nicht auf der Verpackung oder in einem Booklet steht, so dass man sich leichter einen Überblick verschaffen könnte, beziehungsweise einzelne Jokes leichter finden würde, wenn man sie jemandem vorspielen möchte, ohne die ganze CD zu hören. Bei einem Verkaufspreis von 14,99 € für 69 Minuten Unterhaltung müsste das schon möglich sein. Ansonsten ist das ein lockeres, lustiges Hörerlebnis, das bestimmt manchen Reisenden über seinen Ärger hinwegtrösten kann. Ich empfehle der Bahn, zusammen mit den Fahrgastrechteformularen auch gleich einen Gutschein für diese CD zu verteilen, damit die Wut der verschwitzen oder verfrorenen Reisenden schneller verraucht.

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