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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 12.03.2017
Schattenkrone / Royal Blood Bd.1
Herman, Eleanor

Schattenkrone / Royal Blood Bd.1


gut

Zwar ist viel über Alexander den Großen bekannt, jedoch nur relativ wenig über seine Jugend. Gerade deswegen fand ich die Idee sehr spannend, daraus ein Jugendbuch zu machen, das historische Fakten mit Mythen, Sagen und Magie verbindet! Fantasy ist im Genre Jugendbuch ein Dauerbrenner, aber historische Fantasy?

Und man merkt schnell, dass Eleanor Herman weiß, wovon sie spricht! Kein Wunder, denn sie ist Historikerin, hat schon mehrere historische Sachbücher geschrieben und im Fernsehen historische Dokumentationen moderiert. Auch für ihre Jugendbuchreihe über den jungen Alexander hat sie umfassend recherchiert und sogar in Begleitung eines Archäologen die Originalschauplätze besucht.

Für mich waren die Einblicke in Leben und Kultur der Zeit das wahre Highlight des Buches: Wie kleideten sich die Menschen in Makedonien im Jahr 340 v.Chr., was aßen sie, welche Feste feierten sie? Woran glaubten sie? Ich war oft überrascht, was damals tatsächlich alles schon bekannt war, was ich für wesentlich neuere Erfindungen gehalten hatte! Ein paar Dinge habe ich ungläubig im Internet ein wenig recherchiert und musste feststellen: tatsächlich, die Menschen kannten damals schon Kajalstift, eine Art von Beton und biologische Kriegsführung.

Die Mischung aus Fantasy und Geschichte fand ich sehr ansprechend und originell, aber leider konnte mich nicht alles in diesem Buch so mühelos überzeugen.

Die Geschichte wird aus nicht weniger als sieben Blickwinkeln erzählt. Dadurch, dass die Geschichte immer wieder zwischen den Charakteren hin- und herspringt, hatte ich nicht das Gefühl, sie wirklich gut und umfassend kennenzulernen. Die meisten blieben für mich bis zum Schluss eher flach, obwohl sie alle sehr viel Potential haben. Die Autorin erzählt mir zwar, was sie fühlen, zeigt es mir aber nur selten so, dass ich mitfühlen und mitleiden kann.

Natürlich kommt eine Geschichte für junge Leser(innen) nicht ohne Liebe aus - aber weil ich Probleme hatte, mit den Charakteren mitzufühlen, berührten mich auch die Liebesgeschichten nur selten. Außerdem kommt eine davon sehr überraschend, ohne dass die beiden Jugendlichen tatsächlich viel Zeit miteinander verbracht hätten!

Der Schreibstil hat seine großartigen und seine weniger großartigen Momente. Mal schafft es die Autorin, eine Szene mit ganz viel Atmosphäre so bunt und lebendig zu schildern, dass ich sie fast schon vor mir sehen kann, und dann findet sie auch wunderbare Worte. Dann gibt es wiederum Szenen, die mit extrem einfachen, kurzen Sätzen erzählt werden - und gerade in diesen Szenen habe ich mit der Erzählzeit gehadert, denn die Geschichte ist im Präsenz geschrieben, also der Gegenwartsform. Diese verträgt sich in meinen Augen nur schlecht mit dem historischen Hintergrund, und auch Namensabkürzungen wie "Roxie" wirkten auf mich zu modern.

Aber am meisten gestört habe ich mich leider daran, dass ich vieles nicht schlüssig oder glaubhaft fand. Wenn ein Charakter dringend in einen Raum muss, in dem etwas Geheimes aufbewahrt wird, dann ist das Gitter am Fenster eben locker. Oder zwei Wachen unterhalten sich in Hörweite lautstark und überdeutlich über wissenswerte Dinge und zeigen sich dann noch gegenseitig ohne ersichtlichen Grund die Geheimtür.

Auch die zeitlichen Abläufe fand ich öfter verwirrend. Dann hatte ich das Gefühl, eigentlich wären höchstens zwei oder drei Tage vergangen, aber dann stellt sich heraus, dass ein Charaktere eine große Strecke zurückgelegt hat oder etwas gelernt hat, was sich nicht in so kurzer Zeit lernen lässt.

Trotz aller Kritik hatte ich die Kapitel immer recht schnell durch, und manchmal fand ich die Geschichte durchaus spannend. Oft man es mir aber so vor, dass eine Szene im Grunde aus Sicht des falschen Charakters geschildert wird! Zum Beispiel sieht der Leser das große 'Blutturnier' nicht aus Sicht von Heph oder Jacob, die dabei mitkämpfen, sondern aus Sicht von Alexander, der das Turnier von der Zuschauertribüne aus verfolgt.

Bewertung vom 08.03.2017
Boy in the Park - Wem kannst du trauen?
Grayson, A. J.

Boy in the Park - Wem kannst du trauen?


ausgezeichnet

Ich bin verwirrt.

Im Rückblick finde ich den Klappentext mehr als ein bisschen irreführend. Manches stimmt schlicht und einfach nicht ganz (so tappt die Polizei zum Beispiel nicht im Dunkeln, sondern glaubt aus verständlichen Gründen gar nicht erst an ein Verbrechen), aber vor allem lässt der Text das Buch klingen wie einen typischen Psychothriller. Und in meinen Augen ist es kein typischer Psychothriller, weil es gar kein Psychothriller ist.

Womit ich allerdings nicht sagen möchte, dass es nicht spannend wäre, oder schlecht geschrieben, oder aus anderen Gründen nicht gut. Und wenn ich ehrlich bin, wüsste ich auch nicht, wie ich einen besseren Klappentext hätte schreiben sollen. Tatsächlich ist das Buch so ungewöhnlich und so schwierig in ein Genre einzuordnen, dass ich gar nicht recht weiß, wie ich es rezensieren soll, ohne schon zu viel zu verraten und damit die Wirkung zu schmälern.

Oh, Dilemma.

Der Verlag sagt auf seiner Webseite über dieses Buch: »Ein komplexer psychologischer Spannungs-Roman um Alptraum und Realität, dunkelste Erinnerungen und menschliche Abgründe.«

Und genau darauf muss man sich einlassen. Der Autor spielt mit den Erwartungen des Lesers - man kann sich nie darauf verlassen, dass die Dinge so sind, wie sie erscheinen, und man muss schnell feststellen, dass man auch Dylan nicht blind vertrauen kann. Denn der verliert selber immer mehr den Halt, weiß nicht mehr, was wahr ist und was Einbildung, was Gegenwart und was Erinnerung. Seine Erzählung wird außerdem immer wieder unterbrochen von Vernehmungsprotokollen eines Mörders, der offensichtlich schon komplett jeden Bezug zur Realität verloren hat.

Wie es dem Autor dennoch gelingt, aus zunehmend surrealen Bruchstücken eine in sich schlüssige Geschichte zusammenzusetzen, ist eine echte Meisterleistung. Durchgehend spannend, manchmal schockierend, oft poetisch, immer unglaublich originell. Das Ende hat mich durch und durch überrascht, und dennoch ist es im Rückblick vielleicht das einzig mögliche.

Ein Teil der Spannung entsteht natürlich aus Fragen, die man sich auch in einem typischen Thriller stellen würde: wo ist der Junge, wer hat ihn entführt, wird er sterben müssen...? Aber viel der Spannung entsteht auch daraus, dass man als Leser zunehmend verunsichert feststellt, dass diese Fragen nicht die entscheidenden sind, und auf die Auflösung hinfiebert. Das Ganze ist wie ein 368 Seiten währender Traum, der zunehmend zum Albtraum wird, und man will aufwachen - aber erst will man die Wahrheit erfahren.

Dylan begegnet dem Leser als harmloser, gutmütiger Mensch. Sein Job ist langweilig und wenig erfüllend, aber in der Mittagspause geht er in den Park und setzt sich auf seine Lieblingsbank an einem kleinen Teich. Jeden Tag um die gleiche Zeit tritt dort ein kleiner Junge aus dem Dickicht, steht eine Weile stumm am Ufer und verschwindet wieder.

Für Dylan ist es SEIN Park. SEINE Bank. SEIN Teich. SEIN Junge. Er sieht sich selbst als Dichter, obwohl er seine Gedichte nicht veröffentlicht oder überhaupt mal jemandem gezeigt hat. Er war mir direkt sympathisch, und obwohl ich mein Bild von ihm im Laufe des Buches immer wieder anpassen musste, habe ich doch immer mit ihm mitgefiebert und mit ihm mitgelitten. Ich hatte das Gefühl, sein Wesen bis ins Innerste zu begreifen und ihn gleichzeitig überhaupt nicht zu kennen. Auch das ist ein Kunststück.

Den Schreibstil fand ich phänomenal. Dylan, der selbsternannte Dichter, findet großartige Worte für seine Geschichte. Schöne, lyrische Worte für sein kleines Paradies und die Schönheit der Natur. Grausame, erschütternde Worte für die Gewalt und das Leid.

Wie gesagt, ich bin verwirrt - aber ich bin auch beeindruckt. Das Buch macht es dem Leser vielleicht nicht immer einfach, aber es lohnt sich.

Bewertung vom 04.03.2017
Alleine bist du nie
Mackintosh, Clare

Alleine bist du nie


sehr gut

Der größte Pluspunkt des Buches war für mich die originelle, clever konstruierte Geschichte. Sie beginnt zwar mit einer ganz normalen Frau, die nach einem ganz normalen Arbeitstag auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn ein Foto von sich selbst unter den Anzeigen für Sex-Hotlines entdeckt, aber dieser vermeintliche schlechte Scherz entwickelt sich schnell zu etwas viel Unglaublicherem, das die Leben vieler Frauen bedroht. Datenklau und der gläserne Mensch, Hacking, Stalking, eine Webseite, auf der eine perfide Dienstleistung angeboten wird... Natürlich gibt es schon Thriller, in denen ähnliche Themen aufgegriffen werden, aber diese werden hier auf eine Art und Weise kombiniert, die daraus in meinen Augen etwas erfrischend Unverbrauchtes machen.

Die Spannung entstand für mich hauptsächlich daraus, dass die Protagonistin Zoe im Laufe des Buches zunehmend paranoid wird und beginnt, jedem in ihrem Umfeld zu misstrauen. Sie blickt sich quasi ständig über die Schulter, fühlt sich verfolgt, hat Todesangst, und dieses Gefühl konstanter Bedrohung übertrug sich beim Lesen auf mich - obwohl es immer wieder lange Passagen gibt, in denen eigentlich gar nichts Konkretes, Greifbares passiert, aber das macht es für Zoe nur umso schlimmer, denn deswegen glaubt ihr keiner wirklich, dass sie nicht nur Gespenster sieht.

Wahrscheinlich ist es nicht der richtige Thriller für Lesende, die ihre Thriller hart und blutig mögen - meiner Meinung nach eher etwas für Fans von Paula Hawkins' "Girl on the Train" als für Fans von Richard Laymons "Der Käfig".

Die Auflösung fand ich stimmig und logisch schlüssig, allerdings gibt es ein paar Stellen, wo die Handlung nur durch einen Zufall oder auch eine uncharakteristische Nachlässigkeit des Täters vorangetrieben wird. Ich habe im Laufe des Buches mehrere Theorien aufgestellt, wer hinter all dem steckt, und am Ende lag ich dann halb richtig - aber auch halb total falsch. Insofern finde ich das Buch im Rückblick nicht vorhersehbar!

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt:

Einmal natürlich aus Sicht von Zoe, die gar nicht begreifen kann, wie ihr Leben auf einmal so aus dem Ruder laufen konnte. Sie will doch nur irgendwie in ihrem unbefriedigenden Job ausharren, um die Lebenskosten für ihre Familie bestreiten zu können, ihre beiden Kinder bei ihren ersten Schritten in der Erwachsenenwelt unterstützen und sich nach ihrer Scheidung ein neues Leben mit ihrem neuen Partner Simon aufbauen. Sie ist eine völlig normale 40-Jährige mit völlig normalen Wünschen und Hoffnungen, und manchmal wirkt sie dadurch ein wenig farblos, aber sie wuchs mir dennoch schnell ans Herz. Außerdem zeigt sie im Laufe des Buches dann auch, dass sie entschlossen und mutig sein kann!

Viel der Geschichte sehen wir auch aus Blickwinkel der jungen Polizistin Kelly, die nach einem schlimmen (aber verständlichen) Fehler degradiert wurde und jetzt versucht, sich wieder eine Karriere als aktive Ermittlerin zu erarbeiten. Ich mochte sie direkt sehr gerne, denn sie trifft manchmal zwar sehr unkluge Entscheidungen, aber immer aus dem Bauch heraus und aus den besten Motiven. Über sie würde ich tatsächlich gerne mehr in weiteren Büchern lesen! S

Wer außerdem noch ab und an zu Worte kommt, ist der Täter selber, und durch diese Worte gewinnt man stückchenweise mehr Einblicke, aber sie verraten nie zu viel, so dass die Neugier dadurch eher noch angeheizt wird.

Den Schreibstil fand ich sehr angenehm, er liest sich flüssig, wenn auch in einem für einen Thriller eher langsamen Tempo. Die Autorin gewährt viele Einblicke in das alltägliche Leben der Charaktere, und ich könnte mir vorstellen, dass auch das Lesern härterer Thriller vielleicht nicht so gut gefällt, aber mir hat es sehr gut gefallen.

Bewertung vom 25.02.2017
Der Nachtzirkus
Morgenstern, Erin

Der Nachtzirkus


ausgezeichnet

Der Nachtzirkus kommt ohne Vorwarnung. Jeder beliebige Ort auf der Welt. Jede beliebige Zeit. Auf einmal ist er einfach da, über Nacht, wo er gestern noch nicht war, mit seiner Vielzahl von Zelten, deren Inhalte dem Zuschauer erscheinen wie wahrgewordene Träume. Ein Garten aus Eis. Ein Wolkenlabyrinth. In Flaschen eingeschlossene Erinnerungen. Illusionisten und Wahrsager und Akrobaten, die zu fliegen scheinen.

Le Cirque des Rêves: der Zirkus der Träume. Er öffnet mit Einbruch der Dunkelheit und schließt beim ersten Licht. Ein paar Tage bleibt er, dann ist er eines Morgens plötzlich verschwunden, spurlos. 'Rêveurs' nennen sich die Menschen, die eine unbestimmte Sehnsucht dazu treibt, dem Zirkus zu folgen, wohin auch immer er geht - eine Gemeinschaft von Träumern.

Als ich heute Nacht das Buch zuschlug, konnte ich diese Sehnsucht gut nachempfinden, denn auch ich spürte sofort eine Art schmerzlichen Verlustes, dass ich die Welt des Nachtzirkus' auf immer verlassen sollte.

Ja, ich bin ein Rêveur.

Es gibt Bücher, die werden von einer komplexen Handlung voller unerwarteten Wendungen vorangetrieben, und die Spannung peitscht einen sozusagen durch die Seiten. Und dann gibt es Bücher wie dieses, in deren zauberhafte Atmosphäre man sich bedingungslos fallen lassen muss. "Der Nachtzirkus" ist in der Tat wie ein auf Papier gebannter Traum, in dem die Dinge nicht immer chronologisch verlaufen oder auf den ersten Blick Sinn ergeben, aber immer einen Hauch von Magie verströmen.

Die schiere Originalität hat mich umgehauen. Alles ist möglich, und der Leser entdeckt immer wieder Neues am Zirkus der Träume. Der Klappentext wird dem Buch wirklich nicht gerecht, obwohl ich es schwierig finden würde, einen besseren zu schreiben!

Ich konnte das Buch wirklich kaum weglegen, denn ich fühlte mich wie ein Kind, das das erste Mal einen Jahrmarkt besucht und es kaum erwarten kann, alle Stände zu besuchen und alle Süßigkeiten zu kosten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass das Buch nicht für jeden Leser 'funktioniert', daher würde ich eine Leseprobe empfehlen.

Die Charaktere fand ich wunderbar. Sie sind so vielfältig und zauberhaft wie der Zirkus selbst, und auch die Nebencharaktere werden mit liebevollen Details geschildert. Die Liebesgeschichte steht für einen Großteil des Buches weniger im Zentrum, als man nach dem Klappentext erwarten würde, aber sie ist dennoch wunderschön und unverzichtbar für die Geschehnisse. Besonders gegen Ende bekommt sie immer mehr Bedeutung.

Ich habe das Buch hauptsächlich auf englisch gelesen und auch das Hörbuch im Original gehört. Für meine Rezension habe ich dennoch ein paar Kapitel auf deutsch gelesen, um die Übersetzung beurteilen zu können, und ich muss sagen: die ist zwar durchaus gut, aber dennoch geht ein Teil des sprachlichen Zaubers verloren. Denn Erin Morgenstern hat wirklich eine ganz außergewöhnliche literarische 'Stimme', die manchmal so schön ist, dass ich einen Satz einfach mehrmals lesen musste, und es ist schwierig oder eher unmöglich, so etwas in der Übersetzung perfekt zu bewahren.

Das Hörbuch habe ich, wie gesagt, im englischen Original gehört und fand es einfach wunderbar. Jim Dale ist meiner Meinung nach die perfekte Stimme für diese Geschichte, denn er findet immer wieder neue stimmliche Nuancen für die verschiedenen Charaktere und vermittelt die Atmosphäre so großartig, dass sich ein echtes Gänsehaut-Gefühl einstellt. Normalerweise höre ich Hörbücher eigentlich nie mehrmals, aber dieses werde ich sicher irgendwann nochmal hören.

Fazit:
Das Buch lebt weniger von seiner Handlung als von seiner dichten, im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Atmosphäre. Ob man es liebt oder hasst, hängt sicher davon ab, inwieweit man sämtliche Erwartungen ablegen und sich einfach in die Geschichte fallenlassen kann, aber in meinen Augen lohnt es sich, wenn man es tut. Ich war voll und ganz verzaubert und bin unglaublich beeindruckt von der atemberaubenden Originalität.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2017
GoodDreams
Pietschmann, Claudia

GoodDreams


weniger gut

Die Grundidee fand ich sehr spannend und originell: in einer unbestimmten Zukunft gibt es eine große Energiekrise, die Arbeitslosigkeit steigt ins Unermessliche und die Menschen flüchten sich in Träume - allerdings nicht unbedingt in ihre eigenen. Denn nachdem Facebook pleite gegangen ist, hat sich eine andere Plattform zur neuen Nummer 1 der sozialen Medien emporgeschwungen: GoodDreams, wo man Videos seiner eigenen Träume hoch- und die Videos anderer Träumer herunterladen kann. Anleitungen zum Klarträumen und Traumrekorder zum Aufzeichnen der Träume machen das ganz leicht. Die Profiträumer kassieren sogar Geld und Lebensmittelgutscheine, wenn ihre Träume oft genug gelikt werden.

Leider hatte ich aber schnell den Eindruck, dass diese hochinteressante Idee auf eher schwachen Beinen steht, denn die Welt erschien mir nur oberflächlich durchdacht. Erdöl gibt es halt nicht mehr, weil die Araber und die Russen alles für sich selbst behalten, und Sonnen- und Windenergie funktionieren nicht mehr, weil das Klima unberechenbar geworden ist. Viel mehr Erklärung gibt es nicht, und das fand ich doch etwas dünn.

War es zum Beispiel ein schleichender Prozess, oder gab es irgendeine Art von Katastrophe? Mal klingt es so, als wäre es einfach eine unausweichliche Folge des fortschreitenden Klimawandels, aber dann wird zum Beispiel auch gesagt, dass Touristen in den Hotels von Okinawa gestrandet sind, weil die Flüge unbezahlbar wurden - und das hieße ja, dass es sehr überraschend passiert sein muss.

Außerdem fand ich die Auswirkungen dieser Energiekrise oft unlogisch. Einerseits hat kaum noch jemand Geld, um das Licht oder gar einen Kühlschrank einzuschalten, andererseits müssen die Menschen doch ständig im Internet hängen, wenn GoodDreams wirklich so eine wirtschaftliche Macht sein soll, wie es dargestellt wird. Es wird gesagt, dass einem technische Geräte hinterhergeschmissen werden, während Lebensmittel fast unbezahlbar sind, aber dennoch besitzen die meisten Menschen anscheinend entweder gar keinen eigenen Computer oder nur einen ziemlich abgewrackten.

Kurz gesagt, der Weltentwurf hat mich leider nicht überzeugt, und deswegen konnte ich mich auf die Geschichte nicht vollständig einlassen. Zwar kam zwischendurch durchaus Spannung auf und es war dann auch unterhaltsam, aber so richtig mitreißen konnte es mich nicht, weil es für mich nicht in sich stimmig war.

Auch die Charaktere haben zwiespältige Gefühle in mir hervorgerufen, obwohl ich sie alle im Grunde sehr vielversprechend und interessant fand.

Im Mittelpunkt steht Leah, die mit ihrem Zwillingsbruder Mika und ihrem todkranken Vater zusammenlebt. In den letzten Jahren hat Mika die kleine Familie als Profiträumer über Wasser gehalten, aber seit seine Freundin ihn verlassen hat, kann er nicht mehr schlafen und daher auch nicht mehr träumen. Leah hingegen hat mit dem Träumen schlechte Erfahrungen gemacht und will daher nicht versuchen, damit Geld zu verdienen.

Am Anfang kam sie mir naiv und selbstsüchtig vor, denn sie schiebt ihrem Bruder alle Verantwortung fürs Geldverdienen zu. Dass er auf sie oft sehr wütend wurde, konnte ich zunächst sogar nachvollziehen, später fand ich ihn unangebracht aggressiv. Leah macht im Laufe der Geschichte zwar eine große Wandlung durch und lernt, mehr Verantwortung zu übernehmen und sich mehr zuzutrauen, dies fand ich allerdings recht sprunghaft, und ähnlich erging es mir auch mit den anderen Charakteren. Ein hilfsbereiter Charakter kann plötzlich besitzergreifend und hinterlistig sein, um dann später wieder hilfsbereit zu werden, und das innerhalb weniger Tage.

Die Liebesgeschichte ging mir ein bisschen zu plötzlich, ich hatte nicht das Gefühl, dass die beiden sich überhaupt genug kannten, um tiefe Gefühle zu entwickeln. Außerdem fand ich schade, dass er sie immer wieder als hilfloses, schwaches, kindliches Mädchen sieht, das er beschützen muss!

Der Schreibstil ist eher einfach, liest sich aber locker und angenehm.

Bewertung vom 17.02.2017
Die Krone der Sterne Bd.1
Meyer, Kai

Die Krone der Sterne Bd.1


ausgezeichnet

In einer gelungenen, nahtlosen Mischung aus Science Fiction und Fantasy trifft hier das Futuristische auf das Märchenhafte: Raumgleiter, Blaster und Hyperraumsprungtore spielen genauso eine Rolle wie ein mächtiger Hexenorden, eine geheimnisvolle Gottkaiserin oder die uralten Kathedralen der Stille.

Kai Meyer schmeißt den Leser mitten hinein, ohne Netz und doppelten Boden, in eine komplexe, phänomenal originelle Welt, die ihresgleichen sucht. Da kann einem anfangs schon ein wenig der Kopf schwirren ob der vielen Namen und Begriffe, aber wenn man sich vertrauensvoll auf die Geschichte einlässt und dem Genre Science Fiction zumindest ein bisschen abgewinnen kann, gibt sich das schwindelerregende Gefühl des freien Falls meines Erachtens auch schnell wieder.

Mir persönlich gefällt es sehr gut, wenn ein Autor nicht alles zu Tode erklärt, ich aber dennoch das Gefühl habe, dass er jedes noch so kleinste Detail seiner Welt durchdacht hat, und das ist hier definitiv der Fall! Alles erschien mir lückenlos konstruiert und logisch schlüssig.

Spannend fand die Geschichte von der ersten Seite an, denn sie legt direkt ein mörderisches Tempo vor, das im Laufe des Buches auch kaum mal runterbremst. Action gibt es wirklich mehr als genug, mit halsbrecherischen Verfolgungsjagden und wagemutigen Manövern! Gelegentlich wurde mir das fast ein bisschen zuviel, und dann hätte ich mir statt der nächsten wilden Flucht zum Beispiel ein paar Informationen zum Pilgerkorridor oder dem Kult der Stille gewünscht... Aber dann kehrt doch immer mal wieder eine kurze Ruhepause ein und es kommen Dinge zur Sprache, die man als Leser wissen muss oder möchte.

Die Charaktere fand ich großartig, gerade weil sie alle keine strahlenden Helden sind, sondern Ecken und Kanten haben und auch mal selbstsüchtige, fragwürdige Dinge tun - oder umgekehrt etwas Heldenhaftes, obwohl man sie bislang für Feiglinge oder Schurken gehalten hat.

Im Mittelpunkt steht die junge Baronessa Iniza, die als Braut der Gottkaiserin auserwählt wurde, aber nicht die geringste Lust hat, sich diesem wenig schönen Schicksal zu ergeben. Da sie keine typische Jungfrau in Nöten ist, wartet sie nicht einfach brav auf Rettung, sondern packt die Dinge lieber selbst an. Sie ist mutig, entschlossen, kann anscheinend auch in Stresssituationen schnell und überlegt handeln und hat eine Menge Stolz.

Ihr Geliebter Glanis ist deutlich ruhiger und steht mehr im Hintergrund, obwohl er durchaus wichtige und hilfreiche Fähigkeiten hat. Neben der lebendigen Iniza wirkt er manchmal fast etwas farblos; er will sie zwar beschützen, vertraut ihr aber auch und lässt sie vieles selber erledigen. Ich fand es erfrischend, in einem Buch mal ein Pärchen zu sehen, wo ganz ohne Zweifel sie bestimmt, wo es langgeht, und nicht er.

Für mich sind jedoch Waffenmeister Kranit und Alleshändlerin Shara Bitterstern die wahren Stars des Buches, denn die sind zwiespältige und gerade dadurch interessante Charaktere.

Kranit ist der letzte Waffenmeister von Amun, ein legendärer Kämpfer, der seine besten Tage vielleicht schon hinter sich hat. Viele der Mythen, die seine Person umranken, sind ohnehin übertrieben, aber er ist dennoch immer noch ein überragender Kämpfer und Schütze.

Shara ist impulsiv und unbeherrscht, und das Töten geht ihr bestürzend leicht von der Hand, auch wenn sie ihre eigenen Situation damit nur noch viel schlechter macht. Aber sie hat auch Schreckliches erlebt, was vielleicht nicht aller entschuldigt, aber vieles erklärt.

Es gibt auch noch andere tolle Charaktere, aber das würde den Rahmen der Rezension sprengen...

Der Schreibstil gefiel mir hervorragend, ich fand die Bilder und Metaphern sehr gelungen. Das meiste konnte ich mir wunderbar vorstellen, und ansonsten war ich dankbar für die detailgetreuen Illustrationen. Der Humor sprach mich auch sehr an - bei den bösen Sprüchen, die sich die Charaktere um die Ohren hauen, musste ich mehr als einmal grinsen.

Bewertung vom 15.02.2017
Saeculum
Poznanski, Ursula

Saeculum


sehr gut

Ein harmloses Rollenspiel sollte es werden: ein paar Tage im einsamen Wald, mal leben wie im Mittelalter, Schwertkämpfe und spannende Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. Kein moderner Kram wie Zahnpasta oder Handys. Aber es dauert nicht lange, bis das Spiel immer mehr zum Albtraum wird - der Fluch aus einer uralten Sage scheint sich nach und nach zu erfüllen. Gräber öffnen sich, des Nachts hören die Jugendlichen furchtbare Schreie, Mitspieler werden verletzt...

Als Leser fragt man sich dabei natürlich die ganze Zeit: gibt es diesen Fluch wirklich; ist es der Geist von Tristram, der umgeht und Opfer fordert? Oder steckt doch ein Mensch hinter dem perfiden Spiel? Die Autorin hat es geschafft, dass ich mal von dem einen, mal von dem anderen überzeugt war.

Erst nach etwa 350 Seiten hatte ich einen Geistesblitz und habe einen Teil der Auflösung erraten, vieles hat mich am Ende aber dann doch noch überrascht - denn da kapiert man erst, wie komplex das Ganze eigentlich ist, und dass unzählige kleine Details und Andeutungen, über die man vielleicht einfach drübergelesen oder ihnen keine größere Bedeutung beigemessen hat, tatsächlich ein Teil dieses Puzzles sind.

Ich fand die Geschichte von vorne bis hinten unheimlich spannend, denn man fragt sich ständig: was kommt als nächstes? Gegen Ende zieht Ursula Poznansik die Daumenschrauben dann noch mal kräftig an!

Allerdings sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass "Saeculum" ein Jugendthriller ist, der für Leser ab 14 Jahren gedacht ist. Obwohl die Geschichte nicht ohne Blutvergießen abläuft, ist sie wohl nichts für Fans von Hardcore-Thrillern

Originell fand ich auch, dass das Buch in einer eigentlich sehr friedlichen Szene angesiedelt ist, nämlich der der Mittelalter-Liverollenspieler. Wer's nicht kennt: man kleidet sich in mittelalterliche Kleidung, trifft sich mit Gleichgesinnten und schlüpft für die Dauer des Spiels in die Rolle eines Menschen, wie er im Mittelalter gelebt haben könnte. Zwar gibt es auch Schaukämpfe, aber die sind halt wirklich nur Schau und sollten allerhöchstens blaue Flecken hervorrufen. Die Autorin hat sich scheinbar wirklich gut und weitreichend informiert, so dass man einen kleinen Blick in diese Welt werfen kann.

Die Charaktere fand ich wunderbar geschrieben. Ein paar davon bleiben eher am Rand, aber die meisten werden lebendig und vielschichtig geschildert, mit all ihren Marotten und Schrullen. Da gibt es zum Beispiel das kugelrunde 'Steinchen', auch bekannt als 'Kuno vom Fass', der sich als witzig, gutmütig und loyal herausstellt, die wunderschöne Lisbeth, die sich im Spiel 'Geruscha' nennt und ihre Schönheit manchmal eher als Fluch denn als Segen sieht, oder Harfenspielerin Iris, die schon vor irgendetwas Angst zu haben scheint, bevor die ersten Dinge schiefgehen.

Im Mittelpunkt steht Bastian, alias 'Tomen Sehnenschneider', der so etwas noch nie mitgemacht hat und eigentlich nur da ist, um die Rollenspielerin Sandra zu beeindrucken. Denn eigentlich ist er fleißiger Medizinstudent und versucht, es seinem herrischen Vater und dessen unmöglich hohen Ansprüchen recht zu machen. Bastian war mir sehr sympathisch, und mir hat gut gefallen, wie er sich im Laufe des Buches weiterentwickelt und seine eigenen Stärken und Schwächen kennenlernt.

Unter den Jugendlichen gibt es auch ein paar Pärchen, und Bastian macht sich ja Hoffnungen auf seine Sandra - aber die Liebesgeschichten entwickeln sich nicht unbedingt immer so, wie man es am Anfang erwarten würde, und zu kitschig wird es in meinen Augen auch nie.

Am Schreibstil merkt man schon ein bisschen, dass es ein Jugendbuch ist, denn der ist eher einfach, aber er hat mir dennoch sehr gut gefallen. Er liest sich locker und bringt Stimmungen und Emotionen großartig rüber.

Bewertung vom 11.02.2017
Die Feuerprobe / Wildhexe Bd.1
Kaaberbøl, Lene

Die Feuerprobe / Wildhexe Bd.1


sehr gut

Lene Kaaberbøl erzählt eine wunderbar fantasievolle Geschichte für kleine Leser und Leserinnen ab 11 Jahren, und sicher auch den ein oder anderen älteren Bücherwurm. (Denn gute Kinderbücher sind doch alterslos!)

Man begegnet guten Wildhexen, der bösen Hexe Chimära, jede Menge großen und kleinen Tieren... Und der 12-jährigen Clara, die sich manchmal ganz schwach und dumm vorkommt und sich deshalb nur wenig zutraut. Deswegen fühlt sie sich auch mehr als ein bisschen überfordert, als ein riesiger schwarzer Kater sie eines Morgens aus heiterem Himmel anfällt und das irgendwie dazu führt, dass ihre Mutter und ihre Tante ihr eröffnen, sie sei eine Wildhexe, die mit Tieren sprechen und auf den Wilden Wegen wandern kann. Als wäre das noch nicht genug, hat es auch noch die grausame Chimära auf sie abgesehen!

In die Geschichte sind viele kindgerechte Themen verpackt, denn Clara muss nicht nur lernen, ihren Wildsinn zu beherrschen, sondern auch, sich mehr zuzutrauen und sich mit einer Rivalin zu versöhnen. Denn, so muss Clara feststellen, manchmal sind Leute fies zu einem, weil sie selber vor etwas Angst haben.

Aber das Buch kommt jetzt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher, sondern ist immer einfallsreich, magisch und superspannend! Clara ist ein liebenswertes Mädchen, mit dem Kinder bestimmt richtig gut mitfiebern können. Ansonsten lernt man vor allem ihre Tante Isa kennen, die irgendwo im Nirgendwo lebt, immer ein paar verletzte oder kranke Tiere im Haus hat, die sie aufpäppelt, und sich gut mit Kräutern und Magie auskennt. Dann gibt es noch Kahla, die etwa in Claras Alter ist und gerade bei Tante Isa in die Hexenlehre geht, und sie ist erst ziemlich gemein. Aber man merkt, dass Kahla eben auch unsicher ist, weil da jetzt plötzlich noch ein anderes Lehrmädchen ist, das Isas Aufmerksamkeit beansprucht.

Der Schreibstil liest sich einfach und flüssig, hat aber dennoch auch tolle Beschreibungen, wie die Dinge aussehen, klingen, riechen oder schmecken, so dass man sich immer lebendig vorstellen kann, was gerade passiert.

Fazit:
"Die Feuerprobe" ist ein schöner Auftakt für eine Fantasyreihe für junge Leserinnen. Die Geschichte ist spannend und fantasievoll, und die 12-jährige Heldin lernt ganz viel fürs Leben, ohne dass es langweilig wird. Mit 192 Seiten ist das Buch auch für kleinere Leseratten gut zu schaffen und eignet sich sicher auf gut zum Vorlesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.