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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

Bewertungen

Insgesamt 333 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2022
Von Frauen und Salz
Garcia, Gabriela

Von Frauen und Salz


sehr gut

Von Frauen und Salz
Gabriela Garcia

Fünf Generationen von Frauen, fünf Lebensgeschichten aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.
Frauen mit kubanischen und el salvadorianischen Migrationshintergrund, deren Traum es ist, in den USA zu leben - der sich jedoch nicht immer erfüllt.
Hauptprotagonistin ist die letzte Frau der fünf Generationen: Jeanette, die es, so könnte man meinen, am leichtesten hat, denn sie lebt mit ihrer Mutter und dem Arzt-Vater in Miami, USA.
Doch gerade sie hat Drogenprobleme und ihr Leben hängt an einem seidenen Faden ...

Gabriela Garcia lässt ihre starken Frauen abwechselnd, nicht chronologisch, in längeren Kapiteln, zu Worte kommen. Es geht um Freiheit, Widerstand und Hoffnung auf ein besseres Leben.
Nicht alle Geschichten konnten mich fesseln, aber die, die es konnten, gehen ans Herz.
Es sind die Feinheiten, die Geschichten zwischen den Zeilen, die das Buch ausmachen.
Ein gutes Debüt, dem ich eine grosse Leserschaft wünsche.
4/ 5

Aus dem Amerikanischen von Anette Grube.

Bewertung vom 29.11.2022
Frau mit Messer
Byeong-mo, Gu

Frau mit Messer


ausgezeichnet

Skurril, aber richtig gut!
Könnt ihr euch ein Buch vorstellen, dass eine Mischung aus dem Donnerstagmordclub und Kill Bill ist? Wo allerdings nicht Tarantino das Drehbuch geschrieben hat, sondern Murakami?
Ich meine einen etwas skurrilen Kill Bill, wo Uma Thurman bereis 65 Jahre alt ist?
Hier ist es:

FRAU MIT MESSER
Gu Byeong-Mo

Südkorea: Die 65-jährige Hornclaw ist Auftragskillerin. Eine betagte Auftragskillerin, die täglich damit rechnet, in Rente geschickt zu werden.
Eigentlich, wenn sie es zugeben würde, merkt sie selber, dass sie "in die Jahre gekommen ist": Ihre Kräfte lassen nach und es fällt ihr immer schwerer die Aufträge präzise auszuführen. Dabei war sie ihr Leben lang eine „Schädlingsbekämpferin" - nie hat sie etwas anderes gemacht, Gefühle und Mitleid waren ihr Fremdwörter. Doch zum Alter hin, ertappt sie sich immer öfter dabei, wie sie Gefühle für andere hat. Was ihr im Alter allerdings zugutekommt, ist ihr unauffälliges Aussehen. Wer würde schon denken, dass hinter der kleinen Frau mit merkwürdigem Hut und Mantel eine professionelle Killerin steckt?
Zusammengefasst ist sie zufrieden mit ihrem Leben, wenn da nicht ihr jüngerer Kollege Bullfight wäre, der sie unaufhörlich schikaniert und es darauf abgesehen hat, sie zu Fall zu bringen. Seit neuestem mischt er sich sogar in ihre Fälle ein! Warum er sie mit so wenig Respekt behandelt, ist ihr ein Rätsel. (Wenn Hornclaw ein paar Morde weniger ausgeführt hätte, würde sie sich vielleicht noch an den kleinen Jungen erinnern, der sie einmal bei der Ausführung eines Mordes beobachtete …)

Immer wieder gibt es Rückblicke in die Vergangenheit der Protagonisten. Durch diese Rückblicke fallen die einzelnen Puzzleteile ins Ganze.

Byeong-Mo hat einen Roman geschrieben, der sich in keine Schublade stecken lässt. Skurril, spannend, liebevoll und traurig.
Ein Buch, das ich in nur 2 Tagen gerne gelesen habe, sicherlich aber nicht für die breite Masse ist. Für alle, die Murakami oder asiatische Literatur mögen, wird dieses Buch ein Fest sein.
4½ /5

Bewertung vom 26.11.2022
Unser geteilter Sommer
Hardach, Sophie

Unser geteilter Sommer


ausgezeichnet

„Oma, können wir Mama mal besuchen?“
„Das geht leider nicht, mein Schatz, aber sie kommt ganz bald zurück.“
„Wie bald ist ganz bald?“
„Das weiß ich nicht.“
„In einem Monat?“
Ein Monat schien unerträglich weit entfernt. Ich hatte das nur aus Provokation gesagt, damit sie antwortete: Natürlich früher!
Aber sie sah mich traurig an uns schüttelte den Kopf und sagte, nein, in einem Monat bestimmt noch nicht. (S. 232)

Unser geteilter Sommer
Sophie Hardach

1987, Ostberlin: Die 8-jährige Ella wohnt mit ihren zwei jüngeren Brüdern, ihren Grosseltern und ihren Eltern, die beide Kunsthistoriker sind, in der innerdeutschen Grenze Berlins.
Während die Grosseltern linientreu sind, bewegt sich Mutter Regine als Freigeist in der Künstlerszene.
Ella ist ein glückliches Kind. Sie liebt die langen Sommerabende mit Pfannkuchen und freut sich auf ihre bevorstehende Jugendweihe.
Ihr Leben verändert sich schlagartig, als die Eltern den vorgetäuschten Familien-Ungarn-Urlaub nutzen, um über die grüne Grenze nach Österreich zu fliehen.

2020, London: Jahre nach dem Tod von Ellas Mutter taucht ein zusammengefalteter alter Brief in einem Buchnachlass der Mutter auf. Der Brief besagt, dass weitere Dokumente zur Ansicht in einer Stasiakte bereit lägen. War das der Grund warum ihre Mutter damals noch einmal Deutschland besuchte? Ella lässt dieser Gedanke keine Ruhe und begibt sich nach Berlin, zur Aktensichtung und auf die Suche ihres jüngsten Bruders Heiko, der seit der verheerenden und gescheiterten Flucht verschwunden ist.

Sophie Hardach hat hier ein wunderbares Buch geschrieben. Ein Stück Zeitgeschichte, das so schmerzlich liebevoll geschrieben ist, dass ich das Buch förmlich inhalieren musste.
Ein Buch, das Fragen aufwarf, die ich mir zuvor im Leben nie gestellt habe.
Am Ende hätte ich mir gewünscht, dass dieses Buch eine biografische Geschichte wäre, doch ganz sicher gab es viele ähnlich traurige Familienschicksale wie diese.

Eine grosse Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 24.11.2022
Ein Duo für alle Felle (eBook, ePUB)
Grob, Patricia

Ein Duo für alle Felle (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Duo für alle Felle
Patricia Grob

Hier kommt ein Cosy Crime aus dem Züricher Oberland:

Das ruhige Leben des Pensionärs Paul wird durcheinandergebracht als seine Enkel ihm einen Beagle schenken. So richtig weiß er nicht was er mit dem Hund anfangen soll, selbst einen passenden Namen will ihm partout nicht einfallen.
Unterdessen werden im Seniorenheim, dort wo seine langjährige Lebensgefährtin Louisa jetzt lebt, drei Senioren tot aufgefunden. Als kurz darauf auch noch Louisa selbst spurlos verschwindet, machen sich Paul und „Hund“ auf die Suche nach ihr. Gut, dass er da auf langjährige Berufserfahrung zurückgreifen kann...

Wer jetzt eine langweilige Geschichte vermutet, den muss ich enttäuschen, denn der Cosy Krimi hat es in sich.
Was als humorvolle Geschichte beginnt, wird schnell zum spannenden Krimi, der sogar einige Actionszenen bereit hält.
Der Krimi ist alles andere als vorhersehbar, ständig schlug die Handlung Haken. Der lockere und leichte Schreibstil der Autorin macht es uns allerdings leicht der etwas skurrilen Handlung zu folgen.
Lediglich der Plot konnte mich am Ende nicht ganz überzeugen.

Leseempfehlung für alle, die den Donnerstagmordclub lieben, die gerne cosy Crime lesen oder Krimis mögen, wo Fellnasen mit von der Partie sind!

Bewertung vom 20.11.2022
Der Anfang von morgen
Liljestrand, Jens

Der Anfang von morgen


sehr gut

Wichtiges Thema

Der Anfang von Morgen
Jens Liljestrand

Schweden, nach der Pandemie: Der Urlaub von Didrek von der Esch und seiner Familie nimmt ein vorzeitiges Ende, als ein Waldbrand in der Nähe seines Ferienhauses ausser Kontrolle gerät.
Andere Nachbarn hatten sich bereits einen Tag zuvor in Sicherheit gebracht, doch Didrek hatte auf eine Löschung des Feuers seitens der Behörden gehofft.

Seine eigene Evakuierung läuft total aus dem Ruder: Die Batterie seines E-Autos ist leer und das Auto springt nicht an. Zu Fuss macht sich die 5-köpfige Familie auf den 15 Km langen Marsch in die nächste Stadt, doch als sie dort ankommen, ist der letzte Evakuierungs-Bus bereits abgefahren und der Ort menschenleer.
Das Feuer kommt immer Näher, der Rauch macht das Sehen und Atmen unmöglich und als ein Auto neben ihnen anhält, geben sie der Familie im Auto ihren verletzten Sohn mit. Viel zu spät realisieren sie, dass sie weder den Namen der Familie kennen, noch deren Autonummer haben.
Während Didrek noch verzweifelt versucht seine Familie in Sicherheit zu bringen, beginnen die ersten Plünderungen in Stockholm. Stromausfälle, Trinkwassermangel, fehlende Hilfskräfte, Medikamente und Lebensmittel tun ihr übriges.

Jens Liljestrand lässt in seinem Klima-Thriller vier Personen in langen Kapiteln zu Wort kommen:
Vater Didrek, Didreks Ex-Geliebte Melissa, André, Sohn eines ehemaligen Tennisprofis und Didriks Tochter Vilja.
Die Erzählstränge sind miteinander verwoben, Zeiträume überschneiden sich, stehen aber nicht im direkten Zusammenhang zueinander.

Der Autor will in seinem dystopischen Szenario auf den Klimawandel verweisen. Für mich hat er das im ersten Kapitel perfekt umgesetzt. Die Spannung ist hoch und ich kann das Buch gar nicht zur Seite legen. Mit der zweiten Erzählerin geht die Spannung ein wenig verloren, kann mich aber dennoch fesseln. Leider passt dann der Sohn des Tennisspielers im dritten Teil kaum noch zu Didreks Geschichte - besser hätte man hier Didreks Frau sprechen lassen. Den letzten Teil, den die Tochter erzählt, fand ich wieder gut.
Insgesamt ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe und dem ich, alleine seines wichtigen Themas wegen, eine grosse Leserschaft wünsche.
4- / 5

Bewertung vom 12.11.2022
Als die Welt zerbrach
Boyne, John

Als die Welt zerbrach


ausgezeichnet

Gelungene Fortsetzung

Kennt ihr noch das Buch DER JUNGE IM GESTREIFTEN PIJAMA? Nein? Dann hier die Kurzfassung:
1943: Der 9-jährige Bruno, Sohn des SS Hauptmanns und Kommandant im KZ Auschwitz, lernt den kleinen Jungen Schmuel kennen, der Insasse und hinter dem Zaun in einem „gestreiften Pyjama“ lebt. Eines Tages möchte er Schmuel helfen seinen Vater zu finden, denn dieser ist auf einmal nicht mehr im „Ferienlager“ auffindbar. Bruno klettert unter den Zaun durch und zieht sich, um weniger im Lager aufzufallen, einen „gestreiften Pyjama" an und kommt nie zurück.

Hier kommt die Fortsetzung:

Als die Welt zerbrach
John Boyne

Dieser Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt:

- Die Mit-Neunzigerin Gretel Fernsby wohnt in Mayfair, London. Sie ist eine wohlhabende Dame, die ihre Ruhe schätzt. Über ihre Vergangenheit oder darüber, das sie deutsche Abstammung ist, schweigt sie sich aus. Der Tod ihres Bruders, der bereits viele Jahre her ist, belastet sie noch immer. Seinen Namen spricht sie nie aus.
Eines Tages wird ihre Ruhe gestört: Im Parterre, direkt unter ihrer Wohnung, zieht eine neue Familie ein. Schnell merkt sie, dass der 7-jährige Sohn Henry viel zu oft Blessuren am Körper hat. Als Gretel seinem Vater mit einer Anzeige beim Jugendamt droht, entlarvt dieser Gretel als Tochter eines hochrangigen Nazis.
In diesem Erzählstrang erzählt Gretel immer wieder in kleinen Rückblicken aus ihrem früheren Leben.

- Die junge 14-Jährige Gretel, versucht gemeinsam mit ihrer Mutter nach Kriegsende aus Deutschland zu fliehen. Sie sind auf der Flucht vor Nazijägern, vor Leuten, die immer wieder ihren deutschen Akzent erkennen und sie anfeinden. So richtig heimisch werden sie nirgendwo. Als ihre Mutter sich das Leben nimmt versucht sie einen Neuanfang in Australien.


Der eindrückliche Schreibstil Boynes setzt Kopfkino frei. Unglaublich, wie er es schafft, so viele Emotionen in mir freizusetzen. In der einen Minute mochte ich die alte Gretel, habe ihren trockenen Humor geliebt, und in der nächsten verachte ich sie für ihre Feigheit.
Doch kann man überhaupt einer 12-Jährigen Schuld geben?
Lest dieses Buch und entscheidet selbst.

Fazit:
Ein emotionaler Roman, eine gute Fortsetzung, der dem ersten Teil in nichts nachsteht. Grosse Leseempfehlung von mir!
5 /5

Bewertung vom 10.11.2022
Leuchtfeuer / Waldfriede-Saga Bd.2
Bomann, Corina

Leuchtfeuer / Waldfriede-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Spannend!

Leuchtfeuer - Die Schwestern vom Waldfriede
Corina Bomann

Auch in dem 2. Teil der Waldfriede-Saga stehen die Krankenschwestern und das Leben im Krankenhaus im Vordergrund.

1930: Deutschland leidet unter den hohen Reparationszahlungen an die Alliierten. Arbeitslosigkeit und Hunger bestimmen das Leben der Deutschen. Dieses Leid geht auch am Krankenhaus Waldfriede nicht vorbei, denn immer weniger Patienten können sich eine Behandlung leisten.

Unsere Hauptprotagonistin Schwester Lilly arbeitet mit Professor Kirsch in der Kinder-Tuberkulose Abteilung des Krankenhauses. Die junge Lilly, die ihr Zuhause bereits mit 15 Jahren verlassen hat, verliebt sich in den Professor, doch dieser ist jüdischer Abstammung und die politische Situation in Deutschland kommt ihrer Liebe nicht entgegen. Lilly hat zusätzlich noch ein Geheimnis. Wird die Liebe solche Hindernisse überstehen?
Dr. Conradi, der gesundheitlich sehr angeschlagen ist, versucht die Schliessung seines Krankenhauses abzuwenden. Schwester Hanna, die wir als Hauptprotagonistin aus dem ersten Band kennen, steht an seiner Seite.

Corina Bomann hat es wieder geschafft: 600 Seiten lesen sich wie eine spannende Kurzgeschichte. Sie verwebt gekonnt historische Fakten mit ihren fiktiven Personen.
Besonders gut hat sie auch die unterschiedlichen politischen Meinungen der Einzelnen hervorgehoben, dies macht das Buch sehr realistisch.

Fazit:
Ein wahrer Pageturner, der mir noch besser gefiel als sein Vorgänger. Jetzt freue mich auf den 3. Band.
5/ 5

Bewertung vom 05.11.2022
Was auf das Ende folgt
Whitaker, Chris

Was auf das Ende folgt


ausgezeichnet

Spannend bis zum Ende

Von hier bis zum Anfang war in diesem Jahr eines meiner absoluten Highlights.
Erst im Anschluss wurde Whitakers Debütroman, der bei mir schon viel zu lange auf meinem SUB dümpelte, ins Deutsche übersetzt.

Hier ist er:

Was auf das Ende folgt
Chris Whitaker

In der Kleinstadt Namens Tall Oakes passiert nicht viel. Doch eines Tages wird der kleine 3-jährige Harry in der Nacht entführt. Seine Mutter Jess gibt an, einen Clown über die Bewachungskamera gesehen zu haben. Richtig deutliche Spuren hat der Täter nicht hinterlassen, man findet lediglich ein grünes Haar, das zu einer Clownsperücke passen könnte. Das ganze Dorf ist in Alarmbereitschaft, doch Harry bleibt verschwunden.

Auch drei Monate später gibt es nichts Neues im Fall Harry.
Jess ersäuft ihren Frust, treibt sich nächtelang herum und auch ihr Noch-Ehemann Michael, der sie bereits vor dem Verschwinden Harrys verlassen hatte, kümmert sich nicht um sie. Lediglich Jim, der Polizist, schaut regelmässig bei ihr vorbei und bleibt an dem Fall dran.

Der Autor nimmt uns mit, in die Kleinstadt Tall Oaks und wir lernen nach und nach seine Bewohner mit ihren Eigenarten kennen.
- Jerry, der 250 Pfund auf die Waage bringt und mit 35 Jahren noch immer bei seiner Mutter lebt.
- Manny, der mit seinem Freund Abe einen auf „Gangster“ macht und Schutzgeld von ansässigen Geschäften erpressen möchte.
- Henrietta, die noch immer um ihren Sohn trauert, der kurz nach der Geburt starb. Von ihrem Mann Roger fühlt sie sich so gar nicht verstanden.
- Elena, die sich in den dubiosen Autoverkäufer Jared verliebt.

Der Einstieg ins Buch fiel mir nicht leicht. Jerry, Jim, Jared, Jess, das waren zu viele J’s für mich, aber als ich mich dann eingelesen hatte, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen.
Wahnsinnig spannend bis zum Schluss, aber nicht nur das - über Manny musste ich des öfteren laut lachen. Alles zusammen ein sehr kurzweiliger Krimi.

Für mich ist Chris Whitaker die Neuentdeckung des Jahres und ich freue mich auf weitere spannende Geschichten von ihm.
4½ /5

Bewertung vom 31.10.2022
Solothurn blickt in den Abgrund
Gasser, Christof

Solothurn blickt in den Abgrund


ausgezeichnet

Spannend und hochaktuell

Das Büro der Frauenrechtsorganisation in Olten wird von einem maskierten Mann überfallen und in Brand gesetzt. Die Aktivistin Anastasia Tomaso wird dabei schwer verletzt.
Staatsanwältin Casagrande und Polizeihauptmann Dominik Dornach aus Solothurn nehmen die Ermittlungen auf. Alle Indizien weisen auf die rechtsradikale Szene hin, diese steht ausserdem in Verdacht Briefkastenbomben bei grünen und liberalen Politiker:innen gelegt zu haben.

Parallel verschwindet die Syrerin Rana Midi, eine Freundin von Dornbachs Tochter Pia. Als eine fast verbrannte Akte aus der gebrantschatzten Frauenrechtsorganisation mit dem Foto von Rana Midi auftaucht, staunen die Ermittler nicht schlecht, als unter dem Bild nicht der Name Midis steht, sondern ein anderer.

Schnell merken die Ermittler, dass der Kreis der von Involvierten viel grösser ist als angenommen - eine ausländische Botschaft, Wirtschaftsgrössen und Politiker sind in die Affäre verstrickt.

Christof Gasser hat hier einen brisanten Politthriller geschrieben.
Von Beginn an, direkt beim Epilog, konnte mich die Geschichte einfangen. Der Autor wechselt zwischen den einzelnen Schauplätzen so gekonnt hin und her, dass der Spannungsbogen keine Zeit hatte, abzureissen. Mühelos verwebt er Fakten mit einer fiktiven Geschichte und greift zu hochaktuellen Themen wie Rassismus, rechtes Denken, Hass gegen Frauen und Wirtschaftskriminalität. Dabei geht der Schweizer Autor selbst, mit seinem eigenem Land, nicht zimperlich vor und wirft ihm Handel mit Kriegsverbrechern vor.
„Es ist leider so, dass es in deinem Land hochgestellte Persönlichkeiten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gibt, die gern in der Öffentlichkeit mit Autokraten und Kriegsverbrechern schmusen, solange es ihren Zielen entgegenkommt und sie dabei gut verdienen. Das steht im Widerspruch zum Hochglanzimage, das die offizielle Schweiz sich gern selbst gibt, meinst du nicht?“ (S.320)

Es ist bereits mein vierter Roman von Christof Gasser. Auch wenn man noch keinen „Dornbach“ gelesen hat, kann man bei diesem Band mühelos einsteigen.
Besonders gut gefällt mir der Schweizer Akzent. Bedingt durch meine Arbeit in der Schweizer Schule Bangkok, höre ich in meinem Kopf eine Schweizer Stimme sprechen. Für diejenigen, die nicht an die Schweizer Wörter gewöhnt sind, steht ein Glossar hinten im Buch zur Verfügung.

Fazit:
Ein Krimi der feinsten Sorte, ohne den überflüssigen Axtmörder - ganz nach meinem Geschmack. Grosse Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.10.2022
Zur See
Hansen, Dörte

Zur See


ausgezeichnet

Eine kleine Insel in der Nordsee. Es könnte jede sein - mal ist sie grösser, mal kleiner - je nach Wellenschlag. Generationen von Seefahrern hat sie hervorgebracht. Hochseefahrt, nicht nur Fischer.
Man kennt sich untereinander, seit Generationen, die Insulaner.

Im Mittelpunkt steht die Familie Sander, die hinter dem Zaun aus Walknochen wohnt.
Hanne, die Mutter, die Stunden damit zugebracht hat, wartend im Auto zu sitzen, um ihren Mann Sven abzuholen, der wochenlang zur See fuhr.
Sven, der die Seefahrt irgendwann aufgab, um lieber Vögel zu beobachten, der es nicht mochte, wenn Pensionsgäste mit Schlappen durch seine Küche schlurften und sich halbnackt an seinen Tisch setzten und er deshalb in die Hütte zog.
Der älteste Sohn Ryckmer, der ständig besoffen zur See fuhr und deshalb rausgeschmissen wurde und seitdem noch mehr säuft.
Tochter Eske, die im Pflegeheim arbeitet, von oben bis unten tätowiert ist und damals am Hafen gegen Touristen protestierte.
Und dann ist da noch Henrik, der jüngste Sohn, der mit sich im Reinen ist. Künstler wird er genannt, da er aus angespültem Treibholz Figuren zimmert. Schuhe hat er in seinem Leben noch nie getragen.

Aber es geht nicht nur um diese Familie, alle Geschichten werden erzählt: Die, des Pastors, der Nachbarn und der anderen Insulanern. Das Inselleben hat sich verändert. Fischer gibt es nicht mehr, vielmehr ziehen sich die Männer als Fischer an, das mögen die Touristen. Touristen, davon gibt es viele - Sie werden im Sommer angespült und das Wasser nimmt sie bei Saisonende wieder mit.

Zur See
Dörte Hansen

Ich konnte einfach nicht in die Geschichte finden. Dachte, irgendwann muss doch mal die Einleitung vorbei sein. Aber der Erzählstil änderte sich nicht.
Beim zweiten Versuch, als ich wusste, dass es ein anderer Roman, eine ruhige und melancholische Geschichte ist, konnte ich mich ganz hineinfallen lassen, konnte das Salz des Meeres schmecken, den Sand zwischen den Zehen spüren und den Geschichten, Leiden und Nöten der Inselbewohner lauschen.
Es ist kein Wohlfühlroman. Hansen geht ins Detail, bohrt mit ihren Fingern in angetrocknete Krusten herum, nichts wird verschönt, alles wird angesprochen und später aufgelöst.

Ein eindrucksvoller Roman - wundervoll, ruhig und melancholisch von Nina Hoss gesprochen. Eine grosse Lese/Hörempfehlung von mir.
4½/ 5

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