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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 738 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2020
Schublade auf, Schublade zu
Förster, Jens

Schublade auf, Schublade zu


sehr gut

Sozialpsychologe Jens Förster beschäftigt sich damit, wie wir andere Menschen wahrnehmen und dabei spielen Vorurteile eine große Rolle. Wir packen Menschen, die anders sind als wir selbst, bewusst oder auch unbewusst in Schubladen. Niemand kann sich von Vorurteilen frei machen, dennoch ist es wegen möglicher Diskriminierungen wichtig, sich dessen bewusst zu werden und gegenzusteuern.

Förster erläutert anhand der ABC-Formel (Affect, Behavior, Cognition), wie Menschen sich fühlen, wie sie sich verhalten und wie sie denken. Vorurteile haben etwas mit sozialen Gruppen zu tun. Mit sozialen Gruppen assoziieren wir Eigenschaften (Stereotype), die Zuneigung oder Abneigung beinhalten können. Der Glaube an Stereotype führt zu Vorurteilen und Vorurteile führen zu Diskriminierungen.

Der Autor thematisiert anhand von Beispielen unbewusste und bewusste Vorurteile. Versuche bestätigen, dass allein die Zuordnung zu willkürlich geschaffenen Gruppen zu Diskriminierungen führen kann, da die Identifikation mit der eigenen Gruppe gegenüber den Fremdgruppen unser Selbstwertgefühl steigert. Dabei gilt, dass Mitglieder kleiner Gruppen ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl haben als große Gruppen.

Vorurteile lassen sich nicht aus der Welt schaffen. Dass sie manchmal auch nützlich sein können, kommt in den Ausführungen zu kurz. Der Fokus liegt auf Diskriminierungen von Minderheiten. Förster zeigt konkrete Wege auf, wie man entgegenwirken kann. Diversität kann zu wirtschaftlichen Erfolgen führen. Kontakt zu unterschiedlichen Gruppen ist eine höchst wirksame Strategie, um Vorurteile zu bekämpfen.

"Schublade auf, Schublade zu" ist ein Aufruf gegen das Schwarz-Weiß-Denken. Försters eigene Lebensgeschichte und Erfahrungen sensibilisieren ihn für dieses zeitlose Thema, welches uns alle angeht. Ein gesundes Selbstwertgefühl, Dankbarkeit und Achtung vor der Natur sind gute Voraussetzungen für den Umgang miteinander. Förster will mit diesem Buch Perspektiven eröffnen, wie das gesellschaftliche Leben verbessert werden kann.

Bewertung vom 09.09.2020
Wir müssen reden, Frau Doktor!
Adler, Yael

Wir müssen reden, Frau Doktor!


sehr gut

Beziehungen leben von Vertrauen und Verständnis, das gilt im privaten Umfeld, im Berufsleben und insbesondere auch für die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Der Alltag im Krankenhaus und in Arztpraxen sieht häufig anders aus. Gestressten Ärzten und Pflegekräften fehlt die Zeit, sich hinreichend um ihre Patienten zu kümmern. Und nehmen sie sich Zeit, wird diese nicht vergütet. Es gibt Defizite in der Organisation, in der Kommunikation, in der Beratung und Aufklärung und es mangelt an Empathie.

Yael Adler analysiert die Situation im Gesundheitswesen und legt den Fokus auf Mängel in der Beziehung Arzt – Patient. Um die Beziehungsprobleme strukturieren zu können, charakterisiert sie Typen von Patienten und Ärzten und erläutert Typ bedingte Auswirkungen auf die Zusammenarbeit. Reibungsflächen zu kennen ist der erste Schritt, um auch notwendige Veränderungen vornehmen zu können. Wenn das nicht gelingt, muss zu guter Letzt über eine Trennung nachgedacht werden.

Die Autorin schreibt verständlich und erläutert im Zuge ihrer Ausführungen einige Fallbeispiele, in denen das Vertrauen ins deutsche Gesundheitswesen zerstört wurde. Das gilt für fehlende Benennungen von alternativen Therapien, für die Art und Weise, wie schlechte Nachrichten überbracht werden, für erhebliche Mängel in der Fürsorge und für Behandlungsfehler, die nicht zugestanden werden. Umgekehrt weist sie auf schwierige Patienten hin, die den Ärzten das Leben schwer machen.

Es bleibt nicht bei Kritik, sondern die Autorin gibt auch Tipps für den Umgang miteinander und erläutert Rechte und Pflichten der Ärzte und Patienten. Manches liegt am (betriebswirtschaftlichen) System und kann nur politisch geändert werden. Das bietet Stoff für ein eigenes Buch. Eine menschliche Medizin, wie im Nachwort thematisiert, erfordert eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Arzt und Patient, eingebettet in Rahmenbedingungen, die den notwendigen zeitlichen Spielraum ermöglichen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2020
Gegen die Diktatur der Gewinner
Leberecht, Tim

Gegen die Diktatur der Gewinner


ausgezeichnet

Wir leben in einer den Erfolg verherrlichenden inhumanen Leistungsgesellschaft, die dem Diktat der Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung unterworfen ist, in der Gewinner die Regeln vorgeben und Verlierer als Versager gelten. Tim Leberecht spricht in diesem Zusammenhang von einer "Diktatur der Gewinner".

Die Gewinne sind teuer erkauft. Wachstumswahn, Turbo-Kapitalismus, Automatisierung und Digitalisierung führen die Menschheit in eine Sackgasse. Es gibt nur wenige Gewinner, aber viele Verlierer und der Autor macht deutlich, dass es bei der derzeitigen Entwicklung ganzheitlich gesehen nur Verlierer gibt.

Wir haben uns von der Natur und von uns selbst entfremdet. Ein Wechsel der Perspektive ist erforderlich. Der Fokus muss auf die Verlierer der Gesellschaft gerichtet werden, die zunehmend der Mittelschicht angehören. Statt Verlierer zu stigmatisieren, sind Strategien notwendig, wie mit Verlusten konstruktiv umgegangen werden kann.

Diesen Strategien widmet der Autor den größten Teil seines Buches. Er analysiert den Ist-Zustand und beschreibt Strategien für den Einzelnen, für die Gesellschaft und für Unternehmen. Erkenntnisse verschiedener Kulturen fließen dabei ein. Er fordert eine Humanisierung der Arbeitswelt und befürwortet ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Die Schwächen des Kapitalismus, gepaart mit einer Technik, die den Menschen gläsern macht, sind hinlänglich bekannt. Leberecht thematisiert nicht, inwieweit wir als biologische Art gar nicht anders können, weil die Evolution uns so geformt hat, wie wir heute sind. Dennoch ist es einen Versuch wert, gegenzusteuern. Verlieren kann zum Gewinn führen.

Bewertung vom 03.09.2020
Echte Helden, falsche Helden
Giesa, Christoph

Echte Helden, falsche Helden


sehr gut

Brauchen wir Helden? Was sind überhaupt Helden? Gibt es Einvernehmen darüber, wer als Held bzw. Heldin infrage kommt?

Publizist Christoph Giesa beschäftigt sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit politischen und gesellschaftlichen Fragen, aktuell mit dem Thema "Helden". Die Abgrenzung, was einen Helden ausmacht, ist umstritten. Manch einer wird aus falschen Motiven zum Held gekürt. "Wer zu sehr auf starke Führer setzt, stellt die Demokratie infrage." (12) Giesa möchte eine Debatte unter Demokraten in Gang setzen, diese zu aktivem Handeln bewegen.

Die liberale Mitte ist gefragt, Umdeutungsversuchen der neurechten Szene entgegenzuwirken. Das gilt für Symbole, wie z.B. die deutsche Fahne als auch für politische Ereignisse (z.B. die Wende) und für historische Persönlichkeiten wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg und die Geschwister Scholl. Entsprechendes trifft zu hinsichtlich der Vereinnahmung von Johanna von Orléans durch die Rechten in Frankreich.

Nicht jeden Gedanken des Autors muss man kritiklos hinnehmen. Giesa thematisiert die Täter-Opfer-Umkehr u.a. am Beispiel Russlands. Wenn der Autor daran zweifelt, dass sich Russland durch die Nato-Ost-Erweiterung bedroht fühlt (44), braucht er das Verhalten der Nato einfach nur zu spiegeln und auf den Westen zu beziehen. Hinzu kommt die unterschätzte Asymmetrie des Angsterlebnisses. Die eigene Angst wird höher gewichtet, als die Angst, die durch die eigene Bedrohung beim anderen verursacht wird.

Der Autor hat insbesondere die veränderte rechte Szene im Fokus. "Rechte Bewegungen rollen die Demokratie ohne große Gegenwehr auf, weil ein großer Teil der Zivilgesellschaft zu satt ist, um sich nach dem Gepoltere umzudrehen und die Gefahr zu erkennen." (108) Er möchte bei den Demokraten Emotionen wecken und Begeisterung für die Demokratie hervorrufen, ohne nationalistisch zu wirken. Er möchte, dass Polarisierungen als solche erkannt und Sachverhalte differenziert beurteilt werden.

Wer das Volk über schmutzige Geschäfte und Missstände aufklärt ist ein Held. Wer sich unter persönlichem Risiko für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzt, ist ein Held. In diesem Sinne ist Carl von Ossietzky ein Held, aber auch Deniz Yücel und Edward Snowden. Manchmal erfolgt die Anerkennung auch erst Jahre später, wenn sich die Rahmenbedingungen verändert haben. Wirtschaftliche und politische Interessen beeinflussen wesentlich, wie Regierungen zu Helden stehen.

Giesas Ausführungen wirken phasenweise belehrend, aber durchgängig aufklärend. Er macht deutlich, dass liberale Rahmenbedingungen nicht selbstverständlich sind, sondern einen ständigen persönlichen Einsatz erfordern. Macht muss wirksam kontrolliert werden, der Einzelne muss sich in die Politik einmischen und darf sich nicht von Schwarz-Weiß-Bildern vereinnahmen lassen. Je mehr Menschen sich für demokratische Spielregeln einsetzen, umso weniger echte Helden sind erforderlich.

Bewertung vom 17.08.2020
Über Leben
Steffens, Dirk;Habekuß, Fritz

Über Leben


ausgezeichnet

In der Erdgeschichte gab es im Abstand von jeweils mehreren 10 Millionen Jahren fünf stark ausgeprägte Faunenwechsel, verbunden mit einem drastischen Artensterben. Das Buch "Überleben" handelt vom sechsten Faunenwechsel, in dem wir uns gegenwärtig befinden und von realistischen Möglichkeiten, diesem entgegenzuwirken.

"Das Lied einer Amsel ist unbezahlbar" (19) Dirk Steffens und Fritz Habekuss beginnen mit einer Liebeserklärung an die Natur, bevor sie nachfolgend den Expansionsdrang des Menschen thematisieren einschließlich seiner katastrophalen Auswirkungen auf die Natur. Wir befinden uns im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen.

Der Homo sapiens ist ein Artenkiller und er ist sich dessen bewusst. So düster die Prognosen in dem Buch auch sind, die Autoren beschreiben auch Lösungsansätze, die ein Handeln des Einzelnen, der Gesellschaft und insbesondere der Politik erfordern. Z.B. könnte das Rechtssystem auf die Natur, auf Flüsse, Meere und Wälder, erweitert werden.

Einzelne Menschen bzw. Unternehmen bereichern sich durch die Ausbeutung der Natur und den Schaden trägt die Allgemeinheit. Das erinnert an die Finanzkrise und die Rettung der Banken durch den Staat. Zudem stößt die ökonomische Expansion zwangsläufig an ökologische Grenzen, die Ressourcen sind endlich.

Die Autoren lassen keinen Zweifel bestehen: Die Ökokrise ist real und sie ist schlimmer als befürchtet. Es ist eine gesellschaftliche Transformation erforderlich, deren Verwirklichung hohe Anforderungen an die Demokratie stellt. Die Autoren benennen positive Beispiele aus der Vergangenheit, die eines gemeinsam haben: Transparenz.

Das Buch besteht zur Hälfte aus düsteren Beschreibungen der gegenwärtigen Situation und zur Hälfte aus Wegen, wie die Ökokrise eingedämmt werden kann. Die Bereitschaft, etwas zu verändern, setzt die Erkenntnis voraus, dass Naturschutz gleichzusetzen ist mit Menschenschutz. Unsere Rolle in der Natur muss neu definiert werden.

Bewertung vom 10.08.2020
Das Rosie-Projekt / Rosie Bd.1
Simsion, Graeme

Das Rosie-Projekt / Rosie Bd.1


ausgezeichnet

Don Tillman, Professor für Genetik, ist hochintelligent, aber ohne Empathie. Sein beruflicher und privater Alltag ist genau durchorganisiert. Er lebt nach der Uhr. Abweichungen vom Plan sind nicht erlaubt. Seinem Verhalten nach zu urteilen, ist er autistisch veranlagt. Er will nicht mehr länger alleine leben und sucht eine Frau. Für diesen Zweck entwickelt er einen umfangreichen Fragebogen, um die richtige Partnerin zu finden.

Plötzlich tritt Rosie Jarmann, eine junge Frau, die als Barkeeperin arbeitet, in Dons Leben. Rosie sucht ihren leiblichen Vater und sieht in Don Tillman den geeigneten Helfer für diverse DNA-Tests. Rosie widerspricht sämtlichen Kriterien, die Don in seinem Fragebogen wichtig erscheinen. Dass Rosie, deren Stärke im Umgang mit anderen Menschen liegt, Psychologin ist, kommt erst später heraus.

Die beiden Protagonisten passen überhaupt nicht zusammen. Der humorvolle Roman lebt von den sich entwickelnden Konflikten im zwischenmenschlichen Bereich. Die Suche nach der passenden DNA gleicht einer Abenteuerreise. Die Charaktere sind originell. Der Roman ist witzig und unterhaltsam, sodass man das Buch nur ungern zur Seite legt. Es handelt sich um ein gelungenes Debüt.

Bewertung vom 31.07.2020
Die Zeitenbummlerin
Faber, Leonie

Die Zeitenbummlerin


gut

Die freie Journalistin Josefine Neidhard schreibt für die Frauenzeitschrift Soulbalance. Aktuell steht das Thema "Entschleunigung" im Fokus und für diesen Zweck soll sie im Auftrag der Redaktion Interviews mit Aussteigern durchführen.

Privat befindet sich die 53-jährige Josefine, nachdem ihr Mann Robert sich nach 18 Jahren gemeinsamen Haushalts von ihr getrennt hat, in einem Tief. Sie versucht ihren Alltag neu zu sortieren, schweift aber in Gedanken immer wieder ab.

Ihre Reise zu den Interviewpartnern führt sie von Berlin über Dänemark bis nach Bergen in Norwegen. Statt mit dem Auto zu fahren, will Josefine die Entschleunigung auch für sich selbst entdecken und fährt mit dem Fahrrad.

Es ist diese Kombination von Innenperspektive und Außenperspektive, von eigenen Erfahrungen und Interviews mit Aussteigern, die den Kern der Geschichte ausmachen. Erlebnisse, Erfahrungen und Erinnerungen prägen den Roman.

Auf ihrer Reise erlebt die Protagonistin einige Abenteuer, die die Handlung auflockern. Dennoch konnte die Geschichte mich nicht fesseln. Es reicht nicht, zu versuchen sein Ego abzulegen (Muna). Die Frage, was wirklich wichtig ist, bleibt nebulös.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2020
Was hat das Universum mit mir zu tun?
Lesch, Harald

Was hat das Universum mit mir zu tun?


ausgezeichnet

Harald Lesch stellt in diesem Buch den Zusammenhang von Universum, Erde und Mensch vor. Der bestirnte Himmel hat die Menschheit von Anbeginn fasziniert und so gilt die Astronomie als die älteste aller Naturwissenschaften. Im ersten Kapitel fasst er die Geschichte der Astronomie kurz zusammen, gibt einen Themenausblick, zeigt Abhängigkeiten auf und grenzt die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten ein.

„Das Universum ist ein sich selbst stabilisierender Selbstorganisationsprozess.“ (42) Die Naturgesetze, die im Universum gelten, gelten auch bei uns. Mit den Gesetzen der klassischen Mechanik lassen sich auch die Bewegungen der Planeten berechnen. Mit Beginn der Naturwissenschaften entwickelten die Menschen ein physikalisches Weltbild, in dem ausschließlich Naturgesetze gelten.

Wir bestehen aus Sternenstaub und sind damit „Kinder des Weltalls“, wie es bereits Hoimar von Ditfurth in seinem gleichnamigen Buch von 1970 beschrieben hat. Lesch erläutert, dass die Elemente, aus denen Erde und Mensch bestehen, in Generationen von Sternen entstanden sind. Die Sonne ist ein Kernfusionsreaktor, der Wasserstoff zu Helium verbrennt. Sie liefert die Energie, die für Leben erforderlich ist.

Eine Voraussetzung, dass sich die Erde in ihrer jetzigen Größe entwickeln konnte, liegt in der seltsamen Wanderbewegung der Gasriesen Jupiter und Saturn in Richtung Sonne und wieder von ihr weg in der Anfangszeit unseres Sonnensystems. Lesch erklärt, wie die Planeten unseres Sonnensystems und wie unser Mond entstanden sind. Auch die Frage, wo das irdische Wasser herkommt, wird gelüftet.

Damit sind Voraussetzungen für Leben gegeben. „Leben kann nur existieren, wenn bestimmte Teile miteinander interagieren, in intensiver, rückgekoppelter Wechselwirkung zueinander stehen.“ (97) Das erfordert einerseits eine Abgrenzung von der Umgebung und andererseits biochemische Netzwerke zum Erhalt von Leben. Der hohe Ordnungszustand von Leben muss aufrecht erhalten bleiben.

Zu den Geheimnissen des Universums zählt die Dunkle Materie. Zu beobachtende Galaxienhaufen sowie die Geschwindigkeit und Rotation von Galaxien sind nur zu verstehen, wenn es unsichtbare Materie gibt. Bis heute ist noch nichts Entsprechendes gefunden worden. Ihre Existenz begründet sich, weil Beobachtungen nicht anders erklärt werden können. Mittels Teilchenbeschleuniger ist man auf der Suche.

Zu den Kuriositäten des Universums zählen Schwarze Löcher. Einstein schuf mit der ART die Grundlagen dazu und Schwarzschild berechnete damit den Radius des Ereignishorizonts, innerhalb dessen keine Information mehr nach außen gelangt. Mittels Schwarzer Löcher können Quasare, weit entfernte Objekte mit ungeheuer großer Leuchtkraft, erklärt werden.

Lesch zeigt auch die Grenzen der Physik auf. Da Instrumente selbst aus Materie bestehen, die den Gesetzen der Quantenmechanik gehorchen, sind Überprüfungen der Quantenmechanik mittels der Instrumente wegen der Wechselwirkungen nur begrenzt möglich. „Physik fängt auf einmal an, selbstreferenziell zu werden.“ (189) Das Phänomen kennt man sonst aus der Bewusstseinsforschung.

Mit diesem populärwissenschaftlichen Buch klärt Lesch aus der Perspektive der Astrophysik auf verständliche Art und Weise über das Universum und die Abhängigkeit des Menschen vom Universum auf. Wir verdanken Leben dem Wechselspiel von Verwandlung und Aufrechterhaltung, Eigenschaften, mit denen man auch – in anderen räumlichen und zeitlichen Dimensionen - das Verhalten der Sterne beschreiben kann.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2020
Die Kunst, kein Arschloch zu sein
Niekerken, Anja

Die Kunst, kein Arschloch zu sein


sehr gut

Anja Niekerken vermittelt Prinzipien der Führung und Selbstführung. Da der Mensch bekanntlich dazu neigt, den Splitter im Auge des anderen zu sehen, aber den Balken im eigenen Auge nicht wahrzunehmen, legt sie den Fokus auf Selbstreflexion als ersten Schritt auf dem Weg zur Verhaltensänderung.

Die Autorin beschreibt Situationen im Alltag und im Berufsleben, die typischerweise aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlich bewertet werden. Dieser Wechsel der Perspektive ist ein wesentliches Kriterium in ihren Ausführungen, die verständlich sind, aber psychologisch nicht in die Tiefe gehen.

Respekt, Verantwortung, Moral und Mut sind ein paar der Themen, die Niekerken auf Basis von realen Beispielen perspektivisch analysiert. Nicht jeder, der sich asozial verhält, ist sich dessen bewusst. Das Milgram Experiment lässt tief blicken, zu was Menschen fähig sind und Verschwörungstheorien haben ihre Ursache u.a. in selektiver Wahrnehmung.

Die Autorin erklärt humorvoll. Sie bezieht sich selbst in die Kritik mit ein und berichtet auch über eigene negative Verhaltensweisen, die sie mit ihren heutigen Erfahrungen anders bewertet als früher. In manchen Situationen, wenn Angst oder Stress ins Spiel kommen, schaltet das Gehirn auf Notversorgung um und das Denkzentrum wird weitgehend ausgeschaltet.

"Vom Wissen zum Tun ist es eben ein weiter Weg." (9) Die Autorin weiß, dass Veränderungsprozesse langwierig sind. Selbsterkenntnis ist der erster Schritt in diese Richtung. Humor und Weltoffenheit sind weitere Schritte. Das Buch trägt auf unterhaltsame Art und Weise dazu bei, sich und die Welt besser zu verstehen.

Bewertung vom 25.06.2020
Die Medizin der Gefühle
Fischer, Julia

Die Medizin der Gefühle


sehr gut

Was passiert im Gehirn, wenn Menschen verliebt sind? Was ist der Unterschied zwischen Wut und Aggression, zwischen Angst und Furcht? Warum scheinen Schreckerlebnisse in Zeitlupe abzulaufen? Emotionen prägen unseren Alltag, beeinflussen unsere Sicht auf uns und unsere Umgebung, wirken sich auf unseren Gesundheitszustand aus und bestimmen letztlich unser Leben.

Julia Fischer, Ärztin und Moderatorin, klärt darüber auf, was hinter Emotionen steckt und wie Gefühle Körper und Psyche beeinflussen. Bereits im Vorwort erläutert sie den Unterschied zwischen "Emotion" und "Gefühl" und macht deutlich, dass wir Gefühle nicht wirklich erklären können. Auch weist sie darauf hin, dass Körper und Psyche untrennbar miteinander verbunden sind.

"Schmetterlinge im Bauch", "gebrochene Herzen" und "kochende Wut" sind Metaphern dafür, dass Gefühle extreme körperliche Reaktionen hervorrufen können. Autorin Fischer erläutert, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir von Gefühlen wie von einem Drogenrausch gepackt werden und welche Botenstoffe und Teile des Gehirns Einfluss auf unsere Gefühlswelt nehmen.

In "Die Sorge, etwas zu verpassen" analysiert die Autorin die Smartphone-Sucht und bezieht sich dabei u.a. auf den bekannten Hirnforscher Manfred Spitzer, der das Thema "Digitale Demenz" in seinen Werken ausführlich behandelt hat. Der negative Einfluss digitaler Medien auf die Lernentwicklung gibt zu denken und so wundert es nicht, dass es mittlerweile eine Gegenbewegung gibt.

Die evolutionäre Funktion unseres Belohnungssystems passt nicht in die moderne Überflussgesellschaft. Ein "Mehr davon" führt nicht zu dauerhaftem Glück, sondern eher in Suchtverhalten. Statt sich auf Konsum zu konzentrieren, sollte der Mensch Ziele entwickeln, durch intrinsische Motivation einen Flow erreichen, dankbar und hilfsbereit sein sowie in Bewegung bleiben.

Der Fokus des Buches liegt auf der Gefühlswelt und ihren Korrelaten im Gehirn. Vermisst habe ich eine Darstellung der Wechselwirkungen zwischen rationalem Verstand und der Gefühlswelt und damit verbunden z.B. Abhängigkeiten zwischen Verstand und Gefühl bei Entscheidungsfindungen. In der Summe handelt es sich um ein leicht verständliches und lesenswertes Buch über die Welt der Gefühle.