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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 357 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2020
Palast der Miserablen
Khider, Abbas

Palast der Miserablen


sehr gut

Leben im Irak Saddam Husseins
Der junge Shams Hussein lebt mit seiner Familie im Süden Iraks. Da sie hoffen, in der Hauptstadt ein besseres Leben führen zu können, zieht die Familie um. In Bagdad angekommen, schlagen sie sich mehr schlecht als recht durch. Zunächst können sie noch bei einem entfernten Verwandten wohnen, doch dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in die sogenannte Blechstadt, ein Slum neben einem riesigen Müllberg, umzuziehen. Wie fast alle Bewohner der Blechstadt suchen Shams und sein Vater Gegenstände aus dem Müll, die sie verkaufen können.
Trotz der ärmlichen Verhältnisse entdeckt Shams bald die Liebe zum Lesen. Durch einen Cousin wird er in den „Palast der Miserablen“, einen Zirkel von literaturbegeisterten Gleichgesinnten, eingeführt. Allerdings werden dort auch systemkritische Schriften diskutiert, was im Irak des Saddam Hussein ein gefährliches Unterfangen ist.
Shams schlägt sich als Wasserverkäufer und Busfahrergehilfe durch und lernt gleichzeitig für seinen Schulabschluss. Nur wenn er den schafft, bleibt ihm ein Leben als Soldat erspart. Als er die Möglichkeit bekommt, Lesebegeisterte wie ihn selbst mit verbotenen Büchern aus dem Ausland zu beliefern, greift er zu. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich herausstellt...
„Palast der Miserablen“ gibt Einblicke in ein von einem Diktator beherrschtes Land, in dem es aufgrund des von den USA verhängten Handelsembargos an allem fehlt. Wer kann, flieht außer Landes.
Ich habe „Palast der Miserablen“ als Hörbuch gehört, hervorragend gelesen von Torsten Flassig. Man erfährt viel über das Leben in einem totalitären Staat, in dem es Tag für Tag ums nackte Überleben geht. Der Autor Abbas Khider weiß, wovon er spricht: er war selbst als junger Mann im Irak inhaftiert und es ist ihm gelungen zu fliehen. Ein bewegendes und empfehlenswertes (Hör-)Buch.

Bewertung vom 28.03.2020
Miracle Creek
Kim, Angie

Miracle Creek


sehr gut

Fatale Verkettung von Kausalitäten
Familie Yoo ist von Südkorea in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Ihre Tochter Mary soll eine bessere Zukunft haben, als ihr dies in Südkorea möglich wäre. Vater Pak hat bereits in seiner Heimat Erfahrungen mit der Sauerstofftherapie für autistische Kinder gesammelt und investiert in einen entsprechenden Sauerstofftank. Als der Tank explodiert, kommen zwei der Patienten in den Flammen ums Leben, weitere Personen werden schwer verletzt. War es ein tragisches Unglück oder Brandstiftung? Haben womöglich die Demonstrantinnen ihre Hände im Spiel, die just an diesem Tag auf dem Gelände gegen diese Art der Behandlung demonstrierten?
In dem Buch erleben wir die einzelnen Verhandlungstage und die Vernehmung der Angeklagten und Zeugen. Hauptangeklagte ist die alleinerziehende Elizabeth, deren kleiner Sohn eines der Todesopfer ist. Kann es wirklich sein, dass sie den psychischen Belastungen nicht mehr standgehalten hat und sie ihren Sohn loswerden wollte? Oder ging es doch um Versicherungsbetrug?
Nach und nach kommen immer weitere Details ans Licht und es stellt sich heraus, dass jeder etwas zu verbergen hat. Kleine Unwahrheiten bringen ganze Lawinen ins Rollen und lösen eine fatale Verkettung von Kausalitäten aus. Nichts ist, wie es zunächst scheint.
Mir hat Miracle Creek gut gefallen, allerdings empfand ich es streckenweise als ermüdend, dass immer wieder die gleichen Situationen, wenn auch aus anderen Perspektiven, erzählt wurden und die Wahrheit in winzigen Häppchen ans Licht kam. Es ist aber auf jeden Fall ein lesenswertes Buch, in dem es nicht nur darum geht, den Schuldigen zu finden, sondern unter anderem auch die Themen Autismus und Fremdenfeindlichkeit zur Sprache kommen.

Bewertung vom 17.03.2020
Beute / Bennie Griessel Bd.7
Meyer, Deon

Beute / Bennie Griessel Bd.7


ausgezeichnet

Der Mann kann schreiben!
Aus einem Luxuszug in Südafrika verschwindet ein Mann. Sein Name ist Johnson Johnson, genannt J.J. Er arbeitete als Personenschützer und begleitete eine alte niederländische Dame. Als nach ein paar Tagen entlang der Gleise eine Leiche gefunden wird, stellt sich heraus, dass es sich um den Vermissten handelt. J.J.s Ex-Frau hält nichts von der Theorie, es könnte sich um Selbstmord gehandelt haben, zu sehr hing er an seinen Mädchen und dem Leben.
Bennie Griessel und Vaughn Cupido von den Valken, einer Spezialeinheit der südafrikanischen Polizei, ermitteln. Sie stellen fest, dass J.J. früher als Polizist arbeitete und offensichtlich kurz vor seinem Tod noch Kontakt zu einem ehemaligen Kollegen hatte. Dann kommt von oberster Stelle die Order, den Fall ad acta zu legen, da es sich ohnehin um Selbstmord handle. Doch es gibt zu viele Ungereimtheiten und Griessel und Cupido ermitteln auf eigene Faust weiter...
In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir den Südafrikaner Daniel Darret kennen, der unter falschen Namen in Bordeaux wohnt. Er war früher für den südafrikanischen Geheimdienst tätig und wollte dieses Leben eigentlich hinter sich lassen. Doch dann kommt ein Freund und Kollege aus alten Tagen und bittet ihn, einen letzten wichtigen Auftrag zu übernehmen...
„Beute“ ist ein unglaublich spannend geschriebener Roman. Die Hauptpersonen sind sympathisch und glaubhaft. Es geht um Korruption, Vertuschung, Vorteilnahme im Amt, also hochaktuelle Themen. Wer früher gerne die Bücher von John le Carré gelesen hat, wird dieses Buch lieben!

Bewertung vom 16.03.2020
Die Glasschwestern
Hauser, Franziska

Die Glasschwestern


gut

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Die beiden Zwillingsschwestern Saphie und Dunja verlieren am selben Tag ihre Ehemänner. Der eine fällt vom Gerüst in den Tod, der andere kippt vom Fitnessrad. Besonders traurig scheinen die beiden allerdings zunächst nicht zu sein. Dunja, deren toter Ehemann ohnehin ihr Ex war, den sie oft wie ein drittes Kind empfand, zieht weg aus der Stadt und zu ihrer Schwester aufs Land, wo diese ein Hotel betreibt. Saphie war bisher immer die Zupackendere der beiden, jetzt verkehren sich die Rollen und Dunja übernimmt immer mehr die Leitung des Hotels, während Saphie eine Auszeit nimmt. Auch die Jüngste der drei Schwestern, Lenka, erscheint im Hotel und bringt einiges durcheinander, nicht zuletzt das Gefühlsleben ihres Neffen Jules.
Der Leser erfährt bruchstückhaft von einem Tunnel, der zu DDR-Zeiten angeblich vom Vater der Zwillinge gebaut wurde. Hier wird viel Geheimniskrämerei betrieben, doch wer auf eine befriedigende Auflösung hofft, wird enttäuscht.
Außerdem erscheint seltsamerweise beiden Zwillingen im Traum ein gläserner Mensch, welche Bedeutung diesem zukommt, muss der Leser schlussendlich auch für sich selbst entscheiden.
Obwohl das Buch auf über 400 Seiten viel über Dunjas und Saphies Leben, ihre Erfahrungen und Gefühle erzählt, bleiben mir die beiden fremd, ja, sie wurden mir sogar zunehmend unsympathisch. Es ist nicht gerade nett und entspricht auch nicht meinem Humor, wenn Touristen als lachhafte, debile Gestalten und ältere Gäste als Kaffee-Sabber-Rentner beschrieben werden.
Es gab durchaus Passagen, die ich gern gelesen habe, aber im Großen und Ganzen überwiegen bei mir Enttäuschung und Frust, denn aufgrund der Leseprobe hatte ich mehr Handlung und weniger Nabelschau erwartet. Vieles wird angerissen, aber nicht zu Ende geführt. Es ist ein Buch über Vergangenes und Neuanfänge, doch der Zauber dieser Neuanfänge hat sich mir nicht erschlossen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bei diesem Roman bis zum Ende durchgehalten hätte, wenn ich nicht Teil einer Leserunde gewesen wäre.

Bewertung vom 03.03.2020
Feuerland
Engman, Pascal

Feuerland


ausgezeichnet

Menschenverachtende Machenschaften
Kommissarin Vanessa Frank wurde wegen Alkohol am Steuer vom Dienst suspendiert. Als innerhalb kurzer Zeit zwei reiche schwedische Geschäftsmänner entführt und gegen Lösegeld wieder freigelassen wurden, weckt dies ihr Interesse und sie beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln, wer hinter den Taten stecken könnte.
In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir den Entführer Nicolas Paredes und seinen Kompagnon Ivan kennen. Nicolas gehörte einer Eliteeinheit des schwedischen Militärs an, bevor er entlassen wurde. Eine Mafiaorganisation wendet sich an ihn. Er soll im Auftrag eines Chilenen Straßen- und Flüchtlingskinder entführen, von denen es in Stockholm mehr als genug gibt. Nicolas will mit dieser Sache nichts zu tun haben und gerät so selbst ins Visier der Mafia, die ihn nun als Mitwisser aus dem Weg räumen will. Ausgerechnet Nastasja aus Syrien, ein Mädchen, das Vanessa vor kurzem kennengelernt hat und derer sie sich annehmen will, gehört zu den Entführten.
Der dritte Schauplatz liegt in Chile. Dort betreibt der deutschstämmige Marcos ein Krankenhaus, in dem sich Patienten aus der ganzen Welt Organtransplantationen unterziehen...
Vanessa bittet Nicolas, dem sie mittlerweile auf die Spur gekommen ist, um Mithilfe. Gemeinsam fliegen sie nach Chile, in die deutsche Colonia Rhein, wo sich das berüchtigte Krankenhaus befindet. Sie wollen versuchen, die entführten Kinder zu retten, bevor es zu spät ist.
Schon Pascal Engmans erstes Buch, „Der Patriot“ hat mir gut gefallen, aber mit „Feuerland“ hat er sich noch gesteigert. Ein Thriller, der diese Bezeichnung wirklich verdient. Ich fand das Buch von der ersten bis zur letzten Seite sehr spannend und konnte es kaum aus den Händen legen.

Bewertung vom 27.02.2020
Rote Kreuze
Filipenko, Sasha

Rote Kreuze


gut

Kampf gegen das Vergessen
Die neunzigjährige Tatjana leidet an Alzheimer und malt deshalb rote Kreuze an Wohnungstüren in ihrem Wohnhaus, um zurück zu ihrer eigenen Wohnung zu finden. Der junge Alexander, der soeben in diesem Haus eingezogen ist, entfernt ein Kreuz an seiner Wohnungstür, woraufhin ihn Tatjana auf die Bedeutung des Kreuzes für sie hinweist. Doch nicht nur das, sie drängt den jungen Mann, der offensichtlich seine Ruhe will, dazu, mit ihr in ihre Wohnung zu kommen, wo sie sofort anfängt, ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
Die Handlung mutet ein wenig surreal an, denn es entwickelt sich kein Dialog zwischen den Personen. Alexander, der eben noch keinerlei Interesse an der alten Dame hatte, sitzt brav dabei, nippt höchstens mal an seinem Tee und hört stundenlang zu.
Am nächsten Tag begegnen sich die beiden wieder im Treppenhaus. Dieses Mal ist es an Alexander, seine Geschichte zu erzählen, wobei nun Tatjana die stumme Zuhörerin gibt. Die Geschichten, die die beiden zu erzählen haben, sind durchaus interessant, allerdings ist die Präsentation in Form von Monologen ziemlich seltsam und unglaubwürdig. Auch dass Tatjana Alzheimer haben soll, erscheint seltsam, denn sie zitiert seitenweise Originaldokumente von vor vielen Jahrzehnten.
In der ersten Hälfte des Buchs haben mich der nüchterne Stil des Autors und die gestellten Szenen sehr gestört, ich konnte keinerlei Empathie für die Personen empfinden. Dann hat mich das Buch aber doch noch erreicht. Der Stil des Autors ändert sich zwar nicht, aber die Szenen, in denen Tatjana von ihrer Zeit in einem Arbeitslager und den unhaltbaren Zuständen dort berichtet, gingen mir unter die Haut.
Sasha Filipenko hat für „Rote Kreuze“ sehr viel Recherchearbeit geleistet. Originaldokumente, die in Russland nicht zugänglich waren, hat er zum Beispiel in der Schweiz aufgespürt. Das Buch enthält eine Vielzahl von Dokumenten, Schriftverkehr zwischen dem Roten Kreuz in Genf (hier wieder das Leitmotiv des Roten Kreuzes) und dem sowjetischen Außenministerium. Diese Briefe nehmen viele Seiten des Romans ein, was den Lesefluss erheblich hemmt. Meiner Meinung nach wären sie besser als Anhang beigefügt worden.
Filipenko hat ein wichtiges und in der Sowjetunion totgeschwiegenes Thema angesprochen. Allerdings hat mir die Umsetzung seines investigativen Journalismus als Roman nicht gefallen, zu hölzern sind die Dialoge, zu wenig glaubhaft manche Situationen.
Vielleicht ist die Geschichte als Parabel gemeint, wobei Tatjana für das „alte Russland“ steht, für die Generation, die die Stalinzeit mit all ihren Gräueln noch erlebt hat und verhindern möchte, dass diese Erinnerungen verloren gehen (weshalb Tatjana Alexander, als Vertreter des „jungen Russland“ noch ihre Geschichte erzählt, bevor es aufgrund ihrer Alzheimererkrankung nicht mehr geht.) Wofür Alexander als junger Russe allerdings steht, ist mir nicht klar. Ein Mann, der noch ein Fußballspiel zu Ende bringen will, obwohl seine Frau gerade gestorben ist?
Das Buch vermittelt viel geschichtliches Wissen, die Umsetzung als Roman finde ich jedoch nicht gelungen.

Bewertung vom 19.02.2020
Der Empfänger
Lenze, Ulla

Der Empfänger


sehr gut

Der unfreiwillige Spion
Die Brüder Josef und Carl Klein haben die Absicht, zusammen in die USA auszuwandern. Durch einen Unfall verliert Carl ein Auge, der Traum vom Auswandern ist für ihn geplatzt, denn Versehrte haben zu der damaligen Zeit keine Chancen, ein Einwanderungsvisum zu bekommen.
Josef, oder Joe, wie er sich mittlerweile nennt, schlägt sich zunächst mehr schlecht als recht in den USA durch, doch dann bekommt er einen Job in einer Druckerei und kann sich eine kleine Wohnung in Harlem leisten.
Es ist das Jahr 1939. Hitlers Nationalsozialisten werden in Deutschland immer stärker und auch unter den deutschen Emigranten in New York gibt es begeisterte Anhänger. Joe zählt nicht dazu, trotzdem geht er zu entsprechenden Versammlungen, da der Organisator ein Kunde der Druckerei ist. Joe ist Hobbyfunker. Eines Tages bekommt er das Angebot, gegen gute Bezahlung verschlüsselte Nachrichten zu funken, angeblich ist der Empfänger ein deutsches Unternehmen. Dass an der Sache etwas faul ist, wird Joe schnell klar, und am liebsten würde er aussteigen, doch so einfach ist das nicht...
Das Buch ist in drei Zeitstränge unterteilt. Die zweite Zeitebene spielt 1949 in Neuss. Der Krieg ist vorbei, Joe war mittlerweile in New York interniert und ist jetzt bei seinem Bruder Carl und dessen Familie. Obwohl alle ihm versichern, dass er so lange bleiben kann, wie er will, fühlt er sich nicht wohl und möchte so schnell wie möglich Deutschland wieder verlassen. Kontakte aus seiner Zeit in den USA raten ihm, nach Südamerika auszureisen.
Dort spielt auch die dritte Handlungsebene, nämlich in Costa Rica 1953, wohin es „Don José“ inzwischen verschlagen hat.
„Der Empfänger“ ist ein sehr interessantes Buch, das den Nationalsozialismus mal aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet. Ich hatte mir noch nie darüber Gedanken gemacht, dass es auch im Ausland Deutsche gab, die Hitler unterstützten.
Joe Klein ist eine tragische Figur, die eigentlich nirgendwo zuhause ist. Das Ende lässt offen, wo er den Rest seines Lebens verbringen wird.
Ich habe dieses Buch gern gelesen, allerdings blieben mir die Personen, allen voran Joes Freundin Lauren, aber auch Joe selbst, fremd. Möglicherweise ist dies zum Teil auch dem nüchternen Schreibstil mit vielen verkürzten Sätzen geschuldet.

Bewertung vom 14.02.2020
Das Haus der Frauen
Colombani, Laëtitia

Das Haus der Frauen


sehr gut

Taten statt Worte
Als sich der Klient der erfolgreichen Anwältin Solène nach einem verlorenen Prozess umbringt, stürzt Solène in eine tiefe Depression. Sie ist nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben und geht kaum mehr aus ihrer Wohnung. Ihr Psychotherapeut rät ihr, sich ehrenamtlich zu engagieren, um wieder ins Leben zurückzufinden. Sie nimmt die Aufgabe eines „öffentlichen Schreibers“ in einem Frauenhaus an. Solène geht davon aus, dass sie hauptsächlich Schreiben an Behörden verfassen wird, doch die Frauen haben andere Bedürfnisse und stehen Solène mit ihrem schicken MacBook zunächst sehr kritisch gegenüber. Mit der Zeit öffnen sie sich mehr und mehr und Solène erfährt einiges über ihre Schicksale.
Ein zweiter Handlungsstrang führt ins Paris Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Blanche Peyron, die sich mit Herz und Seele für die Heilsarmee engagiert, erfährt durch Zufall von einem riesigen leerstehenden Gebäude, das wie geschaffen als Zuflucht für die vielen obdachlosen Frauen in Paris ist. Gemeinsam mit ihrem Ehemann steckt sie trotz gesundheitlicher Probleme ihre ganze Energie in das Projekt und schafft es tatsächlich, mithilfe von Spendengeldern, das Gebäude zu erwerben. „Der Palast der Frauen“ ist der neue Name, den das Gebäude fortan trägt. In ebendiesem Palast findet sich Solène jede Woche ein, um den Frauen zur Seite zu stehen...
Mir hat dieses Buch gut gefallen, vor allem, da es sich bei Blanche Peyron um eine reale und keine fiktive Person handelt. Die Schicksale der Frauen sind berührend und meiner Meinung nach durchaus realistisch geschildert. Mein einziger Kritikpunkt ist die teilweise sehr pathetische Sprache („Ruhmesglocken“, „kämpferischer Engel“), wenn von Blanche die Rede ist, weshalb mich die Geschichte rund um Solène auch mehr gefesselt hat. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, das Buch zu lesen.

Bewertung vom 12.02.2020
Ein wenig Glaube
Butler, Nickolas

Ein wenig Glaube


ausgezeichnet

Blinder Fanatismus
Der 65jährige Lyle und seine Frau Peg leben ein zufriedenes und glückliches Leben im ländlichen Wisconsin. Vor kurzem ist ihre Adoptivtochter Shiloh mit ihrem 5jährigen Sohn Isaac wieder zu ihnen gezogen, was ihr Glück noch vervollständigt, denn Isaac ist ein entzückender kleiner Junge, der Leben ins Haus bringt.

Das Leben mit Shiloh war nicht immer einfach. Als Teenager lehnte sie die Adoptiveltern ab, doch jetzt haben sie sich wieder miteinander arrangiert. Dieses fragile Gleichgewicht möchten Lyle und Peg nicht stören, doch als sie feststellen, dass ihre Tochter sich einer dubiosen Glaubensgemeinschaft angeschlossen hat und sich offensichtlich in den charismatischen, aber suspekten Prediger Steven verliebt hat, schrillen bei ihren Eltern alle Alarmglocken, erst recht, als Steven den kleinen Isaac als „Heiler“ bezeichnet, der andere Gemeindemitglieder von ihren Krankheiten befreien kann.

Um Shiloh und Isaac nicht zu verlieren, versuchen sie zunächst, Verständnis für die Glaubensgemeinschaft aufzubringen und besuchen deren Gottesdienste. Doch dann wird Isaac an einem Wochenende, das er bei den Großeltern verbringt, schwer krank und muss ins Krankenhaus. Shiloh und Steven sind außer sich, behaupten, dass der „ungläubige“ Großvater Schuld an der Erkrankung des Kleinen hat und wollen statt medizinischer Behandlung für Isaac beten. Für Shiloh ist Lyle fortan die Verkörperung des Bösen. Sie hält Abstand zu ihm und auch Isaac darf den geliebten Großvater nicht mehr besuchen. Lyle ist verzweifelt und zutiefst getroffen. Als es dem Kleinen zunehmend schlechter geht, muss er eine schwerwiegende Entscheidung treffen...

„Ein wenig Glaube“ ist ein warmherziger und mitreißend geschriebener Roman, der mich sehr berührt hat. Das Thema Glaubensfanatismus und die Hilflosigkeit, dagegen anzugehen, werden sehr glaubwürdig beschrieben. Besonders der Umstand, dass dieser Roman an wahre Tatsachen angelehnt ist, machen ihn umso bedrückender. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ein ganz und gar wundervoller Roman!

Bewertung vom 10.02.2020
Je tiefer das Wasser
Apekina, Katya

Je tiefer das Wasser


gut

Total dysfunktionale Familie
Nachdem ihre Mutter einen Selbstmordversuch begangen hat und in der Psychiatrie landet, müssen die beiden Schwestern Edie und Mae zu ihrem Vater Dennis nach New York ziehen. Dennis hat die Familie vor 10 Jahren verlassen, was die 16jährige Edie ihm nicht verzeihen kann. Die zwei Jahre jüngere Mae hingegen ist begeistert davon, die Kleinstadt in Louisiana hinter sich zu lassen und zu ihrem Vater ins aufregende New York zu ziehen. Sie tut alles, um ihrem Vater zu gefallen, ist eifersüchtig auf alles und jeden, was teilweise krankhafte Züge annimmt.
Das Buch ist das reinste Puzzle von Momentaufnahmen. In kurzen Kapiteln erzählen die einzelnen Personen ihre Sicht der Ereignisse. Es ist nicht klar, inwiefern die Schilderungen den Tatsachen entsprechen, denn manches erscheint sehr widersprüchlich. Es fiel mir sehr schwer, mich auf die Personen einzulassen, denn alle sind auf irgendeine Weise gestört. Das beginnt schon bei der Mutter, die unter anderem von Mae verlangt, nächtelang mit ihr durch den Wald zu streifen. Es scheint, als ob sie Mae als Erweiterung ihrer selbst ansieht, und – wie sich später herausstellt – hinterlässt dies bei Mae tiefgreifende Spuren. Der erfolgreiche Schriftsteller Dennis, der zunächst als liebevoller Vater beschrieben wird, entpuppt sich als Egomane, dem das Schreiben wichtiger ist als alles andere. Edies größter Wunsch ist es, so schnell wie möglich nach Louisiana zurückzukehren, um in der Nähe der Mutter und ihrer Freunde zu sein. Sie verlässt New York überstürzt, doch als sie in ihren Heimatort zurückkehrt, ist nichts mehr so, wie es war.
Ich weiß wirklich nicht, was ich von diesem Buch halten soll. Einerseits ist es durchaus spannend, es entwickelt einen Sog und man möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Andererseits verhalten sich die Personen so krankhaft und gestört, dass es mir oft schwerfiel weiterzulesen. Das offene Ende empfand ich als unbefriedigend, da man nicht weiß, ob sich das Schicksal der Hauptpersonen zum Guten wendet oder das kranke Spiel von vorne beginnt.