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amena25

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2017
Kein guter Ort
Stäber, Bernhard

Kein guter Ort


sehr gut

Zu viel reingepackt


Orte können einen Menschen beeinflussen, im positiven wie auch im negativen Sinne. Das hat wahrscheinlich jeder schon einmal erlebt. In diesem Fall ist die Rabenschlucht ein solcher Ort, der die Menschen das Fürchten lehrt. Der Deutschnorweger Arne Eriksen arbeitet als Psychiater an einer Klinik, u.a. für Suchtkranke. In der Nähe befindet sich die Rabenschlucht, in der vor zehn Jahren ein junges Mädchen vor den Augen seiner Schwester von einem unbekannten Täter umgebracht wurde. Bei dem Versuch, das Mädchen zu retten, ist auch der Vater der beiden Schwestern in die Schlucht gestürzt. Doch schon früher galt die Rabenschlucht als ein Unheil bringender, düsterer Ort. Arne Eriksens Neugier ist geweckt und er versucht, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Tempo und Dynamik kommen auf, als seine Patientin Janne im Drogenrausch das alte Hotel in der Rabenschlucht aufsucht, ein altes Tagebuch findet und dort auf eine vermummte Gestalt trifft. Hat sie der Unbekannte wirklich bedroht oder hat sie sich die Gefahr in ihrem vernebelten Gehirn nur eingebildet?
Der Krimi ist durchaus spannend, allerdings werden für meinen Geschmack zu viele Handlungsfäden und zu viele Personen eingeführt, was die Geschichte zu wenig rund werden lässt. So wird zu Beginn das private Verhältnis zwischen Eriksen und der Polizistin Kari Bergland thematisiert, dann aber erst spät wieder aufgegriffen. Zwischendurch spielt die drogenabhängige Janne eine tragende Rolle. Sie wird von Kari Bergland im Zuge einer Ermittlung aufgegriffen, es stellt sich heraus, dass sie die Tochter ihres Chefs ist und nicht nur mit Drogenproblemen zu kämpfen hat. Kari vermittelt Janne an die Klinik, in der Arne Eriksen arbeitet, doch Janne ist nicht sofort willens, sich helfen zu lassen. Janne selbst wirkt äußerst schwierig und unsympathisch, ihre Freundschaft zu dem syrischen Flüchtling Saman eher aufgesetzt. Arne Eriksens Methoden der Bewusstseinserweiterung mithilfe von Trommelmusik oder Fliegenpilzen ist interessant, aber für die Lösung des Falls in meinen Augen zu wenig überzeugend.
,,Kein guter Ort“ ist unterhaltsam, mehr Konzentration auf das Wesentliche würde die Spannung aber sicherlich erhöhen.

Bewertung vom 09.08.2017
Dem Kroisleitner sein Vater / Polizeiobermeister Frassek Bd.1
Schult, Martin

Dem Kroisleitner sein Vater / Polizeiobermeister Frassek Bd.1


sehr gut

Crossculture-Krimi

Frassek, Polizeiobermeister in Berlin, hat mehr als nur eine Pechsträhne. Vor kurzem ist erst die Mutter gestorben, jetzt der Vater, die Frau hat ihn verlassen und seine pubertierende Tochter findet ihn ,,sowas von alt“. Die Beerdigung des Vaters schwänzt er einfach und fährt stattdessen weiter in die Berge, wo er in dem kleinen Dorf St. Margarethen in der Steiermark landet. Zurück in Berlin muss er sich um abzuschiebende Asylanten kümmern, die auf geheimnisvolle Weise jedes Mal vorgewarnt werden und rechtzeitig verschwinden. Als Frassek und sein Kollege Sprotz versuchen, den Täter, genannt der ,,Robin Hood vom Humboldthain“, durch eine List zu fassen, blamieren sie sich grandios. Und dann erfährt Frassek auch noch, dass er als Verdächtiger in einem Mordfall in St. Margarethen gesucht wird. Der 104-jährige Alois Kroisleitner wurde ermordet, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als sich Frassek dort aufhielt. Da hilft nur noch die Flucht nach vorn. Frassek begibt sich samt seiner Tochter ins idyllische St. Margarethen und ermittelt selbst. Dabei kommen nicht nur lange gehütete Dorf- und Familiengeheimnisse zutage, auch die Ereignisse im und nach dem 2. Weltkrieg spielen eine Rolle.
Die Gattung ,,Kriminalroman“ beschreibt den Charakter des Buches nur bedingt. Zwar gibt es Tote, Verdächtige und Mörder, die Spannung ergibt sich aber eher aus der Mischung von Regionalem, Historischem, allgemein Menschlichem und Witz. Klamauk ist durchaus vorhanden, wenn Berliner Schnauze auf Steiermark trifft. Doch hat das Buch weit mehr als so mancher humorige Regionalkrimi zu bieten. Wenn Frassek und der ,,junge“ Kroisleitner sich über das Sterben unterhalten, geht es schon fast ins Philosophische.
Die häufigen Orts- und Perspektivenwechsel fordern die Aufmerksamkeit des Lesers. So einiges muss man sich wie ein Puzzle zusammensuchen, auch in die Sprache der St. Margarethener muss man sich erst einfinden. Doch gerade das macht den besonderen Reiz dieses Buches aus. Mich hat das Buch gut unterhalten, gerade weil es sich eher um eine Mischung aller möglichen Gattungen und Stile als um einen Krimi im eigentlichen Sinne handelt.

Bewertung vom 08.08.2017
Sieh nichts Böses / Kommissar Dühnfort Bd.8
Löhnig, Inge

Sieh nichts Böses / Kommissar Dühnfort Bd.8


sehr gut

Sieh nichts Böses - Tu nichts Böses

Dies ist der 8. Band um den Münchner Kommissar Konstantin Dühnfort, den man aber auch ohne Vorkenntnis der Vorgänger gut lesen kann. Allerdings entgeht einem dann der Reiz des Wiedererkennens bekannter Figuren und deren Entwicklung im Laufe der Jahre.
Konstantin Dühnfort, genannt Tino, kommt gerade mit seiner Frau Gina aus den Flitterwochen zurück und beide freuen sich sehr auf ihr erstes Kind. Kaum zu Hause angekommen, wird er auch schon zu einem Fall gerufen. Bei einer Polizeiübung mit Leichensuchhunden wird tatsächlich eine Leiche gefunden: eine halbverweste junge Frau, neben ihr die kleine Figur eines Affen, der seinen Unterleib bedeckt. Die drei weisen Äffchen (Nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sagen) sind allseits bekannt. Doch dass es einen vierten Affen gibt, mit der Bedeutung ,,Tu nichts Böses“, ist weniger bekannt. Gemeint ist damit auch ,,Habe keinen Spaß“, auch körperlicher Art. Soll diese Grabbeigabe eine Mahnung oder gar eine Rechtfertigung für den Mord sein? Bald stellt sich heraus, dass es sich bei der Toten um eine Frau handelt, die vor Jahren angeblich untergetaucht ist. Da sie sich im Streit von Freund und Eltern getrennt hatte, hat sie auch niemand als vermisst gemeldet. Oder hatten der Freund oder die Eltern andere Gründe, sie nicht zu suchen?
Als eine weitere junge Frau verschwindet und es immer mehr Parallelen zum ersten Fall gibt, muss Dühnfort seine privaten Sorgen weit hintenanstellen, um dem Täter auf die Spur zu kommen.
Der Krimi beginnt recht geruhsam und es dauert etwas, bis Dynamik ins Spiel kommt. Dühnforts Privatleben und die Sorgen um sein ungeborenes Kind nehmen viel Raum ein, was den Kommissar durchaus menschlich erscheinen lässt. Auch einige Nebenfiguren werden genau und ausführlich geschildert, was sie zwar nicht unbedingt sympathisch erscheinen lässt, aber deutlich macht, dass jeder seine eigene Wahrheit hat. Manche Personen erscheinen mir aber zu eindimensional, wie z.B. die Lindentals. Ein durchaus unterhaltsamer Krimi, der viel Raum für Nebenschauplätze bietet, was stellenweise aber die Spannung etwas beeinträchtigt.

Bewertung vom 05.08.2017
Die Fährte des Wolfes / Zack Herry Bd.1
Kallentoft, Mons;Lutteman, Markus

Die Fährte des Wolfes / Zack Herry Bd.1


ausgezeichnet

Getriebene

Getrieben und gejagt sind in diesem Roman nicht nur die Opfer, asiatische Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, oder die Täter, die von ihrem Hass und ihren Trieben gesteuert werden. Auch der junge Kommissar Zack Herry ist getrieben – von seiner Drogensucht, von der Vergangenheit und von den Erinnerungen, die ihn immer wieder einholen. Wie so manch andere skandinavische Ermittler ist auch Zack Herry eine sehr widersprüchliche und facettenreiche Figur. Jung, attraktiv, brillant als Polizist, aber auch aggressiv und unberechenbar, exzessiv und unkontrolliert. Sein bester und wohl auch sein einziger Freund ist Abdula, ein Drogendealer. Zack steht eigentlich ständig mit einem Bein über dem Abgrund. Damit wirkt er nicht unbedingt sympathisch, auf jeden Fall aber interessant.

Als in einer Stockholmer Wohnung vier thailändische Masseurinnen auf brutalste Weise hingerichtet werden, tappen Zack Herry und seine Kollegen zunächst im Dunkeln. Geht es um Rassismus und Frauenhass, oder gibt es eventuell einen Bandenkrieg im Frauenhandelmilieu? Als eine Zeugin schwer verletzt und noch weitere Frauen getötet werden, wird deutlich, dass der Täter äußerst brutal, grausam und menschenverachtend vorgeht.
Unterstützt wird Zack Herry von seiner Kollegin Deniz, einer Kurdin, die als Zwölfjährige mit ihrem kleinen Bruder aus ihrer Heimat geflohen ist. Sie wurde Polizistin, um gegen das Böse und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Interessant ist auch der blinde Kollege Rudolf Gräns, ein Verhörspezialist, da er häufig mehr wahrnimmt als seine sehenden Kollegen. Nach einem Dienstunfall ist die Kollegin Sirpa nur noch innendiensttauglich, dafür aber umso ausgefuchster, was PC-Fragen legaler und illegaler Art angeht. Eine etwas undurchsichtige Figur ist Douglas Juste, der glattgebügelte Chef der Truppe. In einzelnen Kapiteln wird das Geschehen aus der Perspektive dieser Figuren geschildert, was zwar nicht unbedingt die Handlung vorantreibt, aber die Menschen hinter den Polizisten erkennbar werden lässt und so das Besondere und Unverwechselbare dieses Krimis ausmacht.
Zack selbst mit seinen inneren und äußeren Konflikten jedoch ist der unbestrittene Held oder eher Antiheld dieses spannenden und temporeichen Krimis. Für mich ein absolut gelungener Auftakt einer neuen Reihe!

Bewertung vom 01.08.2017
In tiefen Schluchten / Tori Godon Bd.1
Chaplet, Anne

In tiefen Schluchten / Tori Godon Bd.1


sehr gut

Spuren der Vergangenheit

,,In tiefen Schluchten“ erzählt eine interessante Geschichte in einer interessanten Gegend. Die raue und wilde Landschaft des Vivarais am Fuße der Cevennen bildet den Hintergrund für das Geschehen. Die ehemalige Anwältin Victoria Godon, genannt Tori, lebt in dem Dörfchen Belleville, wo sie mit ihrem Mann Carl ein Haus gekauft hat. Seit dem Tod ihres Mannes lebt sie allein im Maison Sarrasine und versucht, mit ihrer Trauer fertig zu werden. Ihre näheren Kontakte im Dorf beschränken sich auf andere Deutsche, die mehr oder weniger lang schon dort leben. So z.B. die nun 75-jährige Eva, die als Hippie in die Gegend kam, blieb und nun ihren Lebensunterhalt als Vermieterin von Ferienappartements verdient. Als einer ihrer Feriengäste, ein holländischer Höhlenforscher, verschwindet, macht sich Tori ein wenig Sorgen. Als dann auch noch der alte Didier Thibon tot aufgefunden wird, kurz nachdem er Tori von Schätzen und Schmuggel-Verstecken in den zahlreichen Höhlen der Gegend erzählt hat, ist Tori mehr als beunruhigt und macht sich auf die Suche. Unterstützt wird sie dabei von Nico, einem ehemaligen deutschen Polizisten. Wie Eva ist auch Nico eine sympathische, aber eher blass bleibende Figur, deren Vergangenheit und deren Gründe, sich im Vivarais anzusiedeln, nur knapp angedeutet werden. Hier würde man gerne mehr erfahren. Auch die Integration in den französischen Bevölkerungsteil des Dorfes ist sicher noch ausbaufähig.
Tori stößt bei ihren Recherchen auf die Spuren der Hugenotten, die im 18. Jahrhundert in der Gegend Zuflucht fanden. Auch die Résistance gegen die deutschen Besatzer im 2. Weltkrieg hat die Region und ihre Bewohner bis heute nachhaltig geprägt. Dieser historische Hintergrund wird recht ausführlich erklärt, dadurch wirkt die Handlung aber etwas zu überfrachtet und die Spannung leidet.
Die Auflösung des Falls ist etwas unbefriedigend, da einige Fragen unbeantwortet bleiben. Vielleicht werden diese ja in einem Folgeband aufgegriffen? Auch die Figuren hätten das Potenzial für eine Fortsetzung.

Bewertung vom 24.07.2017
Eine von uns
Cummings, Harriet

Eine von uns


sehr gut

Sehr britisch – sehr bizarr

In einem kleinen Dorf in der englischen Provinz, wo jeder jeden zu kennen glaubt, kommt es zu merkwürdigen Einbrüchen. Dabei wird aber meist nichts gestohlen, sondern nur kleine Spuren hinterlassen oder Dinge an einen anderen Platz gestellt. Doch die Betroffenen bemerken, dass jemand in ihrem Haus oder ihrem Schlafzimmer war. Der geheimnisvolle ,,Einbrecher“, bald der ,,Fox“ genannt, bringt die Dorfbewohner dazu, sich gegenseitig zu verdächtigen und zu misstrauen. Jeder verschließt Fenster und Türen, einige bewaffnen sich, und dennoch dringt der Fox in die Häuser ein. Eines Tages verschwindet Anna, die sich jahrelang um ihre Mutter gekümmert hat. Sie ist eine unscheinbare, freundliche junge Frau, die jeder kennt, aber niemand weiß etwas Genaueres über sie. Hat der Fox Anna entführt oder sogar getötet? Die Atmosphäre im Dorf spitzt sich zu, alte Geschichten und verborgen geglaubte Geheimnisse werden durch die zunehmend aggressiver werdenden gegenseitigen Verdächtigungen ans Licht gezerrt.
Die einzelnen Kapitel mit teils so merkwürdigen Titeln wie ,,Foto“, ,,Handschuh“ oder ,,Hautcreme“, die jeweils einen Gegenstand von Bedeutung in den Fokus stellen, werden aus der Sicht verschiedener Beteiligter erzählt. Da gibt es Deloris, die jung verheiratete und zunehmend frustrierte Ehefrau, oder Brian, der sympathische Dorfpolizist, der sich um seinen behinderten Bruder kümmert, Jim, der neue Seelsorger des Dorfes, der mit einer dunklen Vergangenheit zu kämpfen hat oder Stan, der mit Anna ein sehr privates Geheimnis geteilt hat. Diese Geschichten sind interessant, allerdings hält sich die Spannung doch eher in Grenzen, da alle Figuren sehr passiv und unentschlossen wirken. Die Spannung steigt etwas gegen Ende des Romans, als man auf Spuren von Anna stößt und sich die Schlinge um den Fox allmählich enger zieht. Die Schilderung der tiefen Abgründe der Dorfidylle ist durchaus lesenswert, allerdings sollte man keine Hitchcock-Spannung erwarten, wie im Klappentext angekündigt.

Bewertung vom 17.07.2017
Dunkels Gesetz
Heuchert, Sven

Dunkels Gesetz


sehr gut

Düster, sperrig und ungewöhnlich


Die Lektüre von Svens Heucherts Debütroman ,,Dunkels Gesetz“ ist kein reines Lesevergnügen. Dennoch hat der Roman etwas, das einen auch nach dem Lesen nicht loslässt. Ist es die düstere, melancholische Atmosphäre, in der kleine Funken von Nähe und Menschlichkeit aufglühen und ebenso schnell wieder verlöschen? Oder ist es die traurige Ratlosigkeit, die einen angesichts der Aggressivität und Resignation der Figuren überkommt?
Der Exsöldner Richard Dunkel arbeitet für eine Securityfirma in dem kleinen Kaff Altglück nahe der belgischen Grenze. Dabei stößt er auf den Tankstellenbesitzer Achim, der ins große Drogengeschäft einzusteigen versucht. Bei ihm wohnen seine Geliebte und deren Tochter Marie, die wie ein Fremdkörper in dieser tristen und schmierigen Szenerie wirkt.
Die Charaktere, ihre Beziehung zueinander und ihr bisheriges Leben werden nur angedeutet, vieles bleibt in der Schwebe. Selbst das Ende hinterlässt viele offene Fragen und lose Fäden, sodass einen das Buch noch eine ganze Weile beschäftigt.
Richard Dunkel selbst ist keine sympathische, aber eine durchaus interessante Figur. In kleinen Häppchen erfährt man etwas von seiner Vergangenheit als Söldner und von seinen Erinnerungen, die ihn offenbar nicht loslassen. Einzig für das Mädchen Marie empfindet man so etwas wie Mitleid und hofft, dass sich wenigstens ihr die Chance auf ein besseres Leben bietet.
Die Sprache des Romans ist sehr knapp, die Dialoge bestehen oft aus umgangssprachlichen, abgerissenen Sätzen, was mir nicht gefällt, aber unbedingt zu den Charakteren passt. Die Bezeichnung ,Kriminalroman’ ist etwas irreführend, dafür fehlt meiner Meinung nach der eigentliche Fall und der Spannungsbogen. Die Beschreibung auf dem Klappentext als harten, schroffen und rabenschwarzen Provinzroman finde ich aber durchaus zutreffend. Ein sperriges und kantiges, aber auch ein interessantes und ungewöhnliches Buch.

Bewertung vom 14.07.2017
Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf / Die Henkerstochter-Saga Bd.7
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf / Die Henkerstochter-Saga Bd.7


ausgezeichnet

Geschichte hautnah


Im Jahre 1672 reist der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl mit seiner Familie nach München. Endlich wurde er zum Rat der Zwölf eingeladen – ein Ehre, auf die er schon lange gewartet hat. Mit auf den Weg machen sich seine Töchter Barbara und Magdalena mit deren Ehemann Simon Fronwieser, dem Stadtmedicus. Auch er hat große Erwartungen in die Reise nach München, hofft er doch, dort bei einem bekannten Arzt vorsprechen und sein medizinisches Traktat über ihn veröffentlichen zu können. Für die 18-jährige, noch ledige Tochter Barbara, will Jakob Kuisl unter den Ratsmitgliedern endlich einen Ehemann finden. Doch die ansonsten lebenslustige Barbara ist ungewollt schwanger. In ihrer Verzweiflung vertraut sie sich nur ihrer Schwester Magdalena an, nicht aber ihrem Vater. Ein uneheliches Kind ist eine zu große Schande, nicht nur für Barbara, sondern für die ganze Familie Kuisl.
Gleich am Tag ihrer Ankunft zieht Jakob Kuisl ein totes Mädchen aus dem Bach. Sie wurde offenbar ertränkt. Der Spürsinn des Schongauer Henkers erwacht, als noch mehr junge Frauen ermordet aufgefunden werden. Bei allen wird ein kleines Medaillon gefunden, und alle Morde tragen die Handschrift eines Henkers. Ist der Mörder einer aus dem Rat der Zwölf? Doch nicht nur Jakob Kuisl ,,ermittelt“ auch seine Tochter Magdalena begibt sich auf die Suche und gerät dabei in tödliche Gefahr.
Der historische Roman verknüpft sehr anschaulich und spannend historisches Wissen mit der Suche nach einem Serienmörder. Die Schilderung der aggressiven Stimmung in den rauch- und biergeschwängerten Wirthausstuben wirkt genauso lebendig wie die pompösen Szenen am Hof. Das Schicksal aller Mitglieder der Kuisl-Familie erlebt und erleidet man hautnah mit. Besonders die Situationen, in denen die Familie als Henkersleute erkannt und als Ehrlose behandelt wird, stimmen nachdenklich und betroffen.
Die Suche nach dem Mörder gestaltet sich zunehmend spannend und rasant und endet sehr überraschend. Einzig der Schluss ist vielleicht etwas zu versöhnlich gestaltet.
Auch wenn dies der 7. Band um die Henkersfamilie ist, kann man den Roman getrost ohne Vorkenntnis der anderen Bände lesen.

Bewertung vom 30.06.2017
Teufelskälte / Kommissar Tommy Bergmann Bd.2
Sveen, Gard

Teufelskälte / Kommissar Tommy Bergmann Bd.2


ausgezeichnet

Kühl und unheimlich

Tommy Bergmann, Kommissar in Oslo, wird in diesem Band mit der Vergangenheit und abgrundtiefer Gewalt konfrontiert. Bergmann wirkt eigentlich sympathisch, hat aber wenig soziale Kontakte und eine sehr dunkle Seite. Seine Freundin Hege hat ihn verlassen und wegen häuslicher Gewalt angezeigt. Tatsächlich neigt Bergmann zu Gewaltausbrüchen, in denen er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hat. Da er in eine Therapie eingewilligt hat, hat Hege die Anzeige zurückgezogen. Dennoch ist Bergmann nur bedingt bereit, sich den Gründen für seine Aggressionen zu stellen, da er dazu tief in seine eigene Vergangenheit eintauchen muss, die er bisher offenbar erfolgreich verdrängt hat.
Der Roman beginnt mit einem Rückblick auf den Winter 1988, als der junge Polizist Tommy Bergmann zu einem grausigen Leichenfund gerufen wird. Im Wald liegt, in Müllsäcke verpackt, die brutal verstümmelte Leiche einer jungen Frau. Ihr folgen eine Reihe weiterer, brutal zugerichteter junge Frauen, bis der Täter Anders Rask schließlich gefasst wird. Er gesteht die Taten und wird in die geschlossene Psychiatrie in Ringvoll eingeliefert, wo er bis heute einsitzt. Doch nun hat Rask die Wiederaufnahme seines Verfahrens beantragt, während eine junge Prostituierte brutal ermordet wird. Alles deutet auf denselben Täter wie damals hin. Gibt es einen Nachahmer oder hatte Anders Rask einen Komplizen? Oder ist Rask womöglich gar nicht der psychopathische Mörder, sondern sitzt seit Jahren unschuldig hinter Gittern? Der Fall ist sehr komplex und doppelbödig. Zahlreiche Figuren kommen vor, die sich aber häufig als sehr viel facettenreicher herausstellen, als sie auf den ersten Blick erscheinen. So muss man als Leser konzentriert bei der Sache sein, um den Anschluss nicht zu verlieren. Die Atmosphäre ist stellenweise sehr unheimlich und düster. Wenn Tommy Bergmann das Gefühl hat, dass er beobachtet und verfolgt wird, beschleicht den Leser ein sehr ungutes Gefühl. Als Bergmann dann noch bemerkt, dass jemand in seiner Wohnung war, stehen einem schon die Haare zu Berge. Unheimliche und rätselhafte Spannung ist in diesem Krimi garantiert. Am Ende wird der Leser allerdings nur teilweise erlöst, da der Fall nicht ganz abgeschlossen ist. Dafür muss man sich wohl bis zum Erscheinen des 3. Bandes um Tommy Bergmann gedulden.

Bewertung vom 23.06.2017
Tiefe Schuld / Toni Stieglitz Bd.2
Obermeier, Manuela

Tiefe Schuld / Toni Stieglitz Bd.2


sehr gut

Von Tätern und Opfern


Jugendliche Geocacher finden im Wald eine Frauenleiche. Alles deutet auf ein Sexualdelikt hin, aber der Körper weist zahlreiche Verletzungen und Narben auf, die darauf hindeuten, dass die tote Julia Krämer schon jahrelang misshandelt wurde.
Hauptkommissarin Toni Stieglitz, die sich erst vor kurzem von ihrem gewalttätigen Freund Mike getrennt und ihn endlich angezeigt hat, übernimmt mit ihren Kollegen den Fall. Für sie steht sehr schnell fest, dass nur der Ehemann Martin Krämer als Täter in Frage kommt. Doch es finden sich keine konkreten Beweise. Und je tiefer Toni Stieglitz sich mit dem Fall befasst, desto mehr andere Spuren tun sich auf. Offenbar führte Julia Krämer ein Doppelleben, der Sohn Sebastian verhält sich äußerst merkwürdig, die Nachbarin hat mehr als nur ein nachbarschaftliches Interesse an Martin Krämer, die Exfrau ist psychisch krank......
Auch Toni Stieglitz selbst hat im Privatleben zu kämpfen. Ihr Exfreund Mike hält sich zwar nach der Anzeige von ihr fern, macht ihr aber deutlich, dass er sie immer unter Beobachtung hat. Und dann sind da noch die zarten Bande zu Rechtsmediziner Tom Mulder, die massiv auf die Probe gestellt werden.
Der 2. Band um Toni Stieglitz ist unterhaltsam und spannend. Die knappen 55 Kapitel, die jeweils aus verschiedenen Perspektiven die Handlung beleuchten, bringen Dynamik und Tempo in Spiel. Tonis Geplänkel mit ihren Kollegen und so manche Situation mit dem ,,Doc“ lassen auch die humoristische Seite nicht zu kurz kommen. Allerdings leiden für meinen Geschmack zu viele Beteiligte an massiven psychischen Problemen, was etwas übertrieben wirkt.
Nicht unbedingt notwendig, aber sicherlich sinnvoll ist es, zuvor den ersten Band ,,Verletzung“ zu lesen, um so manche Andeutungen und Entwicklungen besser verstehen zu können.