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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1963 Bewertungen
Bewertung vom 29.01.2024
Das Philosophenschiff
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


sehr gut

Der Bericht

Der Österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier hat eigentlich immer einen originellen Schreibstil, so auch hier.
Ein Schriftsteller (Köhlmeier selbst?) erklärt sich bereit aus dem Leben einer 100jährigen Frau ein Buch zu machen. Dabei ist insbesondere die Verschiffung unliebsamer Personen, vor allen Intellektuelle 1922 aus Russland zu schaffen. Diesen Vorgang gab es wirklich.
Das Gespräch zwischen der Dame, die das damals als 14jährige mitmachte und dem Schriftsteller sind nicht ohne Witz.
Es wechselt zwischen ihren Dialogen und den Berichten der Frau.
Diese Berichte sind spekulativer Art. Es gibt viele gute Passagen, wie die Begegnung mit Lenin. Es gibt zahlreiche weitere Abschnitte, die außerordentlich gut verfasst sind.Michael Köhlmeier weiß wirklich zu schreiben, detailliert und gründlich, dennoch behält er eine Leichtigkeit.
Ein gutes Buch, wenn auch nicht mein Lieblingsbuch des Autors, den ich sehr schätze. Aber geschickt erzählt ist auch dieser Roman.

Bewertung vom 29.01.2024
Arctic Mirage
Kokkonen, Terhi

Arctic Mirage


sehr gut

Terhi Kokkonen ist eine neue Autorin aus Finnland, die mit Arctic Mirage ihren ersten Roman vorlegt.
Die Handlung wird stark vom ersten Satz geprägt. „Nachdem Karo Risto umgebracht hat, steht sie auf“.Danach zeigen die folgenden Kapitel, die je mit Wochentagesnamen (Sonntag bis Freitag) bezeichnet sind, wie es dazu kommen konnte. Karo und Ristos hatten im Urlaub einen Autounfall und mussten leicht verletzt im Hotel Arctic Mirage absteigen. Die Stimmung ist gereizt. Auch die Umstände des Autounfalls erinnern beide anders.
Die meiste Zeit ist man als Leser an der Seite von Karo, gelegentlich bei dem Hotelpersonal. Hinzu kommen Rückblenden.
Man erkennt zunehmend eine toxische Beziehung.
Das Buch ist lange geheimnisvoll und atmosphärisch sowie geschickt gemacht.

Bewertung vom 28.01.2024
Nachbarn
Oliver, Diane

Nachbarn


sehr gut

Nachbarn und andere Geschichten

Diane Oliver ist eine amerikanische Schriftstellerin (1943 - 1966), die schon im Alter von 22 Jahren durch Unfall ums Leben kam.
Dieses Buch versammelt Kurzgeschichten von ihr. Angesiedelt sind die Geschichten in den sechziger Jahren, in einer Zeit des möglichen Umbruchs, die Hoffnung auf Inklusion und aber auch der Widerstände.
Die erste Geschichte ist die Titelgeschichte.
Tommy, ein schwarzer Junge, soll morgen zum ersten mal auf eine rein weiße Schule gehen. Das wird schwer. Wichtige Figur der Geschichte ist Tommys ältere Schwester Ellie.
Unerwartet kurz, aber kompakt zeigt die Geschichte einen besonderen, schicksalsträchtigen Moment und eine Familie in einer moralischen, verantwortungsvollen Entscheidungsfindung. Man spürt die Anspannung.
Diane Oliver zeigt die Situation der Charaktere in großer Tiefe, das ist beeindruckend. Spätere Geschichten haben mich weniger erreicht.
Daher würde ich die Autorin auch keineswegs in die Nähe von Gigantinnen wie Toni Morrison oder Ann Petry rücken. Die Geschichten können auch ohne so einen Vergleich lesenswert sein.

Bewertung vom 25.01.2024
Der Aschenmensch von Buchenwald
Ivanji, Ivan

Der Aschenmensch von Buchenwald


ausgezeichnet

Der 1929 geborene Ivan Ivanji ist Zeitzeuge. 1944 war er in Buchenwald, überlebte und hat viele Romane geschrieben.
Der Aschenmensch ist ein Roman, der 1999 bereits erschienen war und jetzt wiederveröffentlicht wurde.

1997 wurden über 700 Urnen mit der Asche ermordeter Menschen gefunden.
Ivanji lässt sie als Stimmen auferstehen, die ihre Geschichten erzählen. Man erfährt viel über das Leben in Buchenwald, aber insbesondere über das Sterben.
Zwischendurch lässt Ivanji auch Menschen unserer Zeit zu Worte kommen, z.B. der Dachdecker, der die Urnen fand oder Schüler, die die Gedenkstätte besuchen. Einiges an leichtfertigen Reden ist unter ihnen, auch Unkenntnis. Die Erinnerung, wie es wirklich war, können nur die vermitteln, die da waren.
Aus der Asche der Urnen entsteht ein Aschenmensch. Das Kollektiv der Erinnerungen.

Ivan Ivanjis literarische Leichtigkeit beim Umgang mit dem Stoff ist bewundernswert.

Bewertung vom 25.01.2024
Die Rassistin
Scheerer, Jana

Die Rassistin


sehr gut

Schon der Vorbau zu dem Roman deutet auf die spielerische Art des Stils und dem Humor der Autorin hin.Immer wieder wird das Erzählte von unterschiedlichen Personen kommentiert.
Es geht um einen Vorfall bei einer Vorlesung in einer Uni als chinesische Studierende brüskiert werden. Es beginnt sofort eine Kontroverse.
Neben Rassismus werden auch andere Themen diskutiert,

Jana Scheerer erfindet einen angebliche Autor dieses Romans. Das führt zur Spiegelung der Handlung bzw. der verschiedenen Erzähler, die auftreten werden.Es werden verschiedene Sichtweisen und Verhaltensweisen abgehandelt.
Die Autorin spielt mit dem Leser und dessen Erwartungshaltung. Es wird auch gezeigt, auf welche absurde Art etwas eskalieren kann. Man kann sich ggf. in der einen oder anderen, überspitzt gezeichneten Figur, ansatzweise wiedererkennen. Das ist keine schlechte literarische Methode.

Bewertung vom 20.01.2024
Warum die Welt keinen Frieden findet
Masala, Carlo

Warum die Welt keinen Frieden findet


sehr gut

Ein Essay aus der Reihe Auf dem Punkt.
Carlo Masala ist als Autor des Buches Weltunordnung und als Militärexperte in zahlreichen Politiktalkshows zur Zeit sehr bekannt.
In wenigen Kapiteln fasst der Autor Aspekte zur Entstehung von Krieg zusammen. Auch Verminderungsstrategien werden thematisiert.
Er schreibt sachlich und Ideologiefrei, aber nicht trocken über das Thema. Und er ist dem Realismus verpflichtet, alos illusionslos.
Carlo Masala steckt viel in sein Essay, dadurch wird es zu einem kompakten Buch.

Bewertung vom 17.01.2024
Die zerrissenen Staaten von Amerika
Landwehr, Arthur

Die zerrissenen Staaten von Amerika


sehr gut

Die zerrissenen Staaten von Amerika ist ein hochaktuelles Sachbuch, das einen Blick auf den Zustand der USA in der momentanen Vorwahlsituation wirft.

Arthur Landwehr, von dem ich auch ein spannendes Interview zu diesem Buch gehört habe, ist ein USA-Experte, der die USA kennt und sich Gedanken gemacht hat. Sein Ansatz ist, ein Verstehen zu ermöglichen. Damit kann man dann besser die Situation einschätzen und besser damit umgehen.
Außerdem scheut Landwehr es auch nicht, Vergleiche der USA zu Deutschland zu nennen.
Das Buch passt auch vom Umfang. An manchen Stellen ausführlich, aber nie geschwätzig. Die Kapitel werden nicht zu lang.

Es ist ein Kluges Sachbuch, erzählerisch gut gestaltet.

Bewertung vom 15.01.2024
Die Verletzlichen
Nunez, Sigrid

Die Verletzlichen


sehr gut

meditatiiv

Der Plot von Sigrid Nunez neuen Roman erinnert leicht an ihr wunderbares Buch Der Freund. Da hatte sie einen Hund gesittet. In Die Verletzlichen ist es ein Papagei.
Außerdem ist es die Zeit der Pandemie in New York. Und die Zeit der Präsidentschaft von Donald Trump.
Diese Zeit in den USA hat etwas befremdendes.

In der Handlung kommt ein junger Student hinzu, der zeitweise ebenfalls in der Wohnung des zu betreuenden Papageis lebt. Er ist ein Freund der Familie.

Trotz gewisser Vorbehalte gehen die Gedanken der Protagonistin oft zu dem viel jüngeren Mann, der gelegentlich Wutausbrüche hat und sich über den Zustand der Welt chauffiert.
Sowohl der Papagei Eureka als auch der junge Student sind wirklich lebendige Charaktere.

Die Protagonistin ist sehr nachdenklich und reflektierend. Dabei ist ihr oft die Welt der Literatur nahe. Zum Beispiel nimmt sie einmal ausführlich Bezug zu einem Essay von Joan Didion.
Insgesamt hat das Buch etwas meditatives. Auch das ist typisch für Sigrid Nunez Prosa.

Bewertung vom 13.01.2024
Austrian Psycho Jack Unterweger
Herwig, Malte

Austrian Psycho Jack Unterweger


sehr gut

Jack Unterweger

Austrian Psycho ist ein True Crime Buch von Malte Herwig, der mir als Handke-Biograph positiv aufgefallen war. Mit True Crime kenne ich mich nicht besonders aus, daher kannte ich den Mörder jack Unterweger auch nicht und lese hier zum ersten Mal von ihm, seinem Taten, seinem (angeblichen) Schreiben. Nach anfänglichen lireraischen Erfolgen setzten sich bekannte Schriftsteller für ihn ein und sein Lebenslang endet nach 16 Jahren.
Man erfährt, wie er nach seiner Freilassung durch seine Bücher Deckung fand und weiter morden konnte.
Der Kulturbetrieb hatte Jack Unterweger als Häfen-Poet gefeiert. Ich verstehe das als Warnung vor kritiklosen Akzeptieren und Großmachen von Blendern.
Malte Herwig hat eine etwas umständlichen Schreibstil gewählt, aber ansonsten mehr als ordentliche Arbeit geleistet. Das kurze Buch ist schnell durchgelesen.

Bewertung vom 13.01.2024
Essex Dogs
Jones, Dan

Essex Dogs


gut

Aus den Kriegsakten Edward III

Essex Dogs ist ein wirklich edel aufgemachtes, hochwertiges Hardcover. Innen gibt es eine Karte. Das ist beeindruckend.
Literarisch bietet das Buch einiges, anders aber auch nicht. Dan Jones schreibt straight und schlicht, vielleicht ist das auch passend für den Kontext. Damit muss ich als Leser mich arrangieren
Die Konstellation um eine Gruppe von Männern kennt man aus alten Filmen wie z.B. Das dreckige Dutzend oder Die glorreichen Sieben.
Die verschiedenen Dogs haben unterschiedliche Fähigkeiten. Als Charaktere haben sie aber wenig Profil. Der historische Kontext erreicht mich weniger als gedacht. Am Ende des Buches in den Anmerkungen des Autors erwähnt Dan Jones, dass er schon einige historische Sachbücher geschrieben hat, aber das hier ist Fiktion.
Wirklich spannend war das Buch auch nicht unbedingt.
Um ehrlich zu sein, mich hat das Buch enttäuscht. Sollte es eine Fortsetzung geben, was mich nicht überraschen würde, wäre ich nicht mehr dabei.