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Benutzername: 
westeraccum
Wohnort: 
Sauerland

Bewertungen

Insgesamt 222 Bewertungen
Bewertung vom 10.12.2018
Stieg Larssons Erbe
Stocklassa, Jan

Stieg Larssons Erbe


gut

Der Mord an dem schwedischen Premierminister Olof Palme im Jahr 1986 ist bis heute nicht aufgeklärt.
Die schwedische Polizei machte Fehler über Fehler, es wurde geschlampt, falsche Spuren verfolgt und alles in allem schien man wenig daran interessiert zu sein den Mörder zu finden.
Der Journalist und Krimiautor Stieg Larsson ("Verblendung" etc.) hatte zu diesem Zeitpunkt über den schwedischen Rechtsextremismus recherchiert und fand Verbindungen zum Palme-Mord. Er suchte weiter und trug umfangreiches Material zusammen, das er auch teilweise der Polizei übergab. Doch nach Larssons plötzlichem Herztod verschwanden die Materialien in einem Lager.
Jan Stocklassa erhielt Zugang zu den gesammelten Akten und schrieb daraufhin dieses Buch, in das auch eigenen Recherchen einfließen. So besuchte er einige Verdächtige in Südafrika und auf Zypern und er entwickelte seine eigene Theorie. Es bleibt abzuwarten, ob das Buch zu den Mördern führt.
Das Buch ist sehr detailliert und gut recherchiert. Das ist aber auch seine Schwäche, denn die Fülle an Personen verwirrt und viele Erkenntnisse werden immer wieder neu ausgebreitet. Dadurch wird das Werk langatmig und wenig spannend. Man braucht viel Geduld!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.11.2018
Der Mann am Grund
Procházková, Iva

Der Mann am Grund


gut

Wenn ein Krimi als "Prag-Krimi" angekündigt wird, dann erwarte ich eigentlich, dass man die Atmosphäre der Stadt vermittelt bekommt, doch das fehlt in diesem Buch völlig. Er könnte genau so gut in Pilsen, Bratislava oder einer osteuropäischen anderen Stadt spielen.
In der Nähe von Prag wird eine männliche Leiche in einem Auto am Grand eines Sees gefunden. Da der Mann Polizist war, sind die Ermittlungen besonders brisant, denn der Mann war bekannt für "unkonventionelle" Ermittlungsmethoden. Doch dann ergibt sich der Verdacht, dass er reihenweise Frauen abgeschleppt hat und diese nicht immer freiwillig mit ihm gingen. Kommissar Holina muss pikante Details ermitteln. Dabei hilft ihm seine Freundin Sabina, die sich mit Astrologie beschäftigt. Dann sterben noch mehr Menschen...
Das Buch ist spannend geschrieben und gut aufgebaut, manchmal allerdings hat es Längen, vor allem im Mittelteil zieht es sich.
Die astrologischen Einlassungen haben mich eher befremdet als interessiert, das ist so gar nicht mein Ding und ich fand die Abschnitte auch nicht besonders hilfreich.
Ansonsten aber ein solider Krimi mit einem ziemlich überraschenden Ende.

Bewertung vom 10.11.2018
Black Hand
Talty, Stephan

Black Hand


sehr gut

Das Buch führt uns in das New York der Jahrhundertwende von 19. ins 20. Jahrhundert.
Aus kleinen Anfängen arbeitet sich die Verbrecherorganisation "Black Hand" hoch und terrorisiert vor allem die Italiener, die in die USA eingewandert sind. Kinder werden entführt, um Lösegeld zu erpressen, von Ladenbesitzern wird Schutzgeld verlangt und Menschen werden scheinbar grundlos umgebracht. Die Regierung kümmert sich nicht um die Vorfälle, denn die Italiener gelten nichts. Die Polizei wird von eingewanderten Iren beherrscht und sie lässt die Menschen mit ihren Problemen allein. Angst und Schrecken verbreiten sich in den italienischen Vierteln, viele Auswanderer sind gezwungen nach Italien zurückzukehren.
Erst als der aus Sizilien eingewanderte Joe Petrosino Polizist wird und mit ungewöhnlichen Methoden Erfolg hat, tritt ein leichter Wandel ein. Zusammen mit fünf anderen Polizisten sagt der der Black Hand den Kampf an. Unter einfachsten Bedingungen - sie haben nicht einmal Büros - aber mit raffinierten Methoden gelingt es der "Italian Squad", viele Verbrecher dingfest zu machen, aber sie macht sich auch viele Feinde.
Das Buch liest sich wie ein Krimi, beruht aber auf gut recherchierten Tatsachen. Es ist gut lesbar geschrieben und führt den Leser in eine unbekannte Welt. Dabei ist es aber auch hoch aktuell, denn die Probleme in einem fremden Land haben sich auch nach über hundert Jahren kaum verändert.
Mal wieder ein richtig gutes Sachbuch!

Bewertung vom 12.10.2018
Bösland
Aichner, Bernhard

Bösland


sehr gut

Ein dreizehnjähriger Junge namens Ben wandert für Jahre in die Psychiatrie, weil er angeblich ein junges Mädchen auf dem Dachboden seines Elternhauses mit einem Golfschläger erschlagen hat. Dort ist das "Bösland", der Ort, an dem der Junge von seinem Vater ständig verprügelt wurde und an dem sich der Vater schließlich das Leben nahm. Bens bester Freund Kux hilft ihm über den Schock hinweg und dann trennen sich ihre Wege. Nach vielen Jahren, in denen Ben ein ziemlich normales, aber einsames Leben geführt hat, treffen sich die beiden Männer wieder. Doch dann beginnt ein ganz raffiniertes Psychospiel, das Ben fast umbringt. Ist Kux wirklich ein eiskalter Killer?
Das Buch ist in vielen kurzen Kapiteln geschrieben, dazwischen immer eine Kapitelüberschrift. Das macht das Buch dicker, als es eigentlich ist und ist etwas ärgerlich. Die Kapitel bestehen einmal aus normalem Text, dann wieder aus Gesprächen, die Ben mit wechselnden Personen führt. Diese Form macht das Buch lebendig und ist sehr gut zu lesen.
Das Buch ist sehr spannend, denn man glaubt zwar zu wissen, was als Nächstes geschieht, wird aber immer wieder von neuen Wendungen überrascht.
Die Personen sind vielschichtig, es gibt kein einfaches Schwarz-Weiß-Schema, und glaubwürdig. Man kann sich leicht mit Ben identifizieren und seine schlimme Geschichte gut nachvollziehen.
Leider finde ich den Schluss etwas banal.
Aber insgesamt ein wirklich lesenswertes Buch!

Bewertung vom 05.10.2018
Queen Victoria
Baird, Julia

Queen Victoria


ausgezeichnet

Eine sechshundertseitige Biografie flößt im ersten Moment Respekt ein. Doch dann macht das Buch wirklich Spaß!
Das Titelbild zeigt eine junge Frau, die mit schwärmerischem Blick seitlich am Betrachter vorbei schaut. Wirklich schön ist sie nicht und ein Portraitgemälde ist sicherlich auch vom Maler geschönt, aber die junge Frau zieht die Aufmerksamkeit auf sich.
Und sie war wirklich ungewöhnlich! Über 63 Jahre regierte und repräsentierte sie das englische Empire mit allen Höhen und Tiefen. Es war eine Zeit des großen Wandels von der Agrargesellschaft hin zur Industriegesellschaft. Die Arbeiter strömten in die Städte und lebten dort unter erbärmlichsten Bedingungen, die Frauen forderten mehr Rechte und das Empire vergrößerte sich durch Eroberungen und Kriege zu seiner maximalen Größe.
Victoria gilt als Matrone und Familienmensch, doch dieses Buch zeigt, dass sie viel mehr war. Nach dem Tod ihres geliebten Mannes Albert von Sachsen-Coburg- Gotha nahm sie nach einer langen Trauerzeit die Zügel in die Hand, kümmerte sich um die politischen Entscheidungen der zahlreichen Premierminister und mischte sich ein. Dabei kümmerte sie sich weiterhin intensiv um das Leben ihrer neun Kinder, von denen drei vor ihr starben, und die in Königshäuser in ganz Europa einheirateten. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. war ihr Enkel. Ihre Affäre mit John Brown, einem schottischen Wildhüter, und das Verhältnis zu dem indischen Diener Abdul Karim bedienen auch die Lust am Klatsch.
Julia Baird gelingt es bei aller historischen Genauigkeit ein lebendiges Bild der Herrscherin zu zeichnen. Im Gegensatz zu manchen anderen Biografien schreibt sie gut lesbar, ohne den historischen Kontext zu vernachlässigen.
Das Buch enthält viele Bilder und Fotos aus dem Leben Victorias und einen umfangreichen Anhang mit Anmerkungen, Bibliografie und Bildnachweisen und genügt damit auch wissenschaftlichen Anforderungen.

Bewertung vom 30.09.2018
Der Narr und seine Maschine / Tabor Süden Bd.21
Ani, Friedrich

Der Narr und seine Maschine / Tabor Süden Bd.21


ausgezeichnet

Dies ist der 21. Roman über Tabor Süden, den ehemaligen Kommissar, der in einer Detektei als Vermisstensucher gearbeitet hat.
Nachdem sein Kollege umgekommen ist, hat er sich ganz zurückgezogen und nun will er aus München verschwinden. Doch am Bahnhof holt ihn seine ehemalige Chefin Frau Liebergesell ein und beauftragt ihn, den verschwundenen Kriminalschriftsteller Cornelius Hallig zu suchen, der aus dem Hotel verschwunden ist, in dem er dreißig Jahre lang lebte. Beide sind einsame Menschen, die den Halt im Leben verloren haben und nur noch weg wollen - auf der "Straße, die noch keiner ging zurück"... Nur langsam nähern sich die bedien Männer an.
Friedrich Ani hatte immer schon ein Faible für die Menschen am Rande der Gesellschaft und in diesem Buch beschreibt er besonders eindringlich das Leben dieser Menschen auf nur 142 Seiten. Das Buch ist von großer Kälte und Einsamkeit geprägt und doch ist man am Ende versöhnt mit der Welt und dem Schicksal. Ganz große Kunst!

Bewertung vom 12.09.2018
Mexikoring / Chas Riley Bd.8
Buchholz, Simone

Mexikoring / Chas Riley Bd.8


sehr gut

Dies ist der dritte Krimi mit der Staatsanwältin Chastity Riley aus Hamburg und er ist ziemlich ungewöhnlich.
Am Mexikoring in Hamburg wird ein Auto angezündet, in dem noch ein Mann sitzt, der Mann stirbt. Es stellt sich heraus, dass der Tote der verstoßene Sohn eines arabischen Clans aus Bremen war, der mit allem handelt, was Bargeld bringt: Drogen, Frauen... Hat die Familie ihn nun endgültig ausgeschaltet?
Simone Buchholz ist ein ganz ungewöhnlicher Krimi gelungen, der die Leser tief in die Welt der arabischen Familien führt, die hier in Deutschland in einer Gegenwelt leben, die mit unseren Gesetzen und Normen nichts zu tun hat.
Das Buch ist teilweise aus der Sicht der Staatsanwältin erzählt, aber schildert auch die tiefe Beziehung des Toten zu seiner Freundin Aliza, eine Art Romeo-und Julia-Geschichte. Das Frauenbild der arabischen Männer fand ich sehr erschreckend.
Das Buch ist durchgehend spannend, auch wenn das Privatleben von Chasity ziemlich viel Raum einnimmt und man sich manchmal wünscht, dass man die vorigen Bücher gelesen hätte, denn viele Ereignisse beziehen sich darauf. Aber man kann das Buch auch solo lesen.
Insgesamt ein eher ungewöhnlicher Krimi, den ich aber sehr gern und schnell gelesen habe.

Bewertung vom 08.09.2018
Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
Schwenke, Philipp

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste


sehr gut

Winnetou war der Held meiner Kindheit und ich habe alle Bücher von Karl May verschlungen, auch wenn ich sie teilweise nicht verstanden habe. Deshalb war dieses Buch für mich eine Reise zurück in meine Kindheit. Natürlich wusste ich einige Dinge über den Autor, dass er z.B. öfters im Gefängnis gesessen hat, und in seiner Villa Shatterhand in Radebeul waren wir auch schon.
Philipp Schwenke hat mir May dann doch noch von ganz anderen Seiten gezeigt und das fand ich trotz der 600 Seiten doch sehr erhellend.
Das Buch spielt in zwei Zeitebenen, einmal die (erste) Reise von Karl May in den Orient. Er fremdelt mit der Umgebung und sieht seine Träume zerbrechen.
Die zweite Ebene spielt einige Jahre später. Mays Ehe mit Emma ist zerrüttet, statt dessen wendet er sich Klara, der Witwe seines besten Freundes, zu, die ihn besser versteht als die oberflächliche Emma. Gleichzeitig muss er sich vieler Verdächtigungen erwehren, weil Journalisten ihn anfeinden und vermuten, dass er nicht der Held ist, als der er sich in seinen Büchern präsentiert.
May entpuppt sich als egozentrischer, geltungssüchtiger Phantast, der immer wieder geschickt versteht sich aus der Schlinge zu ziehen, wenn es brenzlig wird. Aber er ist auch ein Leidender, den seine Umgebung nicht versteht und der sich oft einsam fühlt, weil die Welt so ganz anders ist, als er sie sich wünscht.
Das Buch ist manchmal komisch, manchmal langatmig, aber immer unterhaltsam und ich habe es gern gelesen. Es hat mir den Helden meiner Kindheit auf andere Weise näher gebracht.

Bewertung vom 05.09.2018
Mit der Faust in die Welt schlagen
Rietzschel, Lukas

Mit der Faust in die Welt schlagen


sehr gut

Die beiden Brüder Philipp und Tobias wachsen während der Nachwendezeit in einem typischen Dorf in der Lausitz auf. Die Eltern haben ein Häuschen gebaut und zahlen es mit Mühe ab, beide gehen arbeiten und die Jungen gehen nach der Schule in den Hort. Durch die Wende sind in der Gegend viele Arbeitsplätze verschwunden und man schlägt sich so durch. Das Dorf ist trostlos und es ist nicht viel los. Hexenbrennen und Kirmes sind die Höhepunkte des Jahres.
Als der Neonazi Menzel im Dorf auftaucht, übt er eine große Faszination auf Philipp aus, endlich ist mal etwas los. Doch nach einigen "Aktionen" wendet er sich von Menzel ab, als er merkt, dass der auch keine echte Alternative zu bieten hat. Stattdessen lässt sich Tobias auf ihn ein und sie wollen etwas "gegen die Ausländer" unternehmen, die in die alte Schule einziehen sollen.
Das Buch zieht sich über einen Zeitraum von 17 Jahren, man begleitet die beiden Jungen von der Grundschulzeit bis ins Erwachsenenleben. Dabei wird deutlich, wie trostlos das Leben in der sächsischen Provinz ist. Die Eltern haben ihre eigenen Sorgen, nur die Großeltern interessieren sich wirklich für die Kinder. Perspektive oder Ehrgeiz sind nur in bescheidenen Ansätzen vorhanden. Einfache Lösungen sind in dieser Situation sehr verführerisch, bieten aber auch keine wirkliche Verbesserung.
Lukas Rietzschel beschreibt das alles sehr nüchtern und nicht wertend. Dadurch wird das Buch aber sehr eindringlich, denn die Schlussfolgerungen muss der Leser selbst ziehen.
Ich hatte manchmal Mühe weiterzulesen, weil manchmal so wenig passierte, aber das Dranbleiben lohnt sich.
Man erfährt viel über die Situation und die "bleierne Zeit" nach der Wende, als die Arbeitsplätze, die man kannte, verloren gingen und sich die Menschen in allen Lebensbereichen sehr schnell auf Neues einstellen mussten. Das war nicht immer leicht und die heutige politische Situation ist sicherlich auch dem Fehler geschuldet, dass man im Westen darauf zu wenig Rücksicht genommen hat. Das soll keine Entschuldigung für afd und Pegida sein, aber viele Menschen waren mit der Situation überfordert und suchen einfache Lösungen, auch wenn diese nicht zur Verbesserung der Lage beitragen.
Ein eindrucksvolles Buch und sehr politisch!