Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
allegra
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 292 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2012
Schnitt
Raabe, Marc

Schnitt


ausgezeichnet

Im Prolog, der 1979 spielt, begibt sich ein Junge in den verbotenen Bereich im Keller seines Wohnhauses. Er wurde nachts durch einen lauten Streit seiner Eltern geweckt und begibt sich in seinem Lieblingsschlafanzug mit Luke Skywalker auf der Brust ins „Labor“. Ein Raum im Keller, in den nur sein Vater Zutritt hat. Was der kleine Gabriel da sieht, prägt ihn für sein ganzes Leben. Sein Vater hat in seinem Labor eine für den damaligen Stand sehr fortgeschrittene Video/Fernseh-Ausstattung. Die Bilder, die Gabriel in einem Video sieht, sind für die Seele des kleinen Jungen sehr verstörend. Noch schrecklicher ist die Szene, die er kurz danach in seinem Elternhaus erleben muss, so dass er eine Amnesie erleidet und anstelle der Erinnerungen die Stimme von Luke Skywalker tritt, die ihn von da an fortwährend begleitet. In der alles verändernden Nacht verliert er seine Eltern und kann nur knapp mit seinem kleinen Bruder David aus seinem brennenden Elternhaus fliegen. Gabriel führt kein einfaches Leben. Er ist schwer traumatisiert und muss jahrelang in der Psychiatrie behandelt werden. Erst mit 40 Jahren führt er ein relativ normales Leben. Er arbeitet in einer Security-Firma in der Objektbewachung und wohnt zusammen mit seiner Freundin Liz, einer erfolgreichen Filmjournalistin. Zu seinem Bruder David, der bei einem Fernsehsender arbeitet und ein Kollege von Liz ist, ist der Kontakt abgebrochen.

Während eines Einsatzes nachts erreicht ihn ein verzweifelter Anruf seiner Freundin, die gerade in einem Park überfallen wurde. Sie scheint schwer verletzt zu sein. Gabriel ruft Notrufzentrale an und rast so schnell er kann zum Ort des Geschehens. Dort ist bereits die Polizei mit einer Leiche, aber es handelt sich um einen unbekannten Mann. Liz ist verschwunden. Aufgrund seiner schwierigen Vergangenheit wird Gabriel verdächtigt, den Mann umgebracht zu haben. Gabriel nimmt Kontakt zu seinem Bruder David auf, der die Krankenhäuser nach Liz absucht. Keine Spur. Liz wurde entführt. Damit beginnt eine rasante Jagd, bei der klar wird, dass Gabriel seiner Freundin nur helfen kann, wenn er sich an die Schreckensnacht vor 29 Jahren erinnert.

„Schnitt“ war für mich der Herbstschocker dieses Jahres. Ich habe diesen beklemmenden und spannenden Thriller innert weniger Tage gelesen. Er ist in einer sehr eingängigen, angenehm zu lesenden Sprache verfasst. Max Raabe erzählt seinen Thriller in der Gegenwart, was einen als Leser direkt am Geschehen teilnehmen lässt. Die handelnden Personen, die in einer überschaubaren Zahl vorkommen, sind anschaulich beschrieben. Die Hauptfiguren sind glaubhaft charakterisiert. Mit Gabriel, der von der inneren Stimme von Luke Skywalker getrieben wird, ist ihm eine ganz tolle Figur gelungen.
Die einzelnen, anfangs noch verworrenen Handlungsstränge sind sorgfältig angelegt und werden im Laufe der Geschichte entwirrt und aufgelöst. Es gibt kaum Nebenschauplätze, die am Ende nicht eine Rolle spielen würden und ich denke, dass man das Buch nach ein paar Jahren auch gut ein zweites Mal lesen kann, weil es nicht nur von der Frage des Täters getrieben wird, sondern viele Details, die man vielleicht überliest, am Ende doch eine Bedeutung haben.

Mein Fazit:

Max Raabe ist ein Autor, von dem wir bestimmt noch mehr zu lesen bekommen. Vielleicht ist es noch zu früh von einem neuen Stern am deutschten Thrillerfirmament zu sprechen. Aber zumindest eine Sternschnuppe ist da aufgegangen und ich hoffe, dass sie nicht zu schnell verglühen wird. Ich hätte gerne mehr davon.

Von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung für Thrillerfans mit einer Vorliebe für psychologische Feinheiten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2012
Der Tod macht Schule / Henning Bröhmann Bd.2
Faber, Dietrich

Der Tod macht Schule / Henning Bröhmann Bd.2


sehr gut

In diesem Krimi schimmert der „Comedian“ im Autor immer wieder durch. Die Mitglieder des Vereins um den Kindergarten „Schlumpfloch“ stellen wunderbar komische Typen dar, die einem in nicht ganz so aufdringlicher Weise, durchaus auch in Vereinen, Schulen und Kindergärten begegnen können. Immer wieder Grund zum Schmunzeln bietet natürlich auch der Hund Berlusconi und vor allem sein ungeplanter Nachwuchs. Den Praktikanten, der sich in reifen Jahren zum Thrillerautor berufen fühlt, habe ich etwas überzeichnet empfunden. Mit zunehmender Recherche-Erfahrung bei der Polizei lässt er erste Kapitel seines Buches einstreuen, die durchaus den Krimi auflockern. Aber sie sind dermaßen schlecht geschrieben, was natürlich gewollt ist, dass es einen schon nervt. Hingegen sehr gut gefallen hat mir, wie Faber mit Hilfe des E-Mail Verkehrs zwischen Melina und ihrer besten Freundin, sowohl eine ganz andere Perspektive des Familienlebens im Hause Bröhmann aufzeigt als auch die Beziehung zu ihrem Freund beleuchtet und die Geschehnisse an der Schule aus Schülersicht darstellt. Der Stil in diesen Abschnitten ist erfrischend und zeigt, dass der Autor sein Ohr nahe an Jugendlichen hat.

Im Laufe der zweiten Hälfte wird das Buch zunehmend ernsthafter. Der Fokus verschiebt sich von Klamauk in Richtung Beziehungen zwischen den Protagonisten und Ermittlungen im Umfeld der Schule. Ohne mit dem Zeigefinger auf Fehlverhalten zu zeigen, macht man sich beim Lesen Gedanken, in wie weit man selber auch Schuld auf sich lädt, wenn man an seinem Arbeitsplatz oder im Alltag Missstände duldet und deckt, nur weil man nicht unbequem sein möchte. Die Aufklärung der Verbrechen geht in eine sehr unerwartete Richtung und lässt einen schon mal innehalten, weil einem die Sorgen und Nöte der Beteiligten durchaus nicht unbekannt sind, vor allem wenn man Kinder im Schulalter hat.

Da mir der hessische Dialekt sehr fremd ist, habe ich anfangs etwas Mühe gehabt mit dem „Lokalkolorit“. Aber entweder, es kam im Laufe des Buches weniger Dialekt vor oder ich habe mein Sprachvermögen in diese Richtung verbessert. Ich konnte auf jeden Fall das Buch gegen Ende sehr viel flüssiger lesen als am Anfang.


Mein Fazit

Mit diesem Buch hat Dietrich Faber nicht nur einen Regiokrimi aus Oberhessen vorgelegt, der die dortige Krimilandschaft sicher positiv bereichern wird. Er hat gleichzeitig geschafft, dass mir das Lachen im Halse stecken blieb und das schaffen Autoren selten.

Auch wenn mir der Praktikant auf den Wecker gegangen ist und die ein oder andere Figur oder Situation für meinen Geschmack etwas zu sehr überzeichnet ist, so habe ich dieses Buch trotzdem sehr genossen und mit den Beteiligten mit gelitten. Die Aufklärung des Falles empfand ich spannend und sie war für mich unerwartet. Von mir eine Leseempfehlung mit 4 Sternen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.11.2012
Zehntausend Augen / Ellen Faber Bd.1
Seibel, Klaus

Zehntausend Augen / Ellen Faber Bd.1


gut

Inhalt

Klaus Seibel lässt in seinem Debüt eine Bedrohung aus der Cyberwelt vor dem inneren Auge des Lesers auferstehen. Ein Bombenattentäter bedroht und terrorisiert eine ganze Stadt. Und nicht nur das. Es gelingt ihm, die Polizei dazu zu zwingen, dass er bei den Ermittlungen hautnah dabei ist. Die Dienstgespräche werden auf Video aufgenommen und gleich ins Internet gespeist, so dass die ganze Welt live mitverfolgen kann, wenn sich der Erpresser bei der Polizei meldet. Es geht ihm besonders um eine Polizistin: Ellen Faber. Sie ist recht jung, attraktiv und sehr erfolgreich. Er scheint unheimlich viel über sie zu wissen. Da er äußerst geschickt vorgeht und alle möglichen technischen Tricks verwendet, um keine Spuren zu hinterlassen, tappt die Polizei im Dunkeln.

Meine Meinung:

Als bewusste Nutzerin des Internets bilde ich mir ein, sehr vorsichtig mit meinen Daten umzugehen und nicht zuviel von mir und meinen Lieben preiszugeben. Dennoch musste ich mir bei der Lektüre dieses Buches ein paar mal an die Nase fassen und zugeben, dass bei mir auch noch einiges im Argen liegt und ein professioneller Hacker mich vermutlich auch ganz schön fertig machen könnte. In diesem Kriminalroman, der eigentlich zu Beginn recht viele Thrillermerkmale aufweist, wird die Berliner Polizei so richtig vorgeführt und das Leben Hunderter bis Tausender Berliner immer wieder bedroht.

Etwa in der Mitte des Buches verrät der Autor dem Leser sowohl die Identität des Täters als auch sein Motiv. Das fand ich etwas zu früh. Man kann als Leser dann nur noch mit beobachten, wie die Polizei und die Protagonistin Ellen Faber mit der verfahrenen Situation umgeht. Aber der „Thrill“ der Ungewissheit ist leider dann weg.

In dem Buch gibt es mehrere Stellen, die mir inhaltlich zu derb geraten sind. Das Buch spricht vermutlich eher Männer an. Ellen wird vom Täter vor der Öffentlichkeit in verschiedene Hinsicht bloßgestellt. Teilweise vermittelt das durchaus eine gewisse Spannung, an manchen Stellen wäre es aber schlicht nicht nötig gewesen und ist in meinen Augen nur peinlich.

Von der sprachlichen Gestaltung her, wirkt das Buch auf mich etwas selbst gestrickt. Es ist in korrektem Deutsch geschrieben und auch formal in Ordnung. Aber es ist einfach etwa so geschrieben, wie ich oder irgendeine beliebige Person eine Geschichte aufschreiben würde. Ich bevorzuge etwas mehr an sprachlicher Ausgestaltung.

Das Buch stellt eine reale Bedrohung anhand eines Erpressers mitten in Berlin dar. Vieles, vielleicht sogar alle Tricks, die der Täter anwendet sind technisch möglich. Dennoch kommt mir die ganze Handlung nicht sehr glaubwürdig vor, weil die Personen teilweise überzeichnet sind. Bis zuletzt konnte ich nicht mit der Hauptperson mitfühlen, weil ihre Handlungen für mich oft nicht nachvollziehbar sind.

Mein Fazit

Der Krimi ist vom Ansatz her sehr interessant und auch beängstigend. Die Handlung wird von einigen interessanten Charakteren bestritten. Da der Täter samt seines Tatmotivs schon etwa in der Hälfte des Buches bekannt ist, fehlte es mir in der zweiten Hälfte etwas an Spannung und Ungewissheit. Die Hauptfigur blieb mir leider bis zum Schluss recht fremd, so dass ich gefühlsmäßig nicht wirklich einen Zugang zum Buch gefunden habe.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.10.2012
Im Totengarten / Alice Quentin Bd.1
Rhodes, Kate

Im Totengarten / Alice Quentin Bd.1


ausgezeichnet

Alice Quentin wird von der Polizei als klinische Psychologin hinzugezogen, um den Straftäter Morris Cley einzuschätzen, da er in den nächsten Tagen entlassen wird. Obwohl DCI Don Burns Morris für sehr gefährlich hält und ihm unterstellt, dass er bei IQ-Tests absichtlich falsch geantwortet hat, schätzt Alice Quentin Morris als nicht gewalttätig ein. Morris Cley, der mit dem Ehepaar Benson befreundet war, das in einem Heim mehrere Kinder gequält und umgebracht hat, kann in die Freiheit entlassen werden.

Kurze Zeit später stößt Alice beim Laufen durch Zufall auf ein totes Mädchen. Da die Art und Weise wie die Leiche zugerichtet ist, die Handschrift der Bensons trägt, ist Morris Cley gleich unter Verdacht.

Als eine weitere Leiche mit den gleichen Kennzeichen neben dem Bus von Alices Bruder Will aufgefunden wird und Will verschwunden ist, wird auch er zum Verdächtigen. Gleichzeitig erhält Alice Drohbriefe und wird deshalb in einem Hotel unter Polizeischutz gestellt. Erschwert wird die Situation dadurch, dass Will schwer psychisch krank und drogenabhängig ist.

Da der Krimi in London spielt und ich diese Stadt liebe, habe ich die Lektüre ganz besonders genossen, weil ich mir unter den Schauplätzen jeweils ein Bild machen konnte. Die Hauptfiguren Alice Quentin und ihre Freundin Lola sind sehr lebensecht charakterisiert. Das Buch ist in der Erzählweise der 1. Person geschrieben, was den Leser unmittelbar am Geschehen beteiligt.

Ich habe mit Alice gelitten, die die psychischen Probleme ihres Bruders kannte und selbst als Psyhologin daneben stehen und zuschauen musste, wie es ihm schlecht ging. So hat sein Leiden den Verlauf der gesamten Ermittlungen sehr stark mitbestimmt.

Alice hat vermutlich infolge ihrer schwierigen Kindheit gewisse Probleme mit Beziehungen. Sie wird einerseits als sehr leidenschaftlich dargestellt, hat aber dann wiederum Probleme, wenn ihr jemand zu nahe kommt. Deshalb hatte ich etwas Mühe, mich in sie herein zu versetzen, als es im Umfeld der Polizei mit einem Mann förmlich in der Luft knisterte. Ihre Reaktionen waren mir nicht immer nachvollziehbar.

Die Spannung im Buch wird aufrecht gehalten durch die über Alice schwebende Bedrohung und Wills psychischen Zustand. Allerdings fließt die Handlung ohne große Höhepunkte in Richtung Auflösung, die dann relativ plötzlich und für meinen Geschmack etwas zu ruhig daher kommt. Ich bin nicht der Fan von großen unglaubwürdigen „Showdowns“, aber hier war es mir doch etwas zu ruhig und den Täter hatte ich leider auch ziemlich bald erraten.

Auffallend an dem Buch ist das schöne Cover. Auf türkisgrünem Hintergrund ist eine Libelle zu sehen, deren Konturen an den Flügeln ausgeschnitten sind. Auf der ersten Seite ist das komplette Bild der Libelle, so dass man von außen auf die Flügel sieht und diese fast eine Art 3D-Effekt ergeben. Im inneren Bild ist die Libelle umgeben von vielen Stecknadeln, was einen sehr interessanten Effekt ergibt. Allerdings haben weder die Libelle noch die Stecknadeln einen direkten Zusammenhang mit der Handlung.

„Im Totengarten“ ist der erste Teil einer Serie. Die Hauptfiguren sind für mich interessant und gut eingeführt. Der Verlauf der Handlung war spannend, aber für meinen Geschmack etwas zu ruhig. Ich hatte nach gut zwei Dritteln mal einen Gedanken, wer der Täter sein könnte und das hat sich auch so herausgestellt. Dennoch ist am Ende nicht alles wirklich schlüssig, so dass für mich sind noch Fragen offen geblieben sind, die vielleicht im zweiten Teil beantwortet werden.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.10.2012
Das Herz der Feuerinsel
Vosseler, Nicole C.

Das Herz der Feuerinsel


ausgezeichnet

Zwei junge Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen sich auf einem Schiff während der Überfahrt von Amsterdam in die holländische Kolonie Java. Jacobina, Tochter eines reichen Bankkaufmanns, tritt eine Stelle als Hauslehrerin an während Floortje voller Erwartung ist, einen reichen Ehemann zu finden. Die Reise geht vorerst für beide nach Batavia.

An der Seite Jacobinas und Floortjes lernt der Leser völlig unterschiedliche Seiten des Lebens in einer holländischen Kolonie kennen. Einerseits erlebt man die betörende Landschaft mit ihren duftenden und farbenfrohen Blumen, andererseits blickt man in menschliche Abgründe infolge zuvielen Luxus, der auch mal in Dekadenz umkippt.

Die Überfahrt der beiden Protagonistinnen Jacobina und Floortje ist im Jahre 1882 angesiedelt. Aus der Geschichte wissen wir, dass Ende August 1883 der Vulkan Krakatau ausgebrochen ist, der sich auf einer Inselgruppe zwischen Java und Sumatra befindet, jeweils etwa 50 km von der Küste entfernt. Ein Ereignis, das die Welt, aber natürlich auch das Leben der Menschen in diesem Roman tief geprägt hat.

Die Personen dieses Romans sind so weit ich mich erinnere durchwegs fiktiv, sie sind aber dem Leben historisch verbürgter Menschen nachempfunden. Die Autorin hat sehr viele Informationen aus der holländischen Kolonialgeschichte im Buch verarbeitet, so dass man ein sehr anschauliches Bild der Landschaft gewinnt sowie der sozialen Gepflogenheiten unter den Menschen. Das betrifft sowohl die Mitglieder der holländischen Gesellschaft als auch die einheimischen Menschen und das Zusammenspiel der Herrschaften mit ihren Angestellten. Die sozialen Probleme im Milieu der Prostiuierten sind sehr gut herausgearbeitet ohne aufdringlich zu wirken. Um dem Leser einen bleibenden Eindruck zu verschaffen, stellt Nicole C. Vosseler auf ihrer Homepage viel Bildmaterial und Informationen zur Verfügung. Damit kann man richtig schön in die Geschichte eintauchen.

Die Autorin schreibt in ihrem Nachwort, dass sie mit diesem Buch die Bilder des Tsunamis an Weihnachten 2004 verarbeitet hat, anhand eines Unglücks aus der Vergangenheit in der Region. Vorne im Buch ist eine Karte Javas und Sumatras abgedruckt, auf der man gut nachvollziehen kann, wie sich die Explosionen des Krakatau auf die Region ausgewirkt haben.

Die Szenen kurz vor und nach dem Ausbruch sind sehr packend, aber auch gefühlvoll beschrieben. Man fiebert und leidet mit den Beteiligten mit, sieht die zerstörte Landschaft förmlich vor seinem inneren Auge und riecht die alles einhüllende Asche in der Luft.

Für mich war dieser Roman ein sehr eindrückliches Leseerlebnis. Die Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet mit ihren Fehlern und Schwächen. Selbstverständlich knistert nicht nur der drohende Vulkanausbruch in der Luft, sondern es spitzt sich auch die eine oder andere Liebesgeschichte zu, aber es ist beim Lesen irgendwie immer klar, dass die Geschichte keine Lösung durch ein einfach gestricktes „Happy End“ haben wird. Es passieren durchaus auch sehr traurige Dinge, die dem Buch Glaubwürdigkeit verleihen. Nicht zuletzt flößt der Roman einen gesunden Respekt vor den Naturgewalten ein.

Als in einem exotischen Land angesiedelter historischer Liebesroman, ist das Buch dem Genre „Love & Landscape“ zu zuordnen. Nicole C. Vosseler hat sich mit der Herausarbeitung der historischen Begebenheiten sehr viel Mühe gegeben, dass der Schmöker bestimmt auch für viele Fans historischer Romane ein Genuss ist.

Bewertung vom 16.10.2012
Später Frost / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.1
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Später Frost / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.1


sehr gut

Ein Schmetterlingsforscher wird in seinem Glaushaus mitten im Wald tot aufgefunden. Die Leiche scheint arrangiert zu sein. Rechtsmedizinische Untersuchungen lassen vermuten, dass Balthasar Melchior Frost zu Tode gefoltert wurde. Stina Forss, die aus Berlin stammt und wegen ihrem schwedischen Vater, der erkrankt ist, nach Schweden zurückkehrt arbeitet mit Ingrid Nyström und einem Team zusammen. Der polizeilichen Ermittlungsarbeit kommt eine große Bedeutung im Buch zu, eine Vielzahl von Personen ist beteiligt. Die Spuren führen in die Vergangenheit nach Israel.

Ich fand die Ausgangslage dieses Debüts sehr interessant. Es kommt zu einigen unerwarteten Wendungen. Die Personen sind sowohl, was das Team der Polizei betrifft als auch das Umfeld des Opfers sehr interessant gewählt. Die Vielzahl der Protagonisten fand ich allerdings etwas erschlagend. Von Zeit zu Zeit wird geschickt zum Beispiel beim Schreiben eines Berichts die bisherige Aufklärung wiederholt, was mir eine sehr große Hilfe war.
Allerdings sind einige Themenkreise angeschnitten, auf die man vielleicht hätte verzichten können. Bei einem ersten Band zu einer Serie möchten die Autoren natürlich möglichst breit in ihre neu kreierte Welt um die Serienhauptfiguren vorstellen. Aber zum Teil hätte es vielleicht gut getan, nicht alles aufs Mal zu präsentieren. Cliffhanger sind schön und gut, aber mancher ist dann doch nicht so spannend, dass ich deswegen die Fortsetzung lesen möchte. Dafür waren mir einige für die Aufklärung des Mordfalls sehr relevante Punkte zu wenig genau ausgeführt, was das miträtseln erschwert hat.

Die Handlungsorte sind sehr anschaulich beschrieben, so dass man einen guten Eindruck der Region gewinnen kann. Sowohl die schwedische Landschaft als auch ein Abstecher nach Jerusalem haben mir sehr gut gefallen. Etwas Probleme verschaffte mir die Person der Stina Forss. Sie trägt Probleme mit sich herum, wie das bei Ermittlern häufiger der Fall ist, denkt man an Indridasons Erlendur oder Ian Rankins Inspecor Rebus. Ich frage mich aber, ob das bei einer jungen Polizistin, die zudem aus dem Ausland kommt, nicht etwas dick aufgetragen ist. Mit illegalem Waffenbesitz, Affinität zu Alkohol und anderen Drogen usw. ist man bei der Polizei nicht so nachsichtig. Das fand ich etwas unglaubwürdig und wäre für die Handlung nicht nötig gewesen.


Ich habe mich bei der Lektüre dieses Krimis sehr gut unterhalten gefühlt, ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich wirklich mehr davon lesen möchte. Ich hatte bei diesem Buch das Gefühl, das ich oftmals bei Büchern von Autorenduos habe. Irgendwie fehlt es mir etwas an Seele.


Ich würde diesem Buch gerne 3,5 Sterne geben, da das nicht geht runde ich mit dem Debütbonus großzügig auf 4 Sterne auf.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.09.2012
Das Haus in der Löwengasse
Schier, Petra

Das Haus in der Löwengasse


sehr gut

Das in warmen, rotbraunen Farbtönen gehaltene Cover, das einen mit Gittertor und einer Statue verzierten Eingang eines wohlhabenden Hauses zeigt, ist mir gleich ins Auge gesprungen. Das Bild wirkte auf mich geheimnisvoll und auch etwas unheimlich, sodass ich gleich neugierig war, was es mir diesem Haus in der Löwengasse auf sich hat.

Der Leser wird in das Milieu der Dienstmädchen und Gouvernanten des 19. Jahrhunderts entführt. Der Alltag der Dienstmägde war sehr hart. Der Tag begann in aller Frühe mit körperlich sehr anstrengenden Arbeiten und Feierabend gab es kaum. Ein freier Tag war eine große Seltenheit und ohne ein Arbeitszeugnis war es sehr schwer, wieder eine gute Stelle zu finden. Deshalb setzte Pauline alles dran, um Frau Stein stets zu Diensten zu sein und mauserte sich schnell zu einer hervorragenden Angestellten.

Im Hause Reuther blüht Pauline auf, weil sie als Gouvernante wieder ihrer wahren Bestimmung nachgehen kann. Pauline belässt es jedoch nicht dabei, nur die Kinder zu erziehen. Sie krempelt den ganzen Haushalt um und drückt dem Haus ihren persönlichen Stempel auf. Die direkte Art, wie sie sich gegenüber Herrn Reuther gibt, wenn es um seine Verantwortung in der Erziehung der Kinder geht, hat mich etwas an die „Supernanny“ aus dem Fernsehen erinnert. Das fand ich teilweise schon etwas unglaubwürdig, hat aber die Geschichte zügig voran gebracht.

Die Charakterisierung der Figuren hat mir recht gut gefallen, wobei mir Pauline oft etwas zu lieblich daher kommt, außer im Umgang mit Herrn Reuther. Schön dargestellt ist ihre Zerrissenheit, als sie feststellt, dass sie Herrn Reuther gegenüber Gefühle empfindet, die sie so gar nicht eingeplant hat.

Inhaltlich bietet das Buch keine großen Überraschungen. Es ist ein recht absehbarer Liebesroman vor historischer Kulisse, gewürzt am Rande mit einem Fall von Wirtschaftskriminalität, der aber nicht sehr spektakulär ausgeschlachtet wird. Das Buch kommt insgesamt sehr ruhig daher, vermittelt aber ein sehr intensives Bild des gut bürgerlichen Milieus im 19. Jahrhundert.

Der Roman ist in einfacher und flüssiger Sprache verfasst, sodass man in sehr leicht zur Entspannung lesen kann. Die Geschichte verläuft geradlinig, mit einzelnen Rückblenden, die aber immer ganz klar von den laufenden Entwicklungen abgesetzt sind.

Ich bin im Allgemeinen gar kein Freund von Liebesromanen. Ich mag es, wenn sich am Rande einer Geschichte eine Liebesgeschichte entwickelt, aber um Bücher, in denen das der hauptsächliche Inhalt darstellt, mache ich im Normalfall einen Bogen. Dennoch hat mir dieses Buch sehr gut gefallen. Für mich sehr positiv ist, dass das Buch mit seinen 352 Seiten vom Umfang her praktisch ist zum Mitnehmen. So konnte ich es auf dem Weg zur Arbeit lesen und habe es sehr genossen, in der S-Bahn jeweils ins 19. Jahrhundert einzutauchen.

Bei „Das Haus in der Löwengasse“ handelt es sich um einen Liebesroman vor liebevoll gezeichneter historischer Kulisse. Der Roman lässt sich sehr leicht lesen und vermittelt ein gutes Bild der Kindererziehung und des bürgerlichen Lebens in einer wirtschaftlich aufstrebenden deutschen Stadt. Ein flüssig geschriebenes Buch, schön für zwischendurch zum Abschalten.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2012
Galgenmann
Kiner, Aline

Galgenmann


gut

Der Prolog, der in der Weihnachtsnacht 1944 spielt und erzählt, wie eine junge Frau, Mathilde Ziegler ihren Mann erhängt auf dem Friedhof findet, lässt erwarten, dass die Lösung des Kriminalfalls in die Zeit des zweiten Weltkrieges zurückführt. Das erste Kapitel, als der Pastor auf einem winterlichen Spaziergang die tote Nathalie findet ist sehr gefühlvoll geschrieben und die Landschaft ist sehr liebevoll beschrieben, dass man gleich eine Vorstellung der Region gewinnt, in der die Handlung spielt. Die Hauptermittler, Simon und Jeanne werden recht ausführlich charakterisiert, wobei mir Simon irgendwie näher war als Jeanne. Sie erschien mir recht widersprüchlich, was aber nicht negativ sein muss. Die weiteren Personen bleiben dazu im Vergleich eher blass und ich konnte sie mir, mit einer Ausnahme, der alten Lehrerin Elisabeth Messager, nicht wirklich vorstellen. Erschwerend werden Figuren eingeführt, deren Bedeutung sehr lange rätselhaft bleibt. Oft war mir nicht klar, ob sie mit dem Mordfall etwas zu tun haben oder ob sie Teil des Nebenschauplatzes der einstürzenden Minen sind.

Im Buch erfährt man einiges über das Leben zur Zeit der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg. Aber da ich mit der Geschichte von Elsass-Lothringen nicht so detailliert vertraut bin, war mir manches zu vage. Da hätte ich gerne mehr Ausführungen dazu gelesen, was angesichts des eher geringen Umfangs des Buches mit nur 256 Seiten wünschenswert gewesen wäre. In der Geschichte spielt der Bergbau eine recht wichtige Rolle, wenn auch im Hintergrund. Da gibt es zwar recht stimmungsvolle Einschübe, aber ich hätte mir das auch etwas ausführlicher und klarer gewünscht. Ich hatte am Ende nicht verstanden, weshalb die Minen erst einstürzen, wenn sie nicht mehr leer gepumpt, sondern geflutet werden.

Insgesamt hatte ich nach dem spannenden Prolog und dem gefühlvollen ersten Kapitel mehr von diesem Krimi erwartet. Manches steht sicher zwischen den Zeilen, ist vielleicht bei der Übersetzung verloren gegangen oder ist schlicht gewollt, dass es vage bleibt.

Ich konnte diesen Krimi sehr flüssig lesen, die Sprache ist einfach, aber passend. Auf wirkliche Spannungsmomente habe ich leider vergebens gewartet. Der Fall löst sich zwar für mich unerwartet auf, aber mir erscheinen die Aufklärungen der Mordfälle eher kühl und etwas zu sachlich.


„Galgenmann“ ist ein kurzer Krimi mit einer sehr viel versprechenden Ausgangslage. Er ist in einer sehr interessanten und schönen Gegend situiert, aber dadurch, dass wirkliche Spannungsmomente weitgehend fehlen, plätschert er etwas vor sich hin. Dadurch wirkt er trotz sehr interessantem geschichtlichen Hintergrund doch eher belanglos.

Bewertung vom 06.09.2012
Die Tote von Charlottenburg / Leo Wechsler Bd.3
Goga, Susanne

Die Tote von Charlottenburg / Leo Wechsler Bd.3


sehr gut

Für mich war dieses Buch der erste Krimi mit Leo Wechsler, ich hatte jedoch keinerlei Verständnisprobleme. Susanne Goga hat alle Figuren sehr sorgfältig eingeführt und glaubhaft charakterisiert. Das Leben einer ganz normalen Familie in dieser schwierigen Zeit wird sehr anschaulich dargestellt. Man erhält ein Gefühl, wie die rapide Geldentwertung den Alltag erschwert hat. So nimmt beispielsweise Ilse für einen Ausflug mit den Kindern in den Zoo eine ganze Einkaufstasche voller Geldscheine mit und hat am Abend alles ausgegeben.
Neben den Protagonisten treten auch historisch verbürgte Personen im Krimi auf. Hinten im Buch sind sie aufgeführt mit den wichtigsten Informationen.
Ein Progrom, das 1923 im Scheunenviertel stattfand, ist sehr geschickt in die Geschichte eingewoben, was bei mir einen sehr intensiven Eindruck hinterlassen hat. Weiter ist die Abtreibungsproblematik der Frauen sensibel aufgegriffen.

Inhaltlich zeichnet sich der Roman durch sorgfältig strukturierte Polizeiarbeit aus, erzählt vorwiegend aus Leo Wechslers Perspektive in der allwissenden Erzählweise. In kursivem Druck ist anhand von Tagebucheinträge von Adrian das Leben des Opfers nachgezeichnet. Am Ende fügen sich diese Schilderungen mit dem Lauf der Geschichte zusammen, sodass keine Fragen offen bleiben.

Die sprachliche Ausdrucksweise hat mir sehr zugesagt. Susanne Goga schreibt sehr flüssig in heutigem Deutsch, das aber durchwegs glaubwürdig rüberkommt. Die Spannung ist durch das ganze Buch hinweg subtil da. Allerdings ist es jetzt nicht ein „Gänsehaut-Pageturner“, sondern eher ein leiser Krimi, der auf angenehme Art den Blick des Lesers auf einen kleinen Ausschnitt der neueren Geschichte lenkt.

Ich habe mich mit diesem Krimi gut unterhalten gefühlt und habe in paar angenehme Stunden damit verbracht. Da ich mich sehr für geschichtliche Themen interessiere habe ich sehr eindrucksvoll Einblick in den Alltag während dem „heißen“ Jahr 1923 gewonnen. Ich empfehle dieses Buch Liebhabern von ruhigeren Krimis vor historischem Hintergrund.