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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 08.02.2017
Hell-Go-Land / Anna Krüger Bd.1
Erzberg, Tim

Hell-Go-Land / Anna Krüger Bd.1


sehr gut

Mit Helgoland verbinden die meisten Menschen wohl eher gemütliche Urlaubsatmosphäre (inkl. Strandspaziergang, Heilbad und Matjesbrötchen) als einen zunehmend düsteren Albtraum (inkl. Sturmfront, Ausgangssperre und Blut im Einmachglas).

Insofern ist die Wahl des Schauplatzes für diesen Thriller originell - und stimmig, denn nach dem Lesen kann ich nur sagen: Helgoland im Winter ist geradezu der perfekte Ort für so eine Geschichte! Außerhalb der Urlaubssaison fahren die Fähren ohnehin nur zweimal in der Woche, und bei Unwetter, was wohl nicht selten vorkommt, ist die Insel sogar vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Jeder kennt jeden auf so einer kleinen Insel, und einer davon soll ein skrupelloses Monster sein...? Gänsehaut vorprogrammiert. Ein Großteil der Spannung entsteht alleine schon durch die klaustrophobische, unheilvolle Atmosphäre.

So lebendig, grandios und stimmungsvoll das sturmumtoste Helgoland beschrieben wird, desto blass bleiben jedoch leider manche der Charaktere.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. In der Gegenwart sieht der Leser die Geschehnisse vor allem aus Sicht der Polizistin Anna Krüger, an die ein unbekannter Täter grausige Präsente schickt, und aus Sicht der Putzfrau Katharina Loos, die einen unheilvollen Verdacht hat, was ihren Arbeitgeber betrifft, und auf eigene Faust ermittelt. Außerdem fließen immer mal wieder Gespräche zwischen Täter und Opfer in die Geschichte ein, reduziert auf den reinen Dialog.

Auch Annas Erinnerungen spielen eine große Rolle. Schnell wird dem Leser klar: vor 8 Jahren muss ihr etwas Furchtbares angetan worden sein auf Helgoland. Etwas, für das ihr nie Gerechtigkeit zuteil wurde, ganz im Gegenteil. Lange wird alles nur angedeutet, und als Anna es dann doch mal jemandem erzählt, bricht der Autor die Szene einfach ab und blendet über zur nächsten - aber das verhindert nicht, dass man sich doch recht schnell einen Teil dessen, was geschehen ist, denken kann.

Die Charaktere haben alle viel Potential und auch interessante Eigenheiten. (So hat Anna zum Beispiel ihrer Migräne den Namen Stalin gegeben und spricht gelegentlich mit ihr.) Aber wirkliche Sympathie habe ich weder mit ihr noch mit den anderen Charakteren entwickelt, und sie blieben für mich merkwürdig farblos.

Die drei Polizisten sind mit der Situation hoffnungslos überfordert und ermitteln fast stümperhaft, was aber zugegebenermaßen verständlich ist. Kein angeschlossenes Labor, keine Experten für Spurensicherung... Im Grunde sind sie nur eine Dorfpolizei, die normalerweise alles ans Festland weitergibt, was wirkliche Ermittlungen erfordert - nur, dass das jetzt wegen des Sturms eben nicht geht. Nicht nachvollziehen konnte ich hingegen, dass Anna ihren Kollegen ohne ersichtlichen Grund wichtige Dinge vorenthält, wie z.B., dass sie eine Reihe von beunruhigenden SMS erhalten hat. Ein Versuch des Autors, zusätzliche Spannung zu erzeugen, indem er Anna isoliert?

Der aufmerksame Leser kann schon früh zumindest eine Ahnung entwickeln, wer hinter den blutigen Post-Sendungen steckt, trotz falscher Fährten - allerdings bleibt spannend, warum derjenige tut, was er tut. Die Auflösung und das Motiv des Täters konnten mich am Schluss aber nur so halbwegs überzeugen.

Im Großen und Ganzen gefiel mir der Schreibstil gut, mit kleinen Abstrichen:

Immer wieder findet der Autor tolle Bilder und eine großartige Sprachmelodie, oft baut er eine wunderbar dichte, düstere Atmosphäre auf, die alle Sinne anspricht - gelegentlich driftet er aber auch ab ins Melodramatische.

Abschließend möchte ich sagen, dass mich das Buch trotz der angesprochenen Kritikpunkte gut unterhalten hat und dass ich es auch sehr spannend fand.

Bewertung vom 02.02.2017
Asphalt Tribe
Rhue, Morton

Asphalt Tribe


sehr gut

Der Autor wird den meisten wohl noch aus der Schule bekannt sein! Aus seiner Feder stammt das vielfach preisgekrönte und gerne als Lektüre verwendete Buch "Die Welle", in dem es um ein missglücktes soziales Experiment geht, mit dem ein Lehrer seinen Schülern eigentlich nur zeigen wollte, wie es zum Holocaust kommen konnte... Mit fatalem Ergebnis. (Das ist in der Realität übrigens tatsächlich passiert, an einer amerikanischen Schule in den späten 60er Jahren!)

Aber auch in seinen anderen Werken greift Morton Rhue oft brisante Themen auf, die Jugendliche betreffen: Amoklauf, Jugendkriminalität, brutale Erziehungscamps in den USA, Islamismus und Radikalisierung...

In "Aspalt Tribe" geht es um Straßenkinder - und zwar nicht in den Slums irgendeines Entwicklungslandes, sondern in einer durchschnittlichen amerikanischen Großstadt. Denn Jugendobdachlosigkeit ist auch in Wohlstandsländern ein (oft nur wenig beachtetes) Problem! Auch in Deutschland.

Morton Rhue erzählt die Geschichte einer kleinen Gruppe obdachloser Jugendlicher, die sich zusammengetan haben, um sich gegenseitig Schutz, Trost und Hilfe zu spenden, und die dabei allzu oft ums blanke Überleben kämpfen müssen. Die meisten von ihnen sind vor Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch geflohen, schlafen lieber bei Minus 20 Grad auf der Straße und verkaufen ihren Körper, statt zurückzugehen in ein Elternhaus, in dem sie die Hölle erlebt haben. Sie trauen Erwachsenen nicht mehr, auch nicht der netten Sozialarbeiterin, die ihnen nur helfen will.

Das ist sicher keine lustige Geschichte und der Autor beschönigt nichts, aber er verzichtet darauf, die schlimmen Dinge, die die Jungen und Mädchen erleben, sensationsgeil auszuschlachten und zum Beispiel genauer zu beschreiben, wie sie sich prostituieren. Das hat das Buch gar nicht nötig, denn es ist auch so schon bedrückend genug und regt zum Nachdenken an. "Maybe" berichtet relativ ruhig über die Geschehnisse - und das ist an sich schon verstörend, denn es zeigt, wie sehr sie mit ihren 15 Jahren schon abgestumpft ist. Sie ist traurig, wenn ein Mitglied ihres Stamms tot im Park gefunden wird, aber nicht einmal sonderlich überrascht...

Dennoch fand ich das Buch spannend und bewegend, und das Thema wurde in meinen Augen mit Mitgefühl und Respekt umgesetzt.

Die Kids benutzen "Straßennamen" wie 2Moro, Maggot oder Rainbow und sprechen nicht gerne über ihre Vergangenheit. Deswegen erfährt der Lesende echte Namen und Hintergrundgeschichten meist erst dann, wenn ein Kapitel des Buches mit einem kurzen Steckbrief eröffnet wird, der unvermeidlich mit einem sachlichen Eintrag über den Tod des Jugendlichen endet... Denn das kommt mehr als einmal vor.

Man könnte sagen, dass viele der Charaktere dadurch in gewisser Weise unnahbar bleiben, aber ich habe trotzdem mit den Kindern und Jugendlichen mitgefühlt, denn man spürt deren Leid immer zwischen den Zeilen. Die Erzählerin "Maybe" lernt man mit jeder Seite besser kennen, und man kann sich ihren Gefühlen kaum entziehen. Sie ist sehr glaubhaft und auch ihre Sprache erschien mir passend für ihr Alter und ihre Hintergrundgeschichte.

Am Schreibstil merkt man, dass sich das Buch an jugendliche Lesende richtet, denn der ist sehr einfach und klar strukturiert. Aber es ist meiner Meinung nach dennoch ein Buch, das auch für erwachsene Leser lohnend ist, denn es ist ein Thema, das es wert ist, einmal darüber nachzudenken.

Bewertung vom 29.01.2017
Lautlose Nacht
Lupton, Rosamund

Lautlose Nacht


ausgezeichnet

Der Klappentext klingt nach einem rasanten Thriller, aber wenn ich jetzt an "Lautlose Nacht" zurückdenke, kommt mir als erstes die kristalline Klarheit der Geschichte in den Sinn: zeitlos, schwerelos, oft beinahe poetisch, und dennoch mit einer ganz eigenen Art von Spannung.

Denn Rosamund Lupton erzählt mit dichter Atmosphäre von der archaischen Gnadenlosigkeit der Eiswüste, der Unbedeutsamkeit des Menschen in der unendlichen Weite der Polarnacht, der Qualität der Stille, aber es ist auch eine packende Geschichte von Verrat und Tod, Flucht und Jagd. Kein Thriller, aber durchaus ein fesselnder Roman, den ich nicht mehr weglegen konnte.

Zugegeben, die Geschichte ist nicht immer hunderprozentig glaubwürdig. Denn im Mittelpunkt stehen Yasmin und Ruby, eine junge Mutter und ihre gehörlose Tochter, die sich aufmachen, mitten im arktischen Winter im Norden Alaskas nach Matt zu suchen - Rubys Vater, der angeblich bei einem Brand zu Tode gekommen sein soll, was sie aber nicht glauben wollen. Die beiden überwinden die unglaublichsten Gefahren, und Yasmin, die in ihrem Leben noch nie einen LKW gefahren hat, steuert einen 40-Tonner über vereiste Flüsse, durch Lawinen und Schneestürme... Im echten Leben wäre ihr das schwere Gefährt wohl schon nach 500 Metern in den Graben gerutscht.

Aber das hat mich weit weniger gestört, als ich selber erwartet hätte, denn dadurch verstärkte sich für mich das Gefühl, ein spannendes modernes Märchen zu lesen.

Die Autorin spricht viele interessante, ganz unterschiedliche Themen an: Fracking (ein sehr umstrittenes Verfahren der Erdgas- und Erdölförderung), Gehörlosigkeit (nicht als Behinderung, sondern als andere und ebenso reiche Form der Wahrnehmung), die aussterbende Kultur der Inupiat, (indigener Ureinwohner der Polarregionen Nordamerikas) und vieles mehr. Die Mischung fand ich sehr originell und gelungen.

Die Geschichte wird zum Teil in der Ich-Perspektive aus Rubys Sicht erzählt, und durch sie gewinnt man einen wunderbaren Einblick in das Leben eines gehörlosen Kindes. Obwohl sie sich weigert, laut zu sprechen, empfindet sie sich nicht als sprachlos, denn sie sieht ihre Gebärdensprache als ihre Stimme. Ihre Sicht auf die Welt ist keine eingeschränkte - nur eine andersartige. Genau das ist aber ein häufiger Streitpunkt zwischen ihr und ihrer Mutter, denn Yasmin glaubt, Ruby müsse sich an die Welt der Sprechenden anpassen, um in ihr bestehen zu können.

Ehrlich gesagt fand ich dieses Thema fast spannender als die Frage, ob Matt noch lebt und was wirklich hinter der Brandkatastrophe steckt, die ihn angeblich getötet hat! Das Sahnehäubchen waren für mich die Tweets, in denen Ruby beschreibt, wie sie verschiedene Wörter wahrnimmt.

Zitat:
@Words_No_Sounds
650 Follower
LÄRM: Sieht aus wie eine blinkende Neonwerbung, fühlt sich an wie herunterrieselnder Schutt, schmeckt wie die ausgeatmete Luft anderer Leute.

Auch Yasmin ist in meinen Augen ein gut geschriebener, komplexer Charakter. Die anderen Charaktere bleiben eher blass, aber das liegt meines Erachtens daran, dass sich die Handlung zu großen Teilen ausschließlich um Yasmin und Ruby dreht, denn die verbringen viel Zeit ganz alleine im Cockpit eines Trucks.

Zitat:
Die Kälte war ein Schock. Sie hatte gedacht, Kälte sei weiß wie Schnee oder vielleicht blau wie der Punkt auf einem Kaltwasserhahn. Aber diese Kälte entsprang einem Ort der Nacht und war schwarz, ohne jegliche Farbe oder Licht. Ein gellendes Kreischen ertönte, dann begriff sie, dass es der Wind war, der Neuschnee über den festgefahrenen Schnee am Boden trieb, weiße Geister, die über Straße und Ödnis tanzten.

Den Schreibstil fand ich wunderbar, mit starken und dabei oft lyrischen Bildern. Für mich sind besonders die Passagen sehr gelungen, die aus Rubys Sicht erzählt werden. Oft finde ich in Büchern die "Stimmen" von Kindern nicht glaubhaft oder authentisch, aber Rosamund Lupton hat mich mit Ruby überzeugt.

Bewertung vom 27.01.2017
Kaltgestellt
Buckingham, Royce Scott

Kaltgestellt


weniger gut

Am Anfang war ich von dem Buch sehr angetan - mir gefiel der böse, leicht schräge Humor und der arme gescheiterte Anwalt Stuart "Stu" Stark war mir sympathisch und tat mir leid. Ich freute mich auf einen spannenden Thriller, in dem der scheinbar besiegte Underdog sich gegen seine Widersacher durchsetzt und den Tag rettet, und der Klappentext versprach darüber hinaus den elementarsten aller Kämpfe: moderner Mensch gegen archaische Natur.

Leider kommt hier ein Aber. Ein dickes Aber.

Aber mehr und mehr gewann ich den Eindruck, dass "Kaltgestellt" eigentlich gar kein Thriller ist, sondern bestenfalls ein humorvoller Roman mit sparsam eingestreuten Thriller-Elementen. Das möchte ich jetzt natürlich noch begründen:

Von einem Thriller erwarte ich eine ganz bestimmte Art von Hochspannung, sozusagen psychologische Daumenschrauben, gekrönt von einem unerwarteten und dennoch schlüssigen Ende.

Die Hochspannung wollte sich für mich jedoch nicht so recht aufbauen. Das Buch beginnt relativ langsam mit Stuarts Hintergrundgeschichte, und danach geht es in einem Großteil der Kapitel um seinen Überlebenskampf in der Wildnis (während Frau und Partner zuhause ausnutzen, dass er nicht da ist). Das liest sich zwar interessant, aber eher wie eine Selbstfindungsgeschichte als ein Thriller, und nach ~100 Seiten Selbstfindung hatte ich auch genug davon. Der Klappentext suggeriert, Stuart würde verbissen trainieren, um sich an denen zu rächen, die ihn verraten haben, aber tatsächlich ist ihm bis fast zum Schluss gar nicht bewusst, dass er verraten wurde, denn er glaubt an ein Versehen!

In meinen Augen noch fataler: die Auflösung ist unglaublich vorhersehbar. Dermaßen vorhersehbar sogar, dass ich erst davon ausging, das müsse zum perfiden Masterplan des Autors gehören. Die Spannung würde schon noch daraus entstehen, dass der Leser zuschaut, wie auch Stuart dahinterkommt und zum Gegenschlag ausholt - aber Fehlanzeige. Sogar, wenn er sozusagen mit der Nase darauf gestoßen wird, bleibt Stuart blind und taub, bis es wirklich absolut nicht mehr anders geht - und dann wurden die Geschehnisse meines Erachtens ein bisschen absurd.

Stuarts Entwicklung war für mich einfach nicht glaubhaft. Die körperliche Entwicklung vom verweichlichten Anwalt zum gestählten Wildnisexperten fand ich ja noch plausibel, denn diese erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Die mentale Entwicklung vom allzu gutgläubigen, naiven Softie zum knallharten Alphatier kam mir dann jedoch zu plötzlich.

Abgesehen von Stuart spielen sein Partner Clay und seine Frau Kate die wichtigsten Rollen. Aber Clay war für mich ein sehr eindimensionaler Charakter, der sich im Laufe des Buches nicht großartig weiterentwickelte, und Kates Entwicklung bestand daraus, dass sie sich mehr und mehr Clays Lebenseinstellung annäherte - und das erstaunlich schnell und unreflektiert. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, die fehlende Spannung solle mit verruchtem Sex kaschiert werden, was für mich allerdings nicht funktionierte...

Der Schreibstil hat mir an sich gut gefallen. Wie anfangs schon gesagt, mir gefiel der Humor, und auch die Formulierungen und der Sprachrhythmus kamen mir gelungen vor.

Fazit:
In den ersten Kapiteln war ich noch begeistert, doch dann folgte der Absturz... Spannung baute sich für mich kaum auf, das Ende fand ich unsäglich vorhersehbar, und auch die Charaktere konnten mich nur wenig überzeugen. denn die blieben entweder flach oder entwickelten sich allzu abrupt und unglaubwürdig. Wirklich schade, denn Schreibstil und Humor sprechen mich eigentlich sehr an!

Bewertung vom 22.01.2017
Erbin des Feuers / Throne of Glass Bd.3
Maas, Sarah J.

Erbin des Feuers / Throne of Glass Bd.3


ausgezeichnet

Auch im dritten Band konnte mich "Throne of Glass" wieder mit seinem Anspruch und seiner schieren Komplexität überraschen. Wo ich mir vor dem Lesen des ersten Buches wenig mehr erhofft hatte als eine unterhaltsame, möglicherweise eher seichte Fantasygeschichte für zwischendurch, entdecke ich stattdessen mit jedem Band aufs Neue eine gut durchdachte Welt jenseits der Klischees, mit vielen interessanten Themen und durchaus auch moralischen und ethischen Fragen. Kriegerische Konflikte, politische Intrigen, die verschiedensten Formen von Magie, Hexen und Fae und Wyvern, Assassinen und Prinzen und Rebellen...

Die Autorin beschwört diese umfangreiche, originelle Welt mit einem wunderbar atmosphärischen Schreibstil herauf, lebendig und bewegend und so detailliert, dass ich mir jede Szene bildlich vorstellen konnte. Ob humorvoll, romantisch oder tragisch, ich fand die Geschehnisse immer glaubhaft und großartig beschrieben.

Sarah J. Maas schreibt Charaktere voller Widersprüche, die nicht so einfach einzuordnen sind in "gut" oder "böse". Sie sind das Produkt ihrer jeweiligen Lebensgeschichte, die sich dem Leser nur nach und nach enthüllt. Deswegen sollte man einen Charaktere nie zu schnell abschreiben! Oft ist es in Büchern (gerade im Genre Fantasy) ja so, dass die HeldInnen die aberwitzigsten, grausamsten Dinge erleben, dies aber scheinbar ohne Probleme wegstecken. Nicht so bei Sarah J. Maas: viele ihrer Charaktere tragen die Spuren ihrer Erlebnisse, sei es in Form von Depressionen oder posttraumatischem Stress. Gerade Celaena zeigt in "Erbin des Feuers" meines Erachtens deutliche Symptome dafür, dass sie die traumatischen Erlebnisse in ihrem Leben noch lange nicht verarbeitet hat. Sie macht im Laufe der Bände, die ich bisher gelesen habe, eine enorme Entwicklung durch - mit dem scheinbar oberflächlichen, selbstsüchtigen, skrupellosen Mädchen aus dem ersten Band hat sie nicht mehr viel zu tun.

Auch die Beziehungen zwischen den Charakteren sind so vielschichtig, komplex und widersprüchlich wie das Leben. Gerade Liebe kann die verschiedensten Bedeutungen haben und muss nicht immer romantisch oder erotisch sein. So sagt einer der männlichen Hauptcharaktere am Ende zu einem Freund "Ich liebe dich", und das ist für mich eine der herzzerreißendsten Szenen des Buches

Und so gibt es zwar im Laufe der Reihe auch verschiedene Männer, die in Celaenas Leben eine Rolle spielen, aber das typische Liebesdreieck gibt es in meinen Augen dennoch nicht! In diesem Band wird als neuer Charakter der Fae-Krieger Rowan eingeführt, und wie sich die Beziehung zwischen ihm und Celaena entwickelt, lässt sich auch nicht so einfach in einem Satz erklären - deswegen lasse ich es einfach und sage nur, dass ich es sehr schlüssig und passend und wunderbar fand.

Als weiterer neuer Charakter kommt in diesem Band die junge Hexe Manon dazu, die erst ein wahres Monster zu sein scheint - wie alle Hexen ihres Clans in dem Glauben erzogen, sie habe weder Herz noch Seele. Ihr wurde immer eingetrichtert, dass Skrupellosigkeit, Gewalt und Blutdurst etwas Erstrebenswertes sind, aber nun erlebt sie etwas, dass sie dies hinterfragen lässt. (Und nein, keine Liebesgeschichte.)

Spannend fand ich die Geschichte auch, denn es passiert in diesem Band wirklich so einiges, was auch noch längst nicht alles aufgeklärt wird... Ich freue mich schon auf die nächsten Bände!

Ich habe nicht nur das Buch gelesen, sondern nebenher auch das ungekürzte englische Hörbuch gehört, gesprochen von Elizabeth Evans. Ihre Stimme fand ich sehr ansprechend, und mir gefiel besonders gut, dass sie es wunderbar schafft, verschiedene Charaktere mit unterschiedlicher Stimmfarbe und unterschiedlichem Sprachrhythmus so zu sprechen, dass man sie gut auseinander halten kann. Ich finde es immer bewundernswert, wenn eine Sprecherin auch männliche Charaktere gut sprechen kann, und das kann sie! Ich habe mir schon vorgenommen, weitere Hörbücher zu hören, die sie gesprochen hat.

Bewertung vom 17.01.2017
Flammenmädchen Bd.1
Young, Samantha

Flammenmädchen Bd.1


gut

Um direkt mit dem größten Pluspunkt anzufangen: das Buch ist vom Thema her definitiv mal was Anderes. Hier gibt es keine Vampire, Hexen, Engel, Dämonen oder andere Wesen, die sich typischerweise in Fantasyromanen für junge Leserinnen tummeln, sondern Dschinns und die verschiedensten Unterarten von Dschinns, gut oder böse oder irgendwas dazwischen - mit dem Dschinn aus Aladins Wunderlampe haben sie allerdings alle herzlich wenig zu tun! Die märchenhafte Mythologie und die politischen Intrigen dieser Welt haben mir gut gefallen und erschienen mir auch schlüssig und glaubhaft.

Die Geschichte fängt relativ langsam an, aber ich fand sie dennoch direkt unterhaltsam und war gespannt, wie sich die Dinge entwickeln würden. Auch der Humor hat mich sehr angesprochen - eine witzige Mischung aus orientalischer Mythologie und Jugendkultur. Zum Beispiel wird Aris Haus von einem weiblichen Poltergeist heimgesucht, der nachts gerne ihren Laptop benutzt und (zu ihrem Ärger) mehr Follower auf Twitter hat als sie...
Aber so originell und ungewöhnlich die Mythologie auch ist, so typisch ist das Buch leider in anderer Hinsicht. So wie Bella sich nicht entscheiden konnte zwischen Edward und Jacob, Katniss zwischen Peeta und Gale, America zwischen Maxon und Aspen (und so könnte ich noch eine Weile weitermachen), so steht Ari zwischen ihrer Jugendliebe Charlie und dem mysteriösen Dschinn-Bodyguard Jai.

Was ich vielleicht weniger nervig gefunden hätte, wäre Charlie in meinen Augen nicht so gänzlich unsympathisch gewesen. Ja, er hat eine schlimme Zeit voller Trauer und Schuldgefühle hinter sich, aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, andere Leute zu behandeln wie Dreck - und das tut er. Er lässt Ari zwei Jahre lang komplett im Stich, leistet sich wirklich Mieses (Sex mit einem anderen Mädchen? Auf Aris Geburtstagsparty?! Im Bett ihres Vaters?!!!!), versucht sie zu manipulieren... Es fiel mir oft schwer zu glauben, dass er früher so ein lieber, guter Junge gewesen sein soll, wie Ari immer und immer (und immer und immer) wieder beteuert.

Jai Bitai gefiel mir viel besser, und so konnte ich Aris wachsende Gefühle für ihn auch wesentlich besser nachvollziehen. Allerdings lässt auch er manchmal das Alpha-Männchen raushängen, und ganz ehrlich, ich glaube, ich bin zu alt für diese Art Liebesgeschichte...

Ich mochte Ari sehr gerne, aber anfangs konnte ich nur mit dem Kopf schütteln und denken: Mädchen, lass dich doch nicht so behandeln - von niemandem! Aber gut, sie ist noch ein Teenager, sie ist unsicher und kann sich auf ihren besten Freund nicht mehr verlassen... Im Laufe des Buches entwickelt sie sich spürbar weiter, auch wenn es den ein oder anderen Rückschritt gibt. Manchmal hatte ich dann sogar das Gefühl, dass sie ein wenig zu ruhig und gefasst auf alles reagiert, was ihr geschieht!

Die jugendlichen Charaktere sind überwiegend glaubhaft geschrieben, mit all ihren Stärken, Schwächen und für das Alter typischen Unsicherheiten. Allerdings benehmen sich ein paar Charaktere, die schon Anfang 20 oder älter sind, oft ebenfalls erstaunlich unreif...

Aber mein größter Kritikpunkt: im Laufe des Buches zeigt sich, dass Ari eine Fähigkeit hat, die sie in meinen Augen eigentlich so gut wie allmächtig machen müsste - aber weil das Buch (bzw die Reihe) dann schon sehr früh beendet wäre, vergisst sie praktischerweise mehrfach, dass sie diese Fähigkeit hat... Dabei ist es wirklich, wirklich naheliegend, diese Fähigkeit einzusetzen.

Der Schreibstil ist locker-flockig und humorvoll, mit viel Jugendsprache. Auch die Welt mit ihren farbenfrohen Wesen und Orten wird wunderbar bildlich beschrieben. Nur die ganz großen Emotionen konnte der Stil für mich oft nicht so richtig transportieren.

Bewertung vom 12.01.2017
Die Chemie des Todes / David Hunter Bd.1
Beckett, Simon

Die Chemie des Todes / David Hunter Bd.1


ausgezeichnet

Simon Beckett hat es mit "Die Chemie des Todes" auf einige Listen à la '150 Bücher, die man unbedingt gelesen haben sollte!' geschafft und gilt allgemein als außergewöhnlicher, literarisch wertvoller Thriller. Tatsächlich habe ich das Buch jetzt vor allem deshalb gelesen, weil es auf der Liste der "Bücherkultur Challenge" stand, und insofern bin ich mit sehr hohen Erwartungen an es herangegangen.

Und was soll ich sagen? Die Erwartungen wurden mehr als erfüllt.

Interessant ist alleine schon die Rolle des Protagonisten: David Hunter ist forensischer Anthropologe und gewährt dem Leser einen ungewöhnlichen Blickwinkel auf die Geschehnisse. Wie ein Sherlock Holmes des Todes untersucht er die Leichen von Mordopfern und deren Fundorte und bestimmt zum Beispiel anhand der Anzahl und Farbe von Parasiten, der Beschaffenheit des Bodens und dem Zustand der Haut den genauen Todeszeitpunkt. Er erzählt dem Leser, ruhig und sachlich, was von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus nach dem Tod mit einem Körper passiert, baut das aber in kleinen Dosierungen in die Geschichte ein, so dass es nicht trocken oder langweilig wird.

Originell fand ich auch, dass es dennoch nicht nur um diesen wissenschaftlichen Standpunkt geht, sondern gleichzeitig darum, wie sich die Mordfälle auf das Leben der Kleinstadt, in der sie begangen wurden, auswirkt: die scheinbare Einträchtigkeit bekommt Risse, die Menschen beginnen damit, sich gegenseitig zu misstrauen. Die Idyll gerät ins Wanken, während der Pfarrer von der Kanzel die Rache Gottes predigt. Man merkt, dass der Autor ein gutes Gespür hat für Gruppendynamik und die Psychologie des Zwischenmenschlichen.

Die Spannung baut sich schnell auf, denn nach dem Fund der ersten Leiche wird bald schon klar, dass der Mörder nicht die Absicht hat, es dabei zu belassen. Als die nächste Frau verschwindet, schwärmt das Dorf geschlossen aus, um die Wälder zu durchkämmen - aber der Mörder hat sie mit Fallen gespickt... Obwohl das Buch durchaus anspruchsvoll geschrieben ist, liest es sich packend und unterhaltsam bis zur letzten Seite und bleibt dabei immer logisch und in sich schlüssig. Zwar wird vieles ins kleinste Detail beschrieben, aber in meinen Augen verzichtet der Autor auf unnötige Gewaltorgien - das Meiste erfährt man sozusagen erst posthum.

David hat eigentlich nicht die Absicht, sich mit dem Fall zu beschäftigen, denn er hat nach einer persönlichen Tragödie der forensischen Anthropologie den Rücken gekehrt. Aber natürlich lässt sein Gewissen ihm keine Ruhe, und schnell steckt er wesentlich tiefer im Morast menschlicher Abgründe, als er erwartet hätte. Denn das Dorf misstraut ihm, dem Fremden. Ich fand ihn interessant und glaubhaft geschrieben, und auch die anderen Charaktere wirkten auf mich komplex und lebendig.

Der Schreibstil ist außergewöhnlich: klar, mit starken Bildern und einer ganz eigenen "Stimme". Hier muss ich auch dem Übersetzer ein Lob aussprechen: ich besitze das Buch auf deutsch, habe es mir auf englisch ausgeliehen und bin kapitelweise hin- und hergesprungen, und ich würde sagen, dass die deutsche Übersetzung so nah an Atmosphäre und Sprache des Originals herankommt, wie irgend möglich.

Fazit:
In einem kleinen Dorf geschieht ein Mord. Als kurz darauf eine weitere junge Frau verschwindet, zerbricht die scheinbare Idylle und weicht Paranoia und Fanatismus, was vom Pfarrer des Ortes noch geschürt wird. Gegen seinen Willen wird der forensische Antropologe David Hunter, der gehofft hatte, diesen Teil seines Lebens hinter sich gelassen zu haben, in den Fall verstrickt.

Das Buch gilt als Klassiker des Genres, und in meinen Augen zurecht. Es ist anspruchsvoll geschrieben und dennoch fesselnd, originell, psycholgisch interessant und voller vielschichtiger, lebensechter Charaktere. Eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.01.2017
Survive - Wenn der Schnee mein Herz berührt
Morel, Alex

Survive - Wenn der Schnee mein Herz berührt


weniger gut

Ein Mädchen, das sterben will, und ein Junge, der hinter Wut und Überheblichkeit seine eigene Trauer versteckt, geraten zusammen in eine absolute Extremsituation, in der es um nichts Geringeres geht als um Leben oder Tod. Wenn sie nicht elendig erfrieren, verhungern und verdursten wollen, müssen sie sich ihren Weg aus einer abgelegenen Schlucht in den Rocky Mountains zurück in die Zivilisation erkämpfen.

Damit ist die Handlung an sich schon zusammengefasst! Daher ist "Survive" ein Buch, das zwar jede Menge rasante Action und Abenteuer zu bieten hat, aber dennoch mit seinen beiden jugendlichen "Stars" steht und fällt. Wenn der Leser nicht mit ihnen mitfühlt, dann kratzt die Handlung nur an der Oberfläche und kann zwar unterhalten, aber nicht berühren.

Und so leid es mir tut, die Geschichte hat mich tatsächlich nur selten berührt, denn ich hatte meine Schwierigkeiten mit Jane und Paul.

Jane will sterben. Warum? Anscheinend vor allem, um die Familientradition fortzuführen. Ihr Urgroßvater, ihre Großmutter und ihr Vater haben sich alle umgebracht und Jane sagt mehrmals, dass sie auch diese ganz besondere Aufmerksamkeit bekommen will, mit der Hinterbliebene Selbstmördern gedenken. Gut geht es ihr natürlich nicht, aber man bekommt als Leser nur selten tiefere Einblicke in ihr Seelenleben. Sie spricht öfter von ihrem Vater, der sich vor vier Jahren an Weihnachten erschossen hat, aber auch das bleibt merkwürdig distanziert. Irgendwie tat sie mir zwar leid, aber sie wirkte auf mich leider weder echt noch glaubwürdig.

Auch Paul war mir erst nicht sympathisch. Er lacht über den abgetrennten Kopf des Piloten und wedelt mit der Hand einer Toten herum, um Jane den "dicken Klunker" am Ringfinger zu zeigen. Natürlich erfährt man später, dass er eigentlich gar nicht so ist und einfach sein eigenes emotionales Päckchen zu tragen hat, aber es dauerte lange, bis ich mich halbwegs mit ihm anfreunden konnte.

Paul bringt mich jedoch zu einem weiteren gravierenden Kritikpunkt: der Glaubwürdigkeit. Paul ist Bergsteiger, total durchtrainiert und ein richtiger Survival-Experte. So weit würde ich das ja noch schlucken, aber später in der Geschichte zeigt er zum Beispiel, dass man anscheinend auch mit gebrochenen Knochen noch Wände hochkraxeln kann, wenn man eine ganze Handvoll Schmerzmittel einschmeißt und erstmal ein Schläfchen im Schnee macht.

Jane, die ein Jahr in einer psychiatrischen Anstalt verbracht hat und nach eigenen Aussagen die meiste Zeit am Fenster gesessen und blicklos nach draußen gestarrt hat, entpuppt sich als Naturtalent im Klettern. Erklärt wird das damit, dass sie als kleines Kind gerne an Kletterwänden geklettert hat, aber das ist Jahre her, und eigentlich dürfte Jane nicht annähernd die Muskelkraft haben, um so etwas durchzuhalten.

Leider konnte mich auch die Liebesgeschichte nicht ganz überzeugen. Klar, in Extremsituation entwickelt man mit Sicherheit sehr schnell eine Bindung zu dem einzigen anderen Menschen, der in der gleichen Lage steckt. Aber hier geht alles sehr, sehr schnell!

Eigentlich hätte die Geschichte viel Potential gehabt. Die angesprochenen Themen versprechen emotionale Wucht und psychologischen Tiefgang, aber das Potential wird in meinen Augen nicht annähernd ausgeschöpft. Das Ende hat mich wirklich überrascht, aber eine Sache, die ich hier noch nicht verraten will, erschien mir wie der Versuch, der Geschichte schnell noch eine tiefere Ebene zu geben, was für mich leider nicht funktioniert hat.

Spannend liest sich das Buch durchaus, man kann sich gut die Zeit damit vertreiben, aber für mich ist "Survive" kein Buch, das mich länger beschäftigen wird - und das ist sehr schade, denn die Zutaten für ein großartiges Jugendbuch waren alle da.

Der Schreibstil schwankt sehr. Mal findet die Autorin wirklich schöne Bilder und gute Formulierungen, dann sind die Sätze wieder extrem kurz und einfach, was Janes oft sehr emotionslose Art noch unterstreicht.