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Benutzername: 
buchina
Wohnort: 
Mainz

Bewertungen

Insgesamt 215 Bewertungen
Bewertung vom 13.01.2015
Der Wolkentempel
Woodhead, Patrick

Der Wolkentempel


sehr gut

Als erstes würde ich diesen Roman nicht als einen Thriller, sondern einen Abenteuerroman bezeichnen. Nicht, dass er nicht die nötige Spannung hat, aber typische Thriller-Leser wären vielleicht sehr überrascht. Die Geschichte beginnt mit einer grausamen Szene in China der 50er Jahre mitten in der Kulturrevolution. Eine wichtige Bibliothek der Tibeter wird abgebrannt und die Mönche bestialisch ermordet. Szenenwechsel: 2005 zwei englische Bergsteiger versuchen in Nepal einen Gipfel zu erklimmen. Kurz vor dem Berggipfel erblickt einer der beiden Luca eine Bergpyramide. Zurück in England kann er diese Pyramide nicht vergessen und recherchiert. Nachdem er herausgefunden hat, dass es etwas mit den Heiligtümern der Tibeter zu tun hat, kehrt er mit seinem Freund zurück, um mehr herauszufinden. Neben der Geschichte der Bergsteiger, folgt parallel ein weiterer Handlungsstrang. Der chinesische Sicherheitsdienst wird beauftragt den Nachfolger des verstorbenen Panchen Lama zu finden. Die Reinkarnation ist ein kleiner Junge, der von den Tibetern versteckt wird. Der Panchen Lama ist neben dem Dalai Lama die höchste Autorität des tibetischen Buddhismus. Diese beiden Handlungsstränge hängen unmittelbar zusammen und verstärken das Tempo, was schließlich zu einem erbitterten Katz und Maus-Spiel führt. Neben der tibetischen Religion erfährt man einiges über die chinesische Tibet-Politik, aber auch über Bergsteigerlatein. Der Schreibstil ist flüssig und sehr gut zu lesen. Der Spannungsbogen geht schnell steil nach oben und man kann am Ende das Buch kaum aus der Hand legen. An manchen Stellen wirkt die Geschichte etwas konstruiert. Aber der Autor findet immer wieder den Absprung, so dass der Roman nicht ins Fantastische abrutscht. Zu Beginn wirkte der Roman sehr klischeehaft auf mich, aber er gewinnt an Tiefe und liefert keine einfache Schwarz-Weiß-Zeichnung. Zu meinem Glück halten sich die Bergsteigerbeschreibungen im Rest des Romans zurück. Denn die langatmige Beschreibung der Gipfelbesteigung zu Beginn war für mich persönlich langweilig. Ein gutes Buch mit einem interessanten Thema.

Bewertung vom 13.01.2015
Verräter wie wir
Le Carré, John

Verräter wie wir


sehr gut

Ein Universitätsdozent Perry und eine erfolgreiche Anwältin Gail im Urlaub auf Antigua. Beide könnten mit ihrem gemeinsamen Leben glücklich sein, aber irgendwas fehlt. Das Irgendwas tritt dann überraschend schnell in ihr Leben, in Form von Dima, einem russischen Geldwäscher. Dieser ist mit seiner Familie nach Antigua gereist, um eine Möglichkeit zu finden, sich und seine Familie zu retten. Denn sein Stern innerhalb der russischen Mafia ist im Absturz begriffen. Hilfe erhofft sich von Perry. Er soll mit dem britischen Geheimdienst in Kontakt treten und einen Deal aushandeln. Gail und Perry haben nun ihr gewünschtes Abenteuer, in das sie schneller als sie denken immer tiefer rutschen. Während der ersten ca. 100 Seiten des Romans ist Konzentration gefragt. Sehr ausführlich zeichnet der Autor seine Protagonisten und erzählt die Handlung in Rückblicken, getragen durch ein Verhör. Dementsprechend ist der Sprachstil, typisch für le Carré sehr sachlich und nüchtern. Nachdem die Handlung so langsam dahinplätschert und man immer mit dem schlimmsten rechnet, gewinnt sie nach und nach immer mehr an Fahrt. Der Spannungsbogen steigt nach einer langen Ruhephase steil an. Wobei die Charaktere Gail und Perry dabei ein wenig an Tiefe verlieren. Im Gegensatz dazu die Person Dima, die trotz ihrer verbrecherischen Vergangenheit immer sympathischer wird. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen. Und wenn man le Carré kennt, kann man sich schon auf den letzten Metern das Ende gut vorstellen. Deshalb richtig überrascht war ich nicht. „Verräter wie wir“ ist ein sehr gut geschriebener Roman, der hinter den alltäglichen Wahnsinn der mafiösen Strukturen und ihre Vernetzungen in die Politik aufzeigt. Anspruchsvolle Kost, bei der man aufmerksam lesen muss, um diese Strukturen und den Verrat zu verstehen. Da le Carré gut recherchiert und die Wirklichkeit gern als Inspiration nimmt, kann man nur noch mit großer Skepsis die Nachrichten verfolgen. Empfehlenswert für alle, die komplexe Krimis mögen, aber nicht für Thriller-verwöhnte Leser, da sich die Spannung doch sehr langsam aufbaut. Im Gegensatz zu vielen anderen Meinungen muss ich deutliche Abstriche bei der Verarbeitung des Buches machen. Von außen sieht es edel aus mit schicken goldenem Einband. Aber alles nur Schein, die Seiten sind aus dickem billigem Papier, schlecht geschnitten mit rauen Kanten. Das Buch soll eindeutig gewichtiger wirken als es ist. Da Bücher für mich Gesamtkunstwerke sind, ist dies auch ein wichtiger Kritikpunkt.

Bewertung vom 13.01.2015
Du
Drvenkar, Zoran

Du


ausgezeichnet

„DU“ Titel und Cover erregen sofort Aufmerksamkeit, nicht nur weil sie ungewöhnlich sind, sondern da man erst einmal kaum etwas damit anfangen kann. Die dunklen Farben deuten auf Grusel- und Thrillerelemente hin. Da das mein erster Roman von Zoran Drvenkar ist, habe ich mich wirklich auf meinen ersten Eindruck verlassen müssen. Für alle Drvenkar-Kenner ist er ja als bekannter Thriller-Autor bekannt. Ich stürzte mich also ohne irgendwelche Vorkenntnisse in diesem Roman. Den Klappentext sollte man besser auch nicht lesen, der verwirrt nur. Das erste Kapitel mit „Der Reisende“ überschrieben, erinnert sehr an einen typischen Thriller, indem man durch die Augen eines Massenmörders blickt und ihn so bei seinen Taten beobachten kann. Wie so oft begreift man die Grausamkeiten nicht, sondern kann nur hilflos dabei zusehen. Sehr ungewöhnlich und für mich auch verwirrend war die Ansprache „du“. Ich bin es gewohnt mit einem Ich-Erzähler oder aus der Beobachtung heraus der Handlung zu folgen, aber direkt angesprochen zu werden nicht. Ich habe mich aber sehr schnell daran gewöhnt und nach ein paar Seiten fiel es mir kaum noch auf. Szenenwechsel, Kapitel ist umschrieben mit „Ragnar“. Diese Überschriften über jedes Kapitel, die beschreiben aus welchem Blickwinkel man jetzt der Handlung folgt, bleiben im ganzen Roman bestehen. Ich brauchte sie auch, denn ohne diese wäre ich manchmal der Verzweiflung nahe gewesen. Denn durch die immer gleiche Ansprache mit „du“ konnte ich sonst kaum folgen, wem ich da folge. Ragnar scheint ein übler und brutaler Typ zu sein, der gerade seinen toten Bruder findet. Viel mehr erfährt man nicht oder kann mit den Informationen nicht viel mehr anfangen. Szenenwechsel, nächstes Kapitel „Stinke“. Der Spitzname einer jungen Frau oder besser Mädchens, die mit ihrer Mädchenclique die letzten Wochen bis zum Schulabschluss versucht rumzukriegen. Drei Handlungsstränge, die nicht zusammenzupassen zu scheinen und erst am Ende wirklich aufgelöst und zusammengeführt werden. Bis dahin wird man von Kapitel zu Kapitel in neue Situationen und Leben hineingeworfen, dazu kommen weitere Handlungsstränge, die erst einmal nur verwirrend sind. Innerhalb der ersten 50 Seiten war ich mir die ganze Zeit unsicher, ob mir der Roman überhaupt gefällt. Aber als ich immer mehr von den Charakteren erfuhr und verstand, konnte ich kaum aufhören. Denn die Handlung nimmt sehr an Geschwindigkeit zu. Die Zufälle sind oft so absurd, dass man nie mit ihnen gerechnet hätte und das ganze Handlungskonstrukt, das ich mir beim Lesen langsam aufgebaut hatte, bricht zusammen und ich musste von neuem beginnen. Zum Teil war die Handlung sehr unglaubwürdig. Aber was weiß ich, manchmal spielt das Schicksal einfach verrückt. Es wurde mir immer wieder klar es gibt keine schwarz/weiss, sondern nur viele Grautöne, auch dort, wo ich es auf keinen Fall erwartet hatte. Dazu tragen vor allem auch die Geschehnisse der Vergangenheit bei, die die Handlungen zum Teil erklären, aber erst nach und nach preisgegeben werden. Der Schreibstil ist ungewöhnlich aber gut. Zu jedem Charakter und Handlungsstrang findet Drvenkar die richtige Sprache, sei es bei pubertierenden Jugendlichen oder einem Angestellten mittleren Alters. Die Ansprache mit „du“ ist verwirrend, aber – wie gesagt – es fällt nach ein paar Seiten kaum auf. Ich kann den Roman jedem Thriller-Liebhaber nur empfehlen. Er ist ungewöhnlich und nicht nach den typischen Mustern gestrickt. Deshalb auch mindestens, die ersten 50-70 Seiten lesen und dann erst weglegen, wenn man dann immer noch nicht warm wird. Ein Minuspunkt muss ich am Ende doch noch hinzufügen, 100 Seiten weniger hätten dem Roman auch nicht geschadet, vor allem bei der Mädelsclique hätte man kürzen können.

Bewertung vom 13.01.2015
Engel aus Eis / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.5
Läckberg, Camilla

Engel aus Eis / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.5


sehr gut

Der Krimi beginnt wie so oft mit dem Fund einer Leiche. Dabei ließ die Autorin auch kaum ein ekliges Detail aus. Der Rest des Romans werden diese Details aber eher ausgespart und der Ekelfaktor hat schon zu Beginn seinen Höhepunkt erreicht. Die Leiche stellt sich als Erik Frankel heraus, einen pensionierten Geschichtslehrer, der sehr viel zu der Geschichte der Nazis forschte. Die einzigen Verdächtigen sind die Mitglieder einer rechtsradikalen Organisation, die mit seiner Forschung nicht einverstanden waren. Die Verbindung zu der Protagonistin Erica liegt in der Vergangenheit, denn Wochen vor dem Mord an Erik hatte sie ihm einen Naziorden zur Überprüfung gegeben, den sie in den Sachen ihrer Mutter fand. Besonders durch das distanzierte Verhältnis zu ihrer seit ein paar Jahren toten Mutter, ist Erica bemüht, mehr über ist zu erfahren. Bald wird klar, dass die Lösung des Mordes in der Vergangenheit liegt. Durch die von der Autorin gut gewählten Zeitsprünge in die Vergangenheit, genauer in die Jahre des Zweiten Weltkriegs, erfährt man viel über das damalige Leben und inwieweit die Nazis auch in das Leben einer Kleinstadt in Schweden eingegriffen haben. Aber erst am Schluss kommt die ganze grausame Wahrheit heraus, die zu den Morden in der Zukunft führt. Neben der Aufklärung des Mordes, gibt es einige Nebenhandlungen, die Krimifans vielleicht ablenkend finden, ich aber sehr entspannend fand. Wie schwierig es für Männer ist, im Erziehungsurlaub wirklich 100prozentig die Verantwortung zu übernehmen oder wie der kauzige Bertil Mellberg plötzlich seine Liebe zu Salsa oder besser zur Salsalehrerin entdeckt, ist einfach süß. Durch diese Nebenhandlungen erhalten die Protagonisten mehr Tiefe und Menschlichkeit. Insgesamt ist das ein sehr guter Krimi, mit sympathischen Protagonisten, einer spannenden Handlung, flüssigem Schreibstil und viel Aufschlussreiches über die schwedische Geschichte im Zweiten Weltkrieg. Empfehlenswert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.01.2015
Impact
Steinhardt, Bernd

Impact


gut

Ein zurückgezogener Wissenschaftler stirbt in einer stürmischen Nacht in einem mit gelartiger Flüssigkeit gefüllten Tank in seinem Haus. Ein „Wetterfrosch“ eines Nachrichtenkanals, der ihn kaum kennt, will ihn retten und stirbt bei der vergeblichen Rettungsaktion fast selbst und wird verdächtigt mit dem Tod etwas zu tun zu haben. Szenenwechsel: ein durch geknallter aber intelligenter junger Mann ist auf der Suche von außerirdischen Signalen in seinem kleinen Transporter. Er findet eigenartige Funkwellen und kurz danach geht sein Wagen in Flammen auf. Bernd Steinhardts Roman beginnt nicht gerade gemächlich. Sofort wird man in die Geschichte hineingestoßen und versteht nur mit Mühe die verschiedenen Handlungsstränge und die wissenschaftlichen Theorien dahinter. Das ist auch im gesamten Roman zum Teil sehr schwierig, die wissenschaftlichen Gedankengänge nachzuvollziehen, vor allem ohne Grundwissen. Etwas weniger und dafür strukturierter wäre meines Erachtens besser gewesen. Dagegen wechseln sich obskure New-Age-Theorien, mit Klimawandelprognosen und Bezüge zu realen Forschungsprojekten. Am Ende wird es für mich zu viel New-Age mit zu obskuren „Gedanken beeinflussen das Weltgeschehen-Theorien“. Der Autor sollte sich in Zukunft auch zurückhalten, was Liebesgeschichten betrifft. Die in diesem Roman ansatzweise beschriebenen sind doch allzu plakativ und ohne jede Tiefe. Den Roman in Neuseeland zu verorten ist strategisch gut gewählt. Ein Land, wo ich mir nichts Böses vorstellen kann mit viel Natur und netten Menschen. Das gerade dieses Land kurz vor einer Naturkatastrophe steht durch die Machenschaften von geheimen Mächten ist ein gut gewählter Gegensatz. Insgesamt fand ich es sehr schön, endlich mal wieder einen Science Fiction Roman – „Impact“ ist zwar als Thriller deklariert, für mich war es aber kein typischer Thriller – zu lesen. Aber weniger schwer verständliche Theorien wären besser gewesen. Er hätte sich auf eine konzentrieren sollen und die stärker ausbauen, so dass man die Hintergründe besser versteht. Es ist ein spannender Roman, vor allem hervorgerufen durch die ständig wechselnden Perspektiven, die die Geschichte von vielen Seiten betrachtet, aber nicht mehr.

Bewertung vom 13.01.2015
Hart aber Hilde
Haskamp, Bettina

Hart aber Hilde


gut

Pia, Anfang 40 hat einen pubertierenden auf Heavy Metall stehenden Sohn, einen Loser als Bettpartner und drei Jobs. Also eine moderne Cinderella, die aber weder harmoniesüchtig, noch so ordentlich ist, sondern einfach chaotisch. Deshalb überrascht es nicht, dass bereits auf den ersten Seiten ihr chaotisches Leben vollends zusammenbricht. Jobverlust, Schulden, alles an einem Tag. Dafür tritt Hilde etwas unsanft in ihr Leben. Eine kunstbegabte 80jährige, die Hilde die nötige Kraft und Schwung wieder in ihr Leben bringt. Klingt nach einer netten Geschichte und das war sie auch, aber nicht mehr. Pia und Hilde sind zwei sympathische Charaktere, ohne Tiefen, deren Handlung vorhersehbar ist. Ein bisschen Abwechslung sollten wahrscheinlich die kleinen Nebenhandlungen bringen, aber vor allem der Charakter Felix mit seiner „Wer wird Millionär“-Macke fand ich anstrengend. Diese Handlung war einfach nur unnötig. Vielmehr hätte ich mir bei den Hauptcharakteren mehr Tiefgang gewünscht oder auch bei der Mutter-Sohn-Beziehung, die nur am Rande immer mal erwähnt wird. In der Mitte des Romans dachte ich alles wäre vorhersehbar und die Autorin traut mir als Leser kaum etwas zu. Am Ende wurde ich mit Endkonstellation dann doch überrascht und wieder etwas versöhnt. „Hart aber Hilde“ ist auf keinen Fall harte Kost, sondern etwas sehr leichtes für zwischendurch. Das Thema ist nicht neu und wurde auch nicht neu erzählt. Gut ist, dass die Hauptcharaktere keine Anfang Dreißigerin ist, wie so oft in den typischen Frauenromanen, sondern eine hart arbeitende Mutter, wenn für meinen Geschmack auch zu chaotisch.

Bewertung vom 13.01.2015
Kuchen backen in Kigali
Parkin, Gaile

Kuchen backen in Kigali


ausgezeichnet

Angel lebt mit ihrem Ehemann und ihren fünf Enkelkindern in Kigali. Auf die zusätzlichen Einnahmen angewiesen, backt Angel Kuchen und Torten für Anlässe aller Art. Unter der Last ihres eigenen Schicksals, das ihr beide Kinder genommen hat, widmet sie sich mit viel Einfühlungsvermögen den Problemen ihrer Freunde, Nachbarn und Kunden. Genauso bunt wie ihre Kuchen sind die Geschichten, die hinter jedem Schicksal stehen. Angel, der Name ist Programm, denn mit ihren ganz eigenen Methoden versucht sie jedem zu helfen, der bei ihr vorbeischaut. Aus den Gesprächen, die Angel mit ihren Kunden und Nachbarn bei einer Tasse süßen Tees mit einer Prise Kardamon führt, entsteht beim Leser ein Abbild des heutigen Ruanda. Ob sie nun mit ihrer Nachbarin Amina, der Barfrau Francoise oder mit Bosco, dem Chauffeur eines ausländischen NRO-Mitarbeiters spricht. Immer werden dabei viele der aktuellen Themen Ruandas berührt. Vergebung, HIV, die Rolle von Mann und Frau, Schulbildung oder die große Anzahl von Waisenkindern und das, was die Menschen umtreibt. Angel kommt ursprünglich aus Tansania und ist erst nach dem Genozid nach Ruanda immigriert. Dadurch ist es ihr möglich von außen auf die ruandische Gesellschaft zu blicken, wie es ein Ruander kaum kann. Die Autorin verknüpft kunstfertig Unterhaltung und Information über den Alltag in der ruandischen Großstadt. Das ist kein Buch über den Genozid, ebenso darf man keine intensive Auseinandersetzung mit den Problemen in Ruanda erwarten. Es ist ein unterhaltsames Buch, welches ein farbenfrohes Bild Afrikas und Ruandas im Speziellen zeigt. Dementsprechend passt auch der sehr markante Bucheinband. Ein zuckersüßes Buch, genau das richtige für trübe Herbsttage.

Bewertung vom 13.01.2015
Birne sucht Helene
Henn, Carsten Sebastian

Birne sucht Helene


sehr gut

Typischer Frauenroman? Ja. Zwei Unglückliche suchen die große Liebe, dabei ist sie ganz nah. Auch wenn die Geschichte nicht neu und außergewöhnlich ist, der Roman ist sehr lesenswert. Besonders gut gelungen ist das Zusammenspiel des Inhaltes mit dem Aufbau des Buches. So beginnt jedes Kapitel, mit der Zeitungsanzeige von Paul, dem unglücklichen Protagonisten. Diese ist immer eine kleine Zusammenfassung seines Gefühlslebens des vorhergehenden Kapitels, ganz wunderbar geschrieben. Auch die Verbindung, die Liebste durch Kochen zu finden und zu halten ist nicht neu, passt aber ganz wunderbar zur Geschichte. Die Charaktere sind liebenswert. Gerade Paul erwärmt das Herz jeder Frau. Besonders wenn zu lesen ist, dass er durch Kochen und das Lesen von Frauenzeitschriften Frauen besser verstehen will. Dazu hat er noch lustige Haustiere und zieht sich langweilig an. Also ein Typ, der die richtige Frau dringend braucht. Eli, sieht gut aus, hat einen schwulen besten Freund und Pech mit Männern und Autos. Das mit den Autos ist aber ihr Glück, denn so lernt sie Paul kennen, der in einer Kfz-Zulassungsstelle arbeitet. Schon an der kurzen Beschreibung sind die vielen Klischees zu erkennen. Zwischendurch hat mich das sehr an eine typische amerikanische Liebeskomödie erinnert. Schade ist, dass vor allem die Nebendarsteller sei es der Traumprinz von Eli oder der beste Freund von Paul nur so von Klischees strotzen. Da wäre ein bisschen weniger mehr gewesen. Der Humor des Romans ist aber sehr gut, ein paar Mal musste ich sehr lachen. Vor allem der Sarkasmus der Protagonisten ist genau meine Art von Humor. Neben den beschrieben Köstlichkeiten, inklusive der drei angehängten Rezepte, spielt die Stadt Köln auch eine wichtige Rolle (wie auch am Cover zu erkennen). Ich vermute, dass Nicht-Kölner viele lustige Szenen nicht verstehen werden. Das ist ein kurzweiliger, aber sehr lustiger Roman, der durch die sympathischen Charaktere und der guten Beobachtungsgabe des Autors auffällt. Manchmal konnte ich nicht glauben, dass der Autor ein Mann ist. Denn welchen Mann fällt schon auf „dass die Servietten der Eisdielen rauer waren als das Klopapier in Jugendherbergen“. Genau richtig für einen schönen Nachmittag auf dem Balkon.

Bewertung vom 08.01.2015
Funkentanz
Miedler, Nora

Funkentanz


sehr gut

Emilia erwacht in einem Krankenhaus, ihr Knie tut weh. Aber das ist nicht das schlimmste, denn sie kann sich an nichts erinnern. Nicht wie sie hierhergekommen ist, noch an ihren Namen. Aber nur die persönlichen Erinnerungen sind weg, an alles andere z.B. wie Angelina Jolies Kinder heißen, weiß sie noch. Auch ihre Eltern erkennt sie nicht. Nach ein paar Wochen im Krankenhaus, darf sie mit ihren Eltern nach Hause. In ein fremdes zu Hause, denn nicht nur, dass Emilia keine Erinnerung an ihr zu Hause hat. Können auch kaum Erinnerungen kommen, denn sie sind vor kurzem umgezogen, weil ihr altes Zuhause abgebrannt ist. Weshalb es auch keine Fotos oder sonstige Erinnerungsstücke gibt. Verhalten sich Emilias Eltern wegen dem Brand so komisch oder warum ist ihr Vater abweisend und ihre Mutter ein Wachhund, der sie nicht aus den Augen lässt. Sind es wirklich ihre Eltern? Was verheimlichen sie?

Der Start ins Buch beginnt rasant und auch über den ganzen Roman wird der Spannungsbogen gehalten. Emilia ist ein sympathischer starker Charakter, mit dem ich sofort mit gefiebert habe. Ihre Gefühle waren sehr gut beschrieben. Auch ihre Umgebung, ohne langatmig zu werden. Der Schreibstil ist locker und leicht zu lesen, ein typisches Jugendbuch.

Die Autorin hat es geschafft, dass ich als Leserin die ganze Zeit mit gerätselt und auch wie Emilia falschen Spuren gefolgt bin. Das war für mich die größte Stärke des Buches. Denn dadurch, dass es keine handfesten Beweise für Emilias Identität gab, musste Emilia und der Leser den Menschen in ihrer Umgebung vertrauen. Das war nicht einfach, denn es gab immer wieder Ungereimtheiten, die zum Teil auch am Ende nicht aufgeklärt wurden. So erschien mit manches Verhalten doch etwas unlogisch, weshalb ich auch einen Stern abziehe. Das Ende war wie der ganze Roman richtig spannend, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Dennoch ließ es mich etwas unbefriedigt zurück. Manches wurde nicht aufgeklärt und deshalb war mich nicht alles logisch.

Dennoch ist „Funkentanz“ ein empfehlenswerter Jugendbuchthriller, der kontinuierlich die Spannung hält, sehr sympathische Charaktere hat und wirklich zum mit rätseln einlädt.

Bewertung vom 08.01.2015
Niemand liebt November
Michaelis, Antonia

Niemand liebt November


sehr gut

November ist 17 Jahre und allein. Ihre Eltern sind kurz vor ihrem sechsten Geburtstag verschwunden. Seitdem hat sie eine Odyssee bei Pflegeeltern und Heimen hinter sich. Aus der letzten Unterkunft ist sie abgehauen. Sie sucht ihre Eltern, denn bei ihnen hofft sie endlich auf Liebe zu treffen.

Für ihre Suche hat sie nur den Hinweis auf eine Bar, wo ihr Vater wohl mal gearbeitet hat. Dort trifft sie auf Katja, dem Barbesitzer. Er verschafft ihr schließlich einen Job in der Bar und passt ein wenig auf. November vertraut aber nicht immer den richtigen Menschen und wird immer wieder enttäuscht. Die Suche nach ihren Eltern verläuft langsam und es gibt immer wieder Sackgassen. Dazu fühlt sich November immer wieder verfolgt und erhält anonyme Drohbriefe. Den einzigen Halt bekommt sie durch einen Jungen, den sie immer wieder sieht, der aber auch immer schnell verschwindet. Mit ihm fühlt sie sich verbunden.

November ist ein wirklich interessanter Charakter. Das Verlassen werden von ihren Eltern hat ihr Herz gebrochen. Wie sehr dieses Ereignis November ihren Umgang mit den Menschen geprägt hat, erfährt man erst nach und nach. November ist eine gebrochene Seele, die nach Liebe sucht. Das hat bei mir große Mitgefühle für sie entstehen lassen, gleichzeitig konnte ich kaum mit ansehen, wie sie sich selbst in großes Unglück stürzt. Ich wollte sie abwechselnd an mich drücken oder wach schütteln. Durch ihre psychische Instabilität wird man als Leser auch immer in der Schwebe gehalten, was von Novembers Eindrücken wahr ist oder was vielleicht auch eingebildet ist. Gerade diese Unsicherheit enthielt die Spannung für mich. Die Suche nach ihren Eltern dagegen fand ich dagegen oft ermüdend und langatmig. Die Rückschläge wiederholten sich und Novembers Handlungsweisen schienen mir zum Teil unlogisch. Der Spannungsbogen hatte für mich einen tiefen Knick nach unten in der Mitte des Romans, der für mich sehr zäh war. Am Ende gewann die Geschichte nochmal an Fahrt und war wieder spannender.

Der Schreibstil ist ungewöhnlich und ich brauchte eine Weile um rein zu kommen. Dann aber entfaltet er seine eigene Poesie. Sehr schön ist auch, dass jedes Kapitel mit einem kleinen Gedicht beginnt. Passt der gut zur Stimmung des Romans, die die ganze Zeit sehr melancholisch ist. Genau wie man sich einen November vorstellt, etwas grau, traurig und wenig Licht.

Ein etwas anderer Roman, der nicht fröhlich ist und zum Teil auch ziemlich brutal, vor allem für ein Jugendbuch. Keine leichte Kost! Ein Roman, der mich zwiespältig zurück ließ. Einerseits hat er meine Gefühle stark angesprochen, anderseits blieb mir die Protagonistin immer etwas fremd. Und außerdem hatte der Roman, vor allem in der Mitte einige Längen, die nicht hätte sein müssen.