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Top-Rezensenten Übersicht

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Magnolia
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Bayern

Bewertungen

Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 23.10.2023
Hope's End
Sager, Riley

Hope's End


ausgezeichnet

Absolut spannend

„Hope´s End. Ein wahrhaft apokalyptischer Name für ein Anwesen. Vor allem wenn man bedenkt, was dort geschehen ist.“ Und es sind schreckliche Dinge passiert in Maine im Jahre 1929. Die damals 17jährige Lenora Hope soll ihre gesamte Familie ermordet haben – Vater, Mutter, Schwester. Etwa fünfzig Jahre später wird auf Hope´s End eine neue Pflegerin gesucht und Kit, die dringend Arbeit sucht, lässt sich auf die Pflege von Lenora Hope ein, die nahezu bewegungslos auf Hilfe rund um die Uhr angewiesen ist.

Riley Sager hat einen Thriller vorgelegt, der mich nicht mehr losgelassen hat. „Du kannst niemandem trauen.“ Ja, diese Aussage kann ich nur bestätigen. Die wendungsreiche Story gibt zwar immer ein wenig mehr preis, aber doch gefühlt zu wenig, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Kit erzählt von sich und dem schwierigen Verhältnis zu ihrem Vater, von dem langen Leidensweg ihrer Mutter und vor allem erzählt sie von Lenora und von den wenig Verbliebenen auf Hope´s End. Ganz wohl ist ihr nicht, als sie ihren Dienst antritt, denn über Lenora Hope gab es viele Schauermärchen. Heute sitzt sie im Rollstuhl, ist bewegungsunfähig, lediglich ihre linke Hand kann sie noch einigermaßen gebrauchen. Eine Schreibmaschine leistet wertvolle Dienste - Lenora verständigt sich damit und sie beginnt, ihre Geschichte zu erzählen.

Hope´s End ist ein Herrenhaus auf den Klippen, das sich neigt, das sich irgendwann der Ozean holen wird. Nicht nur das Haus ächzt und kracht, es ist auch die gekonnt erzählte Story, die ungemein fesselt. Die Spannung ist sofort da und lässt auch nie nach. Von der ersten bis zur letzten Seite mochte ich den Thriller nicht aus der Hand legen. Die düstere Atmosphäre zieht sich durchs Buch und hat mich dermaßen in seinen Bann gezogen, dass ich die Nacht durchgelesen habe. Keiner der durchweg gut gezeichneten Charaktere ist ganz zu durchschauen, jeder weiß gefühlt mehr, als er zugibt, keinem ist zu trauen.

Es ist nicht mein erstes Buch von Riley Sager und wird auch nicht das letzte sein. Jedes seiner Bücher hat es in sich und verdient, unbedingt gelesen zu werden. Ein Lesegenuss für jeden Thriller-Fan.

Bewertung vom 21.10.2023
Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam / Mord ist Potts' Hobby Bd.2
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam / Mord ist Potts' Hobby Bd.2


sehr gut

Kurzweiliger Lesespaß

Wie fast jeden Tag steigt Mrs. Potts auch an diesem Januarmorgen in die Themse, um ihre Runden zu schwimmen. Einer vermeintlich toten Ente will sie ausweichen und gerät dabei direkt an eine Schwanenfamilie. Mit denen ist nicht zu spaßen, also schnell aus dem Wasser. Am Ufer erwartet sie eine weite Überraschung – eine Familie bekommt ihren textilfreien Auftritt hautnah mit. Ganz lässig, total entspannt, springt sie wieder in die Themse, die Situation ist á la Judith gerettet.

Kaum habe ich die ersten Seiten gelesen, war mir Judith in ihrer liebenswürdigen Schrulligkeit wieder sehr präsent. Ja, Mrs. Potts ermittelt wieder, wird doch der Bräutigam, der am nächsten Tag die sehr viel jüngere Jenny Page ehelichen will, leblos in seinem Arbeitszimmer gefunden. Dass es sich um keinen natürlichen Todesfall handelt, scheint ziemlich sicher zu sein, denn Sir Peter liegt am Boden und über ihm ein riesiger Mahagonischrank. Wie kann dieses Ungetüm so einfach wegkippen? Sehr rätselhaft ist auch, dass dieses Zimmer, in dem Sir Peter gefunden wurde, von innen verschlossen war und Sir Peters Gäste dieses erst mit Gewalt öffnen mussten.

Neben den Ermittlungen, in die sich auch Detective Sergant Tanika Malik einschaltet, hat Becks ihre privaten Geheimnisse. Das geht gar nicht, ihre Freundinnen Judith und Suzie möchten schon wissen, was los ist. So einsilbig kennen sie Becks gar nicht und wer weiß, in was sie sich hineinmanövriert hat. Herrlich schräg ist Suzie unterwegs. Sie führt die Hunde der anderen aus, ein Broterwerb, den sie zugunsten ihrer Radioshow ein wenig vernachlässigt. Und Judith ist die Kreuzworträtsel-Expertin schlechthin. Je komplizierter, desto besser.

Auch der zweite Streich aus der Feder von Robert Thorogood um die umtriebige Mrs. Potts is very british. Tanikas Vorgesetzer ist der Meinung, dass es keiner Ermittlung bedarf. Die Umstände lassen einen Unfall vermuten, also wird sie zurückgepfiffen. Das kann Judith natürlich nicht so stehen lassen. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters ist so topfit und wenn sie doch mal schwächelt, hilft ein kleiner Schluck ungemein. Verdächtige gibt es so einige und genauer betrachtet hätte jeder ein Motiv. Sind die Todesumstände schon rätselhaft, sind es die mehr oder weniger fragwürdigen Gestalten um Sir Peter erst recht. So manch geschickt ausgelegte Fährte führt letztendlich ins Nichts, auch wenn jede Spur die richtige sein könnte. Zweifel sind bis zuletzt angebracht und auch wenn ich mich irgendwann auf eine Täterspur festgelegt habe, die ich dann zwischendurch schon noch hinterfragen musste, war ich mir doch nie ganz sicher.

So abstrus die Umstände um den toten Bräutigam, so beinahe nonchalant ist es den drei Ladys, allen voran Mrs. Potts, gelungen, diesen Fall doch noch aufzuklären. Robert Thorogood hat liebenswürdige, sehr authentische Charaktere geschaffen, die hoffentlich noch so manchem Mörder das Handwerk legen werden und ich werde bestimmt dabei sein, wenn Mrs. Potts Mordclub wieder ermittelt.

Bewertung vom 19.10.2023
Das Nachthaus
Nesbø, Jo

Das Nachthaus


gut

Eine Wahnsinns-Horror-Grusel-Geschichte

Alles beginnt mit Luke Skywalker. Fliegen kann er schon mal nicht, so viel steht fest. Schwimmen dagegen klappt super. In rasender Geschwindigkeit treibt Luke davon, dem Dunkel entgegen. „D-d-d-du spinnst doch, sagte Tom. Er musste Angst haben, dachte ich, denn er stotterte genau einmal mehr als sonst.“

Jo Nesbø einmal ganz anders. Erwartet hatte ich einen Thriller, bekommen habe ich eine Wahnsinns-Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes. Horror, vermischt mit Fantasy und zwischendurch Schwarze Magie.

Richard ist mit seinem Schulfreund Tom unterwegs, als im Nirgendwo eine Telefonzelle steht. Vor lauter Übermut suchen sie aus dem Telefonbuch einen nicht alltäglichen Namen. Tom ist derjenige, der den Hörer hält und dabei Stück für Stück verschwindet. Eine Horrorgeschichte, die im Ort niemand glaubt. Natürlich nicht. Richard wird beschuldigt, mit Toms Verschwinden zu tun zu haben. Die ersten Szenen sind so unvorstellbar wie gruselig. Von Tom fehlt jede Spur und nicht nur der Polizeichef bezichtigt Richard der Lüge. Es bleibt nicht bei dem einen mysteriösen Vermisstenfall, es folgt ein zweiter. Auch die Umstände von Fatsos Verschwinden berichtet Richard haarklein und doch glaubt ihm außer Karen keiner. Und es geschehen noch so viel mehr seltsame Dinge, es wird zunehmend mysteriös.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Zunächst war ich fasziniert von dieser unvorstellbaren Story, auch vom sehr ansprechenden Cover, das positiv heraussticht. Und ja, Jo Nesbø versteht es bestens, zu fesseln und seine Leser bis zuletzt im Unklaren zu lassen. Genau so mag ich es, es sollte nicht vorhersehbar sein und das ist diese Geschichte um das ominöse „Nachthaus“ ganz und gar nicht - auch wenn ich das Buch zwischendurch weggelegt habe, da es mir zu phantastisch, zu abgehoben schien. Ich brauchte einfach eine Lesepause, wollte aber dann schon wissen, wo das Ganze hinführt. Teil zwei spielt fünfzehn Jahre später, die ehemaligen Klassenkameraden treffen sich und nun war ich mit dem „Nachthaus“ einigermaßen versöhnt. Naja, dieses Klassentreffen driftet peu á peu ab, übernatürliche Kräfte sind auch hier am Werk. Im letzten Teil scheint sich der Kreis des Wahnsinns zu schließen, die Erklärung, die Aufklärung hätte ich nie und nimmer so erwartet. So gesehen hat der Autor alles richtig gemacht, auch wenn zwischendurch die Spannung weg war. Ein knallharter Thriller-Fan wird nicht viel Freude an seinem neuesten Werk haben, auch mir war die Story zu übernatürlich. Eine Lektüre für zwischendurch, ein gruselig-schauriger Roman ist „Das Nachthaus“ allemal, Jo Nesbøs Thriller treffen jedoch eher meinen Lesegeschmack.

Bewertung vom 17.10.2023
Im Ballhaus brennt noch Licht
Jana, Stephanie

Im Ballhaus brennt noch Licht


ausgezeichnet

Wundervoll erzählt

Der Tango, den sie drinnen tanzen, ist ein brandneuer Tanz aus Argentinien, das hat ihr ihre Mutter erzählt. Und sie ist fasziniert. Die junge Lulu beobachtet durch ein Fenster die Tänzer ganz genau, merkt sich die Schritte, die sie später dann daheim nachtanzen wird. Das Ballhaus Sternberg ist für die zwölfjährige Lulu unerreichbar und doch zieht es sie immer wieder hin, bis ihr eines Tages David, der Sohn des Hauses, begegnet. Sie verlieren sich nie mehr aus den Augen, ihre einstige Kinderfreundschaft übersteht auch schwere Zeiten.

Nicht nur Lulu ist in Hochstimmung, auch ich bin regelrecht berauscht vom Ballhaus, von der Musik, von den Tänzen - denn Tanzen ist Lebensfreude pur – auch von der ganzen, wundervoll erzählten Geschichte mit Charakteren, denen ich gerne begegnet wäre. Nicht allen, aber doch den meisten.

Wir sind in Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts und begleiten Lulu auf ihrem Weg zur gefragten Solotänzerin. David und sein Vater Levi Sternberg unterstützen und fördern sie, ihre Show zieht die Ballgäste wie magisch an, sie hat Besonderes zu bieten. Die Goldenen Zwanziger Jahre haben es in sich, gefühlt ist ganz Berlin auf den Beinen, um sich zu amüsieren. Als ob sie schnell leben, vieles erleben und mitnehmen müssten, denn die Zeit des Nationalsozialismus rückt unaufhörlich näher, was auch die Sternbergs als Juden immer mehr zu spüren bekommen.

Stephanie Jana spannt den Erzählbogen von 1913 bis 1946. Es ist eine Zeit des Mangels, es ist aber auch eine Zeit voller Hoffnungen und Lebensfreude. Was wären wir ohne die Liebe – auch sie kommt nicht zu kurz. Freundschaft und unbedingter Zusammenhalt, ein Füreinander-Dasein stehen stets an vorderster Stelle. Die Autorin gibt jeder einzelnen Figur ihre Authentizität. Mit den einen fiebert man mit, die anderen verdammt man eher.

„Im Ballhaus brennt noch Licht.“ Na, dann nichts wie hin. Es erwartet einen eine Geschichte, der man sich nicht entziehen kann - voller Leben, voller Emotionen. Es waren eindrucksvolle Lesestunden.

Bewertung vom 14.10.2023
Ein Fluss so rot und schwarz (eBook, ePUB)
Ryan, Anthony

Ein Fluss so rot und schwarz (eBook, ePUB)


sehr gut

Endzeitstimmung…

…trifft es wohl am Ehesten, wollte ich den Zustand rund um diese Dystopie beschreiben. Als apokalyptischer Thriller wird er dargeboten, was den Kern dieses Romans gut trifft. Anthony Ryan präsentiert eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, furchteinflößend, Horrorelemente sind ausreichend vorhanden.

Er wacht auf und weiß weder, wo er sich befindet, noch was ihm zugestoßen ist. Neben ihm kauert ein Mann, der sich allem Anschein nach selbst erschossen hat. Er ist kahlgeschoren, seinen Schädel ziert eine dunkelviolette Narbe, der hochgerutschte Ärmel lässt ein Tattoo erkennen. CONRAD ist ihm auf dem Unterarm eintätowiert. Was ist hier los? Auch auf seinem Arm liest er einen Namen. HUXLEY. Auch er hat dieselbe Narbe am Kopf, seine Haare sind abrasiert, die Kleidung dem des Toten identisch. Was nun? Der Drang, sich zu verstecken, ist übermächtig, aber eine Lösung ist es nicht. Darum macht er sich auf, das Boot, auf dem er sich befindet, zu erkunden und trifft auf weitere Personen, jeder mit Tattoo und weiteren übereinstimmenden Merkmalen. Ein Toter, sechs Lebende, und keiner weiß von sich, wer er ist, ihr Gedächtnis scheint ausgelöscht.

Ihre Ausgangssituation ist bedrohlich. Das Schiff nicht steuerbar. Zumindest können sie es selbst nicht durch den wabernden, rötlichen Nebel manövrieren, es wird wie von Geisterhand gelenkt. Auch wissen sie nicht, auf welchen Gewässern sie sind, stellen jedoch bald fest, dass sie auf ein postapokalyptisches London zusteuern. Ein Grauen, dem sie sich nicht entziehen können…

…ein Horrorszenario, das mich neugierig gemacht hat. Ich bin eher im Thriller verhaftet, ab und an dürfen es aber auch Dystopien und ähnliches sein. Die Idee an und für sich finde ich gut, auch wenn ich über so manche Ungereimtheit wie etwa dem des Veggie-Fleisches, das auch Hunde und Katzen und Ratten meint, hinweggesehen habe. Zumal aus diesem veganen Zeugs Blut fließt. Seis drum, die Spur aus schwarz und rot fließt, das wird gegen Ende zu ziemlich plastisch offeriert. Die düstere Atmosphäre zieht sich durchs Buch, die Story driftet zuweilen ins allzu Unwirkliche ab. Die sechs auf dem Schiff befindlichen Personen sind gut beschrieben, nahe gekommen ist mir jedoch keiner.

Anthony Ryan hat Wesen in gruseliger Umgebung erschaffen, die ich mir gar nicht so recht vorstellen mochte - zumindest nicht den Großteil dieser Monsterwesen. Er hat mich gleich mal mit einem starken Anfang ins Geschehen gezogen. Actionreiche Momente wechseln sich mit zu langatmigen Szenen ab, die Spannung war dadurch nicht durchgängig da. Warum das Ganze von wem auch immer inszeniert wurde, wird letztendlich klar, das Buch hat mich trotz einiger Mängel gut unterhalten, ich habe es zwar einmal zur Seite gelegt, wollte aber dann doch wissen, wie es weitergeht.

Bewertung vom 12.10.2023
Der Weg in die Freiheit / Riviera-Saga Bd.2
Kröhn, Julia

Der Weg in die Freiheit / Riviera-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Intensiv erzählter zweiter Teil der Riviera-Saga

Der zweite Band der Riviera-Saga erzählt inmitten der Farbenpracht der Riviera von den Wirren des Krieges, auch von zwei jungen Frauen, die einst unzertrennlich waren. Gute Freundinnen waren sie, das Leben hat auch ihnen, wie so vielen anderen, übel mitgespielt. Die Leichtigkeit des Seins verschwindet zusehends, die Schwere des Krieges tritt in den Vordergrund.

Salome ist nach Deutschland zurückgekehrt und arbeitet im Reisebüro ihres Vaters. Noch immer kann sie Juden aus dem Land schmuggeln und auch, wenn es mehr als gefährlich ist, organisiert sie Reisen nach Italien, in denen sie – gut getarnt - jüdische Familien mitnimmt. Bald ist auch Mussolinis Italien für die Juden nicht mehr sicher, sie flüchten übers Mittelmeer nach Frankreich. Hier trifft Salome, die die Überfahrt begleitet, auf ihre große Liebe Felix. Dieser ist mittlerweile mit Ornella verheiratet, ihr Hotel bietet den Flüchtenden Unterschlupf. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist auch hier, in Frankreich, allgegenwärtig. Die Nationalsozialisten haben auch Frankreich besetzt, was Felix dazu bringt, sich im Widerstand einzubringen.

Julia Kröhn versetzt ihre Leser in eine Zeit der Unfreiheit. Die jüdische Bevölkerung ist auf die Barmherzigkeit der Mitmenschen angewiesen. Die Angst, jederzeit deportiert zu werden, ist deutlich spürbar. Ist der erste Band vom Mittelmeer-Feeling geprägt, so hat dieser zweite Teil so gar nichts mehr davon. Nicht nur die Sorge um die tägliche Essensration ist omnipräsent, auch die Suche nach immer neuen Verstecken, die Sorge um die Kinder und um diejenigen, die verschwunden sind, wird anschaulich geschildert. Der Einblick in die französische Résistance verursacht ein ungutes Gefühl und doch hat es dieser mutigen, selbstlosen Helden bedurft. Vor dem historischen Hintergrund hat die Autorin ihre so anschaulich erzählte Geschichte mitsamt den vielschichtig angelegten Charakteren eingewebt, sodass man das Buch gar nicht weglegen mag. Und auch, wenn der Krieg vor bei war, war der Traum von einem vereinten Europa ausgeträumt, die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland waren so hoch wie nie.

Eine Geschichte über die Kriegswirren mit all den einhergehenden Schrecken, aber auch über Freundschaft und Liebe, über Verzicht und Verrat und noch vieles mehr ist auserzählt, dieser zweite Band der Riviera-Saga war noch ein Stück intensiver als Band 1. Julia Kröhn hat die unrühmliche, historische Vergangenheit in ihre bestens erzählte Saga eingebettet. Trotz der Schwere des Themas wurde ich gut unterhalten.

Bewertung vom 12.10.2023
Die Butterbrotbriefe (MP3-Download)
Henn, Carsten

Die Butterbrotbriefe (MP3-Download)


sehr gut

Briefe auf Butterbrotpapier

Kati hört die seelenlosen Worte, die hohlen Phrasen bei der Beerdigung ihrer Mutter. Beschweren will sie sich beim Priester, aber telefonisch wird das eher nichts, die Worte wollen sorgfältig gewählt sein und so beschließt sie, dies brieflich zu erledigen. Ihr Vater hat vor langer Zeit Butterbrotpapier gesammelt, er hat dabei an Bastelarbeiten gedacht und doch lädt der ganze Stapel Kati direkt dazu ein, hierauf Briefe zu schreiben, denn der leichte Glanz des Butterbrotpapiers verleiht den Worten einen besonderen Schimmer. So fängt alles an, denn Kati hat beschlossen, allen hier „lebe wohl“ zu sagen. An die dreißig Briefe sollen es werden, dreißig Mal spürt sie ihr Herz bis zum Halse klopfen.

Diese anrührende Geschichte, Katis Geschichte, hat mir Steffen Groth näher gebracht. Das ungekürzte Hörbuch über 6 Stunden und 34 Minuten waren genussvolle, sehr intensive Hörstunden. So einiges erfahre ich aus Katis Leben. Sie, die in der Stadtverwaltung arbeitet, aber viel lieber Friseurin wäre, lebt zumindest am Wochenende ihren Traum, indem sie kostenlos Haare schneidet. Und so lernt sie auch Severin kennen…

Zuweilen kommt mir Katis Welt direkt märchenhaft vor. Märchen im Sinne von nicht ganz echt, ein wenig träumerisch. Und doch haben die Figuren Ecken und Kanten, sie haben Fehler gemacht, mussten viel einstecken, sind eklig oder liebenswürdig, ein Querschnitt direkt aus dem Leben gegriffen - so wie die lieben Mitmenschen eben sind.

Das Besondere an Katis Briefen ist, dass sie diese selbst überbringt und nicht nur das, sie liest ihre Briefe auch dem Empfänger vor. Sie rechnet ab, nimmt Abschied von der Vergangenheit, schreibt an diejenigen, die ihr nichts Gutes wollten, lässt all die Begebenheiten nochmal Revue passieren, endet mit „leben Sie wohl.“ Aber natürlich denkt sie auch an die anderen, die ihr wohlgesonnen waren. Katis Briefe sind wütend und liebenswürdig, sie sind traurig und lebensfroh, aber immer sind sie ehrlich. Am Ende schreibt sie den wichtigsten Brief, den Brief an sich selbst. Denn irgendwann erkennt sie, dass sie sich selbst annehmen, sich selbst lieben muss.

Ein Buch, das berührt. Wer einen Brief schreibt, nimmt sich Zeit. Zeit, um an den Menschen zu denken, für den er gedacht ist. Man sollte viel öfter handschriftlich verfasste Briefe schreiben.

Bewertung vom 12.10.2023
Eines Tages finden wir nach Hause
Austin, Lynn

Eines Tages finden wir nach Hause


sehr gut

Einfühlsam erzählt

Vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus erzählt Lynn Austin von Peggy, die ihrem besten Freund Jimmy helfen will, seine Kriegserlebnisse zu verarbeiten. Der Zweite Weltkrieg ist gerade mal vorbei, wir schreiben das Jahr 1946. Als Sanitäter hat er unendliches Leid gesehen, heimgekehrt in die USA verstummt er regelrecht, schwer traumatisiert gleicht seine Behandlung in einer Heilanstalt für Veteranen eher einer Folter. Peggy gibt nicht auf, sie sucht nach Jims ehemaligen Kameraden. Und auch seine Mutter hat nur einen Wunsch: „Ich möchte meinen Sohn zurück.“ Gemeinsam mit seinen Eltern will sie ihn ins Leben zurückführen. Aber kann ihr das gelingen?

Der zweite Erzählstrang beginnt 1939, als die 16jährige Gisela mit ihrer Familie fliehen muss. Sie sind Juden, sie spüren die immer mehr aufkeimende Feindseligkeit und sie atmen auf, als sie auf der St. Louis Richtung Kuba fahren. Die Irrfahrt der St. Louis dürfte vielen ein Begriff sein, die Autorin hat ihre Hoffnungen und ihre Verzweiflung anschaulich geschildert, als sie vor Kuba lagen und nicht an Land durften. Ein Schiff voller Juden wollte keiner, auch die USA ließen sie nicht von Bord, Kanada hat sie ebenfalls abgewiesen. So ging es zurück mit Kurs Antwerpen.

Beide Handlungsstränge sind sehr intensiv, sie haben mich beide sehr berührt. Da ist zum einen Jim, der Kriegsveteran, der die Gräueltaten und die Grausamkeiten, die ein Krieg mit sich bringt, nicht mehr aushält. Der als Sanitäter auch nach der Kapitulation der Nazis im KZ Buchenwald wandelnde Skelette sieht, der seinen besten Freund auf dem Schlachtfeld verloren hat, der für einen sterbenden Jungen nichts tun kann, außer da zu sein, der immer nur helfen wollte und nun keine Kraft mehr hat, der sich aufgibt, nicht mehr leben will, nicht mehr leben kann. Seine Freundin seit Kindertagen Peggy kämpft nun für ihn, für den einst so unbeschwerten Jimmy, der sie stets unterstützt, der ihr immer Mut zugesprochen hat. Und da ist Gisela, die Sam, ihrer große Liebe, auf der St. Louis begegnet ist. Unbarmherzig werden sie als Juden verfolgt mit dem Ziel, sie auszurotten.

Auch wenn ich schon viel über diese Zeit gelesen habe, so erschüttert es mich immer wieder, dieses Unmenschliche, dieses Barbarische erneut zu lesen. In seiner ganzen Traurigkeit ist dies auch ein Buch über tief empfundene Freundschaften, über Liebe und Hilfsbereitschaft, aber auch über Kriegsverbrechen, über Verfolgung, unendliche Ängste und traumatische Erlebnisse und deren Verarbeitung. Die Autorin wird als christliche Romanautorin beschrieben, der Glaube fließt schon mit hinein, wenngleich bis auf wenige Ausnahmen eher dezent. Sie versteht es, Unfassbares ruhig und doch lebendig, ja behutsam wiederzugeben. Die beiden Zeitebenen werden im Wechsel erzählt, erst gegen Ende wird das Verbindende sichtbar.

„Eines Tages finden wir nach Hause.“ Ein Titel, eine Aussage, so voller Zuversicht inmitten unmenschlicher Zeiten. Ein lesenswertes Buch, das nachdenklich stimmt.

Bewertung vom 05.10.2023
Taubenschlag / Teit und Lehmann ermitteln Bd.2 (eBook, ePUB)
Jürgensen, Dennis

Taubenschlag / Teit und Lehmann ermitteln Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Deutsch-dänisches Ermittlerduo zum Zweiten

Sein erster Job als Scout im Berlin Bunker Protocol führt ihn hinab in unterirdische Gänge, die vermutlich seit über siebzig Jahren keiner mehr betreten hat. Im alten Ostberlin sind sie runtergegangen und nun dürfte Westberlin über ihnen sein. Der modrige Geruch, die feuchten Wände, die Dunkelheit hier unten sind nicht gerade einladend, sie leuchten die Gänge aus – sie finden die Überreste einer Frau, zusammengekrümmt, dann eine weitere und noch eine dritte Leiche. Wie lange die wohl hier gelegen haben?

Zeitgleich werden schlimm zugerichtete Leichen gefunden, an einen Sessel gefesselt, eine tote Taube auf dem Schoß. Den Ermittlern offenbart sich jedes Mal das gleiche Bild, was den Schluss zulässt, dass hier ein Täter am Werk ist, der seine Opfer gezielt aussucht. Was ist sein Motiv?

Um diese Mordserie aufzuklären, wird die dänische Ermittlerin Lykke Teit nach Flensburg geholt, sie soll Rudi Lehmann und sein Team unterstützen. Die beiden kennen und schätzen sich, es ist nicht ihre erste Zusammenarbeit. Gleich mal musste ich schmunzeln, als Rudi sie am Bahnhof abholt und sie als seine Gattin ausgibt, denn so wird Lykke auf schnellstem Wege einen hartnäckigen Verehrer los, der sie schon allein wegen des Altersunterschiedes als Vater-Tochter-Gespann wahrnimmt. Rudi und Lucky, wie er sie nennt, liegen trotz des Altersunterschiedes auf einer Wellenlänge, sie sind gute Freunde.

Der Focus der relativ kurzen Kapitel ist auf die beiden Ermittler gerichtet, sie sind ein so scharfsinniges wie munteres Gespann. Zwischendurch erfährt man ein wenig Privates, das sich aber in Grenzen hält. Dies reicht vollkommen aus, um sie gut einzuschätzen, beide Charaktere mitsamt ihrem Umfeld werden lebensnah präsentiert. Lykke und Rudi sind Genießer im kulinarischen Sinne, wenngleich sie eher Hausmannskost bevorzugen, sie sind bodenständig und kommen ohne große Laster wie Alkohol oder Drogen aus, was mir gut gefällt.

Die Ermittlungen gestalten sich zunächst zäh, wobei die Hintergründe um die Mordserie bald ersichtlich sind, es geht um die unrühmliche deutsch-deutsche Vergangenheit und deren Folgen. Auch erfährt man so einiges aus Tätersicht. Und - wie passen die Toten im Bunker zu den jetzigen Mordfällen? Nach dem ereignisreichen Einstieg geht es dann ziemlich schleppend voran und doch wird das Dranbleiben letztendlich belohnt, die Spannung steigt wieder an, die vielen losen Fäden werden logisch zusammengeführt und alles letztendlich aufgeklärt.

„Taubenschlag“ ist der zweite Band um das deutsch-dänische Ermittlerduo, er ist in sich abgeschlossen und kann ohne Kenntnis des Vorgängerbandes gelesen werden. Dennis Jürgensen hat mich gut unterhalten und ich werde wieder dabei sein, wenn es heißt: Teit und Lehmann ermitteln.

Bewertung vom 03.10.2023
Elizabeth Taylor / Ikonen ihrer Zeit Bd. 11
Weinberg, Juliana

Elizabeth Taylor / Ikonen ihrer Zeit Bd. 11


sehr gut

Lesenswerte Romanbiografie

Aus der Reihe „Ikonen ihrer Zeit“ habe ich schon so manches Buch gelesen, jedes davon hat mir Einblicke in das Leben berühmter Persönlichkeiten gewährt und so auch dieses, das Elizabeth Taylor als „die größte Liebende Hollywoods“ bezeichnet. Und wenn man sich ihre vielen Ehemänner näher betrachtet, ist an dieser Aussage schon was dran.

Schon das Cover zeigt die Diva schlechthin. Glamourös, mit auffälligem Schmuck behangen, HOLLYWOOD im Hintergrund – so stellt man sich diese schillernde Frau vor und so wurde sie auch gesehen.

Die kleine Elizabeth war Mutters „kleine Prinzessin“, Sara hatte für ihre Tochter Großes geplant. Sie war eine dieser Mütter, die im Ruhm ihres Kindes Erfüllung fanden und so durfte Elizabeth nie Kind sein, von ihr wurde absolute Disziplin erwartet und natürlich hat sie sich gefügt. Zunächst Kinderstar wurde sie dann zu einer der erfolgreichsten und bekanntesten Schauspielerinnen ihrer Zeit.

Juliana Weinberg erzählt das Leben der Elizabeth Taylor, die nie Liz genannt werden wollte. Im Focus stehen ihre Lieben, ihre Männer, ihre Ehemänner. Daneben gewährt sie Einblick in die Dreharbeiten einiger ihrer Filme wie etwa der zu „Giganten“, den sie mit dem jungen James Dean drehte und dem – wie wir alle wissen – seine Leidenschaft zu schnellen Autos zum Verhängnis wurde. Ihre lebenslange Freundschaft zu Montgomery Clift, der unter seiner Homosexualität litt, macht sie sehr sympathisch. Erwartungsgemäß sind ihre acht Ehen und ihre sieben Ehemänner (Richard Burton gab sie zweimal das Ja-Wort) das Thema, um das sich die Romanbiografie rankt. Natürlich kommen ihre geliebten Kinder nicht zu kurz und auch ihre spätere Freundschaft zu Michael Jackson bleibt nicht unerwähnt. Auch hat sie sich stets für diejenigen eingesetzt, die aufgrund ihres Anders-seins befürchten mussten, von der Gesellschaft geächtet zu werden, ihr Engagement um die AIDS-Arbeit zeigt ihre Hilfsbereitschaft.

Von April 1939, als sie die MS Manhattan über den Atlantik von der Alten in die Neue Welt bringt bis zum Epilog in Los Angeles im Jahre 2003 habe ich viel von ihr gelesen, rund um ihre Ehen hat Juliana Weinberg das Porträt einer großen Schauspielerin gezeichnet. Ihr Werdegang war mir großteils bekannt, der tiefere, der intimere Einblick dieser Romanbiografie hat mich gut unterhalten. Sie war eine weitgehend öffentliche Person, ihren ständigen Kampf mit den Pfunden hat die Welt gesehen, auch ihr zweimaliger Aufenthalt in der Entzugsklinik blieb nicht verborgen. Ja, Elizabeth Taylor war eine „glamouröse Ikone“ ihrer Zeit, eine große Schauspielerin, eine Liebende. Es war ein gelebtes, ein intensives Leben mit Höhen und Tiefen.