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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 580 Bewertungen
Bewertung vom 21.06.2023
Strafsachen
Hoven, Elisa;Weigend, Thomas

Strafsachen


ausgezeichnet

In dem vorliegenden Buch beschäftigen sich die Autoren anhand interessanter und spannender Fallbeispiele mit dem deutschen Strafrecht. Mittels achtzehn Fällen, von denen ich die meisten tatsächlich aus verschiedenen Medien kannte, stellen und beantworten sie Fragen, wie zum Beispiel: Darf man ungeborenes Leben straflos schädigen? Darf man jemanden mit seiner Einwilligung töten (und essen)? Warum ist Folter verboten? Sind Raser Mörder?

Mir hat gefallen, dass das Autorenduo mit Kritik an dem ein oder anderen Paragrafen und auch Urteil nicht gespart, dies zudem ausführlich und nachvollziehbar begründet hat. Mir war gar nicht so richtig klar, wie schwer es ist, eine sinnvolle und notwendige Änderung oder sogar Streichung eines veralteten oder überholten Paragrafen zu erreichen, denn nicht immer läuft dies so zügig wie im bekannten Fall Böhmermann und § 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe stellt, in der Öffentlichkeit bekannt geworden als Majestätsbeleidigung.

Ich empfand die Zusammenstellung der Fälle sehr klug gewählt, die Erklärungen sollten auch einem Laien gegenüber verständlich genug sein, um ohne Vorkenntnisse folgen zu können. Es gab und gibt immer wieder Entscheidungen der Gerichte, die in der Vergangenheit ein Kopfschütteln meinerseits zur Folge hatten, in Zukunft werde ich da wohl tiefer graben und mir weitere Informationen besorgen, bevor ich mir anmaße, selbst ein Urteil bilden zu können. Und auch dann werde ich weiterhin vorsichtig mit meinen Äußerungen sein, denn die Beleuchtung von allen Seiten ist mir als unbeteiligte Person verständlicherweise gar nicht möglich.

Das Buch war informativ und lehrreich, trotz des Umstandes, dass ich schon immer eine große Schwäche für juristische Sachverhalte hatte und zu diesem Thema Zeitschriften und Bücher quasi verschlinge, konnte ich einiges dazulernen und dadurch besser verstehen. Dafür gibt es von mir volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.06.2023
Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
Onda, Riku

Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen


ausgezeichnet

Aki und Hiro haben ihre Wohnung in Tokio ausgeräumt, am nächsten Tag kommen Handwerker, um Gas, Wasser und Strom abzustellen, danach trennen sich ihre Wege. Eine letzte Nacht möchten die beiden miteinander verbringen, gemeinsam essen, trinken und darüber sprechen, was vor einem Jahr geschah, als während einer Bergwanderung ihr Bergführer tödlich verunglückte. Beide geben dem jeweils anderen die Schuld an dem Unglück, aber keiner ist bereit, die Verantwortung für den Tod des Mannes zu übernehmen. Nach dieser Nacht wird alles anders sein, falls sie die Wohnung lebend verlassen.

Ich habe nicht gewusst, was auf mich zukommt und war zu Beginn überrascht, dass beide Beteiligte jeweils abwechselnd zu Wort kommen und mir ihre Gedanken und Vermutungen verraten, die Gespräche mit ihrem Gegenüber wiedergeben und dennoch sehr geheimnisvoll tun. Aki und Hiro umkreisen einander, wie ein Hai es mit seiner Beute tun würde, Kreis um Kreis umrunden sie ihr Gegenüber, wägen ab, taktieren und fordern sich gegenseitig heraus. Im Laufe der Gespräche kommen Dinge ans Licht, die zu Erkenntnissen führen, die weitgehende Konsequenzen für beide haben. Bereits früh erfahre ich etwas, das mich befremdet, das die Geschichte anders erscheinen lässt, als gedacht. Am Ende jedes Kapitels gibt es kleine Cliffhanger, die die Spannung erhöhen und mich wahnsinnig machen, weil ich immer dringender wissen möchte, was nur angedeutet, aber nicht ausgesprochen wird. Ganz kalt erwischt mich, was dann passiert, damit hätte ich nicht gerechnet und bin mehr als erstaunt, glaube fast, dass ich etwas falsch verstehe, blättere zurück und wundere mich. Diese geniale Wendung ist das sprichwörtliche i-Tüpfelchen, das Sahnehäubchen der Geschichte, der ganz große Knall. Passend und stimmig erscheint nun vieles, macht einiges rückblickend endlich mehr Sinn. Die Auflösung kommt leise, aber gewaltig und ich bin fast traurig darüber, dass ich fertig bin.

Ein weiteres Highlight dieses Jahres habe ich mit diesem Buch für mich gefunden und bin dankbar, dass ich es lesen durfte. Dafür gibt es von mir fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.06.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


ausgezeichnet

Danny Ryan und seine Crew sind nach den dramatischen Ereignissen in Providence als Verlierer des blutigen Bandenkrieges auf der Flucht vor der Mafia, der Polizei und auch dem FBI. In Kalifornien will Danny ein neues Leben beginnen und auf legalem Wege sein Geld verdienen. Natürlich ist dies utopisch, denn das FBI hat eigene Pläne, möchte einen Deal mit Danny, der ihm ein Vermögen oder den Tod bringt. Als Danny sich kurz darauf in einen Hollywoodstar verliebt, wird es richtig kompliziert, denn ihre und seine Vergangenheit holt die beiden ein.

„Wir sind auf der Flucht, denkt Danny beim fahren. Verfluchte Fliehende. Entflohene. Im Exil.“ (Seite 27)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zweiten Teil einer Trilogie. Der erste Band mit dem Titel City on Fire hat mich letztes Jahr fast in Ekstase versetzt, sodass ich es kaum erwarten konnte, die Fortsetzung zu lesen. Man könnte das Buch zwar gut lesen, ohne den Vorgänger zu kennen, denn immer wieder gibt es Erklärungen und Wiederholungen darüber, was passiert ist. Mir als Leserin des ersten Buches hat dies sehr geholfen, sich an die Begebenheiten zu erinnern, allerdings kann ich mir vorstellen, dass man ohne Vorwissen oft nicht wirklich verstehen wird, was passiert ist. Aus diesem Grund empfehle ich, mit dem ersten Teil anzufangen, zumal dieser grandios war!

Der Schreibstil des Autors begeistert mich immer wieder aufs Neue, seine Art zu erzählen, die Nebensächlichkeiten, die für die vorliegende Story nicht vorrangig, aber trotzdem total interessant sind, einzubauen, der Wechsel der Perspektive und die Beleuchtung einer Situation aus mehreren Seiten, das ist schon meisterlich. Danny ist der Hauptcharakter, aber seine restliche Crew, die Gegenseite und viele andere Beteiligte gehören dazu und natürlich empfand ich die ein oder andere Person mal mehr, mal weniger sympathisch. Keine von ihnen wäre verzichtbar, alle trugen dazu bei, dass die Geschichte stimmig und absolut mitreißend geworden ist. Dabei war diese ganz anders als gedacht, denn der Fokus lag hier nicht auf einem Bandenkrieg, sondern eher den Bemühungen von Danny, endlich den legalen Weg gehen zu können. Natürlich ist ein solcher Weg steinig und aufgrund seiner Vergangenheit hart und mühevoll, aber unmöglich ist er nicht. Danny dabei zuzusehen, war spannend und aufregend, ich habe den Atem angehalten und die Daumen gehalten, mitgelitten und gehofft. Aufgrund des Prologs habe ich das schlimmste angenommen und dennoch mit diesem Ausgang nicht gerechnet. Nun warte ich sehnsüchtig auf den Abschlussband, der nicht anders werden kann als grandios.

Ein großartiger Thriller, der mich sehr gut unterhalten und tatsächlich eine schlaflose Nacht beschert hat. Die Filmrechte an City on Fire sind verkauft und ich bin sehr gespannt darauf, was da auf uns zukommt. Ach ja, was könnte dieses Highlight wohl bekommen; fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung sind da wohl das mindeste.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2023
Das Leben ist sinnlos, wenn du nicht liebst
Böttcher, Jens

Das Leben ist sinnlos, wenn du nicht liebst


ausgezeichnet

„Doch wenn du liebst, wird die Liebe dich halten, heilen, tragen, trösten. Sie wird dir jeden Weg erleuchten, wie ein Licht, das niemals erlischt und jede Finsternis bricht.“ (Seite 19)

Jens Böttcher ist Musiker, kreativer Lebensberater und Schriftsteller, trotzdem habe ich noch nichts von ihm gelesen und kann das nicht fassen, nachdem ich sein Buch mit diesem außergewöhnlichen und wunderschönen Titel in einem regelrechten Rausch durchgelesen habe. Es sind 12 Abschnitte, Kapitel oder Lektionen, hier kann und möchte ich mich nicht festlegen, die sich um die Liebe drehen, das Buch bietet aber so viel mehr. Träume, Sehnsüchte, Wünsche fanden hier ihren Platz und umgarnten mich. Worte, Sätze, Seiten voll Gedanken, Ratschlägen, Hinweisen und Anregungen, die wunderschön verpackt ihren Weg zu mir fanden.

„Doch wenn du nicht liebst, wird kein Glück sich an dich binden - du findest keinen Sinn und kein Sinn wird dich je finden.“ (Seite 52)

Ich habe so viele Stellen markiert, ich könnte damit selbst ein Buch füllen, es gab so unzählige tolle Passagen, dass mein Herz zum bersten voll war mit liebevollen Gedanken. Ein lyrisches Kleinod, ein poetischer Genuss ist dieses Buch und wird mein Regal so schnell nicht mehr verlassen, schließlich will und werde ich es noch einmal lesen. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.06.2023
Kentucky
Cole, Lee

Kentucky


gut

Owen Callahan treibt mehr oder weniger ziellos durchs Leben. Nachdem er seine Heimat für Jahre verlassen hat, kehrt er nun nach Kentucky zurück, um in Louisville Creative Writing zu studieren, kommt solange bei seinem Großvater unter. Um sich die Studiengebühren leisten zu können, nimmt er einen Job bei der Universität an und erledigt Baumpflegearbeiten auf dem Campus. Kurz darauf begegnet er Alma, die Autorin ist und bereits an ihrem ersten Buch über ihre Familie schreibt. Als Kind bosnischer Einwanderer hat sie eine Vergangenheit, die auch Owen fasziniert, sodass dieser beschließt, diese in sein geplantes Buch einzubauen, was verständlicherweise zu einem Konflikt führt.

Das vorliegende Buch lässt mich ein wenig ratlos zurück. Der Klappentext, der eine spannende Story mit explosiven Inhalten versprochen hat, ist irreführend, da er im Grunde das gesamte Buch in ein paar Sätzen zusammenfasst. Anders ausgedrückt könnte man sagen: mehr passiert im Buch nicht. Dies würde der Geschichte aber nicht gerecht werden, deswegen versuche ich es anders. Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt und der erste Teil dreht sich vollständig darum, dass Owen und Alma zusammenkommen. Dass dies viele Längen beinhaltet und manchmal etwas langatmig ist, liegt auf der Hand, dauert diese Phase immerhin das halbe Buch lang.

„Vor mir sah ich eine Zukunft, in der wir längst Geschichte waren und ich voll Wehmut an diesen Moment zurückdachte. Ja, es schmerzte sogar jetzt: vorauseilende Sehnsucht nach einem vergangenen Moment, der noch gar nicht vorüber war.“ (Seite 252)

Owen war mir sympathisch, ich fand es beeindruckend, wie er trotz seiner Herkunft und einer bewegten Vergangenheit versucht hat, seine Ziele zu erreichen. Wie verschieden dagegen das Leben von Alma, die als Kind von Einwanderern ein gänzlich anderes Leben geführt hat, das im Vergleich dazu fast schon privilegiert anmutet. Beide Charaktere haben viele Gefühle in mir ausgelöst, positive natürlich, aber oft auch negative, und zwar durch Handlungen, die mich den Kopf schütteln ließen. Der Ich-Erzähler Owen hat Ecken und Kanten, Fehler und Schwächen, aber dennoch eine große Anziehungskraft auf mich ausgeübt, die dazu führte, dass ich das Buch durchgezogen und es letztendlich nicht bereut habe. Das letzte Drittel fand ich dabei am interessantesten, tatsächlich passierte in diesem Teil des Buches so viel, dass ich diesen in einem Rutsch durchgelesen habe, wo ich mich davor oft dazu animieren musste, das Buch wieder in die Hand zu nehmen. Hierzu passt das folgende Zitat, das ich sehr schön fand:

„Man sehnt sich nach den Dingen, die man vorher öde fand.“ (Seite 402)

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich gut unterhalten wurde, das Buch aber wegen der vielen Längen und einer Handlung, die oft schlicht und ergreifend nur mäßig interessant war, meine Erwartungen nicht erfüllt hat. Der Schreibstil war zumindest toll und das letzte Drittel hat zu einer Aufwertung geführt, die bei mir mit dreieinhalb Sternen ihren Höhepunkt findet.

Bewertung vom 09.06.2023
Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1
Raabe, Marc

Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1


ausgezeichnet

Auf der Ladefläche eines verunfallten Kleinlasters stößt eine Zeugin durch Zufall auf die Leiche einer Frau, auf deren nackten Körper die private Adresse des Bundeskanzlers geschrieben steht. Die Kommissaranwärterin Nele Tschaikowski wird dem Ermittler Artur (Art) Mayer zur Seite gestellt, der darüber nur mäßig begeistert zu sein scheint. Als kurz darauf Videos auftauchen, die eine Beteiligung des Kanzlers vermuten lassen, wird es kompliziert, denn gleichzeitig stellt dieser Forderungen an Art Mayer, die an eine frühere Verbindung geknüpft sind, von der niemand etwas wissen darf.

Dies ist der erste Teil einer Buchreihe um den Ermittler Art Mayer und für mich ein sehr überzeugender Reihenauftakt. Obwohl ich Bücher über Politik oder politische Themen überhaupt nicht mag, war die Dosierung hier genau richtig. Auch die Verbindung zwischen Fakten und Fiktion war perfekt gewählt, die Geschichte spielt in der Gegenwart, und zwar in der unseren, sodass natürlich genug Hinweise auf wichtige Ereignisse erfolgen. Bereits früh baut Marc Raabe eine gewisse Spannung auf, die er kontinuierlich steigert. Natürlich half dabei der Umstand, dass beide Hauptpersonen, also Artur und Nele, für mich als Leserin absolut fremd waren, sodass ich nach jeder noch so kleinen Information lechzte.

Man nehme das knifflige Verbrechen, ein paar falsche Fährten und die ein oder andere Wendung, fertig ist ein großartiger Thriller, der trotz der hohen Seitenzahl bis zuletzt keine Längen hatte. Beide Ermittler fand ich authentisch und freue mich auf viele weitere Fälle, die hoffentlich genauso ausgeklügelt sein werden, wie im vorliegenden Buch. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.06.2023
Der Himmel muss warten
Reichert, Sandra

Der Himmel muss warten


gut

Marie Parker ist müde, genauer gesagt lebensmüde. Sie mag nicht mehr und sie will es auch nicht wollen. Nach mehreren gescheiterten Suizidversuchen ist sie mit der Einweisung in eine Klinik einverstanden; dies nicht etwa, um gesund zu werden, sondern um Menschen zu finden, die mit ihr zusammen aus dem Leben scheiden. In der Klinik trifft sie auf unterschiedliche Leidensgenossen und erfährt deren Geschichten, die tief in ihr etwas berühren und auslösen.

Eigentlich wollte ich nur kurz in die Leseprobe, die keine war, weil die Autorin mir das gesamte Buch elektronisch zur Verfügung gestellt hat, reinlesen und blieb nach vierundzwanzig Seiten kleben. Der leichte Schreibstil und der immer wieder eingestreute Humor machten es mir in dieser Hinsicht leicht, sodass ich das relativ schmale Buch recht zügig und auch sehr gerne gelesen habe. Das Thema Depression und Suizid ist hier vordergründig, wie bereits ausführlich im Klappentext erwähnt, sodass ich zwar keine Triggerwarnung aussprechen, hierauf aber explizit noch einmal hinweisen muss und möchte. In der Klinik werden verschiedene Krankheiten behandelt, darüber sollten sich LeserInnen ebenfalls im Vorfeld im Klaren sein.

Aus der Kürze der Geschichte resultieren im übrigen zwei Kritikpunkte, die ich habe. Die Entwicklung, die Maria macht, passiert so blitzschnell, dass ich dies unrealistisch finde. Nun kann man das Buch natürlich nicht der Realität anpassen, aber dort die Zeit anders ablaufen lassen. Hier hätte ich mir mehr Raum für die Entwicklung gewünscht, ich glaube, dass das Leseerlebnis dann etwas intensiver geworden wäre. Womit wir beim zweiten Punkt wären. Das Buch gleicht mehr einem Ratgeber in Romanform, was ich an sich nicht schlecht finde. Die geballte Masse an Empfehlungen, Tipps und Ratschlägen allerdings hat mich stellenweise erschlagen. Hier wäre weniger mehr gewesen, weil ich ein wenig das Gefühl hatte, dass aufgrund der Kürze der Erzählung jeder Charakter so viel therapeutisch kluges wie möglich von sich geben sollte. Dass dies bei so vielen Patienten einer solchen Klinik relativ unwahrscheinlich ist, lassen wir einmal außen vor; dass dies in einer solchen Fülle erfolgt, fand ich aber schon ein wenig befremdlich. Natürlich ist dies meine persönliche Einschätzung, da es Menschen gibt, die diese Lebensweisheiten und Lebenshilfen noch nicht kennen und davon mehr profitieren könnten, als ich dies getan habe. Anmerken möchte ich in diesem Zusammenhang, dass ich die Unterhaltungen nichtsdestotrotz gut gewählt und außerordentlich nützlich finde für Menschen, die in dieser Hinsicht den Halt oder ihr Ziel aus den Augen verloren haben.

Das Ende hat leider wieder ein wenig den Kontakt zur Realität verloren. Die Reaktion von Marie auf eine bestimmte Aktion ist nicht nur indiskutabel, sondern erfüllt für mich einen Straftatbestand. Für mich nicht nachvollziehbar und ein wenig schade, denn dies hätte man anders lösen können, finde ich. Wie immer macht sich aber auch hier jede/r LeserIn am besten eine eigene Meinung.

Als Fazit kann ich sagen, dass ich froh darüber bin, dass das Buch den Weg zu mir fand. Die schweren Themen so aufgelockert in eine Erzählung zu packen, war eine gute Entscheidung. Die Krankheitsbilder verdienen mehr Aufmerksamkeit und auch die immer noch stattfindende Stigmatisierung psychischer Probleme muss endlich ein Ende haben. Wie schön, dass diese Menschen durch solche Bücher eine Stimme bekommen.

Bewertung vom 05.06.2023
Haus der Stimmen
Carrisi, Donato

Haus der Stimmen


ausgezeichnet

Der italienische Psychologe Pietro Gerber wird von einer australischen Kollegin gebeten, eine Patientin von ihr zu übernehmen. Obwohl Gerber sich auf Kinder spezialisiert hat, macht ihn der Fall sehr neugierig und er lässt sich auf die Patientin Hanna Hall ein, die in den Hypnosesitzungen verstörende und beunruhigende Einzelheiten zu ihrer Kindheit zutage fördert. Als die Patientin sich in Gerbers Leben einmischt und Sachen anspricht, von denen nicht mal dessen Frau etwas weiß, ahnt Gerber, dass die weitere Behandlung ihn in große Gefahr bringen könnte. Die Anziehungskraft von Hanna Hall aber ist stärker, als jede Vernunft.

Bereits der Anfang der Geschichte, der vergangene Ereignisse beschreibt, was kenntlich gemacht wurde durch eine Datumsangabe, lässt mich am Buch kleben, denn das dramatische Geschehen verrät vieles, aber schlauer bin ich dadurch nicht. Erst nach und nach begreife ich, was da passiert ist und trotzdem tappe ich weiterhin überwiegend im Dunkeln. Die Erinnerungen von Hanna Hall lassen mich die abenteuerlichsten Vermutungen anstellen, manchmal denke ich sogar, dass da unnatürliche Kräfte im Spiel sind, was ich in Büchern eigentlich nicht so mag, aber die Lösung ist ganz anders, als gedacht. Die vielen Andeutungen und Hinweise führen dazu, dass ich bald ahne, worauf es hinauslaufen könnte, um kurz darauf festzustellen, wie weit ich von der Lösung entfernt liege. Die Spannung steigt ins Unermessliche und ich fiebere dem Finale entgegen. Die kommende Wendung habe ich überhaupt nicht kommen sehen und gerade als ich denke, dass ich nun alles weiß, setzt der Autor noch einen drauf. Großartig! Ich freue mich auf eine Fortsetzung.

Wer wendungsreiche, psychologisch ausgefeilte und voller Überraschungen steckende Thriller mag, wird hier auf seine Kosten kommen. Wieder einmal hat Donato Carrisi es geschafft, mich zu verblüffen, hat aus einem alten Thema etwas außergewöhnlich Neues erschaffen und es spannend verpackt. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

11 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2023
Es war einmal in Brooklyn
Atlas, Syd

Es war einmal in Brooklyn


ausgezeichnet

Juliette und David sind siebzehn Jahre alt, Nachbarn und beste Freunde seit zehn Jahren. Juliette ist lebenshungrig, will alles erleben und das am besten sofort; insbesondere eine Sache gibt es, die sie hinter sich bringen will. Mangels Alternativen schließen Juliette und David den Pakt, dass sie ihre Unschuld gemeinsam verlieren wollen. Erschwert wird dies durch den Umstand, dass David todkrank ist und sterben wird. Als Juliette den Pizzaboten Rico kennenlernt und auf Wolke sieben schwebt, ist plötzlich alles anders und David merkt, dass er selbst in Juliette verliebt ist.

Liebesgeschichten lese ich sehr selten, hier sprachen mich Titel sowie Cover an und der Klappentext klang interessant, sodass klar war, dass das Buch bei mir einziehen wird. Wie froh bin ich darüber, dass in meinem Fall das Marketing funktioniert hat, wie erstaunt, dass es ganz anders war, als ich dachte und dafür genauso, wie ich es mir wünschte! Aber der Reihe nach. Ein namenloser Erzähler nimmt mich mit auf die Reise in die Vergangenheit ins Jahr 1977, das bunt, laut, vor allem aber sehr heiss gewesen ist. Nach und nach lerne ich die Familienmitglieder und andere Personen kennen, in ungewöhnlicher Weise erfahre ich so auch einiges, das noch in der Zukunft liegt. Durch diese Erzählweise habe ich Fragen, bekomme Antworten, werde aber auch sehr neugierig gemacht auf alles, was noch folgen wird und das ist einiges.

Ich konnte mich immer wieder in die Charaktere versetzen, lachte, weinte und hoffte mit. Die überraschende Wendung hat mich erschüttert, damit habe ich wirklich nicht gerechnet, meine Sympathie schwand zwar nicht, bekam aber Risse. Erst nach und nach verstand ich die Hintergründe, begriff so manches und versöhnte mich. Das letzte Drittel war bewegend, so viel habe ich lange nicht mehr geweint. Der Ausgang konnte mich erneut überraschen, ich habe es nicht kommen sehen, auch die geniale Auflösung nicht. Liebesgeschichte, Drama, Tragödie, eine Prise Crime und ein feiner Humor, diese unwiderstehliche Mischung lässt mich begeistert zurück. Ein wunderbares Buch, das mir das Gefühl gibt, ich hätte alles miterlebt. Von mir gibt es fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2023
Durch das große Feuer
Winn, Alice

Durch das große Feuer


gut

Im England des Jahres 1914 ist in dem ländlich gelegenen Eliteinternat Preshute der Erste Weltkrieg noch kein Thema. Die beiden Schüler Sidney Ellwood und Heinrich (Harry) Gaunt haben mit ihren Freunden eine unbeschwerte Zeit. Das größte Drama im Leben von Gaunt sind seine Gefühle für Ellwood, der diese Liebe seiner Meinung nach nicht erwidert. Aus familiären Gründen meldet Gaunt sich bereits früh an die Front, was Ellwood dazu bringt, sich ebenfalls frühzeitig zu verpflichten.

Es hat sehr lange gedauert, bis ich ins Buch hineingefunden habe. Die ersten hundert Seiten lang konnte ich die Geschichte überhaupt nicht fühlen, fand keinen Zugang zu den Figuren. Das lag unter anderem auch daran, dass die Erzählung für mich nicht authentisch rüberkam. Man darf nicht vergessen, dass die Geschichte im Jahr 1914 beginnt, und dennoch lässt die Autorin es für mich so klingen, als ob das halbe Internat, in dem Ellwood und Gaunt wohnen, sich miteinander vergnügt. Ein Jungeninternat, wohlgemerkt. Es ist fast ein offenes Geheimnis, alle wissen es, nur erwischen lassen darf man sich nicht. Das fand ich schon ein wenig befremdlich; nicht wegen der Sache an sich, daran sehe ich nichts anstößiges, aber im historischen Kontext ist dies mehr als unglaubwürdig. Es gab immer wieder Situationen, die verklärt, ja, fast schon romantisch dargestellt wurden, und wir wissen doch alle, dass es das nicht gewesen ist. Im Gegenteil!

Erst als es ernst wurde, der Krieg begann und das Grauen in Form von Vermissten- und Todeslisten, perfider Propaganda (ich sage nur weiße Feder) sowie der wiederholten Rekrutierung der viel zu jungen Männer endgültig da war, fing die Geschichte an, mich in ihren Bann zu ziehen. Die Freundschaft und Liebe zwischen den beiden Freunden geriet in den Hintergrund, es ging jetzt vorrangig nur noch um das nackte Überleben. Die Gräuel des Krieges, die sinnlose Vergeudung von Menschenleben, die unaussprechlichen Taten, die man sich gegenseitig angetan hat, historische Fakten und daneben zwei Freunde, die sich beide ihrer Sache sicher, aber der Liebe des jeweils anderen unsicher fühlen; all das ergab eine Story, die mich gleichermaßen fasziniert, wie abgestoßen hat. Die Naivität der jungen Männer, was den Krieg angeht, fand ich entsetzlich, die brutale Realität machte diesen Phantasien schnell einen Strich durch die Rechnung; falls sie überhaupt lange genug überlebt haben, um dies zu realisieren. Ich habe vieles gewusst, aber auch einiges dazugelernt, die Vermischung von Fakt und Fiktion fand ich außergewöhnlich gut gelungen. Ein Highlight ist es nicht geworden, aber ein interessanter und durchaus sehr unterhaltsamer Roman mit historischem Hintergrund, den ich lesenswert finde. Macht euch ein eigenes Bild.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.