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SBS

Bewertungen

Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 18.05.2020
Die Toten vom Lärchensee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.2
Fischler, Joe

Die Toten vom Lärchensee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.2


sehr gut

Arno Bussi muss auch in seinem zweiten Fall nach Tirol, um einen Cold case aufzulösen. Nachdem er im vergangenen Jahr erfolgreich war, aber immer noch vom Innenminister geschnitten wird, ist die Situation etwas angespannt…aber alles scheint besser als in der Kriminalstatistik zu versauern. Also reist Bussi aus dem heißen Wien ins heiße Tirol, um in einem eiskalten Fall zu ermitteln. In Stubenwald versucht er zu ergründen, warum vor fünf Jahren ein Wirt zu Tode kam und dann überschlagen sich die Ereignisse im beschaulichen Stubenwald.

Ich habe den ersten Teil nicht gelesen, aber das tat der Sache keinen Abbruch, denn auch mit dem zweiten Teil gelingt der Einstieg reibungslos. Es werden Rückblenden eingebaut, sodass der Leser alles wichtige weiß – auch was den Innenminister so gegen den sympathischen Bussi hat… Schon von Beginn an geizt der Autor nicht mit Humor, Lokalkolorit und mancher deutlich überspitzter Anekdote, die man schon mögen muss. Ein humorvoller Regionalkrimi, wie man ihn wünscht. Mit einem netten Bussi, der sich manchmal im Ton vergreift und zuverlässig jedes Fettnäpfchen mitnimmt. Die Bevölkerung ist toll zusammengestellt – von einem politischen Fähnchen im Wind bis zum pressegeilen Investor - und die Tathintergründe sind letztlich auch gelungen. Insbesondere das Bernhard-Doppelpack habe ich gemocht – kauzig und trotzdem liebenswürdig. Insgesamt ist der Schreibstil sehr flüssig und gut zu lesen.

Es gibt zwar einige Tote (keine Sorge, Blut und Brutalität sind sehr wohl dosiert), aber trotzdem ist das Buch nicht wirklich spannend, denn die Leiden des Bussis erscheinen deutlich schlimmer, sei es Hunger, Hitze oder Durst…. Hat mich allerdings nicht gestört, denn die Unterhaltung war durchweg da. Man merkt gar nicht wie schnell man durch das Buch pflügt, so kurzweilig ist es. Das Spiel mit Klischees ist gelungen, der Ermittler hat den Schalk im Nacken und die Seitenhiebe auf die Politik haben mich ebenfalls gut unterhalten.

Insgesamt ein lustiger Krimi mit viel Lokalkolorit und Klamauk, manchmal etwas zu abgedreht, nie sooooo richtig spannend, aber voller Charme und einigen politischen Seitenhieben.

Bewertung vom 14.05.2020
Hannah Arendt
Sánchez Vegara, María Isabel

Hannah Arendt


ausgezeichnet

Ich finde die Reihe einfach genial. Kindern werden große Persönlichkeiten vorgestellt und hier ist es Hannah Arendt, die eine beeindruckende Biografie hat.

So können schon kleine Kinder Geschichten von bekannten Persönlichkeiten erfahren und bei etwas älteren das Interesse an einer Person und ihrem Tun geweckt werden. In diesem Fall würde ich eine Empfehlung aber erst ab dem Grundschulalter aussprechen, denn die Diskriminierung der Jüdin bereits in der Schule und der Holocaust sind jüngeren Kindern wohl kaum zu erklären. An das Thema wird hier sehr vorsichtig herangeführt. Das finde ich gelungen und auch wichtig. Eltern und andere Vorleser sollten sich besser vorab schon einmal paar Gedanken machen, was ihre Kinder so fragen könnten und in jedem Fall würde ich zumindest beim ersten lesen das Kind nicht allein damit lassen, auch wenn die Texte so knapp gehalten sind, dass sie auch für Erstleser geeignet sind und die gelungenen Illustrationen zum Blättern einladen.

Das Leben der Philosophin und Journalistin wird anhand wesentlicher Punkte dargestellt. Die Geschichte ist lehrreich. Geboren in Deutschland, musste sie wegen ihres jüdischen Glaubens wegen Repressalien der Nazis ins amerikanische Exil. Das ist nicht gerade ein leichter Start, aber trotzdem hat diese Frau es geschafft und das zeigt wenn man will, dann kann man auch unter weniger guten Voraussetzungen Großes erreichen.

Der Preis ist auch für ein hochwertig gestaltetes Bilderbuch eher an der oberen Grenze, aber insgesamt gerechtfertigt, denn auch wenn das Buch schnell gelesen und angesehen ist, so hat es doch einen enormen Mehrwert und bietet Anregung sich mit wichtigen Themen auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 11.05.2020
Young Rebels
Knödler, Benjamin;Knödler, Christine

Young Rebels


ausgezeichnet

Wie der Titel schon verspricht, werden 25 jugendliche „Rebellen“ und ihr Kampf für die gute Sache dargestellt. Die Kurzporträts sind inspirierend und die Auswahl breit gefächert. Der Kampf für ein besseres Leben, mehr Demokratie, gegen die Apartheid, für die Umwelt und vieles mehr sind dargestellt. Sehr gut finde ich auch, dass nicht nur die positiven Aspekte, sondern auch Probleme und Hindernisse ihrer Aktionen nicht verschwiegen werden.

Das Sachbuch ist wunderbar gestaltet, der Druck passenderweise klimaneutral und die Aktivisten sind schön illustriert. Einen Großteil der vorgestellten Personen kannte ich und in den Kurzporträts habe ich entsprechend wenig Neues vorgefunden – Greta, Malala, Pussy Riot– aber das macht nichts. Die wichtigsten Aspekte der Personen, ihre Beweggründe und Aktionen – mit allen Licht- und Schattenseiten – wurden gekonnt dargestellt. Die Mischung finde ich gelungen, denn die wichtigsten gesellschaftlichen Aspekte werden dargestellt. Es beginnt mit Louis Braille, der sich nicht einfach damit abfinden wollte, ein für Blinde zu kompliziertes System nicht zu vereinfachen. Das liegt schon eine ganze Weile zurück, denn nicht nur Jugendliche von heute sind in dem Buch versammelt. Besonders toll fand ich auch, dass Jugendliche aus aller Welt dargestellt werden, denn in Thailand oder Südafrika sind/waren die Probleme andere als hier.

Für Jugendliche sind die Einblicke absolut empfehlenswert, da relativ kurz und knapp die wichtigsten Aspekte leicht verständlich dargestellt werden, die - bei entsprechendem Interesse an der Person und/oder dem Thema – eine Anregung bieten, um sich weiter zu informieren. Ist das bei einem Thema mal weniger der Fall, wird der Leser immerhin einen kurzen Einblick bekommen. Mir selbst waren die Themen nicht fremd, aber bei einem Porträt gab es dennoch eine Überraschung, denn das Problem der Period poverty hatte ich auch als Frau nicht auf dem Schirm.

Ein inspirierendes und lehrreiches Buch, das vielleicht dem einen oder anderen Jugendlichen (oder auch älteren Leser) zeigt, dass man nicht immer alles hinnehmen muss und sich für seine Überzeugungen auch stark machen kann. Das muss nicht immer reibungslos verlaufen, aber der Leser sieht, dass man was bewegen kann, wenn man wirklich mit Herzblut dabei ist.

Bewertung vom 05.05.2020
Die Farben der Schönheit - Sophias Hoffnung / Sophia Bd.1
Bomann, Corina

Die Farben der Schönheit - Sophias Hoffnung / Sophia Bd.1


sehr gut

Sophia hat einen großen Traum und der scheint in Erfüllung zu gehen, denn sie darf bereits 1926 ein Studium aufnehmen. Sie studiert Chemie und verliebt sich in den Dozenten – nicht folgenlos, denn sie wird schwanger. Er verlangt die Abtreibung, die Eltern stehen nicht zu ihr und guter Rat ist teuer. Jugendfreundin Henny steht ihr jedoch zur Seite. Sophie begleitet sie nach Paris und es beginnt ein ganz neues Leben für Sophia. Auch dort hat sie zu kämpfen, aber es warten tolle Möglichkeiten auf die junge Frau, die nach New York führen werden.
Bomann ist fast immer ein Garant für mich für gute Unterhaltung. Sie zeichnet interessante Schicksale, die sie mit viel Feingefühl und Gespür in Szene setzt. Auch hier hat sie wieder ein besonderes historisches Setting gefunden. Trotzdem ist manches natürlich schon zigmal dagewesen – aber man muss das Rad ja auch nicht immer und immer wieder neu erfinden. Einerseits die wunderbare Fassade, andererseits die starren Moralvorstellungen – beides nicht unbedingt ein Quell der Freude. Die Geschichte ist packend und Bomanns Schreibstil vermittelt die Verzweiflung von Sophia sehr gut, aber auch, dass mit einer großen Portion Mut und Zutrauen viel möglich ist.
Lange Zeit hatte mich das Cover abgeschreckt, denn diese rosa-rote Welt, die ich befürchtet hatte, wäre so gar nicht meins gewesen. Aber irgendwann wusste ich einfach, dass Bomann sicher so eine Geschichte nicht schreiben würde, sondern etwas mit mehr Tiefgang – und genauso kam es dann ja auch.
Der Auftakt der Trilogie hat mich weitgehend überzeugt und ich empfehle es gerne weiter. Solange bin ich schon gespannt, wie es weitergehen wird und freue mich, dass es bald den nächsten Teil gibt.

Bewertung vom 04.05.2020
Die Apokalypse beginnt in deinem Garten / Bloom Bd.1
Oppel, Kenneth

Die Apokalypse beginnt in deinem Garten / Bloom Bd.1


sehr gut

Es regnet heftig und überall auf der Welt gleichzeitig. An sich schon seltsam, aber was danach kommt, ist fast unglaublich. Überall wächst schwarzes Gras, welches enorm schnell wächst und sehr widerstandsfähig ist. Auf der ganzen Welt sind Ernten gefährdet und alles soll noch viel schlimmer kommen, denn die Pflanzen verursachen allergische Reaktionen und Schlimmeres. Nur drei Jugendlichen scheint all das nichts auszumachen, im Gegenteil es geht ihnen sogar besser. Woher kommt das schwarze Gras und wird die Menschheit das überstehen?

Zunächst lernt man drei Jugendliche kennen, die sich mit typischen Teenager-Problemen rumschlagen, dazu haben die beiden Mädchen schwerwiegende Allergien. Anaya verträgt quasi gar nichts und Petra leidet unter einer Wasserallergie. Seth hat eine schwierige Vergangenheit, wurde von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht. Mit dem Regen und der Pflanzeninvasion wendet sich für die drei das Blatt. Sie finden zusammen und irgendwas an ihnen scheint besonders, weil sie immun gegen die Pflanzen und sehr mutig sind. Die Geschichte ist weitgehend rasant, oft spannend und vermag es in Teilen sogar nachdenklich zu stimmen. Auch für Jugendliche ist der Schreibstil sicher ansprechend und leicht verständlich. Horror und Humor kommen auch nicht zu kurz und die Protagonisten sind sehr gut gelungen. Man fiebert bei ihren Abenteuern wirklich mit, aber…

Eigentlich (!) ist das nicht mein Genre. Es gibt Entwicklungen, die mich persönlich die Augen rollen ließen, nicht weil es schlecht geschrieben oder langweilig war, sondern weil ich dieses Thema einfach nicht mag und es mir etwas zu abwegig war. Genauer möchte und kann ich nicht darauf eingehen, weil ich damit deutlich zu viel spoilern würde. Es geht um die Herkunft des Grases…Außerdem ein wenig verstimmt hat mich, dass es sich um den Auftakt einer Trilogie handelt, was ich vorher so nicht gemerkt habe, und das Buch mit einem heftigen Cliffhanger endet.

Trotz der Kritik kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ich die Trilogie fortsetzen werde, denn das Interesse ist geweckt. Meinem Teenager hat das Buch auch gefallen, allein deshalb werde ich die Bücher besorgen. Jüngere Leser könnten von mancher Szene vielleicht träumen – und das würde sicher weniger angenehm sein, daher würde ich das Buch erst ab ca.14 Jahren empfehlen.

Bewertung vom 27.04.2020
American Dirt
Cummins, Jeanine

American Dirt


sehr gut

Erschütternd

Mexico, Acapulco. Eine Geburtstagsfeier endet in einem abscheulichen Blutbad, welches nur Mutter Lydia und ihr achtjähriger Sohn Luca zufällig überleben. Lydia weiß, dass ein mächtiges Kartell hinter der Aktion steckt, da ihr Mann als Journalist ins Visier geraten ist, und sieht nur noch eine Möglichkeit – die Flucht nach Amerika. Sie haben kaum mehr als das was sie am Leib tragen, als sie sich aufmachen, um eine Reise ins Ungewisse zu starten. „La Bestia“, der Güterzug, den viele Migranten nutzen, um nach Amerika zu kommen, soll ihnen dabei helfen.

Schon der Beginn hat es in sich. Es ist schier unvorstellbar und trotzdem hat man schon von Verbrechen dieser Art gelesen und gehört. Kartelle kennen eben keine Grenzen und machen auch vor Unschuldigen nicht Halt. Wie schnell die heile Welt verstört werden kann…es ist schon beim Lesen alles andere als leicht dies mitzuerleben. Lydia ist nun stark für ihren Sohn und leistet schier unglaubliches. Aus der Besitzerin eines Buchladens wird eine löwenstarke Mutter, die unzählige Ängste ausstehen muss und über sich hinauswächst. Während die Mutter sehr realistisch auf mich wirkt, war mir der erst achtjährige Sohn oft zu erwachsen erschienen. Ja, er hat unglaubliches erlebt und ist dadurch sicher „erwachsener“ geworden, aber wie er sich manchmal gibt, ist nicht ganz stimmig.

Einige der Rückblicke haben mich ebenfalls nicht wirklich überzeugt, allen voran all jene, die sich mit dem Chef des Kartells, Javier, beschäftigten, der Lydia schöne Augen gemacht hat, an Literatur interessiert ist und ein Feingeist zu sein scheint, bis Lydias Mann ihr die Augen dafür öffnet mit wem sie es zu tun hat. Dazu war mir allgemein vieles zu klischeehaft erschienen und trotzdem hat mich das Buch weitgehend überzeugt, denn die Intension der Autorin ist es, dass Menschen/Leser verstehen, dass die Migranten Menschen sind und keine Massen an menschlicher Substanz, die -von einigen/vielen unerwünscht- einfach so irgendwelche Grenzen übertreten.

Mich hat das Buch nachdenklich gestimmt und ich finde es, wenn auch nicht komplett überzeugend, wichtig und richtig, dass es solche Bücher gibt, die sich mehr auf die Probleme der Opfer als auf die Täter beziehen. Brandaktuell, politisch brisant und erschütternd, schafft es die Autorin die genannten negativen Aspekte ihrer Geschichte und Art der Erzählung weitgehend vergessen zu machen, weil die Gefahr, Brutalität und Abscheulichkeiten allgegenwärtig sind und man mit den Protagonisten mit fiebert bis zum Ende. Sprachlich ist das Buch gewaltig, die Bilder, die beim Lesen entstehen sind erschütternd und die Vorstellung, dass gerade in diesem Moment Menschen auf der Reise durch die Wüste oder auf La Bestia sind, geht mir durch Mark und Bein.

Bewertung vom 16.04.2020
Marianengraben
Schreiber, Jasmin

Marianengraben


ausgezeichnet

Eiskalt erwischt - Neues Lieblingsbuch

Paula hat ihren kleinen Bruder verloren und ist in eine tiefe Depression gestürzt aus der sie einfach nicht mehr rauskommt. Schuldgefühle und der Verlust machen ihr das Leben schwer bis unerträglich. Durch einen Tipp ihres Therapeuten unternimmt sie eine waghalsige Aktion, bei der sie auf Helmut trifft, einen alten Mann, der eine Mission zu erfüllen hat.


Die ersten Seiten waren nur tieftraurig und haben mich schon zweifeln lassen, ob das Buch das richtige für mich ist, doch dann kam ein Twist, den ich so nicht vermutet hatte und mit dem Auftauchen Helmuts war es um mich geschehen. Es war eine solch irrwitzige Begegnung, dass ich unbedingt wissen musste, wie das weitergeht und ich wurde nicht enttäuscht. Der Roadtrip, zu dem die beiden so unterschiedlichen Charaktere aufbrechen, ist unterhaltsam, emotional und einfach herrlich. Paula beginnt aufzublühen, wenn sie auch immer wieder von der Trauer um ihren kleinen Bruder nach unten gezogen wird und der trockene Humor Helmuts, der die Sachen direkt beim Namen nennt und gleichzeitig für sich auf seine Privatsphäre pocht, machen die Geschichte zu etwas besonderem. Das Buch stimmt nachdenklich, ist oft lustig, nicht selten abenteuerlich (an manchen Stellen wurde auch ganz schön dick aufgetragen) und hat mich einfach sofort für sich eingenommen. Feinfühlig tastet sich die Autorin immer weiter voran, unterbricht sich gekonnt mit Situationskomik, wenn es zu emotional werden könnte und hat ihrer Geschichte ein wunderbares Setting ausgesucht.

Die Bezüge zur Biologie fand ich immer wieder unterhaltsam und spannend. Sie passten auch vortrefflich in diese besondere Geschichte, wie auch die philosophisch anmutenden Passagen. Tiefgründig, wie der Marianengraben aus dessen dunklen Tiefen im Laufe der Geschichte ausgestiegen wird und immer mehr Licht ins Leben kommt.

Mich hat das Buch sehr berührt und nicht nur einmal musste ich pausieren, weil mir Tränen in den Augen standen – für mich äußerst untypisch. Ja, ich lache gerne beim Lesen und hatte hier auch nicht selten die Gelegenheit dazu, aber nah an Wasser gebaut, wie Paula, bin ich eigentlich nicht und trotzdem hat es mich mal da, mal dort eiskalt erwischt.

Und nicht nur deshalb hat sich das Buch zu einem meiner Lieblingsbücher entwickelt, welches ich gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 14.04.2020
Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte
Randau, Tessa

Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte


sehr gut

Vier Fragen für den inneren Kompass

Eine überforderte Frau, die nicht mehr so ganz zufrieden ist mit ihrem Leben, obwohl sie von außen betrachtet alles hat, ein schönes Haus, einen Mann, Kinder, Job – und trotzdem passt einfach irgendwas nicht, denn der Stress dominiert ihren Alltag. Wie diesem Stress begegnen? Was den Leser erwartet, ist im Titel schon sehr treffend und prägnant zusammengefasst.

Sicher geht es ganz vielen Menschen in unserer Leistungsgesellschaft so. Man hat eigentlich alles was man braucht, die Familie ist gesund, man ist finanziell abgesichert und lebt in einem schönen Haus mit Garten. Das klingt erst einmal ganz erstrebenswert, doch ein Blick hinter die Fassade reicht, um zu erkennen, dass die Protagonistin (ohne Name) unglücklich, gestresst und gehetzt ist. Eines Tages geht gar nichts mehr und sie spaziert in den Wald ihrer Kindheit, in dem sie zahllose glückliche Stunden verbracht hat. Dort trifft sie auf eine alte Frau, die ihre nach und nach – mittels vier Fragen- die Augen für das Wesentliche öffnet.

Diese vier Fragen, die ich hier nicht verraten werde, die aber den inneren Kompass wieder ins Lot bringen sollen, sind nun nicht unbedingt neu, allerdings lohnt es sich, diese Fragen sich selbst auch einmal ehrlich zu stellen. Ganz so wie es die Protagonistin tut, der es auch nicht immer auf Anhieb gelingt alles umzusetzen, aber daran arbeitet. Ganz so einfach wie im Buch wird es im „echten“ Leben nicht sein, aber es könnte einen Anstoß für Leser bieten es zumindest zu versuchen.

Ein bisschen war es zum Ende hin durchschaubar, daher ziehe ich einen Stern ab, insgesamt hat mich die Geschichte aber unterhalten und auch zum Nachdenken gebracht.
Der Schreibstil ist sehr flüssig und entwickelt nach wenigen Seiten schon einen gewissen Sog, sodass man im Nu den Text gelesen hat – das „Setzen“ und eventuelle Umsetzen des Inhaltes dauert dann schon wieder länger. Das Reflektieren eigener Verhaltensweise wird in jedem Fall unterstützt.

Das kleine Büchlein ist obendrein noch wunderbar illustriert und bietet sich auch als Geschenk wunderbar an – selbst wenn die Beschenkte Person sonst eher weniger liest, weil diese beispielsweise immer so im Stress ist….

Bewertung vom 08.04.2020
Die Spionin
Kealey, Imogen

Die Spionin


ausgezeichnet

Nancy Wake lebt mit ihrem Mann in Marseille und ist dort in der Resistance aktiv. Nachdem sie als Journalistin die Gräueltaten der Nazis beobachtet hatte, hat sie nur noch das Ziel den Nazis das Leben schwer zu machen und sie zu bekämpfen, wo es nur geht. Dabei macht sie sich als die „Weiße Maus“ einen Namen und gerät in den Fokus der deutschen Besatzer. Ihr Mann, der die Resistance finanziell unterstützt, wird verhaftet, Nancy flüchtet spektakulär und setzt in Frankreich als Agentin des britischen Geheimdienstes SOE ihren Kampf gegen die Nazis fort, für die Freiheit und ihre Liebe.

Der Name Nancy Wake oder auch ihr Spitzname „Weiße Maus“ waren mir bis zur Lektüre völlig unbekannt – leider, denn diese Frau ist extrem beeindruckend. Der Roman ist zwar in Teilen fiktiv, also der Aufkleber „nach einer wahren Geschichte“ durchaus wörtlich zu nehmen, da beispielsweise in Teilen dramaturgisch geschickt Dinge vor allem zeitlich geändert wurden (das Nachwort klärt darüber auf). Nancy kennt das Risiko, welches sie eingeht, aber ihre Überzeugung und ihr Charakter sind so stark, dass sie alles im Kampf gegen die Nazis auffährt – und das ist beeindruckend viel. Manches erscheint nahezu unmenschlich, aber besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, heldenhaften Mut und kompromisslose Lösungen – ob als Mann oder als gerne mal auch geschminkte und bildhübsche Frau. Sie hatte nicht nur mit den Kriegshandlungen ihre Probleme, sondern auch mit den Männern im Allgemeinen, die sie wegen ihres Geschlechts nicht akzeptieren wollte, doch auch den Männern in den eigenen Reihen hat sie es gezeigt. Ihr Gegner, Böhm von der Gestapo, macht Jagd auf die mutige Frau und man hofft, dass für Nancy alles gut ausgehen möge.

Die Ereignisse starten schon brisant in Marseille, 1943 und erklären von Nancys Erlebnissen bis zur Befreiung durch die Alliierten. Der Schreibstil ist rund und fast durchgängig sehr fesselnd. Nicht selten entstehen Bilder vor Augen, die innehalten lassen und fassungslos machen. Die Situation wird detailreich geschildert und weckt immer wieder starke Emotionen. Die Figur Nancy ist facettenreich und beeindruckend beschrieben.
Ein unterhaltsamer, informativer und spannender Roman, über eine beeindruckende Widerstandskämpferin, der bisher zu viel zu wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde.

Bewertung vom 06.04.2020
Die Tanzenden
Mas, Victoria

Die Tanzenden


ausgezeichnet

Fesselnde Geschichte unter dem Deckmantel der Forschung

Das Hôpital de la Salpêtrière ist Ende des 19. Jahrhunderts der Platz für jene Frauen, die als geisteskrank, gestört und von der Norm abweichend, gelten. Darunter sind gefährliche Frauen, aber auch solche, die man(n) loswerden wollte. So landete auch die lebensfrohe, wenn auch in der Familie schon immer kritisch beäugte Eugénie dort, weil sie ihrer Großmutter gestand Geister zu sehen. Sowas kann die Familie nicht dulden, daher muss sie weg. Aufseherin Geneviève merkt schnell, dass Eugénie nicht krank ist. Auch die anderen Frauen, die auf nichts mehr hoffen dürfen und sich immer auf die Bälle, bei denen sie der Öffentlichkeit präsentiert werden, freuen, merken das schnell.

Gehört und ein wenig gelesen hatte ich schon im Vorfeld von den Bällen, bei denen die Oberschicht sich an den „Geisteskranken“ ergötzt hat, doch nie hatte ich so ein Buch in den Händen. Wie unter dem Deckmantel der Forschung Frauen unter unmenschlichen Bedingungen gehalten wurden, wie sich Männer unliebsamer Frauen und Töchter entledigten – das ist einfach furchtbar. Trotzdem kann und will man das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Man fiebert mit Eugénie mit, hofft und bangt, verteufelt die Großmutter und den Vater, die ihr Vertrauen so mit Füßen getreten haben und muss gleichzeitig die Stärke der jungen Frau bewundern. Dass Männer einfach so Frauen als geisteskrank deklarieren und somit abschieben konnten, ist furchtbar.

Dass die Frauen wie Tiere im Zoo gehalten und präsentiert wurden, ist nahezu unglaublich und aus heutiger Sicht ein absolutes No-Go. Gaffer sind also keine neue Erscheinung. Das menschliche Elend hat schon immer eine gewisse Klientel angesprochen.

Der Blick hinter die Mauern, die Auseinandersetzungen der Frauen untereinander und die „Forschungsmethoden“ werden sehr gut geschildert. Eugénie wehrt sich gegen all das, möchte die althergebrachte Ordnung zwischen Mann und Frau nicht akzeptieren und versucht nicht in dem Krankenhaus, ob der Umstände, tatsächlich noch krank zu werden. Doch nicht nur Eugénies Schicksal, auch das anderer Frauen wird geschildert. Manche haben Gewalt durch Männer erfahren und einige sind dadurch auch sicherlich wirklich erkrankt, aber sie hätten auf jeden Fall etwas anderes verdient, als Behandlungen dieser Art.

Die einzige Frau in der Geschichte, die völlig anders erscheint, ist Aufseherin Geneviève, die dafür sorgt, dass nicht alles im Chaos versinkt. Auch wenn sie das gut erledigt(und bei mir nicht immer mit ihrer Art punkten konnte), hat auch sie ihre Schwierigkeiten mit den Männern, die nicht folgenlos bleiben…
Der Schreibstil ist fesselnd, manchmal habe ich Sequenzen aber auch zweimal gelesen. Es war einfach fast zu ungeheuerlich, was die Autorin geschildert hat, sodass ich sicher gehen musste nichts falsch verstanden zu haben – hatte ich leider nicht…und wenn man dann ein wenig noch recherchiert und feststellt, dass der Roman zwar fiktiv ist, die Behandlungen aber genauso abliefen, wird man zornig, wütend und ist irgendwann der Überzeugung, dass die wahrhaft Gestörten nicht innerhalb der Krankenhausmauern zu finden waren. Zu den meisten Frauen bekommt der Leser schnell eine Verbindung und man hofft, dass das jeweils Beste doch bitte eintreten möge.