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Benutzername: 
marakkaram
Wohnort: 
Lingen

Bewertungen

Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2019
Das bretonische Haus der Lügen
Löw, Mia

Das bretonische Haus der Lügen


sehr gut

>>"Er wird dir das Herz brechen und dich mit in den Abgrund reißen", hatte Eva ihr am nächsten Morgen düster prophezeit.>>

Wie viele Jahre mag es her sein, dass die junge Ärztin Adrienne zum letzten Mal im Sommerhaus an der Cote de Granit Rose war? Sie weiß es gar nicht mehr so genau, doch an den Streit und den darauf folgenden Bruch mit ihrer Adoptivmutter Eva erinnert sie sich noch ganz genau.
Als Eva völlig unerwartet zu ihrem 60. Geburtstag auf das Anwesen einlädt, ist Adrienne zwar überrascht, aber in der Hoffnung das Vergangene hinter sich zu lassen, sagt sie zu.
Nicht ahnend was sie erwartet!

Mich hat es genauso kalt erwischt, denn es warten eine ganze Menge Lügen, Intrigen, Betrug und Geheimnisse in der schönen Bretagne.

Der Roman ist in zwei Teile gegliedert (Prolog mal außen vor gelassen): Evas Fest und Adriennes Weg.
Vor allem im ersten Teil "Evas Fest" kommt man kaum zum Luft holen, so rasant folgt hier Schlag auf Schlag eine Enthüllung und Lüge nach der anderen. Man bekommt eine Idee von den Charakteren, aber es geht noch nicht so richtig in die Tiefe. Wahrscheinlich ganz bewusst, denn dieses ganze Konstrukt aus Lügen und Betrügen führt dazu, dass man als Leser selber nicht mehr weiß, was man glauben und wem man vertrauen kann. Man hinterfragt plötzlich alles, a la: Wer einmal lügt... Das ist schon ganz geschickt gemacht, wenn auch dadurch natürlich die Emotionen etwas auf der Strecke bleiben.

Mit dem Beginn von "Adriennes Weg" wird die Geschichte um einiges ruhiger. Wurde der erste Part ganz klar von Eva und ihrer Art dominiert, erlebt man spürbar einen Wechsel. Auch im Schreibstil. Die Charaktere entwickeln sich, bekommen mehr Raum und Tiefe. Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass man diese andere Art von Familie und Zusammenhalt hautnah gespürt hat.
Der erste Teil war sehr unterhaltsam, aber der zweite stach durch tolle Emotionen hervor.

Überhaupt hat Mia Löw einen sehr flüssigen und unterhaltsamen Schreibstil und beweist, dass sie nicht nur Lügen und Intrigen sondern auch Emotionen kann.
Das Sahnehäubchen sind die bildhaften, unaufdringlichen Beschreibungen der Cote de Granit Rose. Wirklich nur Nebenwerk, keine seitenlange Beschreibungen, und trotzdem hat man das Gefühl, diese einzigartige Landschaft direkt vor sich zu haben. Und auch das fließt in den Charme des Buches mit ein.

Obwohl ich von Anfang an der Meinung war, der Prolog verrate zu viel, fand ich es unheimlich spannend und unterhaltsam Adriennes Geschichte zu verfolgen.

Fazit: Dieser Roman erzählt nicht nur eine außergewöhnliche Geschichte mit Bezug auf die RAF und AD, sondern es geht auch thematisch richtig rund. Aber in dem Moment, wo ich dachte, hm, vielleicht too much, habe ich gleichzeitig gemerkt, dass es mich unterhält und vom zweiten Part war ich eh hin und weg. Mein erster Roman von Mia Löw und mit Sicherheit nicht mein Letzter. Ich freue mich schon darauf ihre anderen Bücher zu entdecken.

Bewertung vom 17.03.2019
Vaticanum / Tomás Noronha Bd.3
Dos Santos, José R.

Vaticanum / Tomás Noronha Bd.3


sehr gut

>>"Von dem Geld, das für kranke Kinder gedacht war, sind die Luxuswünsche des Kardinals finanziert worden?">>

Ich habe "Der Schlüssel des Salomon" verschlungen und mich hat gar nicht so sehr die Rahmenhandlung gepackt, sondern was man an wissenschaftlichen Thesen alles erfahren hat. Das war hochinteressant und deswegen konnte ich es kaum erwarten, das neuste, ins deutsche übersetzte Buch "Vaticanum" in die Hände zu bekommen.

Wie der Titel schon sagt, nimmt Dos Santos den Leser mit nach Rom in den Vatikan, wo Tomas Norona grade mit seiner Verlobten in den Tiefen der Katakomben nach dem Grab Petrus sucht.
Doch dann wird er von ganz oben zurückgezogen. Es gab einen Einbruch, hinter dem man fundamentalistische Islamisten vermutet. Und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Der Papst wird entführt und Tomas muss schnell handeln, denn es steht alles auf dem Spiel....

Ja, meine Erwartungshaltung war hoch, sehr hoch und der konnte "Vaticanum" dann auch nicht ganz standhalten. Inhaltlich hatte ich eine andere Richtung erwartet. Andererseits, hätte ich vorher noch kein Buch von ihm gelesen, wäre mir anhand des Klappentextes klar gewesen, dass es sich hier um einen reinen Vatikan-Thriller handelt.

Dieser Teil der Reihe gibt einen tiefen Einblick in die Geldgeschäfte des Vatikans. Und so geht es auch größtenteils um das wirtschaftliche Konstrukt der Vatikanstadt, um Korruption, Spendenaffairen, Mafia usw. Das war mir oftmals zu politisch, wenig wissenschaftlich und vor allem wenig Neues. Vielleicht war mir diese Thematik einfach viel geläufiger, als die im Schlüssel des Salomons. Damit will ich absolut nicht sagen, dass es auch für mich nicht noch viele Überraschung gab.

Gefühlt zu kurz geht es auch um Erscheinungen, die Malachias-Prophezeiung und die rätselhaft frühen Tode einiger Päpste. Schade, denn genau hiervon hätte ich gerne mehr gelesen. Ich hätte mir mehr Rätsel, Religionsgeheimnisse und Erklärungen gewünscht. Es wurden z.B. die Freimaurer angesprochen, aber auch nur im Zusammenhang mit der IOR, der Vatikanbank und nicht weiterführend.

Ich bin hin und hergerissen. Der Roman ist wirklich gut, schreiben kann er. Andererseits, wenn ich den Namen Dos Santos höre, erwartet ich automatisch den Thriller mehr in der Rahmenhandlung Bei ihm will ich das Buch zuklappen mit dem Wow-Effekt, grad mehr gelernt zu haben, als in der Schulzeit und das war hier nicht ganz so der Fall.

Dennoch bin ich durch das Buch geflogen. Der Spannungsbogen und die Geschwindigkeit sind enorm hoch, um nicht zu sagen rasant. Der Charakter Tomas Norona hat sich weiterentwickelt, das merkt man, wenn man die Vorgänger kennt. Trotzdem ist jeder Band völlig unabhängig voneinander lesbar, da die von luzar Publishing in Deutschland publizierte Reihe auch nicht mit dem ersten Teil beginnt.

Ich bin auf jeden Fall ein großer Fan von J.R. Dos Santos und fiebere jeder weiteren Veröffentlichung sehr entgegen.

Bewertung vom 11.03.2019
Als die Tage ihr Licht verloren
Hayek, Stephanie von

Als die Tage ihr Licht verloren


ausgezeichnet

"Du denkst immer noch, dass du dich anpassen musst, Linda, an irgendetwas, das du für die Wirklichkeit hältst. Dabei ist es umgekehrt. Du musst die Wirklichkeit gestalten, du musst deine Hände darin haben. Versprich mir das! Sie muss sich dir unter deinen Händen anpassen. Es gibt immer eine Tür, vergiss das nie, nie, meine Linda!"

Linda ist die lebenslustigere der beiden Hoffmann Schwestern. Tag für Tag im Büro vor der Schreibmaschine zu verbringen, fällt ihr schwer, wohingegen Gitte von einem Jurastudium träumt und später im Reichsministerium landet.
Doch da ist auch eine andere Seite in Linda, eine Melancholische, die sie schon ihr Leben lang begleitet. Es ist wie ein Knäuel in ihr, sie weiß nicht so recht, wo sie hingehört.... Bis sie dem Schuhmacher Erich begegnet, der Liebe ihres Lebens. An seiner Seite blüht sie regelrecht auf. Doch Erich wird eingezogen und Linda versinkt in ihrer Trauer - in Zeiten wie diesen nicht ungefährlich....

"Als die Tage ihr Licht verloren" ist ein unheimlich bewegender Roman, der nicht nur mit einer interessanten Thematik, sondern auch durch seinen einzigartigen Schreibstil besticht.

Stephanie von Hayek gibt jeder ihrer Figuren eine ihr ganz eigene Stimme. Anfangs hab ich das gar nicht bewusst wahrgenommen. Doch recht schnell wurde deutlich, dass immer, wenn es um Linda ging, der komplette Satzbau ein anderer war. Das man manchmal mit ihr nur so durch die abgehackten Sätze und Gedanken flog und gleich danach stockend hindurchschwamm. Das brachte mir Linda sehr nahe und schockierte mich bei dem Fahrer Hackenholt noch mehr.

Leben, in einer Zeit, in der anders sein, den Tod anlockt. Leben, in einer Zeit, in der man niemandem vertrauen kann und die Wände Ohren haben.

Es gibt wenige Romane, die sich so eingehend mit der Gekrat (Gemeinnützige Kranken-Transport-GmbH) und der Euthanasie befassen. Ich fand die Entstehung, die Rekrutierung der Fahrer, die Knebel der Geheimhaltung etc. unheimlich interessant. So einen tiefen Einblick bekommt man eher selten und mir lief es nicht nur ein Mal eiskalt den Rücken hinunter. Hier werden historische Fakten gekonnt mit einer fiktiven Familie verwoben.

Es ist eine unheimlich bewegende Geschichte, die die Autorin in sehr ruhigen Tönen erzählt, die dadurch jedoch nichts an ihrer brutalen Wucht verliert. Die Charaktere sprechen für sich und vieles sickert in all seiner Grausamkeit zwischen den Zeilen durch. Stephanie von Hayek muss gar nicht ausschweifend erzählen.

Fazit: Ein faszinierendes und schockierendes Buch, das einen tiefen Einblick in das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte gibt. Nach der Lektüre fragt man sich nicht mehr: Wie konnte das passieren? sondern betet, dass es nie wieder so weit kommen wird. Ein Thema, aktueller denn je.

Bewertung vom 10.03.2019
Der Welt nicht mehr verbunden
Hari, Johann

Der Welt nicht mehr verbunden


sehr gut

>>Wer glaubt, dass seine Depressionen ausschließlich einer Fehlfunktion seines Gehirns geschuldet sind, muss nicht über sein Leben oder die Dinge, die ihm angetan wurden, nachdenken. Die Ansicht, es sei alles eine Frage der Biologie, schützt ihn in gewisser Weise für eine Weile.>>

Wie kann es sein, dass eine Krankheit wie Depressionen so überproportional zugenommen hat? Deutschland belegt nach einer Umfrage mittlerweile den 2. Platz direkt nach Island. Es werden 1,4 Milliarden (die Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen) Tagesdosen Antidepressiva pro Jahr verschrieben.
Hat das wirklich eine rein biologische Ursache, den sogenannten Serotoninmangel im Gehirn, der ganz einfach mit Medikamenten behandelt werden kann? Das jedenfalls wird uns von den Ärzten und der Pharmaindustrie seit Jahrzehnten so vermittelt. Doch was ist mit all den anderen Faktoren im Leben der Betroffenen; das Umfeld, der Job, soziale Bindungen, Kindheitstrauma und und und?

Johann Hari, selbst Betroffener, geht dieser Sache akribisch auf den Grund, denn irgendwann wurde ihm nur allzu deutlich bewusst, dass er nach jahrelanger Einnahme verschiedenster Antidepressiva incl. all ihrer Nebenwirkungen, trotzdem immer noch an Depressionen litt.

Nach einer interessanten und sehr persönlichen Einführung widmet er sich ausgiebig der Frage, an was es den Betroffenen wirklich mangelt und den neun Ursachen von Depressionen und Ängsten. Dabei präsentiert er vorhandene Studien und Forschungsergebnisse auf eine, auch für den Laien, sehr verständliche Art und Weise. Man könnte jetzt meinen, trockener Stoff, aber weit gefehlt; sehr lebendig, authentisch, interessant und wissenschaftlich fundiert (die Fussnoten finden sich im 41-seitigen Anhang).

Johann Hari hat nicht einfach nur Bücher gewälzt, dafür ist er zu sehr Journalist. Nein, er hat sich mit den forschenden Sozialwissenschaftlern getroffen. Auch, wenn er dafür beispielsweise mit Isabel Behncke den Tunnel Mountain besteigen musste. Und das macht das Buch so interessant, denn hier bekommt man die Denkweise eines Depressiven, nämlich die des Autors, der sich wieder mit der Natur verbinden soll, hautnah mit.

Im nächsten Teil geht es dann um das Wiederverbinden. Johann Hari ist um die Welt gereist und hat sich andere Kulturkreise angeschaut, wie z.B. in Kambodscha oder einer Amisch Gemeinde, wo man keine Antidepressiva kennt (in Kambodscha gibt es nicht einmal ein Wort dafür). In ihrer Gesellschaft wird ganz anders mit verursachenden Situationen umgegangen. Das fand ich unheimlich spannend, auch weil es tief in die Abgründe unserer Kultur blicken lässt.

Man spürt einfach in jedem Satz, dass hier wahnsinnig viel Herzblut drin steckt. Deswegen verzeiht man ihm auch, wenn er manchmal vielleicht ein wenig zu sehr ausschweift oder Dinge, die ihm wichtig sind und die er verdeutlichen will, wiederholt.

Ein wenig gefehlt hat mir ein Zusammenhang mit der Ernährung, die Verbundenheit des Darms mit dem Gehirn usw. Allerdings kann man auch nicht alles fundiert abdecken.

Ich selber gehöre nicht zu den Betroffenen, sehe aber in meinem Umfeld immer mehr Erkrankungen und halte nichts von dem schnell verschriebenen Antidepressivum. Deswegen gefällt mir der Ansatz von Johann Hari. Im Gegenzug hat er mir nämlich auch aufgezeigt, warum ich derzeit nicht zu den Betroffenen gehöre. Und so fiel es mir beim Lesen relativ leicht seinen Überlegungen zu folgen.

Fazit: Dieses Buch ist kein Ratgeber der klassischen Art und auch kein Wundermittel. Aber wer sich mit seiner Krankheit bewusst auseinandersetzen und sie vor allem verstehen möchte, dem kann ich es nur ans Herz legen. Wissen und Verstehen allein genügt nicht und jeder weiß, es ist so schon schwer genug, Lebensgewohnheiten zu ändern und dann noch aus einer Depression heraus.... aber Wissen und Verstehen ist ein sehr guter Anfang.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2019
Das Echo der Wahrheit
Chirovici, Eugene

Das Echo der Wahrheit


ausgezeichnet

>Dies hat mich zu der Frage geführt: Welche Art von Realität beschreibt jemand eigentlich unter Hypnose - die Realität dieses einzigartigen und unwiederholbaren Augenblicks, die sogenannte "objektive" Wirklichkeit? Die vom Hypnotiseur suggerierte "subjektive" Wirklichkeit? (…) Kommuniziert der Mensch, was er zu sehen glaubt, oder nur das, wovon er annimmt, dass sein geistiger Führer, der Therapeut, es von ihm hören möchte?>>

Eugene Chirovici schaffte mit seinem außergewöhnlichen Roman "Das Buch der Spiegel" über Nacht den Durchbruch. Ich muss gestehen, dass ich wohl eine der wenigen bin, die ihn bislang noch nicht gelesen hat. Allerdings nicht mehr lang, denn "Das Echo der Wahrheit" hat mich vollkommen in den Bann gezogen. Ich habe schon lange nicht mehr einen so gekonnt zusammengesetzten und megaspannenden Roman gelesen.

Er lässt den Leser geschickt sehr lang im Dunkeln tappen. Man spürt, dass etwas nicht stimmt, kann es aber nicht benennen. Und selbst als ich zum Ende hin einen vermeintlich genialen Einfall hatte, wurde ich trotzdem nochmal überrascht. Der Autor brilliert hier mit einer wirklich cleveren Auflösung.

Er spielt mit dem Leser und seinen Protagonisten. Er seziert sie förmlich und lässt den Psychiater Cobb immer tiefer in die Psyche seiner Figuren eintauchen.
Das ist spannend und absolut interessant. Vor allem durch den ungewöhnlichen Erzählstil. Und auf den sollte man sich wirklich einlassen, denn weil ich so gebannt war und das Buch kaum aus der Hand zu legen vermochte, konnte ich über ein-zwei Dinge hinwegsehen, wie ein Tagebuch, das unter mehr als kuriosen Umständen auftaucht oder dass Cobb eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben hat und trotzdem überall mit der Geschichte hausieren geht. Aber im Großen und Ganzen fielen sie nicht ins Gewicht.

Der Spannungsbogen ist wirklich konstant hoch und der Schreibstil dabei recht einfach und angenehm. Die Geschichte kommt ohne Schockmomente und viel Blutvergießen aus. Die Tat liegt in der Vergangenheit und bleibt an sich erstmal ziemlich mysteriös, man weiß gar nicht so genau was damals in dieser schicksalsträchtigen Nacht in Paris geschah. Auch Joshua Fleischer kann sich nur bruchstückhaft erinnern. Kurz vor seinem Tod will er jedoch endlich Gewissheit haben, er engagiert Cobb um mit Hilfe von Hypnose an einige tief in seinem Unterbewusstsein vergrabene Antworten zu kommen. Für Cobb ist es der Beginn einer Reise und eines vielschichtigen Rätsels.

Fazit: "Das Echo der Wahrheit" ist ein psychologischer Spannungsroman, dessen Entstehung noch vor dem "Buch der Spiegel" liegt und der sich mehr mit dem Warum einer Tat als dem klassischen Wer-ist-der-Mörder-Spiel befasst. Und das ist, wie ich finde, meisterhaft gelungen. Für mich eine tolle Neuentdeckung und ich freue mich auf mehr von Eugene Chirovici.

Bewertung vom 08.03.2019
Dezemberglut
Heyden, Linda K.

Dezemberglut


sehr gut

>>Er trug eine helle Jeans, einen dunkelblauen Pullover und jede Menge miese Laune und Überheblichkeit vor sich her. Dennoch war er so schön wie ein Halbgott mit Migräne.>>

Nach Charis Befreiung aus den Fängen eines bösartigen Vampirs, kämpft sie für ihre Selbstbestimmung. Normalerweise erfolgt eine Löschung des menschlichen Gedächtnisses, aber sie will ihre grausamen Erinnerungen nicht verlieren und stattdessen lernen, sich selbst zur Wehr zu setzen. Die Nacht-Patrouille gibt ihr ok, doch ausgerechnet der schöne aber eiskalte und unnahbare Damian wird zu ihrem Mentor bestimmt. Damian, der von Selbsthass und Schuldgefühlen zerfressen wird und sich eigentlich gar nicht mit ihr beschäftigen will....

"Dezemberglut" ist nach "Novembermond", der zweite in sich abgeschlossene Teil der Nacht-Patrouille. Ein Einstieg ist so jederzeit problemlos möglich und mit "Januarnacht" kommt bereits der 3. Teil auf den Markt.

Für mich war es die erste Begegnung mit Julian, Ellen, Damian und dem Rest der Truppe, aber dabei wird es nicht bleiben, denn die Geschichte um eine Gruppe Wachschutz-Vampire in Berlin hat was und macht Spaß.

Linda K. Heyden hat ihre Protas toll charakterisiert, mit Tiefe und Sympathie. Sie sind für den Leser absolut greifbar, sowohl Vampir als auch Mensch.

Die Liebesgeschichte, auch wenn sie ein bisschen vorhersehbar ist, war trotzdem sehr spannend und hat mich emotional mitgenommen. Denn neben Damians inneren Dämonen, gibt es da noch die realen, auf die er Jagd macht.

Die rund 470 Seiten lesen sich unheimlich flüssig und flott weg. Zum Ende hin, löst sich zwar einiges für meinen Geschmack etwas zu schnell und smooth, andererseits ist dadurch auch dieser Teil in sich abgeschlossen. Für mich hätten es gerne ein paar Seiten mehr haben dürfen, denn grade der starke Beginn reduziert sich dadurch am Ende ein wenig auf die Liebesgeschichte.

Fazit: Eine interessante Vampirserie und gelungene Mischung aus Spannung, Action und Liebe.

Bewertung vom 03.03.2019
The Hurting
Smit, Lucy van

The Hurting


ausgezeichnet

>> Sein schwarzes Haar riecht nach Lagerfeuer, Wildnis und teurer Seife. Sein Gesicht kann in einem Moment vor Lachen sprühen, im nächsten werden seine Augen dunkel, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Dann zieht die Wolke vorüber, und Lukas strahlt wieder. >>

Eine abgründige, dunkle Liebe....
Nell hat es nicht leicht. Seit ihre Schwester an Krebs erkrankt ist, verfällt der Vater immer mehr einem religiösen Wahn. Er sieht sich nicht nur selbst als Heiler, nein, er packt seine beiden Töchter ein und zieht mit ihnen nach Norwegen um in der Abgeschiedenheit der Fjorde eine neue Therapy für Helen auszuprobieren.
Die Mutter hat die Familie schon vor Jahren verlassen und Nell würde alles für ihre große Schwester tun; nur ihren Plan zurück nach England auf eine Musikschule zu gehen, kann sie nicht aufgeben. Als sie sich für einen Vorspieltermin wegschleicht, trifft sie auf Lukas und das Unheil nimmt seinen Lauf. Dunkel, attraktiv, faszinierend und irgendwie wild, verfällt sie dem Jungen im Wolfsmantel mehr und mehr. Doch der verfolgt seinen eigenen düsteren Plan....

Woow, keine alltägliche Geschichte und auch keine leichte Kost, die Lucy van Smit ihren Lesers präsentiert. Dafür eine sehr kraftvolle und starke, die dich wie ein dunkler Bann immer tiefer in ihre Abgründe zieht.

Intensiv, düster, beklemmend.... "The Hurting" lebt von seiner unheimlich dichten Atmosphäre, dem Charakter Lukas und der rauen, einsamen Landschaft Norwegens. Ja. ein bisschen wie Emily Brontes "Sturmhöhe" und doch so ganz anders. Und man darf auch nicht außer Acht lassen, dass wir es hier mit einem Jugendbuch zu tun haben.

Dennoch sind die Charaktere schon sehr ausgefeilt angelegt und lassen bei Nell und Lukas tief in die Seele blicken. Grade bei Nell werden einem die Schuldgefühle und die Manipulationen ihrer Schwester sehr bewusst. Und bei Lukas kann man zumindest ansatzweise erahnen, wie er auf diesen kranken (und durch nichts zu rechtfertigen) Plan gekommen ist. Es sind sperrige, interessante Charaktere, aber je länger man mit ihnen verbringt, desto mehr respektiert man Nell und ihre Familie.

Die Autorin hat einen wunderbaren, prägnanten Schreibstil. Sehr bildhaft, manchmal fast schon poetisch und von ergreifender aber auch beängstigender Emotionalität. Man muss sich auf die Geschichte einlassen. Mir jedenfalls ging sie stellenweise (für ein Jugendbuch) ganz schön unter die Haut.

Fazit: "Nordic Noir trifft auf Brontes Sturmhöhe!" ein Slogan, der mich als großer Fan von Cathy und Heathcliff nicht nur neugierig gemacht hat, sondern den ich vielleicht auch als etwas zu hoch gegriffen fand. Doch ich muss gestehen, Lukas kann es durchaus mit Heathcliff aufnehmen. Ein tolles Buch, das mit Sicherheit nicht jeden Geschmack trifft. Aber ein muss für alle, die sich auch gerne mal von außergewöhnlichen, nicht in eine Norm passenden Charakter einlassen können.

Bewertung vom 01.03.2019
Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
Huerta, Máxim

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta


ausgezeichnet

>>Als ob alle Menschen so wären wie Monsieur Dominique und die anderen die Seltsamen. Während sie zusieht, wie er den Blumenstrauß für diese Frau bindet, die es gar nicht mehr gibt, die nicht bezahlen wird und nicht zu sehen ist, bestätigt das nur ihr Gefühl, an einem ganz besonderen Ort gelandet zu sein.>>

Einfach nur wunderschön…..
Dieser Roman hat mich mit seinem poetischen, federleichten Schreibstil vollkommen in einen zauberhaften Bann gezogen.

Dreh- und Angelpunkt ist der Blumenladen "L`Étoile Manquant" dessen Besitzer Monsieur Dominique sagen wir mal, sehr liebenswerte Marotten hat. Seinem Charme und dem Zauber seines Ladens erliegen nicht nur Dona Mercedes und Dona Tilde, zwei Spanierinnen, die es in jungen Jahren nach Paris verschlagen hat, sondern auch die junge Violeta, auf der Suche nach einem Job.
Doch schon bald wird deutlich, dass jeder mit seiner Einsamkeit und den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen hat.

"Manchmal werde ich ein wenig melancholisch, aber dann reiße ich mich gleich wieder zusammen. Melancholie ist wie ein altes Möbelstück, das nutzlos in der Ecke rumsteht, wackelt und Ungeziefer anzieht." (S.17)

Ein Spanier, der Romane im französisch-leichten bezaubernden Stil schreibt... Ich war mir nicht so sicher, dass das funktioniert. Doch schon der Prolog hat mich restlos überzeugt.

Maxim Huerta hat mit l`Étoile Manquant einen Pariser Eckladen geschaffen, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Er ist ein Treffpunkt, ein entschleunigter Raum in einer schnelllebigen Zeit, in dem Blumen eine Seele haben und ihr Besitzer ein Herz aus Gold.

Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet, mit viel Liebe, teils brummeliger Herzlichkeit und vor allem Tiefe, sehr lebendig und sympathisch. Und jeder von ihnen hat seine ganz eigene Art mit der Vergangenheit umzugehen.

"Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta" ist eine Geschichte über das Alter, Freundschaft und Liebe, Verlust und Sehnsucht, Vertrauen, Einsamkeit und Glücklich sein, mit magischem Charme, Pariser Flair und wunderschön poetischen Sätzen, die nachdenklich machen und hängen bleiben.

Bewertung vom 23.02.2019
Liebende
Ho-seung, Jeong

Liebende


ausgezeichnet

>>Ach, Schwarzperlenauge hat sich so sehr verändert! Gibt es denn keine Liebe, die nie vergisst, wie sich das Herz anfangs gefühlt hat; keine Liebe, die sich niemals verändert?>>

Tag für Tag verbringt Blauperlenauge mit Schwarzperlenauge, sie sind zwei der Fische an den Windglocken, die am Tempel Unju-sa in Hwsun hängen. Der Legende nach, Liebende, die sich aus vielen Leben kennen und füreinander bestimmt sind. Doch nach all den Jahren vermisst Blauperlenauge die Leidenschaft. Er hat das Gefühl Schwarzperlenauge gleichgültig geworden zu sein. Und er träumt von einem anderen Leben....

Der Koreaner Jeong Ho-seung hat mit "Liebende" eine tiefsinnige, berührende, wunderschön poetische Fabel geschrieben, in die man einfach versinkt.

Ja, es ist lange her, dass ich zuletzt eine Fabel gelesen habe, aber schon mit seinen ersten Worten und Gedanken hat Blauperlenauge mich eingefangen. Es sind Sätze wie "Dabei wusste ich nur zu gut, dass das Heute, das ich mit Nichtstun verbrachte, das Morgen war, nach dem jemand, der Gestern gestorben war, sich sehr gesehnt hatte" (S. 15) oder "Wenn Liebe neu ist, spricht man viele Worte. Alte Liebe hingegen ereignet sich schweigend." (S. 16) die direkt ins Herz gingen und mich oft sehr nachdenklich gemacht haben.

Es gibt in dieser Geschichte viele Passagen, die lange nachhallen, manche fangen auch erst später an zu wirken; und in denen sich wohl jeder wiederfindet, der liebt oder geliebt hat.

Ich fand es wunderschön mit Blauperlenauge auf die Reise zu gehen und so manches Mal hätte ich den kleinen Fisch gerne bei seinen Abenteuern beschützt und behütet und an die Hand/Flosse genommen, um mit ihm das wahre Wesen der Liebe zu finden.

Dieses Büchlein ist ein Kleinod, eine Leseperle, die man ganz langsam und immer und immer wieder genießt.
Vervollkommnet wird es durch neun bunte Illustrationen von Gisela Goppel, die sich dem herrlich farbenfrohen Cover anpassen.

Fazit: Zum Selberlesen und zum Verschenken. Die Geschichte von Blauperlenauge wird jeder lieben.