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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1963 Bewertungen
Bewertung vom 11.01.2024
Seit er sein Leben mit einem Tier teilt
Kirchhoff, Bodo

Seit er sein Leben mit einem Tier teilt


sehr gut

Helles Gebell

Bodo Kirchhoff ist nach dem Tod von Walser und Grass wohl einer der letzten weißen, alten Männer unter den Schriftstellern, dem muss man sich bewusst sein. Aber für ihn spricht die Gelassenheit und Routine sowie das Können.
Sein neuer Roman Seit er sein Leben mit einem Tier teilt wird durch die Hauptfigur dominiert. Louis Arthur Schongauer, ehemaliger deutscher Schauspieler in Hollywood, lebt zurückgezogen mit seiner Hündin. Die Ruhe wird gestört, als mit Frida eine junge Frau auftaucht.
Die Dialoge zwischen den beiden sind sehr amüsant gemacht.
Mit Almut kommt eine zweite Frau ins Spiel.
Der verwitwete und körperlich angeschlagene Schongauer lebt auf.
Was mir auch ganz gut gefällt, sind die Geschichten über Hollywood-Filme und Stars, die gerne eingeflochten werden.

Mit diesem Buch hat Bodo Kirchhoff bewiesen, dass er immer noch eine kraftvolle Sprache hat und eine gehaltvolle Handlung gestalten kann.
Sofort habe ich mir noch ein Buch von ihm bestellt.

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Bewertung vom 07.01.2024
All dies könnte anders sein
Thankam Mathews, Sarah

All dies könnte anders sein


ausgezeichnet

Intensives Porträt einer jungen Frau

All dies könnte anders sein ist ein Buch, in dem die Autorin Sarah Thankam Mathews das Leben einer jungen, indischstämmingen Frau in den USA porträtiert. Es ist das Jahr 2023 und Sneha ist 22 Jahre alt. Es wird konsequent aus der Ichperspektive der jungen, lesbischen Frau erzählt. Sneha lebt alleine, die Eltern sind in Indien. Sie ist sehr auf ihren Job fixiert, sehnt sich zwar nach Liebe, wirkt aber orientierungslos und ihre Gefühle sind diffus.
Mit Thom verbindet sie ein problematische Freundschaft, mit Tig hat sie eine gute Freundin, verliebt ist sie in Marina.
Diese Beziehungen erfasst die Autorin gut und vielschichtig.Es gibt viele emotionale Szene. Es ist sehr überzeugend, wie die Autorin Snehas Gefühlslage beschreibt, besonders als diese schließlich ihren job verliert, ihre Wohnung und ihre Liebe.
Sprachlich ist das intensiv und gut gemacht. Sarah Thankam Mathews ist zweifellos eine literarische Entdeckung.

Bewertung vom 04.01.2024
Supermarkt
Falero, José

Supermarkt


sehr gut

Supermarkt ist en Roman eines brasilianischen Autors, der ein glaubhaftes Bild der Gesellschaft zeichnet.
Pedro und Marquez sind eigentlich zwei durchschnittliche Typen, die in einem Supermarkt arbeiten. Genervt von ihrer schwierigen, kargen finanziellen Lage fangen sie an Gras zu verkaufen. In dieses Geschäft rutschen sie leicht rein.
Man sollte beachten, dass die brasilianische Gesellschaft nicht direkt mit der deutschen vergleichbar ist. Armut ist stark verbreitet.

Wirklich kein schlechtes Buch. Besonders die halbphilosophischen Dialoge zwischen den Freunden sind sehr gelungen. Manchmal ist es etwas zu detailliert, aber das ist nicht schlimm. Eine gehörige Portion Ironie entschädigt den Leser.
Von Jose Falero würde ich wieder etwas lesen.

Bewertung vom 03.01.2024
Wie sind Sie hier reingekommen?
Birr, Tilman

Wie sind Sie hier reingekommen?


sehr gut

Tilman Birr zeigt in seinem Roman „Wie sind Sie hier reingekommen“ ein Porträt eines jungen Mannes.
Wolfgang Schneider ist 20 und zum Studieren nach Berlin gekommen. Er ist noch orientierungslos Das ist ein Hauptthema des Romans.
Als Leser folgt man Wolfgangs staunenden Blick auf die Umgebung.
Eigentlich mag ich es nicht, wenn die Protagonisten in einem Roman Deppen sind.
Aber Tilman Birr nutzt die Form des Schelmenromans und so funktioniert es.
Jedenfalls überwiegend. Ab und zu gibt es Nebenfiguren, die wie Stereotypen wirken. Aber das soll wohl so sein. Oft sind die Passagen wirklich witzig. Ich mag besonders die Theaterpassagen.
Abschließend muss ich noch das originelle Cover erwähnen, das zum Schalk des Autors passt.

Bewertung vom 02.01.2024
Aprikosenzeit, dunkel
Kulenkamp, Corinna

Aprikosenzeit, dunkel


sehr gut

Armenien, damals und heute

Es beginnt mit Erinnerungen an die Wüste. Ein Kapitel, dass die Eindrücke einer Überlebenden des Genozids 1915 vermittelt. Das leitet die Kapitel um Karine ein. Aber zwischen deren Kapiteln kehrt man immer wieder in diese Vergangenheit zurück.

In Deutschland aufgewachsen, doch mit armenischen Wurzeln geht die Protagonistin Karine in die Heimat ihrer Mutter, um für eine NGO zu arbeiten .
An ihrer Seite erlebt der Leser eine andere Welt. Die Hitze, die graue Stadt, Eintönigkeit, dann Ararat, den berühmten Berg.

Sprachlich spielt die Autorin noch nicht in der ersten Liga, aber es gibt Ansätze. Man spürt die Emotionen. Es ist ein interessanter Roman, der deutlich macht, wie schwierig es ist, mit dem Thema Völkermord offen umzugehen.
Das Buch steht natürlich auch ein wenig im Schatten jüngster Ereignisse in Bergkarabach.
Corinna Kulenkamp hat da einen vielversprechendes Debüt vorgelegt.

Bewertung vom 02.01.2024
Nicht ich
Shalev, Zeruya

Nicht ich


sehr gut

Zeruya Shalevs Debütroman, der jetzt erstmals auf Deutsch erscheint und ein Vorwort der Autorin enthält, ist sprachlich anders als ihre späteren Romane. Doch einige bekannte Motive ihrer anderen Bücher gibt es doch.

Eine Frau verlässt Mann und 5jährige Tochter für ihren Geliebten.
Doch damit kommt sie nicht klar. Sie isoliert sich selbst und beklagt ihren Zustand. Sie leidet. Ihr gehen sogar die Haare aus.
Diesen Bewusstseinszustand macht Zeruya Shalev mit Mitteln des magischen Realismus deutlich. Das hat mich nach anfänglicher Skepsis doch überzeugt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.12.2023
Die sieben Monde des Maali Almeida
Karunatilaka, Shehan

Die sieben Monde des Maali Almeida


ausgezeichnet

Ein energiegeladener Text

Der preisgekrönte Roman Die sieben Monde des Maali Almeida ist ein aufregendes Buch. Zum einen, weil es den Leser in die achtziger Jahre nach Sri Lanka führt. Es ist die Zeit des Bürgerkriegs zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit in Sri Lanka.
Eine fremde Welt für mich. Zwar gibt einen der Autor Shehan Karunatilaka Hilfestellungen, welche Gruppen zu der Zeit, welche Interessen in Sr Lanka verfolgten, dennoch ist es schwer, immer zu folgen. Manchmal muss man sich daher trieben lassen. Am besten man folgt dem gerade ermordeten Protagonisten Maali Almeida, der Fotograf war, auf seiner Suche nach seinem Mörder. Es geht durch Sieben Tage und Nächte und erzählt von seinen Begegnungen mit anderen Geistern. Ein Weg wie durch ein Labyrinth.

Das Buch ist aber auch aufregend wegen seiner großartigen literarischen Form. In der zweiten Person erzählt, ist man nah bei der Figur. Maali ist wirklich eine starke Figur, engagiert, neugierig, furchtlos und voller Lebensgier.
Es gibt auch Passagen mit Maalis guter Freundin Jaki und ihr Cousin DD, der sein Liebhaber war. Diese beobachtet Maali für eine Zeit lang.

Das Buch ist sprachlich farbig, der Ton ist durchsetzt von Ironie. Das Buch hat so viel Kraft und Energie. Das ist beeindruckend.

Bewertung vom 28.12.2023
Wie die Vögel unter dem Himmel
Didion, Joan

Wie die Vögel unter dem Himmel


sehr gut

Das harmonische Beben in Boca Grande

Joan Didions Roman „Wie die Vögel unter dem Himmel“ ist in den siebziger Jahren entstanden und auch ein wenig ein Produkt seiner Zeit. Der Originaltitel A Book of Common Prayer ist vielleicht der bessere.
Auffällig ist der sachliche Erzählstil. Es ist eine Art Bericht. Dadurch kommt man der Hauptfigur nicht so nahe.
Erzählerin ist Grace Strasser-Mendana, eine Frau, die mit der amerikanischen Hauptprotagonistin Charlotte Douglas bekannt war. Sie treffen sich in einem lateinamerikanischen Land.
Einschneidendes Ereignis für Charlotte war das Verschwinden ihrer Tochter Marin, nachdem diese an einem politisch motivierten Anschlag beteiligt war.

Die distanzierte Erzählart erinnert an Essays, von denen Joan Didion so einige geschrieben hat. In einem Roman ist diese Form problematisch, doch die Themen an sich sind packend und die Dramaturgie des Plots nimmt kontinuierlich zu. Es ist insgesamt gesehen ein interessantes Buch.

Bewertung vom 27.12.2023
Eine halbe Ewigkeit
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit


sehr gut

25 Jahre später

Eine halbe Ewigkeit von ildiko von Kürthy ist ein interessantes Buch. Die Preisfrage für mich war aber, ob man auch etwas mit dem Roman anfangen kann, wenn man den Vorgänger, den Bestseller Mondscheintarif nicht gelesen hat. Das ist bei mir der Fall.
Ich kann sagen, dass da schon eine gewisse Leerstelle ist.
Aber ich kenne „Morgen kann kommen“ von ihr und schon gibt es ein Wiedersehen mit bekannten Figuren, zum Beispiel den extrovertierten Erdal. Eine originelle, wenn auch klischeevolle Figur.

Die Handlung um Cora Hübsch setzt 25 Jahre später als bei Mondscheintarif ein und es geht viel um den Scheidepunkt, an dem Cora angekommen ist.
Cora ist zwar selbstbewusst, aber manchmal auch selbstkritisch und unzufrieden, zum Beispiel mit ihrem Körper. Manchmal erinnerte mich das an Bridget Jones.

Auch mit der Handlung komme ich gut klar. Tagebuchszenen der Vergangenheit sind eingebunden. Schließlich kommen spät im Buch auch Szenen, die die vorher nicht erzählte Vorgeschichte der Trennung mit Daniel erläutern und das mit Coras Freundin Johanna erklärt.

Ildiko von Kürthy ist für mich ein Aushängeschild von Unterhaltungsliteratur mit einer Spur Tiefgang. Sie ist einfach besser als andere des Genres Frauenschmöker. Stilistisch hat sie ihre Linie, die funktioniert und dazu gehört eine gute Portion Selbstironie. Dass kennzeichnet das Buch.