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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 13.05.2024
Grado in Angst
Nagele, Andrea

Grado in Angst


ausgezeichnet

Kaum bessert sich der Seelenzustand von Commissaria Maddalena Degrassi, die nach wie vor um ihrem ermordeten Verlobten Franjo trauert, als ihre Freundin Bibiana plötzlich an einem zu spät erkannten Unterleibskarzinom, das bereits metastasiert hat, stirbt.

Bibiana ist allerdings nicht die erste Frau in Degrassis Umfeld, die einem Krebsleiden erlegen ist. Auch Cinzia, eine Bekannte aus dem Pilates-Kurs ist wenige Tage zuvor gestorben. Als sich herausstellt, dass die beiden bei dem charmanten, aus Mailand zugezogenen Gynäkologen Gianluca Pirandelli in Behandlung waren, beginnt Maddalena mit Ermittlungen.

Unterstützung erhält sie dabei nicht nur von Pirandellis Ehefrau, die von ihm nach Strich und Faden betrogen worden ist, und deren Familie sondern auch ihr Team setzt alles daran, dem Arzt das Handwerk zu legen.

Die Zeit läuft ihnen davon, denn es stellt sich heraus, dass der Arzt die Abstriche der Frauen nicht an das Labor weitergeleitet hat. Denn einige Bekannte aus Degrassis Umfeld konsultier(t)en diesen Arzt. Ist noch eine in Gefahr?

Meine Meinung:

Vor einigen Jahren hat es in Österreich einen solchen Fall gegeben, bei dem ein krimineller Arzt, die Abstriche seiner Patientinnen zwar der Krankenkasse und den Patientinnen verrechnet, aber nicht an das Labor weitergeleitet hat. Zahlreiche Frauen sind wegen des fehlenden Befundes an Krebs erkrankt und gestorben. Ich kann mich nicht mehr erinnern, weshalb die Machenschaften des Arztes aufgeflogen sind. Steuerprüfung?

Ich verfolge die Serie um Commissaria Degrassi seit ihrem Beginn und ich sehe kaum Abnützungserscheinungen. Einzig, der Alkoholkonsum hat mich diesmal gestört. Maddalena hat hier ihre Sorgfaltspflicht den Mitarbeitern gegenüber verletzt, wenn sie sie nach einer durchzechten Nacht, mit einem nicht unbeträchtlichen Restalkohol im Blut wieder Auto fahren und ermitteln lässt. Ich hoffe, dass reißt nicht ein, denn Schnaps ist kein Problemlöser.

Gut gefällt mir der Zusammenhalt der Truppe, auch wenn es manchmal zu kleineren Sticheleien kommt. Und warum sagt Maddalena der Rita Beltrame nicht, dass ihre Ausdünstungen für alle unangenehm sind? Als Chefin ist es leider auch ihre Aufgabe, solche Dinge zu anzusprechen.

Die Charaktere sind wieder authentisch und lebendig. Gut herausgearbeitet sind die Emotionen der betrogenen Ehefrau. Ob sie in einem neuen Band noch eine Rolle spielen wird? Immerhin ist Grado ja eine Kleinstadt, in der man einander kennt. Das ist auch ein Teil des Erfolgsrezeptes. Wenn schon Degrassi oder ein Mitarbeiter nicht jeden Gradeser kennt, spätestens „Onkel Muzzi“, der Stiefvater und Chef von Degrassi kennt den Rest der Welt.

Der Schreibstil ist gut bekannt. Da gibt es kaum Überraschungen, was aber gar nichts ausmacht. Es ist wie Heimkommen: Vertraute Figuren, bekannte Landschaft und mediterrane Kulinarik.

Der Krimi wird als „tiefenpsychologischer Kriminalroman" beworben. Dem muss ich widersprechen, denn anders als in den anderen Büchern von Andrea Nagele wie „Und nebenan der Tod“, „Du darfst nicht sterben“ oder „Kärntner Wiegenlied“ erhalten wir Leser nur wenig Einblick in die Abgründe der Seele des Dottore Pirandelli. Das ist allerdings nicht der Autorin anzulasten, sondern eher dem Marketing.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem 6. Fall für Commissaria Maddalena Degrassi wieder 5 Sterne.

Bewertung vom 12.05.2024
Merano fatale
Florin, Elisabeth

Merano fatale


ausgezeichnet

Als ein deutscher Urlaubsgast auf der Terrasse des beliebten Meraner Cafés Unterweger zusammenbricht, ist die Todesursache noch nicht klar. Obwohl es, wie Ispettore „Emmi“ Emmenegger feststellt, „schlechtere Orte zu sterben gibt“, müssen Zeugen einvernommen werden und eine Obduktion angeordnet werden, bei der dann festgestellt wird, dass der Mann mit einem Herzmedikament vergiftet worden ist.

Der Tote wohnte im feudalen Schlosshotel „Principe“ was auf einen vermögenden Hintergrund hindeutet. Doch die Überraschung ist groß, als sich herausstellt, dass er ein sein heillos Konto überzogen hat, aber in seinem Hotelzimmer 50.000 Euro in bar zu finden sind. Schwarz- oder Schweigegeld?

Dieser Fund wird Emmengger noch zu schaffen machen, genauso wie das plötzliche Auftauchen von Eva Marthalers Mutter bei den Carabineri, die einen Mord gestehen will.

Die Nachforschungen zu dem Toten in Deutschland bringen weitere verblüffende Neuigkeiten ans Tageslicht und rücken neue Verdächtige ins Rampenlicht.

Mit von der Partie sind wieder Paul Tschugg, die Hündin Hilde, Emmis Freunde von der Motorrad-Gang sowie Claudio Branga, Emmis Chef, in der ungewohnten Rolle als vor die Türe gesetzter Schwiegersohn, der nun bei Emmi einen Schlafplatz sucht.

Meine Meinung:

Autorin Elisabeth Florin ist wieder ein unterhaltsamer Krimi gelungen. Sie legt zahlreiche Spuren, die sich mitunter als Sackgassen entpuppen. Das zur Zeit ein wenig derangierte Familienleben der Marthalers darf auch nicht zu kurz kommen und die Kochsession von Branga und Emmi lassen uns Leser schmunzeln. Apropos kochen: die Rezepte für die Spinatknödel und die Südtiroler Mohnkrapfen finden sich im Anhang und dürfen nachgekocht werden. Vielleicht nicht unbedingt mit dem Chef, aber vielleicht hilft es, die eine oder andere vertrackte Situation im Job zu entspannen.

Wer bislang geglaubt hat, „Isepettore“ ist Emmeneggers Vorname, der darf nun aufatmen. Sein Vorname wird gegen Ende des Krimis enthüllt.

Paul Tschugg, ein „Erbstück“ aus der früheren Krimi-Reihe rund um Commissario Pavarotti, hat eine gelungene Entwicklung vom Kleinkriminellen zum ernst zunehmenden Schauspieler durchgemacht und läuft hier zur Höchstform auf. Wie, das verrate ich nicht.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung für das Duo Emmenegger und Marthaler, die beide das Herz am rechten Fleck haben. Gerne gebe ich diesem humorvollen und gleichzeitig spannenden Krimi, der vor der malerischen Kulisse Merans spielt, 5 Sterne.

Bewertung vom 12.05.2024
Nach der Befreiung
Skarga, Barbara

Nach der Befreiung


ausgezeichnet

Dieses Buch ist die Lebensgeschichte von Barbara Skarga (1919-2009). Sie ist die bedeutendste polnische Philosophin des 20. Jahrhunderts. Skarga wird in Warschau geboren, wächst aber auf einem Anwesen in der Nähe von Vilnius auf.

Während des Zweiten Weltkriegs schließt sie sich dem nicht-kommunistischen Widerstand, Armia Krajowa (AK), gegen Nazi-Deutschland an. Im September 1944 wird sie von der Roten Armee verhaftet und zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Auch nach ihrer Entlassung muss sie weiterhin in einer Kolchose arbeiten. Erst 1956 kann sie nach Polen ausreisen, um ihr Leben wieder aufzunehmen zu können. Sie macht ihren Abschluss, promovierte und arbeitet ihr Leben lang als Professorin. Sie mischt sich aktiv in die öffentliche Debatte ein und engagiert sich in der polnischen Solidaritätsbewegung Solidarność. Barbara Skarga hinterlässt ein umfangreiches philosophisches Werk.

Unter ihren Büchern ist jedoch eines – womöglich das wichtigste – das in Vergessenheit gerät: 1985 veröffentlichte sie unter einem Pseudonym ihr persönliches Zeugnis über ihr Leben im Gulag. Nach der Befreiung ist ein historisch unverzichtbares und hochaktuelles Buch; und zugleich ein zeitloser, ergreifender Bericht über die Schwierigkeit und zugleich Unabdingbarkeit, unter unmenschlichen Bedingungen Mensch zu bleiben.

Obwohl sie selbst drangsaliert und gequält wird, nimmt sie sich zurück und hilft sie all jenen, denen es noch schlechter geht.

So berichtet sie von jener jüdische Frau aus Prag, die mit ihrer Familie die deutsche Besatzung in einem Versteck überlebt hat, damit sie nun alle – „nach der Befreiung“ – nach Palästina auswandern könnten. Stattdessen findet sie sich als vermeintliche „zionistische Agentin“ in einem sowjetischen Lager wieder, brutal von ihrem Mann und den Kindern getrennt.

Oder das Schicksal jener russischen Frau, die sich selbst als Mann sieht und sich Sergei nennt. Sie trifft der Lageralltag wohl am Härtesten, denn die sadistischen WärterInnen drohen ihr immer wieder, sie in dem Männertrakt zu verlegen. Sergei und Barbara führen lange Gespräche miteinander, von denen wir einige in diesem Buch zu lesen bekommen:

„Wenn wir nur an uns selbst denken würden wie jede normale Nation, dann könnten wir friedlich leben, nicht weniger reich als etwa die Kanadier. Wir haben alles: Rohstoffe, Menschen, und sogar sehr begabte Menschen. Aber wir vergeuden die Kraft, die in diesem Land steckt, an Propaganda, Rüstung und destabilisierende Einmischung in andere Regionen, wo immer wir können. Warum eigentlich? Zar Peter träumte davon, das Fenster zum Westen zu öffnen. Unsere Machthaber träumen davon, über den Westen zu herrschen.“

Vor allem zu den letzten beiden Sätzen ist wohl wenig hinzuzufügen.

Meine Meinung:

Die langjährigen Gulag-Erfahrungen der 1944 verschleppten polnischen Intellektuellen Barbara Skarga sind noch heute von verstörender Aktualität. Heute werden Menschen aus der Ukraine nach Russland verschleppt, Das betrifft vor allem Kinder, die ihren bisherigen Familien entrissen und regimetreuen überantwortet werden.

Barbara Skarga hat ihre Erinnerungen rund 40 Jahre später und unter einem Pseudoym herausgebracht. Der Titel ist bewusst gewählt. Er klingt sarkastisch und klingt bitter, was auf Grund der Erlebnisse kein Wunder ist. Die eine Diktatur gegen eine andere eingetauscht zu bekommen, das haben Hunderttausende Polen und Balten am eigenen Leib erleben müssen. Doch Barbara Skarga hat im Unterschied zu zahllosen anderen überlebt. Gulag statt KZ - keine wirkliche Verbesserung.

Dieses Buch ist in Anbetracht der aktuellen Ereignisse in der Ukraine mit Ehrfurcht zu lesen. Sie hat ihre persönliches Schicksal aufgeschrieben. Vielleicht hatte sie eine düstere Ahnung, dass sich ihre grausame Geschichte wenige Generationen später wiederholen könnte.

Fazit:

Ein erschütterndes Zeitdokument, das unbedingt gelesen und vor dem Vergessen bewahrt werden muss. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.05.2024
Allzumenschliches
Meurisse, Catherine

Allzumenschliches


gut

„Ob Nietzsche, Kant oder Aristoteles – kein Philosoph kann sich dem modernen, feministischen Blick von Catherine Meurisse entziehen. Mit viel Humor widmet sie sich den populärsten philosophischen Theorien der Geschichte. Eine Graphic Novel voller unterhaltsamer Dialoge und burlesker Inszenierungen, die die Regeln und Codes des universellen philosophischen Denkens ausloten und hinterfragen.

Freud, Sokrates, Schopenhauer, Voltaire, Rousseau, Simone de Beauvoir ... Sie alle sind hier versammelt. Um diese Philosoph*innen zu verstehen, inszeniert Catherine einen Austausch zwischen ihnen und einer modernen jungen Frau, die fest entschlossen ist, ihr Weltbild auf die Probe zu stellen. Die Leichtigkeit und der Humor sind hier der Schlüssel zum Erfolg.“ (Verlagsinfo)


„Graphic Novels“ scheinen seit einiger Zeit der „dernier cri“ also der letzte Schrei in der Literatur zu sein. Mir persönlich ist nicht ganz klar, wer die Zielgruppe sein soll. Jugendliche, die mehr lesen wollen als Comics, aber denen Bücher ohne Bilder als zu schwierig oder zu langweilig erscheinen? Oder doch Erwachsene mit Kenntnis der Philosophen?

Die französische Karikaturistin Catherine Meurisse, die auch für Charlie Hebdo tätig war, hat sich in dieser Graphic Novel mit viel Humor und Leichtigkeit sowie mit einem feministischen Blick auf die populärsten philosophischen Theorien der Geschichte angenommen. Die Idee dahinter finde ich großartig, allein die Umsetzung erscheint mir nicht sehr gut gelungen. So gibt es meiner Ansicht schon unterschiedliche Auffassungen, was denn die populärste Theorie eines Philosophen ist.

Jeweils eine Doppelseite ist einem Philosophen gewidmet. Die Zeichnungen der Bildgeschichte unterscheiden sich kaum von üblichen Comics, da viele kleine Bildchen nebeneinander stehen. Leider ist die verschnörkelte, an die Handschrift angelehnte, Schrift kaum zu entziffern. Zudem wird erst am Ende der Doppelseite enthüllt, um wen es sich handelt, denn die Karikatur lässt dies nicht immer erkennen.

Um den Wortwitz zu verstehen, ist es notwendig, den Namen und die Ansichten jeweiligen Philosophen zu erfahren. Nicht jede Leserin, jeder Leser wird die Bonmots gleich verstehen.

Nicht jeder Philosoph gleich gut getroffen. Die erste Geschichte über René Descartes (1596-1650) habe ich mehrmals lesen müssen, da ich seine Abhandlungen über das Wachs nicht kenne. Schmunzeln musste ich aber über das Geschäftsportal des Schönheitssalons „Sei schön & schweige“. Eine Philosophie, ein Wunschdenken der Männer über Frauen, die leider auch heute noch anzutreffen ist. Viele Frauen nehmen zahlreiche Torturen (siehe Waxing) in Kauf, um den Männern zu gefallen.

Über „Twittern mit Pascal“ habe ich herzlich lachen müssen. Denn der Mathematiker, Physiker und Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) ist für seine kurzen, oft abgehackten Sätze durchaus bekannt. Vielleicht auch deshalb, weil ich bereits einiges über ihn gelesen habe. So nach dem Motto: Man sieht nur, was man schon weiß.

Der deutsche Titel „Allzumenschliches“ scheint von Friedrich Nietzsche entlehnt worden zu sein, der ein Buch mit ähnlicher Überschrift verfasst hat. Das Cover erinnert ein wenig an ein Kinderbuch.

Fazit:

Diese Graphic Novel, die durchaus als Geschenk für Frau oder Mann, die/der solche Bücher schätzen weiß, geeignet ist, lässt mich zwiegespalten zurück, daher gibt es nur 3 Sterne.

Bewertung vom 11.05.2024
Goethe und die Frauen
Mott, Sophia

Goethe und die Frauen


ausgezeichnet

Zum 275. Geburtstag des wohl bekanntesten Dichters und Universalgenies Deutschlands am 28. August 2024 erscheint dieses Buch von Sophia Mott.

„Die Überlegenheit des männlichen Genies ist dagegen eine Selbstverständlichkeit.“

Sophia Mott geht in dem Phänomen Johann Wolfgang von Goethe mit ein wenig Augenzwinkern nach, wie schon der Untertitel „Inszenierungen der Liebe“ andeutet, nach.

Ist die Liebe an sich, nicht nur eine Inszenierung?

Sophia Mott stellt uns nun die wichtigsten (?) Frauen, die in Goethes Leben eine Rolle spielen vor - diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Angeblich sollen es 44 Frauen gewesen sein, mit denen er eine Beziehung, welcher Art auch immer, gepflegt haben soll.

Katharina Elisabeth Goethe (Mutter, 1731-1801)
Cornelia Schlosser geb. Goethe (Schwester, 1750-1777)
Käthchen Schönkopf (1746-1810)
Friederike Brion (1752-1813)
Charlotte Buff (1753-1828)
Lili Schönemann (1758-1817)
Charlotte von Stein (1742-1827)
Christiane Vulpius (1765-1816)
Marianne von Willemer (1784-1860)
Ulrike Levetzow (1804-1899)

Wer ist seine größte Liebe gewesen? Vermutlich er selbst.

Meine Meinung:

Der alte Geheimrat Goethe gilt als Womanizer seiner Zeit. Doch ist er das wirklich? Braucht er nicht vielmehr die Bewunderung der anderen, um sich bestätigt zu fühlen? Sind die echten oder angedichteten Amouren nicht nur Spiegelungen seiner Selbst?

Ich will ja auch nicht in die Kerbe „die Mütter sind an allem schuld“ stoßen, doch welchen Anteil an seiner Persönlichkeit die intensive Beziehung zu seiner Mutter - als erste Frau in seinem Leben - hat, kann man nach 275 Jahren nur mutmaßen.

Goethe ist ein mächtiger und vermögender Mann und kann es sich richten. Das macht ihn ein wenig unsympathisch. Doch wie sagt schon sein Faust? “Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust“ - auch Goethe ist zwiegespalten. Er setzt sich über alle Konventionen hinweg, als er mit Christiane Vulpius lange Zeit ohne Segen der Kirche zusammenlebt.

Macht macht erotisch und deshalb wirkt Goethe auch noch im Alter auf zahlreiche Frauen anziehend. Er, der arme, schwache Mann muss sich den Frauen natürlich hingeben.

Sophia Motts Schreibstil ist kurzweilig und durchaus humorvoll, wenn sie uns jene Frauen präsentiert, die in Goethes Leben eine Rolle gespielt haben.

Ergänzt werden die ansprechenden Texte von Abbildungen der jeweiligen Frau. Dazu gibt es zahlreiche Zitate aus Briefen. Vervollständigt wird das Buch durch das Register der Frauen in Goethes Leben in alphabetischer Reihenfolge von Anna Amalia bis hin zu Luise von Ziegler.

Fazit:

Ein gelungenes Geburtstagsgeschenk zum 275. Wiegenfest. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 11.05.2024
Mord im Antiquitätenladen / Siggi Malich ermittelt Bd.1
Lehnertz, Waldi

Mord im Antiquitätenladen / Siggi Malich ermittelt Bd.1


weniger gut

Statt den Morgen angenehm mit Freund Kurt beim Angeln zu verbringen, findet Antiquitäten- und Trödelhändler Siggi Malich eine Leiche in seinem Laden. Doch diese ist, als die Polizei eintrifft, bereits wieder verschwunden. Daher sieht die Polizei keinen Handlungsbedarf. Allerdings hängt nun ein Teil einer alten Tapisserie an der Wand, die Siggi unbekannt ist.

Siggi ist überzeugt, eine Leiche gesehen zu haben und lässt nicht locker. Gemeinsam mit seiner neuen Putzfrau Doro und seinem Freund Anton begibt er sich auf die Suche nach Leiche und Mörder.

Meine Meinung:

Ich probiere gerne Neues aus, weshalb ich zu diesem Cozy-Krimi des Neo-Autors Waldi Lehnertz alias 80 Euro Waldi, bekannt aus der Sendung „Bares für Rares“, gegriffen habe. Ich habe hier eine turbulente Krimödie à la Tatjana Kruse erwartet, doch leider ist das Potenzial der Zutaten nicht genützt worden.

Die Ingredienzen sind: ein schrulliger Trödelhändler, der hofft, unter dem Trödel eine echte Sensation zu finden, eine verschwundene Leiche, ein Putzfrau, die quasi vom Himmel fällt und eigene Ambitionen hat sowie ein geheimnisvoller Wandteppich .

Diese Protagonisten stolpern irgendwie durch den Krimi. Die Spannungskurve ist recht flach gehalten. Es gibt kaum Höhepunkte. Aus der Geschichte rund Walpurga Bülow hätte sich eine durchaus spannende Geschichte konstruieren lassen, wenn diese von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt worden wäre. So scheint dieser Krimi eher an der Feindschaft zwischen Siggi und dem Polizisten Gunnar aufgehängt zu sein. Nicht okay finde ich, dass sich Siggi mehrmals über Gunnars Schielfehler lustig macht. Im echten Leben würde Gunnar zwar kaum in den Polizeidienst eintreten dürfen, aber ihn deswegen zu verspotten, zeugt nicht gerade von Empathie und guter Kinderstube.

Die Charaktere sind alle miteinander skurril. Kaum einer steht mit beiden Beinen im Leben. Da ist Siggi selbst, der leicht chaotisch ist, Doro, die ständig auf einem rosa Handy herumdrückt oder Kurt, der unselige Anlageberater, der das Vermögen seiner Kunden eher verkleinert als vergrößert.

Die Auflösung selbst erscheint auch ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Daran kann auch die Hilfe von Krimiautorin Miriam Rademacher nicht viel ändern.

Fazit:

Dieser Krimi hat mir nicht wirklich gefallen, daher nur 2 Sterne.

Bewertung vom 10.05.2024
Salzkammergut - Orte der Erinnerung
Neuhold, Thomas

Salzkammergut - Orte der Erinnerung


ausgezeichnet

Thomas Neuhold stellt in diesem Buch, das am 8. Mai 2024, also 79 Jahre nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland erschienen ist, 30 Erinnerungsorte im Salzkammergut vor. Diese Orte sind in folgende Gruppen eingeteilt:

Villen und Schlösser
NS-Opferorte
Verstecke und Fluchtrouten
Denkmäler und weitere Kunstinstallationen
öffentlich und vergessene Schauplätze

Er widmet dieses Buch allen jenen, die der NS-Diktatur zum Opfer gefallen sind. Sei es. dass sie Juden oder Sozialisten bzw. Kommunisten waren oder Widerstand geleistet haben. Manche wie Agnes Primocic (1905-2007) waren Kommunistin UND Widerstandskämpferin. Frauen, wie Agnes Primocic, Resi Pesendorfer oder Marianne Feldhammer haben ihr eigenes Leben riskiert, um anderen zu helfen. Ihnen ist zugute gekommen, dass die Gestapo die Frauen nicht ernst genommen haben.

Diese 30 Erinnerungsorte sind auf der beiliegenden Karte eingezeichnet und laden ein, sie zu besuchen.
Interessant ist, dass sich hier im Salzkammergut die Wege der Opfer und Täter kreuzen. Man kann den Spuren von Rebellen und Kämpferinnen, Opfern und Verfolgten sowie den Kriegsverbrechen und hochrangigen NS-Tätern folgen.

Das NS-Opfer-Mahnmal in Gmunden (S.58) , das 60 Opfer namentlich anführt, wurde erst im März 2023 seiner Bestimmung übergeben. Das vom Gmundner Architekten Kurt Ellmauer gestaltete Mahnmal ist so konzipiert, dass die Namen weitere Opfer der Stadt Gmunden ergänzt werden können. Denn noch längst ist die Geschichte nicht aufgearbeitet.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem kleinen Buch, das die Widersprüche dieser Region sichtbar macht, 5 Sterne.

Bewertung vom 09.05.2024
Ciao Amore, ciao
Pfeil, Eric

Ciao Amore, ciao


ausgezeichnet

Nachdem „Azzurro - in 100 Songs durch Italien“ ein gelungenes Buch für Italien-Fans jeden Alters ist, können wir nun einen Nachfolger in Händen halten. Das Konzept ist gleich geblieben und ist eine gelungene Mischung aus Lesespaß, Hörgenuss (wenn man die Playlist abarbeitet) sowie eine Reminiszenz an die eigenen Italien-Urlaube. Geschichtliche und politische Hintergründe (beides in kleinen Dosen) dürfen dabei auch nicht fehlen wie Klatsch und Tratsch aus dem Show-Business.

Der Schreibstil von Eric Pfeil, der nebenbei seiner Leserschaft das Dolce Vita näher bringen möchte, amüsant.
Wieder sind die Titel seiner persönlichen Playlist streng nach Alphabet aufgezählt - also von „Abbronzatissimo“ bis „Yuppi du“. Die Zeitspanne umfasst mehr als 60 Jahre von 1960 bis 2023.
Eric Pfeils zentrales, sich jährlich wiederholendes Ereignis ist das „Festival della Canzone Italiana“, kurz Sanremo-Festival. Hier feier(te)n Interpreten Triumphe und ereigneten sich Tragödien wie der Selbstmord von Luigi Tenco, dessen Titel „Ciao, Amore; Ciao“ es nicht ins Finale schaffte. Eine späte Genugtuung ist, dass das vorliegende Buch ihn nun trägt.

Natürlich hat jede/jeder so seine persönliche Hitliste. Im ersten Band habe ich noch recht viele meiner eigenen vorgefunden. Diesmal sind es viel weniger. Vor allem die Hits ab der Jahrtausendwende sind nicht (mehr oder noch nicht) in meinem Ohr. Dafür fehlen mir einige alte „Hadern“ (wie man in Wien sagt).

Aber, mit der Basis von 2 x 100 italienischen Songs, die durch die eigene Playlist ergänzt wird, lässt sich mehr als ein italienischer Abend bestreiten.

Nicht fehlen dürfen die großen Stars wie Gianna Nannini, Adriano Celentano oder Lucio Dalla, um nur einige wenige zu nennen.

Fazit:

Wie schon in „Azzurro“ entführt uns Eric Pfeil in die Welt der Italo-Hits und verhilft dem Ohrwurm zu neuen Höhenflügen. Das Cover, des verliebten Paares auf der Vespa passt perfekt dazu. Gerne gebe ich hier wieder 5 Sterne.

Bewertung vom 09.05.2024
Tod einer Randnotiz
Schrems, Thomas

Tod einer Randnotiz


sehr gut

Worum geht’s?

Vinzent Kluger, alternder Chefredakteur des Massenblattes „Die Gute“, wittert, nach einem Eklat im Wiener Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud die letzte (?) Sensationsstory seines Lebens. Obwohl er das Business und die Machenschaften darin wie kaum ein Zweiter kennt, tappt er in die Falle wie ein Anfänger. Er lässt sich korrumpieren, ist zu vielem (auch Illegalem bereit) und geht auf gewisse Weise auch über Leichen.

Meine Meinung:

Dieser 936 Seiten starke Roman gibt düstere Einblicke in den (Boulevard)Journalismus. Autor Thomas Schrems nennt sein Buch „Medien-Kriminaloman“. Als ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der auflagenstärksten Zeitung Österreichs, weiß er, worüber er schreibt. Daher habe ich mich auf einen fesselnden Krimi aus dem Milieu der Zeitungsmacher gefreut und bin mit der Umsetzung nicht ganz zufrieden.

Warum?

Der Roman ist eine sauber recherchierte Milieustudie. Wir Leser erfahren einiges über die Verflechtung von Journalisten und Politik, die nicht erst seit dem „Ibiza-Skandal“, in dem der damalige Vize-Kanzler, die „Kronen-Zeitung“ kaufen wollte, bekannt ist. Vor allem Chefredakteur Kluger ist ein „alter Hase“ und mit der Polit-Prominenz auf Du und Du. Ja es werden einige sogar namentlich genannt. Allerdings verlangt das Buch Kenntnis der österreichischen Innenpolitik - was aber genau der Grund war, warum ist dieses Buch lesen wollte.

Die Charaktere sind sehr gut ausgefeilt. Besonders Vinzent Kluger hat viele Facetten. Er wirkt geerdet, doch erkennt er die Zeichen der Zeit in dem sein Job wackelt. Daher tappt er, der auf seinen täglichen Alkoholspiegel achten muss, um zu funktionieren, letztlich in die Ego-Trip-Falle als er seine letzte, große Enthüllungsstory wittert.

Manchmal kann es einem richtig übel werden, wenn man erfährt, wie angeblich objektive Berichterstattung in den Medien zustandekommt. Da ist von Pressereisen die Rede, von mehr Inseraten bei wohlwollenden Berichten über die eigene Partei und abfälligen bis falschen für die Opposition. Oder von der Androhung von Entzug von entgeltlichen Einschaltungen, wenn die Journalisten nicht im Sinne des „Auftraggebers“ schreiben. Also Erpressung pur, moderne Schutzgeldzahlung.

Wir erhalten Einblick in den Boulevardjournalismus, wie Redaktionssitzungen ablaufen und wie griffige Schlagzeilen entstehen.

Für mein Empfinden passt der grundsätzlich tolle, ausgefeilte Schreibstil nicht ganz zu dieser Milieustudie im Journalismus. Die langen Schachtelsätze kommen wunderbar gedrechselt daher und wären vermutlich in einem literarischen Roman besser aufgehoben. Der Sarkasmus und die Selbstkritik von Kluger, die sich wie ein innerer Monolog lesen, wirken ein wenig aus dem Rahmen gefallen. Dieses Stilmittel (der Innere Monolog) passt zwar gut zu Klugers persönlicher leicht depressiver Stimmung, die einer Achterbahnfahrt gleicht, aber nicht zu einem Krimi, zumal es hier auch um die Frage geht, ob - wie im Krieg und der Liebe - auch im Journalismus alles erlaubt sein dürfe. Für eine gute Story sprichwörtlich über Leichen gehen? Ist das moralisch gerechtfertigt? Wie geht der Journalist damit um?

Sehr gut gefallen hat mir die Recherche zu Madame Tussaud und der Herstellung der Wachsfiguren, auch wenn manche Figuren in den diversen Wachsfigurenkabinetten dem lebendigen Original nicht immer ganz ähnlich sehen.

Der Titel ist sehr gut gewählt, denn sind „Randnotizen“ nur flüchtige Bemerkungen, die auch als Kollateralschaden billigend in Kauf genommen werden (müssen)?

Ich liebe ja dicke Wälzer und die 936 Seiten haben mich regelrecht angefixt. Trotzdem wäre hier eine Straffung durchaus wünschenswert. Denn, nicht alles, was der Autor weiß, muss dem Leser zugemutet werden.

Fazit:

Wer lange Schachtelsätze, die oft in einem Inneren Monolog münden, sowie Sarkasmus eines spiegeltrinkenden Journalisten nicht scheut, ist in diesem Wälzer, der Einblick in die Verflechtung von Politik und Journalismus gut aufgehoben. Dafür gibt es von mir 3,5 Sterne, die ich hier auf 4 Sterne aufrunde.

Bewertung vom 04.05.2024
Der Meister der Karten (eBook, PDF)
Wild, Johanna von

Der Meister der Karten (eBook, PDF)


sehr gut

In diesem historischen Roman steht der Kartograf Martin Waldseemüller im Mittelpunkt. Als Vermesserin liebe ich alte Karten und musste dieses Buch der Autorin Johanna von Wild (Pseudonym von Biggi Rist) unbedingt lesen.

Martin Waldseemüller (geboren um 1472 oder 1475, gestorben 1520) hat 1507 die erste und viel beachtete Weltkarte gezeichnet, die gemeinsam mit einem Globus und einer Beschreibung erstmals die Landmasse im Westen unter dem Namen „America“ dokumentiert. Soweit das historische Verdienst von Martin Waldseemüller.

Schon lange weiß der junge Martin, dass er kein Metzger wie sein Vater werden will. Unterstützt durch den Pfarrer, darf er in die Schule gehen und später die sieben Künste studieren. Dabei entdeckt er unter seinem Lehrer Gregor Reisch die Kosmographie. Gemeinsam mit Mathias Ringmann verlässt die Universität im Breisgau und reist zunächst in das Kloster Saint-Dié-des-Vosges. Später lässt ihn dann die Autorin über Paris nach Lissabon reisen, wo er (die fiktive) Elena De Cabrera kennen- und lieben lernt. Blöd ist nur, dass die verheiratete Elena vor ihrem gewalttätigen Mann nach Lissabon geflohen ist. Allerdings ist Enzo De Cabrera gerade mit Amerigo Vespucci und seiner Flotte auf Reisen und scheint verschollen zu sein. Es kommt wie es kommen muss, plötzlich steht Martin Waldseemüller Enzo gegenüber, und das ausgerechnet am Hof des portugiesischen Königs Manuel ...

Meine Meinung:

Geschickt verquickt Johanna von Wild die historischen Fakten mit der fiktiven Liebesgeschichte. Neben Waldseemüller begegnen wir zahlreichen anderen historischen Personen wie Amerigo Vespucci, Cristóbal Cólon, dem portugiesischen König Manuel I, seiner Gemahlin Maria sowie dem Buchdrucker Valentim Fernandes Alemão.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Martins und Elenas Perspektive erzählt. Während Martin ganz in seiner Wissenschaft aufgeht, muss sich Elena der für damalige Zeiten üblichen (Zwangs)Heirat beugen. Gut gelungen ist die Beschreibung von Land und Leuten des ausgehenden Mittelalters. Die Charaktere werden gut durch die Geschichte geführt und wirken richtig lebendig.

Dieser historische Roman lässt sich leicht und flüssig lesen. Das Cover passt sehr gut zum Thema.

Ich persönlich hätte gerne noch mehr über Waldseemüllers kartographisches Werk erfahren.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman rund um Martin Waldseemüller 4 Sterne.