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Bella von www.bellaswonderworld.de
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Karlsruhe
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Ich bin 31 Jahre alt und mein größtes Hobby ist das Lesen. Ich verschlinge alle möglichen Titel querbeet durch die verschiedensten Genres. Meine Leseleidenschaft teile ich mit anderen Lesebegeisterten auf meinem Blog www.bellaswonderworld.de

Bewertungen

Insgesamt 1143 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2021
Vardo - Nach dem Sturm
Hargrave, Kiran Millwood

Vardo - Nach dem Sturm


ausgezeichnet

Beschreibung:

Ein gewaltiger Sturm zieht am Weihnachtsabend 1617 an der Küste von Vardø auf und reißt die Männer der Insel, die gerade zum Fischen aufgebrochen sind in die Tiefe. Die Frauen des abgeschiedenen Ortes bleiben auf sich alleine gestellt zurück. Maren hat im Sturm Vater, Bruder und Verlobten verloren und muss nun zusammen mit ihrer Mutter und der schwangeren Schwägerin ums Überleben kämpfen.

Drei Jahre nach der Katastrophe wird auf Geheiß des norwegischen Königs ein Kommissar nach Vardø gesandt, der schon in Schottland Hexen verbrannte und nun auf der abgelegenen Insel für Ordnung sorgen soll. Ursa, die frisch angetraute Frau des Hexenjägers, begegnet auf Vardø zum ersten Mal in ihrem Leben unabhängigen Frauen und lernt unter welch harten Bedingungen diese ihre Leben meistern. Ihr Mann sieht jedoch nur eines – die Sünde der indigenen Völker und die Hexerei, die es auszumerzen gilt.

Meine Meinung:

Die britische Schriftstellerin Kiran Millwood Hargrave legt mit »Vardø – Nach dem Sturm« einen historischen Roman vor, der mir tief unter die Haut gegangen ist.

Schauplatz ist die titelgebende Insel Vardø in der Finnmark, vor deren Küste es am 24. Dezember des Jahres 1617 tatsächlich einen heftigen Sturm gab. Noch im selben Jahr erließ König Christian IV. ein Dekret gegen Hexerei und schwarze Magie, welches verstärkt Hexenverfolgungen in Dänemark, Schleswig-Holstein und Norwegen nach sich zog. Auch die Bestimmung des Lensmanns John Cunningham und die Aussendung des schottischen Kommissars Absalom Cornet, um den Klerus in die Finnmark und nach Vardø zu bringen, vor allem um dort gegen das indigene Volk der Sámi vorzugehen, die mit ihren Runen und Trommeln als Windzauberer verunglimpft wurden, beruht auf einer wahren Begebenheit.

Doch bevor die Schrecken der Inquisition auf Vardø um sich greifen und die Spaltung der Frauen-Gemeinschaft für gegenseitige Denunziation aus Missgunst, Neid und Rachsucht sorgt, wird den Leser*innen zunächst die Frauengemeinschaft, insbesondere die zwanzigjährige Maren und deren harte Lebensbedingungen näher vorgestellt.

Im kontrastreichen Gegensatz dazu steht die junge Frau Ursa, die mit ihrer kranken Schwester bei ihrem liebenden Vater in Bergen zu einer feinen Dame heranwächst, und in der Hoffnung auf ein besseres Leben mit dem angehenden Kommissar Absalom Cornet verheiratet wird. Schonungslos bekommt sie ihre untergeordnete Stellung als Frau zu spüren, und erträgt die ehelichen Pflichten, denen es an Zärtlichkeiten und Liebe fehlt.

Auf Vardø treffen die grundverschiedenen Frauen Maren und Ursa aufeinander. Da die bergische Schönheit in keinster Weise auf das entbehrungsreiche Leben vorbereitet ist und nicht die nötigen Fertigkeiten mit sich bringt, um den Haushalt führen zu können, holt sich diese Hilfe bei Maren. Zwischen den Frauen entsteht eine feste Freundschaft, die ihnen Halt gibt und den Nährboden für tiefere Gefühle bereitet.

Kiran Millwood Hargrave hat mich mit der einnehmenden Geschichte über die starken Frauen von Vardø und die Gräuel der Hexenverfolgung durchweg gefesselt. Erschreckend und tief berührend fasst die Autorin die Angst vor dem Klerus in ihren Zeilen ein und sorgt für pure Gänsehaut.

Fazit:

Dieser Roman ist so stürmisch und aufwühlend wie die raue See. Kiran Millwood Hargrave veranschaulicht in »Vardø« wie die frühzeitige Emanzipation auf einer abgeschiedenen norwegischen Insel mit der Hexenverbrennung zusammenhängt und wie Freundschaft und Liebe gegen alle Gräuel bestehen.

Bewertung vom 18.03.2021
Mythen der Antike: Ödipus (Graphic Novel)
Ferry, Luc;Bruneau, Clotilde

Mythen der Antike: Ödipus (Graphic Novel)


sehr gut

Meine Meinung:

Der Splitter Verlag hat sich einer Reihe um die »Mythen der Antike« angenommen, in der der ehemalige französische Bildungsminister Luc Ferry in Zusammenarbeit mit Clotilde Bruneau Szenarien aus der griechischen Mythologie aufgreifen und gemeinsam mit verschiedenen Illustrator*innen nun zu neuem Leben erwecken. »Ödipus«, der vierte Band aus dieser anspruchsvollen Reihe, mit Illustrationen von Diego Oddi befasst sich mit der wohl bekanntesten Tragödie.

Als Säugling wurde Ödipus von seiner königlichen Familie dem Tod überlassen, um den Fall Thebens zu verhindern, doch das Schicksal verhinderte seinen frühzeitigen Tod und brachte ihn an den Königshof von Korinth, wo er, ohne Wissen über seine wahre Abstammung, als Thronerbe erzogen wurde.

Ödipus, der sein Leben in vollen Zügen genießt, wird als er in das heiratsfähige Alter kommt bei einem rauschenden Fest die Wahrheit über seine Adoption offenbart. Als er seine Familie mit der Verleumdung konfrontiert, leugnet diese die Tatsache. Außer sich vor Wut macht sich Ödipus auf den Weg zum Orakel von Delphi, um die Wahrheit herauszufinden, doch die Antwort der Pythia ist wie üblich kryptischer Natur und besagt nur, dass er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten wird.

Die Prophezeiung zieht eine Verkettung von Ereignissen nach sich, denen der junge Mann mit seinem Unwissen vollkommen ausgeliefert ist. So kommt es, dass sich die Vorhersage erfüllt, ohne dass dies Ödipus bewusst ist. Trotz der Umstände, muss er die Folgen für sein Handeln tragen.

Aus diesem Stoff haben Luc Ferry und Clotilde Bruneau einen kurzweiligen Comic kreiert, der mit den detailverliebten Illustrationen des Künstlers Diego Oddi die griechische Mythologie greifbar macht. Allerdings handelt es sich bei dieser Geschichte um ein recht kurzes Intermezzo, das vielmehr zum Nachdenken anregt, als dass es eine umfangreiche Handlung darbringt.

Wie auch schon bei den anderen erschienenen Ausgaben der »Mythen der Antike« eignet sich auch dieser abgeschlossene Comicband über die Tragödie des Ödipus für Comic-Neulinge. Die Panels sind leicht verständlich angeordnet und der Geschichte lässt sich gut folgen. Zusätzlich gibt es im Anhang noch ausreichend Zusatzinformationen zur Geschichte.

Im Oktober 2019 erschien mit dem Titel »Daedalus & Ikarus« der erste Band aus der Reihe »Mythen der Antike«, im Dezember folgte »Die Ilias«, im Februar 2020 »Jason und das Goldene Vlies« und im April »Ödipus«. Weitere Ausgaben sind mit Erscheinungsterminen im Juli 2020 »König Midas« und im September 2020 »Perseus und Medusa« geplant. Die Originalreihe, für die 30 Bände geplant sind, darunter allerdings einige mehrbändige Titel, die in der deutschen Version in einem Band zusammengefasst werden, trägt im französischen den Titel »La Sagesse des mythes« und nahm bereits im Jahre 2016 ihren Lauf.

Fazit:

Die wohl bekannteste Tragödie der griechischen Mythologie als griffiger Comic! Eine leicht zugängliche Lektüre für warme Sommerabende, die für Unterhaltung sorgt und dennoch in den Gedanken nachhallt.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 29.06.2020

Bewertung vom 18.03.2021
Der Fall Alice im Wunderland
Martínez, Guillermo

Der Fall Alice im Wunderland


sehr gut

Meine Meinung:

Der argentinische Schriftsteller Guillermo Martínez kehrt siebzehn Jahre nach Veröffentlichung seines ersten weltweit erfolgreichen Kriminalfalles »Die Pythagoras-Morde«, welcher 2008 mit Elijah Wood und John Hurt verfilmt und nun unter dem Titel »Die Oxford-Morde« neu aufgelegt wurde, in »Der Fall Alice im Wunderland« zurück.

Die Handlung des neuen Romanes trägt sich 1994, ein Jahr nach den Ereignissen des ersten Falles, für Logik Professor Arthur Seldom und Guillermos alter Ego, dem Mathematik Student mit dem für die Briten unaussprechlichen Namen, daher von allen nur G. genannt, zu. Auch ohne Vorkenntnisse aus dem ersten Band lässt sich dieser unglaublich britische Romanstoff, der durch sein »Ermittler-Trio« Assoziationen zu Sherlock Holmes weckt, genießen. Trotz oder auch gerade aufgrund dieser Ähnlichkeit verfügt Guillermos Roman über unglaublich viel Charme. Denn während die intelligenten Schlussfolgerungen Seldoms die gewonnenen Erkenntnisse des Erzählers G. noch zu überflügeln scheinen, tappt Polizeiinspektor Peterson noch völlig im Dunkeln.

Alles beginnt mit dem unglaublichen Fund einer Doktorandin, die auf ein verschollenes Stück aus den Tagebüchern des berühmten Autors von »Alice im Wunderland« stößt und die ersten verheißungsvollen Worte Seldom und G. anvertraut. Noch bevor der wichtige Fund in der Lewis-Carroll-Bruderschaft, die vom Autor nach dem Vorbild der Lewis Carroll Society erschaffen wurde, publik gemacht wird, ereignet sich ein schrecklicher Unfall und eine Mord-Reihe, die in klarem Bezug zu Lewis Carrolls Persönlichkeit und seinem Kinderbuchklassiker stehen.

»L.C. erfährt von Mrs. Liddell, dass…«

Dieser Satz könnte ein völlig neues Licht auf das Wissen um Charles Lutwidge Dodgson, bekannt als Lewis Carroll, der Professor für Mathematik war und sich für die frühe Fotographie interessierte, werfen. Seine Vorliebe für junge Mädchen und seine Fotographien, die diese leicht bekleidet und in aufreizenden Posen zeigen, führten erst Jahre später zu Vermutungen, dass seine Beziehung zu den Mädchen pädophiler Natur gewesen sein könnte. Guiellermo stellt auf fundierte Weise die Unterschiede von der damaligen Zeit zur heutigen Sichtweise gegenüber. Denn damals erregten Carrolls Bilder in keinster Weise dieses skandalöse Aufsehen.

Die wohl bekannteste seiner Fotographien zeigt Alice Liddell in einem zerrissenen Gewand als Bettlerin, und nur den wenigsten dürfte bekannt sein, dass dieses Foto nur ein Teil seiner Darstellung zeigt, denn Dodgson hat auch noch eine weitere Fotographie angefertigt, in der Alice ein feines Kleid trägt, um damit die Gegensätze von Arm zu Reich aufzuzeigen. Zwischen Dodgson und Mrs. Liddell gab es ein Zerwürfnis unbekannter Natur, welches jedoch dazu führte, dass ihm der Umgang mit Alice untersagt wurde. Ein paar Jahre später wurde diese jedoch widerrufen.

Doch wer hat ein Interesse daran, die Veröffentlichung der neuen Erkenntnisse zu torpedieren? Wer mordet sogar deshalb?

Dieser Krimi beginnt zwar etwas verhalten und gemächlich, denn die Mordserie und die damit aufkommende Spannung beginnt sich erst recht spät zu entfalten. Umso besser hat mir die Auseinandersetzung mit Lewis Carroll, um dessen Persönlichkeit sich der gesamte Fall entspinnt, gefallen. Obwohl es sich um eine erdachte Geschichte handelt, steckt nämlich ein Körnchen Wahrheit dahinter. Die im Roman vorkommende Lewis-Carroll-Bruderschaft ist fiktiver Natur, aber den Zettel gab es wirklich – dieser wurde in den Neunzigerjahren von Karoline Leach in einem Archiv gefunden.

Fazit:

Ein unterhaltsamer Rätselkrimi, der gekonnt zwischen Logik und Moral jongliert.

Bewertung vom 18.03.2021
Ans andere Ende der Welt / His dark materials Bd.4
Pullman, Philip

Ans andere Ende der Welt / His dark materials Bd.4


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Die weltweit erfolgreiche »His Dark Materials« Fantasy-Reihe von Philip Pullman erhält 25 Jahren nachdem der erste Band »Der goldene Kompass« erschien und seine Leser in eine Welt entführte, die unserer zwar recht ähnlich ist, in der aber jeder Mensch mit einem tierischen Dæmon durch ein unzertrennbares Band verbunden ist und Antworten auf beliebige Fragen durch eine kompassähnliche Gerätschaft, dem »Alethiometer«, gelesen werden können, ein weiteres Kapitel.

Mit »Ans andere Ende der Welt« ist nun die lang ersehnte Fortsetzung erschienen und die Fans erfahren endlich, wie es mit Lyra Belacqua, jetzt Lyra Listenreich, und ihrem Baummarder-Dæmon Pandalaimon weitergeht.

Lyra und Pan sind sich fremd geworden, denn die zweifelhaften akademischen Bücher, die Lyra als Studentin zu Rate zieht und ihre Auffassung der Dinge verändert, vielleicht aber auch ihre Fähigkeit sich voneinander trennen zu können, haben dafür gesorgt, dass sie sich fast nichts mehr zu sagen haben.

Als Pandalaimon einen Mord beobachtet und sich eine komplexe Verschwörung um Interessensgruppen der Geistlichen und der Wirtschaft eröffnet, gerät Lyras Weltsicht erneut ins Wanken. Während sich Pandalaimon auf die Suche nach Lyras Fantasie macht, bietet das Umfeld der Universität für Lyra keinen Schutz mehr und so begibt sie sich alleine auf eine gefährliche Reise in die Wüste, in der sie hoffentlich das Rätsel um die Wahrheit lösen kann und wieder zu Pan findet. Ihre einzige Unterstützung erhält sie von Malcolm Polstead der für die unterbezahlte Geheimorganisation Oakley Street tätig ist und Lyra schon seit ihrer Kindheit beschützt.

Meine Erwartungen an die Fortsetzung der »His Dark Materials« Reihe waren ziemlich hoch und konnten leider nicht auf ganzer Linie erfüllt werden. Philip Pullman liefert mit »Ans andere Ende der Welt« einen recht philosophisch durchwirkten Roman ab, in dem die Hauptprotagonistin Lyra mittlerweile zu einer jungen Erwachsenen herangereift ist, was sich auch in ihrer Findungsphase und ihrer starken Veränderung widerspiegelt. Ihr Dæmon Pan, der ein Teil ihrer Persönlichkeit ist, hat damit seine Probleme und so kommt es einer Suche nach sich selbst gleich, als Lyra durch die halbe Welt reist, um Pan zu finden.

Zwischen den phantastischen Abenteuern von Lyra und Co. gelingt es Pullman aktuelle Themen wie die Flüchtlingskrise und gesellschaftskritische Betrachtungen einfließen zu lassen. Dabei hatte ich allerdings manchmal das Gefühl, dass er sich bei all den Botschaften, die er einflicht, verzettelt und dabei die eigentliche Geschichte aus den Augen verliert.

Philip Pullman hat mich mit der Fortsetzung seiner Fantasy-Geschichte im Ganzen betrachtet jedoch gut unterhalten und es war unglaublich schön, nach so vielen Jahren wieder mit Lyra unterwegs zu sein.

Bei diesem Roman handelt es sich um einen Jugendroman, der sich in meinen Augen jedoch eher an Erwachsene Leser*innen richtet und sicherlich sind die expliziten Gewaltdarstellungen nicht für alle Jugendliche ab 14 Jahren leicht verdaulich. Auch wenn es sich nur um wenige brutale Szenen handelt, gehört für mich eine Triggerwarnung bezüglich Suizid und sexueller Gewalt auf das Buch.

Am Ende bleiben noch einige Fragen offen, die der Autor hoffentlich schon bald in seinem abschließenden Band beantworten wird. Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt darauf!

Fazit:

Eine lang ersehnte Fortsetzung, die zuweilen den Fokus etwas aus dem Blick verliert, der aber dennoch genügend Magie zum Verzaubern innewohnt. Für Fans der »His Dark Materials« Reihe ein absolutes MUSS!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.03.2021
Das sternenlose Meer
Morgenstern, Erin

Das sternenlose Meer


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Die US-amerikanische Schriftstellerin Erin Morgenstern konnte mich bereits vor acht Jahren mit ihrem Debütroman »Der Nachtzirkus« und ihrer absolut traumhaften Geschichte verzaubern – in ihrem neuen Roman, »Das sternenlose Meer«, wirkt sie wahre Wort-Magie!

Zachary Ezra Rawlins ist ein Buchliebhaber durch und durch, liebt Geschichten über alles und findet, dass Videospiele in vielerlei Hinsicht dem Lesen eines Romans ähneln, nur dass bei einem Buch vorab jemand sämtliche Entscheidungen abgenommen hat. Da ahnt Ezra jedoch noch nichts davon, dass er sich selbst bald mitten in einem Buch findet und seine eigene Geschichte schreibt.

Alles beginnt mit einem in rotes Leder gebundenes Buch eines unbekannten Autors mit dem Titel »Süßes Leid«, das Ezra in der Bibliothek findet und für ihn die Tür zu einer unbegreiflichen Welt von in sich verschachtelten Geschichten des Suchens und Findens, der Bienen, der Wächter und der Hüter aufstößt, von denen er selbst ein Teil ist.

Mit ihrem unglaublich poetischen Schreibstil kreiert Erin Morgenstern Wort für Wort, Satz für Satz und Seite für Seite eine meisterhafte Geschichte, deren winzige Zahnräder nach und nach ineinandergreifen und ein fantasievolles Kopfkino in Gang setzen, dass für pure Gänsehaut sorgt.

Das komplexe Fadenspiel der zahlreichen Märchen und Mythen die sich hier zu einer dimensionreichen Geschichte verflechten ist gespickt von Metaphern, Symbolen und es gibt klitzekleine Einflüsse/Anspielungen auf andere Romane (was mir ausgesprochen gut gefällt). Geht man dem Faden der einzelnen Geschichten nach, fühlt man sich wie Alice die ins Bodenlose fällt und schließlich dem Kaninchen ins Wunderland folgt, um dort kuriose Abenteuer zu bestehen. Aufmerksame Leser*innen die sich fallen lassen, eröffnen sich zahlreiche Deutungsmöglichkeiten der Metaphern und Symbolik, die sich durch das ganze Buch ziehen und zu einem paradoxen, nicht greifbaren und traumartigen Leseerlebnis führen.

Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass so starke Gefühle in mir geweckt hat, wie das Rauschen des sternenlosen Meeres unter der Erdoberfläche. In diesem kunstvoll gewebten Werk fügen sich die authentisch gezeichneten Charaktere, deren wohlklingende Namen sich bereits in mein Gedächtnis gebrannt haben, perfekt in einem, so scheint es, eigens für Bücherwürmer erträumten Setting ein.

Die Hauptgeschichte über Zachary Ezra Rawlins wird durch märchenhaften Episoden aus den Büchern in dem Buch durchbrochen, sodass es zu einer spannenden »Geschichte in der Geschichte in der Gesichte« Konstellation kommt. Diese mystischen Erzählungen handeln unter anderem von der Liebe zwischen dem Schicksal und der Zeit, dem Eulenkönig, Schlüssel die Türen zu Geschichten öffnen und verschließen, Bienen die Geschichten lauschen und Wächter die den Heimathafen der Geschichten beschützen. Damit sich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Geschichtsfäden ergibt, lässt sich diese nicht auf die Schnelle verschlingen. Die Geschichte benötigt auf jeden Fall etwas mehr Zeit, um ihre gesamte Sogkraft zu entfalten – aber für diese perfekte Komposition lohnt sich allemal!

Besonders schön an diesem Buch ist, dass die Geschichten jede Menge Raum für eigene Interpretationen offen lassen (was natürlich auch beinhaltet, dass nicht alle aufgeworfenen Enden eine Antwort erhalten).

Fazit:

Erin Morgensterns Wörter die in »Das sternenlose Meer« zu Geschichten in Geschichten werden, wirken pure Magie!

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 22.06.2020

Bewertung vom 18.03.2021
Loki - Der Gott, der zur Erde fiel (eBook, PDF)
Kibblesmith, Daniel

Loki - Der Gott, der zur Erde fiel (eBook, PDF)


sehr gut

Meine Meinung:

Der wohl gewiefteste Trickser unter den Göttern bekommt von Daniel Kibblesmith in »Loki: Der Gott, der zur Erde fiel« eine Geschichte auf den Leib geschneidert und Oscar Bazaldua liefert die passenden Bilder dazu, die vor allem mit den Splash-Pages die Leser*innen in den Bann zieht.

Während Lokis Bruder Thor über Asgard herrscht, sitz Loki auf dem Thron von Jotunheim und langweilt sich mit den weniger spannenden Angelegenheiten der Frostriesen, sodass er sich die Zeit mit vergnüglichen Ausflügen vertreibt bis ihm sein Bruder eine Standpauke bezüglich seiner Verantwortungslosigkeit hält. Loki wäre nicht Loki, wenn er kein Ass im Ärmel hätte und so zauber er sich mithilfe der Nornensteine einen frostigen Thronwärter herbei.

Bahn frei für unterhaltsame Spannung mit dem gewitzten Antihelden Loki! Mit seinem Plan als bekehrter Superheld, Teil der Avengers zu werden, sorgt Loki bei Tony Stark für blankes Entsetzen und bei Thor für ausgelassene Erheiterung. Unser gewitzter Gott muss erneut beweisen, dass er nicht nur Unheil stiften kann, sondern auch ein wertvoller Gewinn im Kampf gegen die bösen Buben ist.

Bei einem Besuch in Asgards Bibliothek muss Loki mit Entsetzen feststellen, dass ihm sein Buch ein äußerst langweiliges Leben in Frieden ohne Heldentum und Heldentod verspricht. Dort begegnet Loki Now und Then, die Children of Eternity, welche ihm das Haus der Ideen mit den umfangreichen Buchreihen der anderen Helden zeigen und ihm einen Deal anbieten, den er nicht ausschlagen kann. Schließlich kann es ja nicht angehen, dass der jüngere Wolverine mit seinen Abenteuern so viele Bücher füllt im Gegensatz zu ihm! Dem angehenden Helden ist bewusst, dass nichts umsonst ist, aber ob er dieses Mal als Gehörnter aus der Geschichte hervorgeht, bleibt abzuwarten…

Daniel Kibblesmith hat eine wundervoll abwechslungsreiche Story geschrieben, die Lokis Gewitztheit hervorragend zur Geltung bringt und dabei auch einen guten Unterhaltungswert liefert. Etwas Schade finde ich es allerdings, dass der Geschichte ein Rahmen fehlt und die Handlungsstränge nicht alle zu Ende erzählt werden. Es wird zum Beispiel über mehrere Panels Megan eingeführt, die dann nur dazu dient, dem Widersacher Nightmare den Weg in die Welt zu bereiten – hier hätte ich eine größere Rolle erwartet.

Zudem gibt es nach dem Kampf gegen Nightmare noch ein Wild West Abenteuer mit Wolverine und ein Kurzauftritt von Verity Willis, was regelrecht aus der Zeit gerissen wirkt. Die Ansätze des Comics sowie die fesselnden Illustrationen von Oscar Bazaldua haben mich vollkommen begeistern können, die einzelnen Handlungsstränge wirken jedoch noch nicht abgeschlossen und hinterlassen einige Fragezeichen.

Fazit:

Der Gott des Schabernacks und der Lügen will ein Held werden und Geschichte schreiben – dass darf man auf keinen Fall verpassen!

Bewertung vom 18.03.2021
Vampire State Building
Ange;Renault, Patrick

Vampire State Building


gut

Meine Meinung:

Splatter, Horror und monströse Vampire – das Ganze gezeichnet von Charlie Adlard, dem Zeichner von »The Walking Dead«. Das Szenario zum ersten Band der »Vampire State Building« Dilogie liefert das Schreiber-Duo Ange und Patrick Renault.

Als Setting dient die atemberaubende Kulisse von New York City mit seinen eleganten Wolkenkratzern und dem stetig pulsierenden Leben. An einem verhängnisvollen Abend trifft sich der US-Soldat Terry mit seinen Freunden auf der Aussichtsplattform des 1931 erbauten Empire State Building, um sich vor seinem Afghanistan Einsatz von ihnen zu verabschieden.

Nachdem man Bekanntschaft mit der Clique geschlossen hat und sich von dem zauberhaften Blick auf die Skyline losreißt, nimmt der 56 Seiten umfassende Comic zusehends an Fahrt auf. Vampireske Kannibalen schleichen sich im Empire State Building ein und ziehen auf der Suche nach ihrem Meister eine Schneise der Vernichtung durch die gut besuchten Etagen des eleganten Gebäudes, wobei sie Angst und Schrecken unter den Menschen verbreiten. Einzig Terry, dessen Clique sich durch das Durcheinander der aufkommenden Panik verloren hat, scheint einen kühlen Kopf zu bewahren. Natürlich hat diese terrorverdächtige Infiltration längst die Polizei auf den Plan gerufen und so wechseln die Panels zwischen der sich zuspitzenden Lage im Gebäude und der Einsatztruppe.

Eine Linguistin des Polizeiteams erkennt in den archaischen Lauten der Vampir-Monster eine Mischung der Indianersprachen aus den Stämmen der Mohawks und Kwakiutl und kann durch ihr Sprachverständnis für die Sondereinheit wichtige Informationen übersetzen. Der Anführer des Vampir-Kollektivs betrachtet sich als Auserwählter der Hamatsa, einer uralten Sekte, deren Mitglieder Kannibalen waren und durch ein Initiationsritual in Vampire verwandelt werden sollten. Doch was wollen die Fanatiker dieses traditionellen Geheimbundes, die Götter anbeten und an einen heiligen Zyklus glauben, heute? Diese Frage wird hoffentlich im abschließenden Folgeband beantwortet…

Der erste Band von »Vampire State Building« bietet Action, Vampire und massenhaftes Opfersterben ähnlich einer Zombieapokalypse. Von der Story hätte ich mir allerdings zumindest eine bessere Ausarbeitung der Einflüsse aus der indianischen Tradition gewünscht. Stattdessen wird viel Zeit auf die Einführung von Charakteren gelegt, die das Autorenteam nur wenig später sowieso den Vampiren als Fraß vorwirft. Der Comic punktet bei mir durch die atmosphärischen und scharf gestochenen Illustrationen von Charlie Adlard, der Monster genauso beeindruckend in Szene setzt wie das spektakuläre Setting.

Fazit:

Solider Vampir-Horror, der in erster Linie durch Charlie Adlards Illustrationen überzeugt, storytechnisch aber noch etwas Luft nach oben hat.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 15.06.2020

Bewertung vom 18.03.2021
Lord of Shadows / Die dunklen Mächte Bd.2
Clare, Cassandra

Lord of Shadows / Die dunklen Mächte Bd.2


sehr gut

Beschreibung:

Den Tod ihrer Eltern konnte die Schattenjägerin Emma Carstairs rächen und doch kann sie nicht glücklich sein. Die verbotene Liebe zu ihrem Parabatai Julian Blackthorn muss unbedingt unterbunden werden, bevor ihre Beziehung schreckliche Folgen nach sich zieht. Um sich und Julian vor den Konsequenzen ihrer Liebe zu schützten, geht Emma mit seinem Bruder Mark eine Beziehung ein.

Während Emma versucht Abstand zu ihren Gefühlen für Julian zu bekommen spitzen sich die Unruhen in der Welt der Feenwesen und der Schattenjäger weiter zu. Mark begibt sich auf eine gefährliche Rettungsmission an den Hof des dunklen Elbenkönigs, wo er seinen ehemaligen Geliebten Kieran vor dem Tod bewahren will. Doch das alles verblasst gegenüber dem kalten Frieden zwischen den Feenwesen und Schattenjägern und der lauernden Gefahr eines neuen Krieges.

Meine Meinung:

Mit »Lord of Shadows« schließt Cassandra Clare direkt an die Handlung von »Lady Midnight«, dem ersten Band der Urban-Fantasy Trilogie »Die Dunklen Mächte« an und entführt ihre Leser*innen wieder in die fesselnde Welt der Schattenjäger.

Die verzwickte Liebesgeschichte zwischen den Parabatai Claire und Julian wird von Clare zwar weiter vorangetrieben, allerdings rückte diese für mich immer weiter in den Hintergrund, da diese Geschichte so viel Interessanteres zu bieten hatte. Bei über 800 Seiten Fantasy-Unterhaltung bekommt man hier auf jeden Fall ein komplexes Konstrukt präsentiert, dass durch seine einzelnen Facetten begeistert.

Ich liebe Cassandra Clare dafür, dass sie in ihrer Geschichte mit Fingerspitzengefühl Raum für Diversität schafft und ganz wundervollen Protagonisten, wie z. B. dem autistischen Tiberius Blackthorn sowie transsexuellen und homosexuellen Charakteren eine Bühne gibt. In diesem Buch drängt sich mit der »Kohorte«, einer rassistischen Bewegung unter den Schattenjägern, aber noch ein düsteres Thema in den Vordergrund. Die Anführer Zara und Horace Dearborn sind Verfechter des »kalten Friedens« und wollen das Abkommen mit den Schattenwesen für nichtig erklären, womit sie die Schattenjäger wieder zu den glorreichen alten Zeiten zurückzuführen wollen. Die Blackthorns legen alles in die Waagschale, um die Machtergreifung durch diese Gruppierung zu unterminieren.

Zu diesem einnehmenden Thema kommen eine ganze Reihe von Verstrickungen, Intrigen und Verbandelungen zwischen den Protagonisten, sodass nur selten Langeweile aufkommt und es kaum langatmige Abschnitte gibt. Clare hat wirklich ein unglaubliches Gespür dafür, ihren temporeichen Plot mit Beziehungsdrama und Action zu vereinen und daraus einen unglaublichen Pageturner zu zaubern. Allerdings hat mir die Schriftstellerin bei diesem Buch einfach zu viele Handlungsstränge geöffnet und gerade in Bezug auf Julian und Emma wurde es zunehmend strapaziös.

Ausreichend Entschädigung hat die herausragende Entwicklung von Kits Charakter geliefert, der äußerst authentisch in die Rolle eines Schattenjägers hineinwächst. Mein Highlight ist mit Abstand die besondere Beziehung die sich zwischen Kit und Ty, der ihn einst mit einem Messer bedrohte und durch seine Handicap sehr vorsichtig im Umgang mit anderen Menschen ist, entspinnt. Aber auch der Erzählstrang über Mark, Kieran und Christina hat es in sich und sorgt mit Gefühlschaos und Geheimnissen für ein fesselndes Leseerlebnis.

»Lord of Shadows« darf sich wirklich kein Schattenjäger-Fan entgehen lassen, denn hier beweist Cassandra Clare ihr Können und lässt zudem das Fanherz mit Gastauftritten lieb gewonnener Akteure aus den »Chroniken der Unterwelt« höher schlagen. Außerdem wurden noch so viele Fragen in diesem Band aufgeworfen, dass ich dem Showdown im abschließenden Roman »Queen of Air and Darkness« sehr entgegenfiebere!

Fazit:

Eine umwerfend düstere Episode aus der Welt der Schattenjäger, bei der Cassandra Clare auf vielseitigen Ebenen agiert.

Bewertung vom 18.03.2021
Weltgeschichte für junge Leserinnen
Lücker, Kerstin;Daenschel, Ute

Weltgeschichte für junge Leserinnen


gut

Meine Meinung:

Kerstin Lücker und Ute Daenschel stellen in ihrem Werk »Weltgeschichte für junge Leserinnen« die Frage: Warum es nach 500 Jahren vielen immer noch schwer fällt, den so einfachen Gedanken von Christie de Pizan zu akzeptieren, dass Frauen und Männer gleiche Fähigkeiten haben. In ihrem 560 Seiten umfassenden Werk versuchen die Autorinnen die Weltgeschichte zusammenzuraffen und dabei einige bekannte sowie viele mir bisher unbekannte Frauen und ihr Verdienst hervorzuheben.

Passenderweise ist auf dem türkisblauen Cover die Bronzestatue des »Fearless Girl« abgebildet, welche von der amerikanischen Bildhauerin Kirsten Visbal geschaffen wurde und vorerst zum Weltfrauentag 2017 gegenüber der Bullenstatue im Financial District in New York City aufgestellt wurde, um auf die Missstände von Frauen in der Geschäftswelt aufmerksam zu machen, mittlerweile stehen weitere Repliken der beliebten Statue in weiteren Städten.

Das Schreiben eines Sachbuches über die Weltgeschichte, die sich auch an junge Leser*innen richtet, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen und kommt eher einem Mammutwerk gleich. In ihrem Werk behandeln Kerstin Lücker die wichtigsten Ereignisse in der Weltgeschichte Europas, Amerikas und Asiens in knappen und leicht verständlichen Kapiteln und verkürzen vieles dabei so stark, dass nur ein flüchtiger Eindruck entsteht und daher nicht immer etwas davon im Gedächtnis hängen bleibt. Die kurzen Abschnitte haben jedoch den wunderbaren Vorteil, dass sie sich wunderbar zum Vorlesen eignen. Sicherlich ist die »Weltgeschichte für junge Leserinnen« auch ein Buch, dass man immer wieder zum Nachschlagen zur Hand nehmen kann. Dabei sind einem das Inhaltsverzeichnis sowie ein Personenverzeichnis am Ende hilfreich.

Angefangen beim Urknall und der Entstehung der Erde über die Einteilung unseres 365 Tage umfassenden Kalenders durch die Ägypter, spielen in den Jahrhunderten vor allem Männer, die Geschichte geschrieben haben, eine Rolle, und diese werden in Lücker und Daenschels Buch mit feministischer Note natürlich nicht ausgespart. Außerdem wird die große Rolle der Weltreligionen, die sich in ihrer Feindlichkeit gegenüber Frauen erstaunlich wenig unterschieden, Kriege und Machtkämpfe um Territorien aufs Tableau gebracht. Nicht nur einmal hätte ich mir gewünscht, dass für eine bessere Visualisierung des Textes Kartenabbildungen und Illustrationen eingebunden worden wären.

Interessant wurde es für mich vor allen Dingen, sobald Frauen hervorgehoben wurden, die kaum bekannt sind. Wie z. B. die Gelehrte Ban Zhao, die 92 v. Chr. am Hof des chinesischen Kaisers Geschichtsbücher schrieb und in ihrer Schrift »Ermahnung an die Frau« auffordert, die Frauen sollten wie sie gebildet sein. Doch um die Männer nicht zu sehr zu verärgern fügte sie hinzu: »Natürlich nur, um dem Mann besser dienen zu können« oder die adelige Japanerin Mursaki Shikibu, die 1008 n. Chr. am kaiserlichen Hof in Heian-kyo den wohl allerersten Roman »Die Geschichte vom Prinzen Genji« schrieb.

Fazit:
Mit »Weltgeschichte für junge Leserinnen« können sich nicht nur junge Leserinnen einen Überblick, über die tief verwurzelte und untergeordnete Rolle der Frau und wie sich dennoch immer wieder durch ihre Stärke hervorgetan haben, verschaffen. Nicht immer war ich mir sicher, was mir die Autorinnen vermitteln wollen und so hätte eine gezieltere Fokussierung dem Gesamtwerk sicherlich gut getan.