Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Bücherfreundin

Bewertungen

Insgesamt 298 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2022
Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1
Sander, Karen

Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1


weniger gut

Spannender Thriller, der leider vollkommen abrupt und ohne Auflösung endet
Der Rowohlt Verlag hat "Der Strand - Vermisst", den ersten Band einer Trilogie von Karen Sander um die Ermittler Tom Engelhardt und Mascha Krieger, veröffentlicht. Die Autorin hat bereits unter ihrem bürgerlichen Namen Sabine Klewe zahlreiche Kriminalromane geschrieben. Hier stellt sich mir die Frage, warum sie die Trilogie nicht auch unter ihrem realen Namen geschrieben hat.

Das Buch beginnt damit, dass Cornelia, Mutter einer kleinen gehörlosen Tochter namens Lilli, sich auf die heimliche Verabredung mit einer Internetbekanntschaft am Strand vorbereitet. Das 5 Monate alte Baby wird währenddessen von den ahnungslosen Großeltern betreut, bei denen Cornelia seit kurzem wieder wohnt.
19 Jahre später:
Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt bekommt einen Anruf, dass Lilli Sternberg verschwunden ist. Die inzwischen 19jährige Gehörlose arbeitet in einer Gärtnerei als Floristin und war mit ihrer Freundin Fabienne Mauritz nachmittags am Weststrand verabredet, ist dort allerdings nie erschienen. Tom leitet die Suche nach der Verschwundenen. Nachdem Fabienne von Lilli ein Handyfoto mit geheimnisvollen Zeichen erhält, wird Tom die Kryptologin Mascha Krieger vom LKA Schwerin zur Seite gestellt, worüber er wenig begeistert ist ....

Die Geschichte wird flüssig in schönem Schreibstil erzählt. Sie ist sehr spannend, die Beschreibung der Charaktere finde ich sehr gelungen. Der Leser lernt neben den beiden Ermittlern etliche Verdächtige kennen, gekonnt legt die Autorin verschiedene Fährten. Am Ende passiert noch einiges, und dann endet das Buch ganz abrupt. Vieles bleibt offen, etliche Fragen unbeantwortet. Der Thriller hat mich enttäuscht und ratlos zurückgelassen. 

Im Nachwort erklärt die Autorin, dass die Handlung um Lilli auf drei Bände ausgelegt ist. Absolute Klarheit ist mithin also erst am Ende des dritten Bandes zu erwarten. Dieser Umstand war mir vor dem Lesen von  "Der Strand" nicht klar. Ich bin aufgrund des Klappentextes davon ausgegangen, dass die Trilogie um das neue Ermittlerteam aus drei unabhängig voneinander zu lesenden unterschiedlichen Kriminalfällen besteht. In einigen Onlineshops findet sich für den zweiten Band der Reihe der Hinweis, dass es sich um drei in sich abgeschlossene Thriller handelt. Dem ist jedoch nicht so.

Ich bin verärgert und enttäuscht - die beiden weiteren Bände ("Der Strand - Verraten" und "Der Strand - Vergessen"), die im März und Juni des kommenden Jahres erscheinen, werde ich mit Sicherheit nicht lesen. Leseempfehlung von mir nur für die Leser, denen klar ist, dass sie alle drei Teile der Trilogie lesen müssen, um - hoffentlich - alles über den Fall und seine Auflösung zu erfahren.

Bewertung vom 24.11.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Zutiefst berührender und beeindruckender Roman
Der dtv Verlag hat "Verbrenn all meine Briefe", den neuen Roman des schwedischen Autors Alex Schulman, veröffentlicht. Nach der Lektüre seines ersten in deutscher Sprache erschienenen Buches "Die Überlebenden" war ich sehr neugierig auf sein neues Werk - und ich wurde nicht enttäuscht!
 
Der Autor Alex Schulman erkennt eines Tages, dass seine Frau Amanda und seine Tochter Frances Angst vor ihm haben. Er ist unbeherrscht und trägt eine Wut in sich, gegen die er etwas unternehmen muss. Alex beginnt mit einer Therapie und stellt dabei fest, dass es in der Verwandtschaft seiner Mutter stets viele Zerwürfnisse gegeben hat. Seine Recherchen ergeben, dass sein Großvater mütterlicherseits sehr aufbrausend war und diese Wut über Generationen hinweg auch an ihn vererbt hat.
 Alex befasst sich daraufhin intensiv mit der Lebensgeschichte seines Großvaters. Sven Stolpe war ein sehr erfolgreicher und bekannter Schriftsteller, dessen literarischen Nachlass Alex akribisch sichtet. Mit Hilfe der Tagebücher und zahlreicher Briefe setzt er das Puzzle zusammen und erfährt, dass seine Großmutter Karin sich im Sommer des Jahres 1932 in den jungen Geschichtsstudenten Olof Lagercrantz verliebte ....
 
Die Geschichte, die der Autor seiner Großmutter widmet, wird auf drei Zeitebenen erzählt.
Der Ich-Erzähler Alex erzählt auf der Gegenwartsebene aus dem Hier und Jetzt und erinnert sich auf der zweiten Zeitebene an die späten achtziger Jahre, als er als 12jähriger regelmäßig einmal im Monat mit dem Bus zu seinen Großeltern fuhr.
Auf der dritten Zeitebene steht das Leben der Großeltern im Mittelpunkt, hier ganz besonders der Sommer 1932.
 
Dem Autor ist es gelungen, in großartiger und intelligenter Sprache die drei Perspektiven zu einer spannenden und berührenden Geschichte zu verweben. Ich habe die Offenheit bewundert, mit der er seine Familiengeschichte erzählt. Mit viel Einfühlungsvermögen hat er nicht nur die tragische Liebe zwischen Karin und Olof beschrieben, sondern auch die Grausamkeiten, Demütigungen und die Eifersucht des cholerischen Großvaters. Die schmerzhafte und ergreifende Dreiecksgeschichte, die der Autor so intensiv und voller Mitgefühl für seine Großmutter erzählt, hat mich mitgerissen und zutiefst berührt.
 
Seine Suche nach der Wahrheit hat der Autor faszinierend und fesselnd beschrieben, ebenso die toxische Beziehung der beiden, die von psychischer Gewalt geprägt war. Die Charaktere sind ganz wunderbar und intensiv gezeichnet. Ich habe mit Karin und Olof mitgelitten und Sven aufs Tiefste verachtet. Selbst am Ende, als sich der Grund offenbarte, weshalb Sven zu dem Mann geworden war, der er war, konnte ich keinerlei Sympathie für ihn empfinden.
 
Das außergewöhnliche Buch, das mich noch lange beschäftigen wird, gehört für mich zu den Highlights dieses Jahres.
Von mir absolute Leseempfehlung und 5 Sterne!

Bewertung vom 20.11.2022
Die dunklen Sommer
Beverly-Whittemore, Miranda

Die dunklen Sommer


ausgezeichnet

Faszinierender und spannender Roman
Die amerikanische Autorin Miranda Beverly-Whittemore war mir bislang völlig unbekannt, das düstere Cover ihres neuen Romans "Die dunklen Sommer" hat mich nicht gerade angesprochen, dafür der Klappentext umso mehr. Ich war sehr neugierig auf das Buch, und ich bin nicht enttäuscht worden.

Die Geschichte beginnt mit einem Gespräch der Ich-Erzählerin Saskia mit ihrem kleinen Bruder William. Als die Elfjährige ihn kurz allein lässt, passiert etwas Schreckliches. Daraufhin muss der Vater ins Gefängnis, die Mutter geht nach Mexiko, und Saskia bleibt vorerst bei ihrer Großmutter. Aber ihr Aufenthalt dort ist nicht von Dauer, bald zieht sie zu Philip und Jane Pierce, Freunden der Familie. Philip ist Maler, Jane Geschäftsfrau, der gemeinsame Sohn heißt Xavier. Als Saskia 13 Jahre alt ist, fährt Philip mit ihr und Xavier in den Ferien nach Maine. Die Ferien entpuppen sich als ein dauerhafter Aufenthalt in einer Kommune, tief in den Wäldern Maines, die sich "Zuhause" nennt. Dort leben die Menschen als Selbstversorger und bewirtschaften das Land. Ihr Clanchef ist der charismatische Abraham, nach dessen Vorbild sich die  Bewohner "entdingen". Entdingen bedeutet, ohne die Anhäufung materieller Dinge zu leben.
Saskia lebt sich in der Gemeinschaft rasch ein, sie findet Beschäftigung und Erfüllung in der Küche, wo sie Sarah mit viel Freude beim Brotbacken hilft. Bald schließt sie sich Jugendlichen ihres Alters an und trifft auf Marta, die ihr umfassende Kenntnisse über die Natur vermittelt. Als der Fortbestand von Zuhause gefährdet ist, treffen die Jugendlichen eine folgenschwere Entscheidung.

Zwei Jahrzehnte später, Saskia lebt mittlerweile im Haus ihrer verstorbenen Großmutter, werden sie und ihre damaligen Freunde durch anonyme Drohriefe aufgefordert, gemeinsam nach Zuhause zurückzukehren ....

Die in ganz wunderbarem Sprachstil erzählte atmosphärische Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Die erste Zeitebene spielt im Hier und Jetzt, die zweite behandelt die Jahre seit der Tragödie und Saskias Jahre in Zuhause. Mit jedem der bisweilen sehr kurzen Kapitel wechseln sich die Zeitebenen ab. Anfangs ist ein wenig Konzentration erforderlich, um den größeren Personenkreis in Zuhause zu erfassen.
Der Alltag der Mitglieder der Kommune - sie nennen sich "die Behausten" wird sehr eindrucksvoll beschrieben. Erschreckend ist der starke Einfluss des Oberhauptes Abraham auf die Bewohner, ganz besonders auf die Jugendlichen. Der Autorin ist es gelungen, die unterschiedlichen Charaktere ganz großartig zu skizzieren.

Ich fand es faszinierend, Saskias Leben in der Kommune zu begleiten und ihre Entwicklung zu verfolgen. Die schönen Beschreibungen von Landschaft und Natur haben mir sehr gefallen. Der spannende und mystische Roman, der auch gleichzeitig ein Psychothriller ist, hat mich von Anfang an gefesselt und begeistert. Nach und nach kommt der Leser der Wahrheit näher, die schockierende Auflösung am Ende hat mich dennoch vollkommen überrascht. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Buch, in dem es auch um Schuld, Trauer, Freundschaft, Abhängigkeit und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht, eine ausgezeichnete Filmvorlage wäre.

Der intelligent geschriebene Roman hat mir sehr viel Lesefreude bereitet - klare Leseempfehlung und 5 Sterne!

Bewertung vom 16.11.2022
Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1
Sten, Viveca

Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1


sehr gut

Spannender Auftakt einer neuen Krimiserie um Hanna Ahlander
Die schwedische Autorin Viveca Sten hat "Kalt und still", den ersten Band einer neuen Krimiserie um Hanna Ahlander, veröffentlicht. Ich hatte bisher noch nichts von der Autorin gelesen, aber das schöne Cover und der Klappentext begeisterten mich sofort. 

Im Mittelpunkt der Geschichte, die vor eisiger Kulisse spielt, steht die 34jährige Hanna Ahlander. Kurz vor Weihnachten gleicht ihr Leben nur noch einem Scherbenhaufen. Zuerst bedrängt ihr Vorgesetzter sie, ihren Dienst bei der Citypolizei in Stockholm zu quittieren, und dann wird sie auch noch von ihrem Freund Christian verlassen, der sie auffordert, innerhalb einer Woche die Wohnung zu räumen. Dankbar nimmt Hanna das Angebot ihrer 10 Jahre älteren Schwester Lydia an, sich eine Auszeit zu nehmen und einige Wochen im Ferienhaus der Schwester zu verbringen. Das Haus befindet sich in den Bergen, und Hanna macht sich auf den Weg dorthin, nicht ohne zuvor die Kleidungsstücke ihres Exfreundes ruiniert zu haben.

Im luxuriösen Ferienhaus der Schwester, hoch im Norden Schwedens, ertränkt Hanna ihren Kummer in Alkohol, bis sie erfährt, dass die 18jährige Amanda nach einer Party spurlos verschwunden ist. Hanna beteiligt sich bei minus 20 Grad an der organisierten Suchaktion, durch die sie bedeutsame Informationen erhält. Als sie von der Polizei das Angebot erhält, diese für zunächst drei Monate zu unterstützen, überlegt sie nicht lange .....

Ich mag ruhige und anspruchsvolle Krimis ohne blutiges Gemetzel, in denen sich die Spannung langsam aufbaut. "Kalt und still" ist ein Krimi, wie ich ihn liebe. Er besteht aus mehreren Handlungssträngen, auch das mag ich sehr. Der schöne Erzählstil liest sich sehr flüssig, die ausführliche Beschreibung der Personen fand ich sehr gelungen und bildhaft. Nach und nach lernte ich diese kennen, schnell fanden sich Verdächtige, immer wieder gab es neue Spuren und Erkenntnisse.

Ich fand das Buch mit den wechselnden Perspektiven und den größtenteils eher kurzen Kapiteln spannend, der ruhige Erzählstil gefiel mir, ebenso die ausführlichen Personen- und Landschaftsbeschreibungen. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, die Charaktere authentisch zu zeichnen.

Leider hatte ich den Täter bereits früh in Verdacht, was meine Lesefreude am Ende doch etwas trübte. Dennoch stellt das Buch für mich einen gelungenen Serienauftakt dar, und ich kann mir gut vorstellen, auch den nächsten Band der Reihe, bei dem ich dann hoffentlich länger im Dunkeln tappe, zu lesen.

Bewertung vom 09.11.2022
Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?
Strobel, Arno

Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?


ausgezeichnet

Spannender und faszinierender Psychothriller
Der Fischer Verlag hat "Fake", den neuen Psychothriller von Arno Strobel, veröffentlicht. Ich hatte bisher noch kein Buch des Autors gelesen, aber sowohl das Cover als auch der vielversprechende Klappentext weckten meine Neugier. Ich bin nicht enttäuscht worden.

Es gibt zwei Variationen des Buches: Die eine trägt den Titel "Fake", die andere - limitierte - den Titel "Fakt". Der Zufall bestimmt, welche Variante man bekommt. Inhaltlich sind beide Versionen vollkommen identisch.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 37jährige Patrick Dostert. Er ist seit 2 Jahren glücklich mit seiner Frau Julia verheiratet und gerade dabei, mit ihr ein von ihm liebevoll zubereitetes Frühstück zu genießen, als es an der Tür klingelt. Zwei Beamte der Kriminalpolizei Weimar konfrontieren ihn damit, dass er unter Verdacht steht, eine Frau namens Yvonne Voigt entführt zu haben. Jana Gehlen, Yvonnes Freundin, hat bei der Polizei angegeben, dass Patrick die vor drei Tagen verschwundene Yvonne schwer misshandelt hat.
Der Beschuldigte fällt aus allen Wolken, gibt an, weder Yvonne noch Jana zu kennen und beteuert seine Unschuld. Wenig später wird im Internet ein Video veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie Patrick eine Frau übelst beschimpft. Als eine der Frauen tot aufgefunden wird, wird Patrick verhaftet. Er beteuert immer wieder seine Unschuld, doch die Beweise sind erdrückend.

Das fesselnde Buch, das in schönem Sprachstil geschrieben ist, liest sich schnell und flüssig. Bereits die erste Seite ist spannend, die Spannung steigert sich immer weiter und bleibt bis zum Ende auf hohem Niveau. Ich lag daneben mit meinen Vermutungen und erlebte ständig neue Wendungen. Andauernd passiert etwas, die Handlung schreitet schnell voran und bietet Nervenkitzel pur. Das Ende war für mich vollkommen überraschend.

"Fake" ist in der dritten Person geschrieben, dazwischen gibt es immer wieder tagebuchartige Ausführungen des Ich-Erzählers Patrick, geschrieben in kursiver Schrift. Diese sich wiederholenden Perspektivwechsel haben mir sehr gut gefallen. Die Personen hat der Autor sehr gut und lebendig gezeichnet, ganz besonders Patrick, mit dem ich gelitten, gebangt und gehofft habe, dass sich bald alles aufklärt. 

Ich konnte das spannende und intelligent konstruierte Buch mit dem hochaktuellen Thema "Fakt oder Fake?" kaum aus der Hand legen und fühlte mich von Anfang bis Ende bestens unterhalten. Das war zwar mein erstes Buch von Arno Strobel, aber mit Sicherheit nicht das letzte.

Leseempfehlung von mir und 5 Sterne für diesen grandiosen Psychothriller!

Bewertung vom 07.11.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

Spannender historischer Kriminalroman
Der Dumont Verlag hat "Die Passage nach Maskat" veröffentlicht, den neuen historischen Kriminalroman von Cay Rademacher. Ich hatte bislang noch nichts von dem Autor gelesen, aber sowohl das schöne Cover als auch der vielversprechende Klappentext machten mich sehr neugierig auf das Buch. Ich mag ruhig erzählte Krimis ohne Gemetzel und lag daher mit diesem Buch genau richtig.

Wir schreiben das Jahr 1929: In Marseille sticht das Passagierschiff Champollion Richtung Orient in See.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der traumatisierte Kriegsrückkehrer Theodor Jung aus Berlin. Der 30jährige arbeitet als Fotoreporter für die Berliner Illustrirte, die sich übrigens erst ab 1941 Berliner Illustrierte nennt. Sein Auftrag besteht darin, eine Fotoreportage über die Reise zu fertigen. In Jungs Begleitung befinden sich neben seiner Ehefrau Dora, mit der er seit 10 Jahren verheiratet ist, sein Schwager Ernst sowie die Schwiegereltern Hugo und Marthe Rosterg. Hugo Rosterg kommt aus Hamburg, ist wohlhabender Importeur von exotischen Gewürzen und beabsichtigt, in Arabien Einkäufe zu tätigen. Mit dabei ist außerdem Hugos Prokurist Bertold Lüttgen.

Bereits nach nur zwei Tagen verschwindet Dora spurlos. Ihr Stuhl am gemeinsamen Esstisch fehlt, alle behaupten, dass Dora nie mit an Bord gewesen ist, und tatsächlich steht auch ihr Name nicht auf der Passagierliste. Theodor versteht die Welt nicht mehr und beginnt, an seinem Verstand zu zweifeln. Die Reise wird für ihn zum Albtraum, und er begibt sich auf die Suche nach seiner Ehefrau.

Der Autor nimmt sich nicht nur viel Zeit für die Beschreibung der einzelnen Personen, sondern schildert auch sehr detailreich das Leben an Bord und die einzelnen Stationen der Reise. Das mag manchem Leser vielleicht etwas zu ausführlich sein, mir hat es gefallen. Ich habe die detaillierten Beschreibungen genossen, sie gaben mir das Gefühl, mit dabei zu sein. Sehr interessant fand ich auch die Schilderung  der Klassenunterschiede auf dem Schiff.
Die Spannung steigert sich langsam, aber stetig. Geschickt hat der Autor mehrere Wendungen eingebaut, immer wieder gibt es neue Spuren, und das Ende hat mich dann sehr überrascht. 

Der schöne Erzählstil ist flüssig, die Charaktere hat der Autor sehr gut skizziert.
Ich habe mich gern von Cay Rademacher in die Goldenen Zwanziger entführen lassen und dabei gut unterhalten gefühlt. 

Bewertung vom 01.11.2022
Für euch
Sayram, Iris

Für euch


ausgezeichnet

Beeindruckender und berührender Roman über eine Kölner Familie
Der Claassen Verlag hat "Für euch" veröffentlicht, den autobiografischen Roman der Journalistin und Juristin Iris Sayram, in dem diese schonungslos und offen auf ihre Kindheit und Jugend in Köln während der achtziger und neunziger Jahre zurückblickt. 
 
Die Ich-Erzählerin Iris lebt in Berlin und reist nach Köln, um ihre Mutter im Krankenhaus zu besuchen. Die 80jährige hat eine Lungenentzündung und braucht die Unterstützung der Tochter. Es fehlt ihr einiges von daheim: der goldfarbene Rollator, frische Unterwäsche, Hausschuhe, ein Spiegel und andere Dinge. Früher war es Iris immer sehr unangenehm, den Körper der Mutter zu sehen, und nun ist es ganz selbstverständlich für sie, ihr bei der Körperpflege behilflich zu sein.
 
Iris' Mutter Irmtraud wird 1939 geboren und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, der Vater verwehrt ihr eine Ausbildung zur Schneiderin. Bereits mit 18 Jahren wird sie verheiratet, zwei Ehen scheitern, zu den beiden Kindern hat sie bald keinen Kontakt mehr. In einem Café lernt die lebenslustige Frau Mustafa kennen, der aus Istanbul kommt und seit 5 Jahren in Köln lebt. Mustafa findet Irmtrauds Namen spießig und nennt sie nun Sonja. Die beiden werden ein Paar, ziehen zusammen und genießen das Leben. 1976 wird ihre Tochter Iris geboren. Der Vater nennt sie zärtlich Kizim, mein Mädchen. Er ist nicht glücklich mit seiner Arbeit an der Werkzeugausgabe von Ford. Viel lieber würde er sein Geld mit dem Zeichnen von politischen Karikaturen verdienen. Nach einem gemeinsamen Urlaub in der Türkei kündigt er seine Arbeit, verbringt nun viel Zeit in Spielclubs, und fortan ist Sonja für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zuständig. Sie arbeitet als Putzfrau und Toilettenfrau, später auch als Prostituierte. Dennoch ist das Geld immer knapp.
 
Die Autorin lässt ihre Vergangenheit Revue passieren und stellt dabei überwiegend ihre Mutter und das Verhältnis zu ihr in den Vordergrund. Offen und ehrlich erzählt sie Sonjas Geschichte und verschweigt auch nicht ihre eigenen Schwierigkeiten, die Scham, die sie wegen der Tätigkeiten ihrer Mutter empfand. Selbstkritisch berichtet sie von verpassten Gelegenheiten, als es ihrem Vater schlecht ging und ihr andere Dinge wichtiger waren. 
 
Das Buch ist in klarer und flüssiger Sprache, aber auch mit Humor geschrieben. Die Autorin beschreibt ganz wunderbar ihre Mutter, die nie ihren Optimismus verliert und immer bemüht ist, die Tochter zu verwöhnen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und alle Freiheiten zu gewähren. Iris gelingt es trotz widriger Umstände, ihren eigenen Weg zielstrebig zu verfolgen und nach dem Abitur Jura zu studieren. 
 
Der Lokalkolorit hat mir sehr gut gefallen, da mir Köln und der Dialekt vertraut sind. Auch den Zeitgeist hat die Autorin ganz wunderbar in ihren Roman einfließen lassen.

Der Roman, den Iris Sayram voller Dankbarkeit und Liebe ihrer Mutter widmet, hat mich sehr berührt und wird mich noch lange beschäftigen.
Absolute Leseempfehlung von mir für dieses großartige Buch - 5 Sterne!

Bewertung vom 29.10.2022
Eine wichtige Entscheidung / Fußball Academy Bd.1
Margil, Irene;Schlüter, Andreas

Eine wichtige Entscheidung / Fußball Academy Bd.1


sehr gut

Spannende Geschichte für kleine Fußballfans
Der Carlsen Verlag hat "Fußball Academy - Eine wichtige Entscheidung" veröffentlicht. Es handelt sich hier um den ersten Teil einer neuen Kinderbuchreihe, bei der es um König Fußball geht. Das Buch stammt aus der Feder von Irene Margil und Andreas Schlüter. Die zahlreichen Illustrationen hat Jan Saße gefertigt.

Der 10jährige Yao Danso spielt mit großer Begeisterung und Leidenschaft Fußball in der E-Jugend des Fußballvereins seines Heimatorts. Und er spielt richtig, richtig gut. Da ist es kein Wunder, dass nach einem wichtigen Halbfinalsieg seiner Mannschaft Steffen Haberland vor ihm steht. Herr Haberland ist Talentscout und auf der Suche nach jungen Fußballtalenten. Er bietet Yao einen Platz an der Fußball Academy an, an der Yao seine Spieltechnik umfassend ausbauen kann. Yao ist begeistert, während seine Eltern Sandra und Amakye zunächst sehr skeptisch und zurückhaltend auf das Angebot reagieren.

Die Autoren schildern in 10 Kapiteln auf 160 Seiten Yaos Entdeckung als Fußballtalent und seinen Alltag an der neu gegründeten Fußballschule, an der durch hartes Training nicht nur die Feinheiten des Fußballspielens vermittelt werden, sondern auch ganz normaler Unterricht stattfindet. 

Das Buch, das sich an Kinder von etwa 9 bis 12 Jahren richtet, ist sehr schön und äußerst hochwertig gestaltet. Die ansprechende Geschichte über Yao und seine Fußballfreunde ist in altersgerechter, gut verständlicher Sprache erzählt. Sie ist spannend und wird die jungen Fußballfans begeistern. Die Autoren haben die sympathischen Personen sehr authentisch beschrieben. 
Den Titel "Fußball Academy" finde ich nicht sehr gelungen. Ich mag diese Mischung aus deutschen und englischen Wörtern nicht, "Fußball-Akademie" hätte mir wesentlich besser gefallen.

Am Ende des Buches befindet sich eine kleine Leseprobe für "Eine blöde Verletzung", den zweiten Band der Reihe - eine gute Anregung für den Weihnachtswunschzettel!

Bewertung vom 28.10.2022
Die Sehnsucht nach Licht
Naumann, Kati

Die Sehnsucht nach Licht


ausgezeichnet

Packender und warmherziger Roman über eine Bergmannsfamilie im Erzgebirge
In ihrem neuen Roman "Die Sehnsucht nach Licht" erzählt Kati Naumann auf zwei Zeitebenen die Geschichte der Familie Steiner, die im Schlematal des Erzgebirges lebt. 

Zu Beginn des Buches lernen wir die 30jährige Luisa Steiner kennen, die im Jahr 2019 ihren Arbeitsplatz 1800 Meter unter der Erde hat. Ihre Aufgabe ist es, an den Wochenenden für die Dauer von zwei Stunden ehrenamtlich Besucher durch das Schaubergwerk in Bad Schlema zu führen. An den Wochentagen arbeitet sie als Vermessungstechnikerin. Luisa ist seit ihrer Kindheit fasziniert von der Welt in den Tiefen der Erde. Schon ihr Urgroßvater arbeitete im Bergbau und sammelte alte Familiengeschichten in einer Mappe. Ein Großonkel von Luisa ist seit Jahrzehnten verschollen, und sie beginnt, zu recherchieren.

Die zweite Erzählebene erstreckt sich auf die Jahre 1908 bis 1989. Wir schreiben das Jahr 1908: Johann und Alma Steiner haben drei Kinder: Christian, Clara und Wilhelm. Der Vater der in einfachen Verhältnissen lebenden Familie arbeitet im Bergbau, genau wie sein ältester Sohn Christian. Der kleine Wilhelm träumt bereits mit 9 Jahren davon, auch Bergmann zu werden. 

Das Buch führt uns durch die Jahrzehnte. Wir sehen die Kinder der Familie Steiner heranwachsen und erleben wenig später die Entdeckung einer Radonquelle, die Schlema zu Wohlstand verhilft. Die Familie vergrößert sich im Laufe der Zeit, erlebt ihre Höhen und Tiefen, Liebe und Glück, aber auch ihre Tragödien. Stark und liebevoll ist der Zusammenhalt der Familie, und ihre Heimatliebe ist durch nichts zu erschüttern. Das alles wird ganz wunderbar und mit viel Warmherzigkeit erzählt.
Hochinteressant und fesselnd fand ich die Beschreibung des mir bis dahin vollkommen unbekannten Arbeitsalltags der Bergarbeiter im Erzgebirge und ihrer Traditionen.

Der ansprechende Schreibstil der Autorin ist klar und flüssig. Sie hat sehr gekonnt das Leben der Familienmitglieder mit den politischen Geschehnissen und Katastrophen verknüpft, wie den beiden Weltkriegen, dem Reaktorunglück von Tschernobyl und der Öffnung der Mauer. Die unterschiedlichen Figuren hat Kati Naumann sehr authentisch beschrieben.
Den Stammbaum der Familie Steiner am Anfang des Buches fand ich sehr hilfreich, um die Familienstruktur jederzeit nachvollziehen zu können.

Klare Leseempfehlung von mir und 5 Sterne!

Bewertung vom 25.10.2022
Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1
Goldammer, Frank

Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1


sehr gut

Gelungener Krimiauftakt mit Bruch und Schauer
Der Wunderlich Verlag hat "Bruch - Ein dunkler Ort", den ersten Teil einer neuen Krimiserie um das außergewöhnliche Ermittlerduo Bruch und Schauer, veröffentlicht. Das Cover gefiel mir, und der Klappentext versprach spannende Lektüre.
 
Hauptkommissarin Nicole Schauer hat ihren ersten Arbeitstag bei der Kriminalpolizei Dresden. Ihr neuer Vorgesetzter beauftragt sie, gemeinsam mit ihrem Kollegen Felix Bruch, einem der besten Ermittler der Dresdner Mordkommission, einen aktuellen Fall zu lösen: Die 12jährige Celina Kühn wird vermisst, und es ist keine Zeit zu verlieren. Bereits zwei Jahre zuvor war in der gleichen Wohnsiedlung die damals 10jährige Linda Herzfeld verschwunden und nach zwei Wochen wieder aufgetaucht. Linda hat nie jemandem erzählt, was damals geschehen ist, und ihre Eltern unterstützen ihr Schweigen. Schauer und Bruch begeben sich auf Spurensuche.
 
Die Teamarbeit mit Felix Bruch wird für Nicole Schauer zum Problem. Der Kollege ist äußerst wortkarg und scheinbar empathielos. Er hat vor kurzem seinen langjährigen Kollegen und Freund durch einen Verkehrsunfall verloren, und die Zusammenarbeit mit Schauer, die den Kollegen ersetzen soll, fällt ihm schwer. Schauer ist frustriert über das Verhalten des eigenwilligen Kollegen, der meistens schweigt und sich bei den Ermittlungsgesprächen eher defensiv verhält. Er scheint psychisch krank zu sein und braucht starke Medikamente, um seinen Alltag zu bewältigen. Aber auch Schauer hat ihre Traumata, die zu unbeherrschten Wutausbrüchen und Tätlichkeiten führen.
 
Das neue Ermittler-Duo hat mir gut gefallen. Es hat seine Ecken und Kanten, und das Zusammenraufen ist für Schauer und Bruch eine große Herausforderung. Der Autor beschreibt die unterschiedlichen Charaktere mit großer Präzision. Das Miteinander der beiden, ihre Probleme und Altlasten, das alles war fast noch intensiver in Szene gesetzt als der eigentliche Kriminalfall.
 
Die klar und flüssig geschriebene Kriminalgeschichte mit ihren verschiedenen Wendungen fand ich spannend und fesselnd bis zu ihrem überraschenden Ende. Die Schilderung der dunklen Nächte auf dem verfallenen Dreiseitenhof war für mich purer Nervenkitzel.
 
Ich bin gespannt, wie es mit den beiden sehr speziellen Ermittlern weitergeht und freue mich auf den nächsten Fall.