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YukBook
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München

Bewertungen

Insgesamt 289 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2019
Mein Lebenshaus hat viele Räume
Hofmeister, Susanne

Mein Lebenshaus hat viele Räume


ausgezeichnet

Je älter man wird, desto mehr interessiert einen doch die Frage, ob es tiefere Zusammenhänge in seinem Leben gibt. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Susanne Hofmeister, Ärztin mit Schwerpunkt Anthroposophische Medizin und Biographischer Coach. In ihrem Buch stellt sie ihre eigene Methode der Biografiearbeit vor, die die einzelnen Lebensabschnitte als Jahrsiebte betrachtet und sie in ihrer Aufgabe für das Leben beschreibt.

Anschaulich wird das Ganze durch das Bild des Lebenshauses, in dem jedes Jahrsiebt einen Raum einnimmt – vom Erdgeschoss über die Beletage bis zum Dachatelier und schließlich zur Dachgaube. Kapitel für Kapitel nimmt uns Susanne Hofmeister mit auf eine Reise durch die einzelnen Räume, fordert uns auf, Erinnerungen aus dem jeweiligen Lebensabschnitt wachzurufen, mögliche Ressourcen, die uns heute nützen können, zu erkennen und Selbstannahmesätze zu formulieren. Zum besseren Verständnis schildert sie viele persönliche Erfahrungen sowie die ihrer Klienten.

Ich staunte immer wieder, wie treffend und authentisch sie typische Phasen im Leben beschreibt und wie ähnlich wir Menschen uns doch in unserer Entwicklung sind. Ich erlebte auch so manche Aha-Momente, zum Beispiel als mir klar wurde, dass die natürliche Entwicklung ohne eigenes Zutun in den 30ern endet oder bei der Gegenüberstellung vom vergangenheitsorienterten Ego und dem offenen Zukunfts-Ich. Die Autorin vermittelt ihr Wissen mit viel Feingefühl, einer Prise Humor und sprachlich sehr gewandt in eindrucksvollen Bildern.

Ihr Buch weckt nicht nur die Neugier und Lust, seine einst bewohnten Räume erneut aufzusuchen und eine geheime Choreografie aufzuspüren, sondern ermutigt uns auch dazu, das volle Potenzial des Älterwerdens zu erkennen und die Gestaltung unseres verbleibenden Lebens aktiv und mit viel Lebensfreude in die Hand zu nehmen.

Bewertung vom 14.08.2019
Moodboards
Salentin-Träger, Marianne

Moodboards


ausgezeichnet

Mich hat es schon länger gereizt, ein Moodboard zu entwerfen, doch bisher ist es bei digitalen Collagen geblieben. Nun wollte ich doch genauer wissen, was es mit dieser Kreativtechnik auf sich hat, die so häufig in der Innenarchitektur, Mode, Filmbranche oder im Coaching eingesetzt wird, und wurde auf dieses Buch aufmerksam. Marianne Salentin-Träger und Anja Jahn beschreiben darin, wie man mithilfe dieses Tools seine Projekte, Ziele oder Wünsche bildlich umsetzen und durch die Kraft des Visualisierens verwirklichen kann.

Das Buch ist sehr gut aufgebaut. Nach einer kurzen Erklärung des Begriffs, erläutern die Autorinnen, welche drei Elemente dem Moodboard sein besonderes Potenzial verleihen: die Kraft der Bilder, die Macht der Gedanken und die Relevanz der Gefühle. Die Gestaltung des Buches spiegeln diese drei Aspekte sehr gut wider: Großgedruckte Zitate wechseln sich ab mit farbig hervorgehobenen Textstellen, Grafiken und Abbildungen von verschiedenen Moodboards. Besonders angesprochen haben mich die gelungenen Porträtfotos der vorgestellten Personen, die darüber berichten, wie sie mit Hilfe von Moodboards berufliche oder private Ziele verwirklicht haben.

Mit der Visualisierung von Zielen habe ich selbst schon viele positive Erfahrungen gemacht. Statt digitale Collagen zu layouten, hat das Buch jedoch bei mir große Lust geweckt, zu Pappe, Schere und Klebstoff zu greifen und drauflos zu schnipseln, ganz nach dem Motto der Autorinnen ‚Erst spinnen, dann sinnen und pinnen“. Ich könnte mir vorstellen, dass die haptische Beschäftigung die Fantasie noch stärker anregt. Marianne Salentin-Träger und Anja Jahn vermitteln auf sehr ermutigende und inspirierende Weise wie ein Moodboard helfen kann, in der heutigen Welt, die so viele Optionen und Ablenkung bietet, seine Träume visuell zu konkretisieren, sich täglich darauf zu fokussieren und sich Schritt für Schritt seinem Ziel zu nähern.

Bewertung vom 07.08.2019
Gespräche mit Freunden
Rooney, Sally

Gespräche mit Freunden


ausgezeichnet

Der Buchtitel klingt so harmlos, dass man kaum erahnen kann, auf welch komplexe Beziehungsgeschichte man sich einlässt. Tatsächlich wird in dem Roman von Sally Rooney sehr viel gesprochen und geschrieben, doch es geht nicht nur darum, was gesagt wird, sondern welche Auswirkungen die Worte haben, sowohl die gesprochenen als auch unausgesprochenen.

Die Sprache ist ein Metier, in dem sich die Hauptfiguren auskennen. Ich-Erzählerin Frances studiert Literatur in Dublin und führt mit ihrer besten Freundin und Ex-Liebhaberin Bobbi Spoken-Word-Gedichte auf. Auf einer Poetry Night lernen sie die Fotojournalistin Melissa, einige Tage später ihren Ehemann und Schauspieler Nick kennen und fühlen sich stark zu dem Paar hingezogen; Bobbi zu Melissa und Frances zu dem gutaussehenden Nick.

Als Frances eine Affäre mit Nick beginnt, gerät man immer stärker in den Sog der Geschichte. Wie lange wird das noch gutgehen? Nutzen sie sich gegenseitig aus oder sind wahre Gefühle im Spiel? Nach außen hin gibt sich Frances cool, unnahbar, gefällt sich in der Rolle der intellektuell Überlegenen, doch innerlich wird sie von Selbstzweifel und Emotionen förmlich zerrissen und sehnt sich in Wirklichkeit nach Aufmerksamkeit und Intimität. Sie reflektiert nicht nur ständig über sich selbst und andere, sondern studiert auch ihr Aussehen im Spiegel, auf Fotos und betrachtet sich durch die Augen der anderen.

Spannend ist, wie die unterschiedlichen Charaktere erst langsam an Schärfe gewinnen. In ihren Gesprächen, E-Mails und Briefen entlarven sie sich selbst oder gegenseitig. Auch durch ihre jeweilige Vorgeschichte, die Stück für Stück enthüllt wird, vervollständigt sich das Bild zunehmend.

Scharfsinnig, provokant und ironisch analysiert Sally Rooney Machtverhältnisse in Beziehungen, Geschlechterrollen, Klassenunterschiede und Ängste vor Kontrollverlust. Sie überrascht durch unerwartete Wendungen und ungewöhnliche Metaphern. Ich bin immer noch leicht benommen von der Geschichte und kann es kaum erwarten, ihren zweiten Roman zu lesen.

Bewertung vom 04.08.2019
Wir hier draußen
Hejlskov, Andrea

Wir hier draußen


ausgezeichnet

Viele Menschen, die von der Konsumgesellschaft und vom hektischen Großstadtleben die Nase voll haben, zieht es in die Natur, doch nur wenige wagen einen so radikalen Schritt wie Andrea Hejlskov. In diesem Buch erzählt sie, wie sie mit ihrem Mann Jeppe und ihren fünf Kindern der Zivilisation den Rücken kehrte und lernte, in der Natur zu leben.

Sie ziehen zunächst in eine 16 Quadratmeter große Hütte in einem Waldstück in Schweden und verbringen mit Hilfe eines walderfahrenen Einheimischen Tag für Tag damit, ein Blockhaus zu bauen. „So habe ich mir das nicht vorgestellt." Diesen Satz wiederholt die Autorin und Bloggerin sehr häufig. Sie war auf ein hartes Leben gefasst, doch die Realität übertrifft all ihre Befürchtungen. An Romantik, Idylle und Freiheitsgefühl ist nicht zu denken.

Interessant ist, wie unterschiedlich die Familienmitglieder auf die Lebensumstellung reagieren. Während das Selbstbewusstsein und die Tatkraft ihres Mannes stetig wachsen, fühlt sie sich immer unsicherer und schwächer. Sie leidet nicht nur unter der körperlichen Erschöpfung, sondern auch unter den 'niederen' Arbeiten wie Kochen, Waschen und Putzen. Zudem plagen sie unentwegt Zweifel, Zukunfts- und Existenzängste, die ihre Ehe auf eine harte Probe stellen.

Doch es gibt sie auch: die kurzen Glücksmomente, die ihr deutlich machen, dass sie nicht mehr in ihr altes Leben zurückkehren will. Noch nie hatte die Familie die Gelegenheit, so viel Zeit miteinander zu verbringen und wahre Nähe zu spüren. Andrea Heijskov findet dabei eine ausgewogene Balance zwischen den Schilderungen der inneren und äußeren Welt. Während sie schonungslos ihre Gefühle offenbart und sehr hart mit sich selbst ins Gericht geht, beschreibt sie im nächsten Moment nahezu poetisch jedes einzelne Geräusch im Wald und lässt uns so an der Schönheit der Natur teilhaben.

Wer jemals mit dem Gedanken spielte, ein Leben im Wald zu führen, wird es sich nach der Lektüre zweimal überlegen. Für alle anderen ist dieser Erfahrungsbericht in jeder Hinsicht eine Bereicherung und ein ganz besonderes Leseerlebnis.

Bewertung vom 24.07.2019
Der dunkle Bote / August Emmerich Bd.3
Beer, Alex

Der dunkle Bote / August Emmerich Bd.3


sehr gut

Schauplatz des Romans ist erneut Wien in der Nachkriegszeit. „Der dunkle Bote“, der dem dritten Krimi von Alex Beer den Titel gibt, treibt diesmal sein Unwesen und hinterlässt grausam zugerichtete Leichen. Kriminalkommissar August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter tun sich schwer, einen Zusammenhang zwischen den ermordeten Personen herzustellen. Ein interner Wettkampf treibt die beiden zusätzlich an, den Fall möglichst zügig zu lösen. Dabei hat Emmerich eigentlich ganz andere Sorgen: Er muss seine Lebensgefährtin finden, die vom totgeglaubten brutalen Xaver Koch entführt wurde.

Die Autorin schwört wieder eine so authentische Atmosphäre herauf, dass man das Gefühl hat, man befinde sich selbst mitten im Chaos und Elend der Stadt, die von Hunger und Not, von Aggression und Verbrechen geprägt ist. Sie entführt uns an reale Schauplätze wie den zentralen Friedhof, das Schweineschlachthaus oder den Tandelmarkt. Brutale Jugendgangs, die sogenannten Platten, sowie Geldschmuggler kommen ins Spiel. Alex Beer macht außerdem deutlich, wie Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden und um ihre Rechte kämpften. Die Stadt des Elends hat sich in eine Stadt des Zorns verwandelt, in der Feindbilder geschaffen werden, um seine eigene Haut zu retten und über die Runden zu kommen.

Dass die Ermittler auf die Hilfe des Verbrechers Veit Kolja zurückgreifen müssen, sagt viel über ihre verzweifelte Lage aus. Doch schon in ihren vergangenen Fällen haben sie bewiesen, dass man mitunter unkonventionelle Wege gehen muss, um den Täter zu überlisten. Alex Beer ist wieder einmal eine spannend konstruierte Geschichte in einem überzeugenden Setting gelungen, auch wenn die Handlung nicht ganz so fesselnd war wie in den beiden Vorgängern.

Bewertung vom 21.07.2019
Blumenspiel
Steinert, Hajo

Blumenspiel


ausgezeichnet

Der Roman beginnt mit einer Reise, und zwar einer äußerst strapaziösen, die wir uns sicher nicht freiwillig antun würden. Der Kunstschmied Heinrich Karthaus verlässt im Jahr 1908 seine Heimat Engelskirchen und begibt sich zu Fuß nach Köln, um seine Berufung zu finden. Dort wohnt er zur Untermiete bei der fürsorglichen Else Römer, die sich mehr für ihn interessiert als er für sie. Sein Interesse gilt einzig und allein der Näherin Hedwig, die er schon lange in der Nähstube beobachtet und bei einem Treffen des Deutschen Lärmschutzverbands unerwartet trifft und kennen- und lieben lernt.

Neben den genannten drei Figuren spielt in dieser Geschichte vor allem der Schauplatz eine tragende Rolle. Wir erleben die Stadt Köln im Wandel und das mit all unseren Sinnen. Kenntnisreich erzählt der Autor, wie die Stadt vom Baufieber erfasst wurde, beschreibt Brücken, Parks, edle Kaufhäuser, aber auch gefährliche Gassen und den zunehmenden Lärm, gegen den sich der Lärmschutzverband mit verschiedenen Aktionen auflehnt.

Doch nicht nur die Stadt, auch Heinrich macht einen Wandel durch. Um seine Chancen bei der Arbeitssuche zu erhöhen, hat er sich längst den eleganten Namen Henri Cartouse zugelegt, trägt einen schicken Anzug und sieht, blind vor Liebe für Hedwig, die Stadt, die er anfangs noch bedrohlich und abstoßend fand, auf einmal mit ganz anderen Augen.

Der Roman ist eine wunderbar geschriebene, gut recherchierte Milieustudie, die ich an einem Tag verschlungen habe. Mit großem Vergnügen tauchte ich in die damalige Zeit und die verschiedenen Schauplätze ein und begleitete das Liebespaar bis nach Monte Veritá mitten in die Reformbewegungen.

Bewertung vom 08.07.2019
Die 150 Tage des Markus Morgart
Ritzel, Ulrich

Die 150 Tage des Markus Morgart


gut

Wenn man erfährt, dass jemand, dem man ein Tag zuvor begegnet ist, versucht hat, sich umzubringen, kann einen das ziemlich aus der Fassung bringen. Genau das passiert dem Protagonisten Lukas Gsell. Während eines abendlichen Spaziergangs mit dem Hund des Nachbarn, den er regelmäßig ausführt, sieht er einen fremden Mann auf einer Bank sitzen, wechselt ein paar Worte mit ihm und erfährt am nächsten Tag, dass dieser seinen Kopfschuss überlebt hat, jedoch unter Amnesie leidet.

Gsell lässt dieser Fall nicht los, zumal ihm sein Nachbar, ein ehemaliger Rektor, erzählt, dass er Markus Morgart als Schüler gekannt hat, bis dieser mit seiner Mutter ganz plötzlich Bruggfelden verließ. Zuerst dachte ich, es ist journalistische Neugier, die ihn antreibt, doch er scheint sich vielmehr Morgart gegenüber in der Pflicht zu fühlen und sucht ihn gemeinsam mit Morgarts früherer Mitschülerin Claudia in der Klinik auf.

Gespannt wartet der Leser darauf, mehr über Morgarts Vergangenheit als erfolgreicher Investor und vor allem den Grund seines versuchten Selbstmords zu erfahren, doch die Geschichte entwickelt sich anders als erwartet. Sie handelt mehr davon, wie Gsell Morgart dabei hilft, in sein Leben zurückzufinden. Dazu reisen sie unter anderem nach Paris und Sète, stets Morgarts Adressbüchlein zur Hand, um vergangene Kontakte aufzuspüren.

Da der Autor nicht nur die Perspektive, sondern auch die Erzählform zwischen Bericht, Dialog und Briefform wechselt, tat ich mich schwer, in die Handlung und Figuren hineinzufinden. Ich hatte oft das Gefühl, außen vor zu sein und begriff auch nicht so recht, warum Claudia über Baudelaires oder Paul Valérys Verse sinniert oder Geschichten aus der griechischen Mythologie zitiert werden. Gefallen hat mir, wie bild- und detailreich der Autor den Ausgangsort Bruggfelden und die verschiedenen Stationen der Reise beschreibt, so dass man die Schauplätze sehr lebendig vor Augen hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.06.2019
Nie mehr schämen
Niederwieser, Stephan Konrad

Nie mehr schämen


ausgezeichnet

“Ja, schämst du dich denn überhaupt nicht?“ Nicht selten bekommen Kinder diesen Satz zu hören, wenn sie etwas angestellt oder sich daneben benommen haben. Aber wozu schämt sich der Mensch überhaupt und welchen Einfluss hat es auf unser Fühlen, Denken und die körperliche Gesundheit? Antworten darauf gibt dieses Buch.

Bei Säuglingen und Kleinkindern, so erklärt der Heilpraktiker, erfüllt der Scham-Affekt tatsächlich wichtige Aufgaben. Er ist ein wichtiges Bindeglied zur Bezugsperson und wirkt sich auf die Entwicklung des Selbstbildes aus. Wird Scham jedoch chronisch, kann sie uns ausgrenzen und unser geistiges und emotionales Wachstum hemmen.

Ich war überrascht, wieviele praktische Übungen der Ratgeber enthält. Der Autor lädt uns zunächst ein, unsere eigenen Scham-Themen zu benennen und die Ergebnisse der Übungen und die Veränderungen, die wir dabei erleben, in einem Scham-Tagebuch zu notieren. Viele Anleitungen zielen darauf ab, unsere automatischen Scham-Reaktionen im Körper zu erforschen, indem wir auf unseren Atem, die Körperspannung und Empfindungen achten. Eine interessante Erfahrung für mich war beispielsweise, meine negativen Selbsturteile in Gedanken einem engen Vertrauten vorzuwerfen und festzustellen, wie sich das anfühlt.

Auch die vielfältigen Fallbeispiele und anschaulichen Diagramme helfen zu begreifen, auf welche Weise ein schambesetztes Selbstbild entstehen und wie gefährlich es sich entwickeln kann, wenn es nicht reguliert wird. Der Autor stellt die Scham auch ähnlichen Emotionen wie Schuld, Angst oder Wut gegenüber und zeigt sowohl Parallelen als auch Unterschiede. Betroffene werden sich sicher an der einen oder anderen Stelle wiedererkennen, wenn Niederwieser ganz typische Strategien beschreibt, wie wir uns vor Scham schützen. Was wir stattdessen tun können, um uns von diesem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit zu befreien und unsere Lebensfreude und -energie voll zu entfalten, zeigt uns der Autor abschließend anhand von zahlreichen Übungen.

Das Buch hilft nicht nur, diesem oft nicht ganz greifbaren, unangenehmen Schamgefühl auf den Grund zu gehen und ihn klar zu benennen, sondern auch verschiedenste Methoden der Selbsterfahrung auszuprobieren, um sich Stück für Stück davon zu befreien.

Bewertung vom 04.06.2019
Die Frau im Musée d'Orsay
Foenkinos, David

Die Frau im Musée d'Orsay


sehr gut

Ein Beruf, den ich mir schon immer als ziemlich langweilig vorgestellt habe, ist der des Museumswärters, und das obwohl ich mich für Kunst interessiere. Genau auf diese Tätigkeit hat es jedoch Antoine Durin, Held dieses Romans abgesehen. Völlig überstürzt verlässt er seinen Posten als Professor an der Hochschule der Schönen Künste in Lyon, um in Paris einen Neuanfang zu wagen.

David Foenkinos zeichnet einen Mann, der gesellschaftlichen Zwängen entkommen, sich unsichtbar machen und einfach nur von schönen Gemälden umgeben sein will – bis er Mathilde Mattel, die Personalchefin des Museums, näher kennenlernt. Ihre Begegnungen und Verabredungen schildert der Autor voller Poesie. Gerade durch das Unausgesprochene entfaltet sich eine besondere Atmosphäre und Magie zwischen ihnen.

Ich ertappte mich dabei, wie ich mehrmals wunderbare Sätze unterstrich wie „Die Schönheit war immer noch das beste Mittel gegen den Zweifel“ oder „Das Absurde ist immer ein guter Freund brennender Sehnsucht“. Natürlich endet die Gechichte nicht einfach mit einem Happy End, denn da ist ja noch die Vergangenheit von Antoine, die ihn noch immer quält, aber über die er partout nicht sprechen will. Erst durch Mathilde gelingt es ihm, sich einem tragischen Ereignis zu stellen, über das der Leser im dritten Teil endlich mehr erfährt.

Das Besondere an diesem leise erzählten Roman ist nicht nur die ungewöhnliche Konstruktion, sondern auch die feinen Nuancen. Ganz plötzlich schlägt eine Stimmung voller Leichtigkeit und Lebensfreude um in Enttäuschung, Düsterheit oder unfassbares Leid. Foenkinos zeigt einerseits, wie zerbrechlich das Glück ist und andererseits wie die Schönen Künste Trost spenden, den Schmerz lindern und im besten Fall sogar neue Hoffnung und Lebensfreude wecken können.

Bewertung vom 01.06.2019
Der Weg zur Gelassenheit
Pörner, Gabi

Der Weg zur Gelassenheit


ausgezeichnet

Vor allem der Einstieg ließ mich zu diesem Buch greifen. Gabi Pörner beschreibt einen Alltag, in dem ich mich exakt wiedererkannte: durch den Tag hetzen und den Aufgaben hinterher hecheln, viel zu viel Zeit für Zeitoptimierung verschwenden und obendrein das Gefühl haben, den eigenen Ansprüchen und den Erwartungen anderer nicht gerecht zu werden. Wie konnte ich diesem Wahnsinn entfliehen?

Gleich zu Beginn erläutert die Autorin, wie Stress überhaupt entsteht und was hinter dem Gefühl des Getriebenseins steckt. Unser konditionierte Verstand überlagert unsere Lebensfreude und Lebendigkeit, schreibt sie. 'Loslassen' ist das Zauberwort, das ich in dem Zusammenhang schon oft gehört habe und was mir immer besser gelingt, doch die Autorin nennt noch weitere wie Zulassen, Sein Lassen und Einlassen. Klingt für mich einleuchtend.

Ihre vielzähligen Beispiele für typische Verhaltensmuster im Beruf und Beziehungen machen deutlich, wieviel man wider Erwarten selbst in der Hand hat. Manchmal habe ich das Gefühl, nur noch funktionieren zu müssen und komme mir ein Zombie vor, aber es geht auch anders. Im Kapitel über Glaubenssätze, die maßgeblich unsere Gedanken und uns er Verhalten prägen, zeigt sie den Weg von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortung.

Auch wenn ich mich schon viel mit dem Thema beschäftigt habe, konnte ich in diesem Ratgeber neue Einsichten und wertvolle Anregungen gewinnen. Meinen bevorstehenden Urlaub werde ich nicht nur zur Entspannung, sondern auch dazu nutzen, die vielen praktischen Übungen auszuprobieren, damit meine Erholung möglichst lange anhält.