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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 633 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2023
Alles muss man selber machen
Berg, Ellen

Alles muss man selber machen


ausgezeichnet

In dieser amüsanten Komödie, geht es um drei Frauen, die durch Geldsorgen ungeahnte Kräfte mobilisieren und kreative Ideen entwickeln (die auch mal Gesetze umschiffen), um ihre Kasse aufzubessern. Ellen Berg schreibt über ein ernstes und aktuelles Thema mit soviel Humor, dass die Tragik darin beinahe nebensächlich wird.

Die Ich-Erzählerin ist die Kosmetikerin Nele, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, ehrlich und gutherzig, aber in finanziellen Nöten. Als sie ihre sonst so gut betuchte Freundin Fiona trifft, erfährt sie von deren überraschenden Geldsorgen und so entsteht ein unglaublich lustiges Szenario, als Fiona versucht, ihren Schmuck zu verkaufen, was einiges ins Rollen bringt. Hermine ist die dritte im Bunde. Als sie von den Geschehnissen hört, beichtet auch sie von ihren finanziellen Engpässen. Außerdem hat Nele mit dem Polizisten Nick angebandelt, der nicht auf den Kopf gefallen ist. Eigentlich wäre Distanz angebracht, aber Nele ist total verknallt. Hier ist also einiges an Problemen vorprogrammiert.

Schicksalsschläge, Inflation, unglückliche Entscheidungen „und das Geld schmilzt wie Butter in der Sonne“. Die drei Freundinnen wirken sehr authentisch und ihr Handeln nachvollziehbar - ist es doch stets mit guten Absichten. Nebenbei gibt es noch jede Menge Spartips und treffsichere Kritik an Problemen unserer Zeit. Es ist die herzerwärmende Freundschaft, die mir besonders gefallen hat. Dazu gibts witzige Dialoge und überraschende Wendungen. Da verzeiht man auch die ein oder andere Konstruktion, bei der mal wieder sehr viel Glück und Zufall einfließen. Auch die besondere Mutter-Tochter-Beziehung, in der Nele immer wieder auf ihre wissbegieriger Tochter eingeht und sich wie eine Löwin für sie einsetzt, fand ich wunderbar.

"Alles muss man selber machen" plädiert mit positiv besetzten Heldinnen für mehr Gleichberechtigung, Gerechtigkeit, sowie ein offenen Frauenbild und ist auch als humorvolle Abrechnung zu verstehen, für all die Ungerechtigkeiten in einer Kultur, die noch immer Männer bevorzugt, diskriminiert und ein eingeengt konservatives Frauenbild vertritt. Das verschafft beim Lesen und vor allem am Ende eine angenehme Genugtuung, weil Nele, Fiona und Hermine kämpferisch und tapfer diese klischeehaften Rollen von sich abstreifen (wenn auch nicht ganz freiwillig) und unsere Vorstellungswelt erweitern, auch wegen ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen. Damit ist "Alles muss man selber machen“ auch eine Aufforderung, die eigenen Annahmen zu hinterfragen und sich nicht alles gefallen zu lassen.

Bewertung vom 24.07.2023
Der Liebende
Ehrenhauser, Martin

Der Liebende


ausgezeichnet

„Deine Liebe geht ja nicht, sie bleibt bei mir.“

Ich bin absolut hingerissen von dieser kleinen Geschichte über einen pensionierten Priester in Brüssel, der sein Leben im Zölibat gelebt hat und sich nun zu seiner Nachbarin hingezogen fühlt.

So, wie sich Monsieur Haslinger um herrenlose Pflanzen kümmert, hat er sich in seiner Berufung als Seelsorger auch um Menschen gekümmert. Seit einer flüchtigen Begegnung auf dem Balkon geht ihm seine Nachbarin Madame Janssen nicht mehr aus dem Kopf. Sie ist eine humorvolle Frau, die gelassene Gewandtheit und Lebenslust ausstrahlt. Sie lernen sich schließlich näher kennen, trinken Tee, machen Spaziergänge, bis schließlich aus Verlegenheit eine liebevolle Nähe entsteht.

Ich mochte vor allem ihre feinsinnigen Gespräche; höflich, klug und charmant in ihrer Klarheit, indem die Figuren respektvoll zum Ausdruck bringen, was sie bewegt. Diese aufkeimende Beziehung und die schönen und schweren Themen fließen in ausgewogener Balance durch die Seiten, während man die Schönheit des Lebens spürt. Martin Ehrenhauser schreibt achtvoll und mit feiner Beobachtungsgabe. Durch die klaren, kurzen Sätze und die angenehme Stimme von Hans Jürgen Stockerl, der das Hörbuch liest, entsteht eine ruhige Atmosphäre, die zum Träumen und Verweilen einlädt.

Es ist eine sehr schöne und berührende Geschichte, die, mit ein bisschen stillvoller Erotik, von der Liebe erzählt, dem Sterben und der Einsamkeit im Alter. Es war eine wohltuende Leseerfahrung, die ich jedem nur empfehlen kann, der den hektischen Alltag hinter sich lassen will. Sowohl das Buch als auch das atmosphärisch eingelesene Hörbuch sind sehr lesens- bzw. hörenswert.

Bewertung vom 24.07.2023
Dunkelaura / Die Legende des Phönix Bd.1
Milán, Greta

Dunkelaura / Die Legende des Phönix Bd.1


gut

„Entscheidend ist, wie wir selbst uns sehen.
Nur das macht uns außergewöhnlich.“

Die Legenden um den Phönix sind mystisch und faszinierend. Er hat sich für die Menschheit geopfert. Darin begründet die geheime Phönixallianz, ausgestattet mit unterschiedlichen Superheldenkräften, den Kampf gegen die Rouges, die Menschen ihr Licht rauben, die dann selbst zu grausam zobieartigen Kreaturen werden.

Eden hat einen sehr sympathischen und klugen Charakter. Sie engagiert sich als Trainee ehrenamtlich im Youth Center und arbeitet mit Jugendlichen, die aus armen und kriminellen Familien kommen. Sie träumt vom College und sorgt für ihren kranken Vater. Doch dieses Leben scheint vorbei, als sie von Rouges angegriffen wird und sich als Phönixkriegerin entpuppt, die ihre Ausbildung in Little Meadows beginnt. Mit ihrer Empathie und dem neutralen Blick eines Neuankömmlings, ist sie ein großer Gewinn für die Gruppe. Spannend fand ich hier die ethische Frage, die Eden aufwirft, weil sie nicht gegen die Rouges kämpfen will. Sie übt Kritik an der Ausübung und Vorgehensweise der Phönixkrieger. Doch das ist in den Augen von Kane und der Anführerin Una ihre größte Schwäche. Dabei möchte Eden nur dazugehören und in die Phönixallianz aufgenommen werden.

Die Beziehung zu Kane gestaltet sich vorhersehbar, in einem Auf und Ab der Gefühle. Von kühl und abweisend, bis anziehend und freundschaftlich, obwohl beide zugeben, dass sie sich mögen. Man hat nämlich Einblicke in beide Perspektiven, was ich sehr gelungen fand. So ließen sich diese widersprüchlichen Gefühle glaubhaft nachvollziehen. Meine Lesemotivation bestand vor allem darin, zu erfahren, wie es mit Eden weitergeht, warum sie eine Phönixkriegerin ist und welche Kräfte sie erhält. Ihre Eingewöhnung in die Gemeinschaft der Phönixkrieger erinnerte manchmal an eine Daily Soap, wie der Charakter Aaron im Buch selbst so treffend feststellt. Über mehre hundert Seiten verliert die Story an Tempo, wie das manchmal bei Reihenauftakten ist, wo sich viel Zeit für die Einführung der Charaktere genommen wird und sich nach und nach entschlüsselt, worum es eigentlich geht. Dadurch steckt man sehr in Edens Figur, für die auch alles neu ist und erst mit der Zeit einen Sinn ergibt.

Insgesamt war mir die Fantasy-Komponente aber noch zu schwach. Es finden sich zudem viele bekannte Motive und es wird auf Altbewährtes zurückgegriffen, das funktioniert, wie die Lovestory zwischen Eden und Kane zeigt. Trotzdem gibt es aber ein paar Wendungen, die sich nicht im Detail erahnen lassen, viele Interessante Ideen und besonders im letzten Drittel zieht das Tempo an und macht große Lust auf die Fortsetzung, die mehr nach meinem Geschmack sein könnte.

Bewertung vom 24.07.2023
Treacle Walker
Garner, Alan

Treacle Walker


sehr gut

Als der Lumpensammler vorbeigefahren kommt, tauscht der kleine Joseph Coppock seinen Pyjama gegen ein rundes Keramiktöpfen. Dabei staunt er nicht schlecht, als auf diesem plötzlich auf magische Weise sein Name erscheint. Als er den Lumpensammler schließlich einlädt, verrät dieser seinen Namen: Treacle Walker. Er spricht in Rätseln und bleibt eine geheimnisvolle Figur, die auftaucht und wieder verschwindet, dabei aber stets eingeladen werden möchte, bevor er das Haus betritt. Beim Lesen fragt man sich, was das alles zu bedeuten hat, so temporeich schreitet die Handlung in kurzen Kapiteln voran. Die magisch anmutenden Merkwürdigkeiten häufen sich. Es erfordert höchste Konzentration beim Lesen, um auch das zu erfahren, was nicht in Buchstaben auf den Seiten zu finden ist. Vielleicht ist deswegen nach jedem Kapitel ein bisschen Luft - zum Durchatmen wohlmöglich. Denn selbst Hauptfigur Joe fragt sich, was mit ihm und seinen Augen passiert, als der Spiegel ihm Streiche spielt und sein Comic zum Leben erwacht. Er sieht Dinge, die doch niemals wahr sein können. Außerdem begegnet er merkwürdigen Gestalten. Ich erinnere mich gern an Thin, dem Joe im Sumpf begegnet, nachdem er einige Zeit im Wald war und Schwierigkeiten hatte, den Heimweg zu finden. Es ist eine anregende Wundertüte an Ideen. Dieser verspielt fantasievolle Ansatz findet sich auch in der Wortwelt wieder, geprägt von Reimen und Altertümlichkeit, die herausfordernd sein kann, und kreiert scheinbar märchenhaft ein Verwirrspiel aus Wirklichkeit und Magie, angesiedelt in der britischen Folklore. Die Dialoge wirken spontan und zwanglos - hier sind es die Dinge, die ohne Erklärungen geschehen und Raum für Interpretation lassen.

Fazit: Kurzweilige Geschichte, die unsere Welt auf magische Weise auf den Kopf stellt. Für alle empfehlenswert, die Lust auf eine etwas andere Leseerfahrung haben und ihre Vorstellungskraft herausfordern wollen.

Bewertung vom 24.07.2023
October, October
Balen, Katya

October, October


ausgezeichnet

Sie lebt mitten im Wald, und sie ist wild und frei… “October, October" erzählt von einem elfjährigen Mädchen, das bei ihrem Vater in der Wildnis aufgewachsen ist, nie eine Schule besucht hat und fortan in London bei ihrer Mutter leben soll. Alles fühlt sich verkehrt an. Zu viele Geräuschen, zu viele Menschen und all die neuen Eindrücke machen October zu schaffen. Ob sich je alles wieder gut anfühlen wird?

Bereits in einer der ersten Szenen, in der October mit ihrem Vater in das nächste Städtchen fährt, wird deutlich, wie zurückgezogen sie leben und welche Ängste in October entstehen, wenn sie ihre vertraute Umgebung verlassen muss. Jeder kennt das Gefühl, dass man sich wünscht, alles wäre so wie vorher, weil unvorhergesehene Schicksalsschläge Veränderungen erzwungen haben, denen man sich nicht gewachsen fühlt.

October ist ein ungewöhnlicher Name für ein Mädchen und wie es der Name schon erahnen lässt, liebt sie den herbstlichen Oktobermonat, in dem sie geboren wurde. Sie mag es, sich Geschichten auszudenken, mit ihrer Fantasie durch den Wald zu streifen und kleine Schätze zu finden. Eine besondere Rolle kommt der kleinen Schleiereule Stig zu, die October im Wald findet, denn ihre Schicksale ähneln sich und Stig bedeutet ihr viel, als letzte Verbindung zu ihrer wilden Seite. Ihre Mutter nennt October nur, „die Frau, die meine Mutter ist“. Diese Distanz hat seinen Grund, denn während ihr Vater sich im Wald heimisch fühlte, sehnte sich ihre Mutter nach Trubel und Komfort und ging in die Stadt zurück. October fühlt sich von ihr verlassen und tut sich schwer, ihr zu vertrauen.

Octobers Einzigartigkeit findet sich auch im Schreibstil wieder. Katja Balen erzählt diese aufwühlende Reise sehr eindringlich und konsequent aus Octobers kindlicher Perspektive, voller bildhafter Vergleiche und dem Versuch, Gefühle durch Worte greifbar zu machen. Dabei gibt es kaum wörtliche Rede. Einige Zeilen im Buch sind fettgedruckt hervorgehoben, ganz ohne Satzzeichen sprudelt der Text überschwänglich hervor, um zu verdeutlichen wie verwirrend und beängstigend die Situationen für October ist. Dadurch gelingt es besser, ihre einzigartige Gedanken- und Gefühlswelt zu verstehen und ihr Handeln nachzuvollziehen.

Ich mochte die Idee, Worte aufsteigen zu lassen und das Geschichten, Freundschaft und Verständnis, aber vor allem ihre eigene Kraft October helfen, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Katja Balen zeigt, wie wertvoll es ist, für Veränderungen offen zu sein, ohne sich selbst zu verlieren, die Hoffnung nicht aufzugeben und mit den Herausforderungen des Lebens zu wachsen. Das macht diese Geschichte so wertvoll und October zu einer starken Protagonistin mit Stärken und Schwächen. Ein persönliches Highlight war für mich das atmosphärische London und die kleine Schleiereule Stig. Große Empfehlung für alle ab 11 Jahren, die sich wild im Herzen fühlen und Lust auf ein ganz besonderes Leseerlebnis haben.

Bewertung vom 13.07.2023
Tritt ein, wenn du dich traust! (Tritt ein!, Bd. 1)
Brezina, Thomas

Tritt ein, wenn du dich traust! (Tritt ein!, Bd. 1)


ausgezeichnet

"Tritt ein, wenn du dich traust!“ ist eine Einladung für alle, die Bücher suchen, die aktiv das Lesen fördern und mit vielen Illustrationen, Humor und rasant spannender Handlung die Lesemotivation aufrecht erhalten. Es geht um Freundschaft, Mut, Kreativität, aber auch um die Gefahren der medialen Unterhaltung.

Hauptfigur ist Bente, der, vom Unglück begleitet, ganz durchschnittlich durchs Leben schlittert und dabei so gerne zu den Coolen gehören würde. Mit seinen beiden Schwestern und seinen Eltern ist er gerade erst umgezogen und erlebt bereits an seinem ersten Schultag etwas völlig Verrücktes, als eine Tür vor ihm auftaucht, die seinen Mut herausfordert.

Bente ist sehr nahbar und sympathisch, denn er muss einige Pannen und Pleiten über sich ergehen lassen, die natürlich auch für viele lustige Situationen sorgen. Als Held wider Willen fiebert man natürlich mit und verliert nicht den Glauben an Bente.

Der comichafte Illustrationstil und die große Schrift gestalten kindgerecht die Seiten. Kurze Hauptsätze erleichtern das Lesen, die unterschiedlichen Schriftarten und -größen bringen Dynamik in die Seiten, können aber herausfordernd sein. Auf jeder Seite finden sich Zeichnungen, die den Humor noch hervorheben und es sind u.a. Steckbriefe und andere kreative Ideen, die für Abwechslung sorgen. Absolut außergewöhnlich ist dabei, dass man das Buch wenden muss, sobald Bente durch die Tür tritt.

Fazit: Ein amüsantes, spannendes, kreatives und aufwendig gestaltet Abenteuerbuch. Perfekt für die Ferien und alle, die ein bisschen mehr Lesemotivation brauchen.

Bewertung vom 13.07.2023
Jessi, die Raubhäsin (Klein, aber oho!)
Lüftner, Kai

Jessi, die Raubhäsin (Klein, aber oho!)


sehr gut

Am Anfang ist da diese kleine, kuschelige Mini-Häschen namens Jessileinchen, mit riesigen Kulleraugen, brav, angepasst und niedlich. Die kleine Häsin wächst, wird groß und reift zu einem Pupertierchen heran. Dann folgt ein Zeitsprung und man sieht eine wilde Häsin durch die Wildnis streifen: finsterer Blick, strubbeliger Fell und eingerissene Ohren. Jessi ist kaum wiederzukennen! Sie passt sich nicht an, macht ihre ganz eigenen Regeln und wird im Wald gefürchtet. Sie raubt Fuchs, Schlange und Eule die Beute vor der Nase weg. Umgekehrte Welt, Rebellion gegen die Natur, die Räuber gehen lehr aus, die Beute wird gerettet. Das ist natürlich eine sehr oberflächliche Ansicht, wenn man bedenkt, dass die Fressfeinde mit leerem Magen schnell selbst zur Beute werden, weil der Kreislauf unterbrochen wird. Darüber sollte man als Erwachsener einmal großzügig hinwegsehen, vor allem, wenn man das Ende kennt, wobei das auch zu Gesprächen einladen könnte. Kinder haben dazu ihre ganz eigenen Gedanken. Die geretteten Tiere sind Superhäsin Jessi nämlich sehr dankbar für ihre Hilfe und sie inspiriert als Heldin zur Nachahmung. Angebote Freundschaft lehnt Jessi jedoch ab, sie möchte lieber allein und unabhängig sein. Hier kündigt sich schon Entwicklungspotenzial an, die letztlich in einer tollen Botschaft mündet.

Das große Buchformat räumt dem vielen Text und der etwas längeren Geschichte genügend Platz ein. Die Reime sind (meistens) klangvoll und humorvoll, was beim Vorlesen immer besonders vergnüglich ist, aber nicht immer ganz einfach beim Selberlesen. Dabei wiederholt sich stets der Satz „Dieser Wald, so viel ist klar, ist nicht mehr, was er früher war.“ Den kann man dann irgendwann auswendig mitsprechen. Das kommt gut an! Bei den Illustrationen hätte ich mir mehr Detailreichtum gewünscht. Durch das große Buchformat wirken die Illustrationen etwas verwaschen und unscharf - oft gewollt, um Bewegung darzustellen. Dazu muss man sagen, dass Jessi auf manchen Bildern wirklich unheimlich aussieht. Jessi hat Potenzial und ich würde es empfehlen, wenn man ungewöhnliche Bilderbücher sucht, die in Reimform geschrieben sind.

Bewertung vom 13.07.2023
Scurry 1
Smith, Mac

Scurry 1


ausgezeichnet

Die Lage scheint aussichtslos. Die Welt ist düster geworden, die Nahrung knapp. Die Menschen sind fort und das Leben für die Tiere hat sich auf herausfordernde Weise geändert. Die Maus Wix und sein Freund Umf kundschaften die verlassenen Häuser aus, um nach Futter zu suchen. Die Mäusekolonie kämpft um das Überleben. Die junge Pict und ihr Vater Orim versuchen an einer diplomatischen Lösung mitzuwirken, in der es darum geht, einen Lastwagen mit Vorräten zu finden, anstatt in die Stadt umzusiedeln. Werte und gemeinschaftliche Interessen lassen sich jedoch schwer vereinbaren, weshalb sich Intrigen androhen. Zudem lauern draußen gefrässige Fressfeine, die ebenso viel Hunger haben, wie sie.

Die Illustrationen sind einfach fantastisch. Beindruckend, atmosphärisch und detailreich erinnern diese an aufwendig produzierte Animationsfilme, die einen zum Staunen bringen. Die schwarze Umrandung setzt jedes Bild gekonnt in Szene. Die Figuren kommen dabei gut zur Geltung und es wird sich Zeit genommen, ihnen passende Eigenschaften zu verleihen. Dialogreiche Szenen wechseln sich mit Action und Spannung ab. Dabei wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wodurch man erfährt, was in der Kolonie geschieht und draußen in der dystopischen Welt, für Gefahren lauern. Es gibt einige Andeutungen, die große Lust auf die die Fortsetzung macht. Zwischen den Zeilen und in in Details der Zeichnungen findet man zudem einige Hinweise dafür, was mit den Menschen passiert sein könnte. Insgesamt geht es aber darum, die Geschichte aus der Sicht der Tiere zu erzählen. Die Charaktervorstellung hätte ich mir auf den ersten Seiten gewünscht und nicht am Ende.

Fazit: eine mitreißende Story und sehr empfehlenswert für alle Comicfans und alle, die welche werden wollen.

Bewertung vom 13.07.2023
Meck und Schneck. Ein Löwe ist kein Kuscheltier
Engler, Michael

Meck und Schneck. Ein Löwe ist kein Kuscheltier


ausgezeichnet

In dieser Bilderbuchgeschichte geht es um eine Schnecke, die sich auf eine abenteuerliche Reise macht, um einen Löwen zu fangen. Dabei muss sie immer wieder ihre Angst überwinden und lernt, mutig zu sein.

Verunsichert nach all den negativen Glaubenssätzen der anderen Tiere, traut sich Schneck nichts mehr zu. Das beeinflusst das Selbstbild und schürt Ängste. Löwen stehen für Mut und Stärke und deshalb liegt es nahe, dass Schneck einen Löwen fangen muss, um mutig zu werden - und, weil das Löwenfangen zu Zweit viel lustiger ist, wird Schneck von Meck begleitet, der sich als toller Freund erweist. Sie erleben viele kleine Abenteuer und Meck ermuntert Schneck, scheinbar unlösbare Aufgaben zu bewältigen. Dabei wächst Schnecke über sich hinaus, bis er schließlich bereit ist, einen Löwen zu fangen. Wie das dann aussieht, wird euch überraschen.

Eine tiefgründige und wertvolle Buchidee, sehr einfach und kindgerecht dargestellt, die zeigt, dass andere dabei helfen können, den eigenen Mut zu finden und Neues auszuprobieren. Diese Botschaft spendet kleinen Angsthasen Hoffnung, dass es nicht auf die Größe ankommt und es ganz normal ist, Angst zu haben. Schneck setzt sich ein Ziel und arbeitet zielstrebig darauf hin, wobei sich am Ende zeigt, der Weg war das Ziel. Eine wertvolle Botschaft, die zu Gesprächen einlädt und das Buch auch für Ältere interessant macht.

Fazit: Ein tolles Bilderbuch, das nachwirkt und vermittelt, glaub nicht, was andere dir über dich sagen, probiere es trotzdem aus. Mit großzügigen Illustrationen, die unaufgeregt die Story ergänzen, ohne mit zu vielen Details vom Text abzulenken. Für alle, die ein Wohlfühl-Vorlesebuch suchen, mit einer schönen Geschichte über Mut und Freundschaft und ganz viel Tiefgang.

Bewertung vom 13.07.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


ausgezeichnet

Ein Roman, der mich nachhaltig beeindruckt hat. Es geht um eine starke weibliche Hauptfigur, die, trotz aller Katastrophen in ihrem Leben, entschlossen ihrem Weg folgt, eng heimatlich verbunden und voller Ehrfurcht und Liebe für die wilde Landschaft.

Die Story erstreckt sich über viele Jahre und beginnt 1948: die 17-jährige Victoria lebt mit Vater, Bruder und Onkel in dem kleinen Städtchen Iola auf einer Farm, dessen ganzer Stolz die Pfirsichbäume sind. Victoria lernt einen charmanten Vagabunden kennen und verliebt sich. Nur sie scheint ihn mit ganz anderen Augen zu sehen, denn die Gemeinde reagiert mit Intoleranz und Hass auf den Eindringling, der Victorias Leben verändern wird.

Victoria ist eine sehr beeindruckende Frau, die trotz ihrer Widerstandskraft nie ihre Feingefühl verliert und durch ihre Echtheit eine besondere Kraft und Leidenschaft entwickelt. Dabei war es die Faszination und Schönheit, die mich beim Lesen einfing, während ich wissen wollte, wie es mit Victoria weitergeht. Mir hat besonders der Hauch des Unerwarteten gefallen, denn es geht auch um die Rolle der Frau, ungewollte Kinderlosigkeit, Zusammenhalt und Freundschaft. Shelley Read schafft es schwierige Themen nachvollziehbar darzustellen, ohne das die Lektüre schwermütig wird. Dadurch gewinnt der Roman an Tiefe, ohne dass das Lesevergnügen leidet.
Ich verlor mich auch ganz in der landschaftlichen Atmosphäre. Shelley Read beweist ein feines Gespür für Details und kreiert träumerische Beschreibungen. Sowohl ihre klugen Figuren als auch die klaren Worte haben mich inspiriert, wie schon lange kein Roman mehr, weshalb ich "So weit der Fluss uns trägt" jedem empfehlen würde, der Trost und wilde Kraft in einem Roman sucht, der eine unterhaltsam anregende Idee davon vermittelt, wie wir dieser Unberechenbarkeit begegnen können. Unvergesslich, toll geschrieben und einfach schön.