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SBS

Bewertungen

Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 02.04.2020
Die Kunst des stilvollen Wanderns - Ein philosophischer Wegweiser
Graham, Stephen

Die Kunst des stilvollen Wanderns - Ein philosophischer Wegweiser


sehr gut

Ein fast 100 Jahre alter Wegweiser zum Wandern. Kann man damit wirklich heute noch was anfangen? Eindeutig ja, selbst wenn man dem Wandern nicht so sehr zugeneigt ist, wie das der Autor war, kann man einiges rund um das Thema Wanderlust (-frust, wenn man es falsch angeht) aus dem Buch mitnehmen.
Was benötigt man, um weite Strecken zurückzulegen? Welche Eigenschaften und Ausrüstung machen das Wandern zu einem Genuss, bei dem auch philosophische Überlegungen ganz von allein kommen, weil man sich dem Wandern einfach hingeben kann? Diesen, wenn auch teils banalen Fragen, wie dem richtigen Schuhwerk und vielen weiteren Fragen geht der Autor nach. Wunderschön fand ich auch die Landschaftsbeschreibungen und die Eigenarten verschiedener Menschen, die der Autor kennengelernt hat.
Nicht alle Kapitel haben mich gleichermaßen gefesselt, dafür haben es andere geschafft mich zu fesseln, dabei hätte ich nicht gedacht, dass mich Überlegungen zu Tabak interessieren könnten.
Wochen oder gar Monate zu wandern, ohne Zelt unter freiem Himmel zu schlafen und ähnliches werde ich auch nach der interessanten Lektüre ganz sicher nicht nachmachen, aber es hat mich sehr unterhalten, was der Autor erlebt hat und welche Tipps er gibt, selbst wenn sie heute so nicht mehr umsetzbar/nötig sind, trotzdem hat überraschend vieles heute noch Gültigkeit, beispielsweise die Überlegungen zu den Weggefährten. Und ich habe auch einen ganz konkreten Tipp mitgenommen, den ich bei nächster Gelegenheit mal ausprobieren werden – das Wandern in einer Stadt im Zick-zack-Kurs.
Die Sprache ist leicht verständlich und hat nichts übermäßig Antiquiertes an sich. Zahlreiche Bezüge sind heute vielleicht nicht mehr so verständlich doch dafür gibt es einen schönen Anhang, der nach Kapiteln unterteilt weitere Informationen und Erklärungen bietet. Zudem hat es der Autor tatsächlich mehrfach geschafft mich zum Lachen zu bringen, während mich das Kapitel „Fremde“ nicht selten ob der ganzen Vorurteile den Kopf schütteln ließ (nicht über den weltoffenen Autor!)
Das edel gestaltete Buch dieses Globetrotters ist ein besonders schönes Geschenk für Wanderer.

Bewertung vom 02.04.2020
Miracle Creek
Kim, Angie

Miracle Creek


ausgezeichnet

Ein grässliches Feuer in einer medizinischen Einrichtung in dem kleinen, amerikanischen Ort „Miracle Creek“ zerstört das Leben vieler Menschen. Alle Beteiligten wollten Linderung verschiedener Krankheiten durch eine Sauerstofftherapie erreichen, doch eine Explosion richtet verheerenden Schaden an. Es gab zwei Tote, die Verletzungen anderer sind einschneidend und eine Mutter steht im Verdacht das Feuer gelegt zu haben. Mit dem Prozess beginnt die Geschichte…

…die mich nach wenigen Seiten schon sehr mitgenommen hat. Bei dem Unglück sind der achtjährige Autist Henry und eine Mutter, die ihren Sohn in der Druckkammer begleitet hat, ihren schweren Verletzungen erlegen. Aufgrund verschiedener Aspekte, die der Leser nach und nach erfährt, ist Henrys Mutter dringend tatverdächtig und gegen sie wird der Prozess gemacht. Dabei zeigt sich schnell, dass alle in irgendeine Art Geheimnisse haben. Manche sind einfach nur unschön, manche scheinen tiefgreifender zu sein, als man das erst einmal erwarten würde.
Rückblicke auf die Ereignisse in das Jahr zuvor, von heimlichen Treffen, verdrehten Worten und schlechtem Gewissen reicht die Palette. Wie sich das amerikanische Leben für die südkoreanische Einwanderfamilie Yoo auswirkt ist extrem gut dargestellt.

Der Schreibstil ist detailreich und die allmähliche Rekonstruktion des Jahres mit allen Geheimnissen aus den verschiedenen Perspektiven, teils vor aller Öffentlichkeit im Gerichtssaal präsentiert, teils von Dritten im Geheimen aufgedeckt oder aufgrund eines schlechten Gewissens verraten, ergibt nach und nach ein stimmiges Gesamtbild. Der Leser rätselt ständig mit und die Situation spitzt sich immer wieder zu. Unweigerlich beginnt der Leser auch die Schuldfrage zu stellen und wer wie viel Anteil an dem Unglück hat. Es gibt immer wieder Widersprüche und man merkt, dass man den Leuten nicht unbesehen glauben kann. Emotional bedient die Geschichte eine ganze Palette. Die Krankheiten der Kinder, die behandelt werden sollten und der zahlreichen alltäglichen Schwierigkeiten, die sich daraus für Eltern ergeben, aber auch unerfüllte Kinderwünsche und integrative Probleme sind Thema, sodass eine ganze Bandbreite an Schwierigkeiten angesprochen wird. Das erscheint fast zu viel, um in einem Buch behandelt zu werden, aber die Autorin webt eine vielschichtige und überzeugende Geschichte, deren Ausgang mich auch überzeugt hat.

Insgesamt ein spannender Gerichtsthriller bei dem Identität, Rassismus, Krankheit, Eltern, die Opfer für ihre Kinder bringen und die Wahrheit, mit ihren Facetten, zentral sind. Mich erinnerte das Buch ein wenig an Law&Order, nur in tiefgründiger.

Bewertung vom 01.04.2020
The Doll Factory
Macneal, Elizabeth

The Doll Factory


sehr gut

Iris arbeitet mit ihrer Schwester in einem Puppenladen, doch glücklich ist sie nicht, denn in ihr schlummert eine Künstlerin. Gegen alle familiären Widerstände nutzt sie ihre Chance, als ein talentierter Künstler ihr ein Angebot macht. Unbemerkt gerät die junge Frau ins Visier eines anderen Mannes – und damit in Gefahr.

Das London um 1850 fand ich toll dargestellt. Immer wieder hatte ich das Gefühl mit den Erzählern durch die engen, verdreckten Straßen zwischen Kutschen zu eilen, die Weltausstellung zu sehen, im Atelier dabei zu sein oder die Stimmung in den Kneipen mitzuerleben. Der bildhafte Schreibstil, die wunderbaren Charakterisierungen und vor allem die Einblicke in die Künstlerszene haben mich auf ganzer Linie überzeugt. Gelungen sind auch die teils sehr düstere Atmosphäre sowie die gesellschaftlichen Moralvorstellungen, die aus heutiger Sicht dem Leser sicher den einen oder anderen Schmunzler und manches Kopfschütteln entlocken.

Die Charaktere sind toll, facettenreich und authentisch beschrieben. Da ist die starke Iris, die sich gegen ihre Familie stellt und ihren Traum lebt, der locker in den Tag lebende Künstler Louis oder auch der Junge, Albie (mein heimlicher Star des Buches), der sich, so gut es geht, um seine Schwester kümmert. Doch auch Silas, der Präparator und sein Geschäft voller Kuriositäten sind überzeugend dargestellt. Schnell wird dem Leser deutlich, dass dieser Charakter eine bedrohliche Seite an sich hat, doch nicht alle merken das und so spitzt sich die Situation immer weiter zu. Auch wenn der Leser eine gewisse Ahnung über den weiteren Verlauf haben dürfte, bleibt es meist spannend. Vor allem das Ende hat es dann richtig in sich und man mag das Buch kaum mehr zur Seite legen.

Insgesamt ist das Buch extrem durchdacht und durch die zahlreichen, aber gut verständlichen Perspektivenwechsel, bekommt der Leser Einblicke in die verschiedenen Welten Londons und in die Gedankenwelt der Protagonisten. Schön sind auch die eingebundenen Briefe und Zeitungsausschnitte, die den Text immer wieder auflockern.

Der vielschichtige, historische Roman ist mit Kunst, Liebe und Obsession gewürzt, und hat deutlich mehr ein mehr von einem Thriller hat, als ich das im Vorfeld erwartet hatte. Zwischendurch gab es immer wieder mal kleinere Längen, sodass ich nicht ganz die volle Punktzahl vergeben kann, aber insgesamt das Buch allen empfehle, die ins viktorianische London reisen und eine spannende Geschichte miterleben wollen.

Bewertung vom 22.03.2020
Das Gerücht
Kara, Lesley

Das Gerücht


ausgezeichnet

Eine Kindermörderin soll sich in einer kleinen, beschaulichen Küstenstadt niedergelassen haben. Bei der Tat war Sally McGowan selbst erst zehn Jahre alt und auch rund 50 Jahre später kennt man noch den Namen der Täterin, die nun mit einer neuen Identität ausgestattet im Ort leben soll. Joanna, die mit ihrem sechsjährigen Sohn zurück in ihre Heimat gezogen ist, hält zunächst nichts von den Gerüchten, aber um in den inneren Kreis aufgenommen zu werden, rutscht ihr dann doch mal da, mal dort was raus, sodass sie das Gerücht befeuert und es auch für sie ganz persönlich brenzlig wird.

Mordende Kinder sind ein schwieriges Thema. Wie soll man sie bestrafen? Wie sollen die Angehörigen des Opfers damit umgehen? Sind Kinder überhaupt eines Mordes fähig? War es vielleicht eher ein Unfall? Wie geht man mit dem mordenden Kind um, sobald es erwachsen ist? Fragen über Fragen.

Es beginnt ganz langsam, ein Gerücht wird unter Müttern am Schultor verbreitet – soweit Alltag. Doch dieses Gerücht nimmt schnell Fahrt auf. Eine Kindermörderin in der Stadt, wem kann man noch trauen? Hat diese Mörderin vielleicht schon ein Auge auf ein Kind geworfen? Ist die Frau noch gefährlich und wie sieht sie aus? Falsche Anschuldigungen mit teils verheerenden Folgen bleiben nicht aus, es gibt online Drohungen und Joanna, die das Gerücht angeheizt hatte, um ihrem Sohn den Start in der neuen Heimat leichter zu machen, befürchtet, dass sie sich und ihren Sohn in Gefahr gebracht hat. Zu Recht?

Der Schreibstil ist sehr flüssig, die Seiten folgen bei mir nur so dahin und ich bin wirklich froh mich mit in diese englische Kleinstadt begeben zu haben. Die Geschichte ist fesselnd, es gibt auch Einschübe aus Sicht der Kindermörderin, die dem Leser ganz schön zusetzen. Nach dem beschaulichen Beginn hatte ich mich regelrecht in einen Leserausch versetzt und wollte unbedingt wissen, wie alles enden wird.

Ich habe zwar zum Ende hin mit meinen Vermutungen genau ins Schwarze getroffen (bis auf das eine oder andere Detail, was die Autorin wirklich gut gemacht hat), trotzdem fand ich das Buch quasi von Seite eins an unterhaltsam, interessant und/oder spannend. Vor allem Joanna, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, war mir direkt sympathisch und ihre Ängste und Unsicherheiten, die sich nach und nach einstellen, sind absolut nachvollziehbar.

Insgesamt ein sehr gelungenes Debüt (4,5 Sterne) , welches auch zum Nachdenken anregt und ich gerne empfehle!

Bewertung vom 20.03.2020
Milchmann
Burns, Anna

Milchmann


schlecht

Titel, Cover und Plot haben mich angesprochen. Nach einer Leseprobe war ich sehr skeptisch, aber da sich die Gelegenheit zum Ausleihen gab, habe ich mir das Buch doch „gegönnt“– hätte ich es mal gelassen. Selten habe ich mich so bei einem Buch gelangweilt und gleichermaßen geärgert.

Ein furchtbar anstrengendes Buch mit einem Schreibstil, der mich irgendwann nur noch genervt hat, sodass ich irgendwann komplett die Lust an dem Buch verlor. Lesen soll zu einem gewissen Grad ja auch Spaß machen. Dieses hier hat mich quasi von Seite eins ab nicht überzeugt, aber ich war zuversichtlich, dass es noch werden würde, denn der Nord-Irland-Konflikt und die Sicht einer jungen Frau, sowie deren Entwicklung unter diesen besonderen politischen und religiösen Umständen ist an sich sicher interessant darzustellen.

Ich fand den Schreibstil einfach furchtbar und diese ständigen Abschweifungen waren nervig und die namenlose Protagonistin (herkömmliche Namen sucht man vergebens…), die lesend durch die Gegend wandert und alles andere als schlagfertig ist, hat mich genervt. Es gibt nur sieben ellenlange Kapitel, kaum Absätze und jeder Gedanke wird in schier unendlichen Schachtelsätzen von 100 Seiten betrachtet, gedreht, gewendet, auf den Kopf gestellt und zerpflückt. Insgesamt konnte ich mit dem teils verwirrenden und monotonen Buch nichts anfangen und ich kann es daher nicht empfehlen. In jedem Fall sollte sich jeder potentielle Leser zunächst eine Leseprobe anschauen, denn ich denke schon, dass das Buch mit seinem außergewöhnlichen Stil bei dem einen oder anderen sehr gut ankommt, aber bei mir eben nicht.

Der Abbruch nach durchgequälten 100 Seiten, gespickt mit zahllosen Nebensächlichkeiten, war für mich unausweichlich, weil ich keine Lust mehr hatte meine Lesezeit mit diesem preisgekrönten und bestimmt auch innovativen Buch zu verschwenden.

Bewertung vom 20.03.2020
Beute / Bennie Griessel Bd.7
Meyer, Deon

Beute / Bennie Griessel Bd.7


ausgezeichnet

Ein junger Personenschützer verschwindet spurlos. Irgendwann wird auf einer Bahnstrecke die Leiche eines Mannes gefunden. Es ist der Personenschützer der in einem Luxuszug von Kapstadt nach Johannesburg eine Holländerin schützen sollte. War es Selbstmord oder Mord? Wenn es Mord war: Wo liegt das Motiv und wer könnte den jungen, gut ausgebildeten Mann auf dem Gewissen haben? Cupido und Griessel nehmen die schwierigen Ermittlungen auf, die in Südafrika ein wenig anders laufen, als man das in Europa kennt - und es bleibt nicht bei einem Toten…Apropos Europa: Die Verwicklungen reichen bis nach Bordeaux, Frankreich

Besonders gefiel mir, dass die Geschichte zwei Stränge hat, die zunächst nur wenig miteinander zu tun haben, aber gleichermaßen unterhaltsam und spannend sind. Auf der einen Seite ermittelt ein südafrikanisches Team in einem außergewöhnlichen Fall und wird gegen jede Vernunft künstlich ausgebremst, auf der anderen Seite geht es um einen in Frankreich zurückgezogen lebenden Südafrikaner, der unter falschem Namen ein beschauliches Leben führt, bis ihn die Vergangenheit einholt.

Gefallen hat mir, dass Afrikaans eingewebt wurde (Erklärungen finden sich auf den letzten Seiten, aber man versteht das meiste auch aus dem Kontext heraus) und man Landestypisches und Eigenarten, die aus europäischer Sicht etwas anders sind, nebenbei erfährt. Ansonsten ist der Schreibstil sehr flüssig, angenehm zu lesen und durch den einen oder anderen Cliffhanger will man das Buch irgendwann nicht mehr aus den Händen legen – oder zumindest wollte und konnte ich es irgendwann kaum mehr, denn ich tappte im Dunkeln und wollte unbedingt wissen, was wirklich gespielt wird und wie alles endet. Wird das Attentat gelingen? Wer spielt alles mit gezinkten Karten und werden die „Guten“ am Ende das Rennen machen? Alles schien hier möglich und der Autor hat es geschafft ein überzeugendes Ende – überzeugender Showdown inklusive - zu kreieren.

Ich muss gestehen, dass ich noch kein Buch des Autors gelesen hatte und mich erst einmal einfinden musste, aber das gelang schnell und die toll gezeichneten Charaktere wurden so dargestellt, dass ein Verständnis für sie auch ohne Vorkenntnisse möglich war. Man erfährt einiges von ihnen und irgendwann drängt sich das Gefühl auf, man würde sie schon kennen. In den vorhandenen, aber nicht übermäßig ausgebauten Privatszenen fiebert man daher irgendwann genauso mit, wie bei dem eigentlichen Fall.

Insgesamt ein sehr spannender, südafrikanischer Polit-Thriller voller Korruption, Intrigen und manch interessanter Ent-/Verwicklung gespickt ist. Obwohl Teil einer Reihe, kann man hier problemlos einsteigen.

Bewertung vom 20.03.2020
Ein wenig Glaube
Butler, Nickolas

Ein wenig Glaube


ausgezeichnet

Lyle und Peg leben zufrieden im ländlichen Wisconsin. Sie haben alles was sie brauchen und nun ist auch ihre Adoptivtochter Shiloh mit ihrem 5-jährigen Sohn zurück – alles scheint gut. Lyle verbringt viel Zeit mit dem kleinen Isaac, besucht seine Freunde, zeigt ihm die Welt, die der eigene vor Jahrzehnten verstorbene Sohn nie sehen konnte. Doch Shiloh beginnt sich jedoch von ihren Eltern abzukapseln, denn sie gehört einer Sekte an und wird eine immer treuere Anhängerin…

Der Glaube ist hier das zentrale Thema. Hier reicht der Glaube schon bis zum Irrglauben mit furchtbaren Auswirkungen. Immer wieder hört man gerade aus den USA von Fällen des „Gesundbetens“ – das kann nicht funktionieren! Warum ich das erwähne? Weil hier eine Mutter, die zwar nicht ganz gewöhnlich ist, aber dennoch einen gewisse Vernunftbegabung an den Tag legte, dem furchtbaren Irrglauben eines Sektenführers folgt und der Schulmedizin den Rücken kehrt – nicht folgenlos.

Ich habe kein Problem mit dem Glauben – solange niemand darunter leiden muss. Wenn Erwachsene sich mit ihren Entscheidungen – und ausdrücklich nur sich selbst – schaden – ihre Sache, doch Dritte, und insbesondere Kinder, dürfen nicht darunter leiden müssen. Wobei man hier wohl besser zwischen Glaube und Fanatismus unterscheiden sollte. Letzterer ist einfach nicht nachvollziehbar und schlicht gefährlich. Wie schmal der Grat sein kann und wie schnell man von tiefgläubig zu fanatisch schwankt, wird hier deutlich. Ich höre an der Stelle besser auf mich weiter reinzusteigern, denn das habe ich beim Lesen bereits schon. Manches Mal hätte ich gerade Shiloh zu gerne geschüttelt…

Was tun als Außenstehender? Kann man überhaupt was tun oder treibt man mit gutgemeinten Aktionen den Gläubigen weiter in das System rein? Diese Frage stellt sich auch Lyle. Die tiefe Unsicherheit ist schier mit Händen greifbar und man weiß auch als Leser nicht immer, was man dem Betroffenen raten würde.

Der Schreibstil ist extrem bildhaft und ansprechend. Sehr flüssig, emotional und an sich leicht zu lesen. Der Autor wirft große Fragen auf, zeigt die Gefahren von Sekten und ihre Manipulationsstrategien, sowie die Wichtigkeit der Familie, der Liebe und des Zusammenhaltes.

Ein berührender und trauriger Familienroman, der mich nachdenklich stimmte, manchmal zum Lachen und gelegentlich fast zum Weinen brachte.

Bewertung vom 10.03.2020
Fahrzeuge auf der Baustelle / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.7
Erne, Andrea

Fahrzeuge auf der Baustelle / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.7


ausgezeichnet

Was passiert in der Montagehalle, wie kommen die Fahrzeuge zur Baustelle und welche gibt es überhaupt? Wie werden Tunnel, Straßen, ein Stadion oder Spielplatz gebaut und wie verlegen die Baufirmen eigentlich Rohre?

Wer schon immer wissen wollte, wie vielseitig Bagger, Kran und Co sind, ist mit diesem Buch sehr gut beraten. Ich habe einiges gelernt, denn von einer Laufkatze hatte ich bisher noch nie gehört, wenn ich auch das Teil kannte und bisher immer eine umständliche Umschreibung anstelle eines Fachbegriffes abgegeben habe. Nur ein Beispiel, denn es gab insgesamt viele Fachbegriffe, die jedoch gut, also kindgerecht (wenn auch nicht kleinkindgerecht) erklärt werden, selbsterklärend oder auch dank der Bilder nachvollziehbar sind (Zwillingsreifen, Ausleger). Auch klärt sich, warum manche Bagger Reifen haben, andere Ketten oder auch wie Beton, Kies und Co zur Baustelle kommen.

Wer die Reihe kennt weiß um das gelungene Hardcover-Format, das zum gemeinsamen Lesen und Entdecken einlädt. Durch die stabile Ringbindung lässt sich trotz der großen Seiten gut blättern. Die Klappen bieten immer wieder Überraschungen, teils witzig, teils informativ und bei dem Thema auch gut eingesetzt, ob nun um zu verdeutlichen, wie ein Laster etwas abkippt oder wie ein Tunnel gebohrt wird. Beim ersten Öffnen der Klappen muss man etwas aufpassen, danach geht es aber sehr leicht. Auf den schönen, detailreichen Bildern gibt es immer wieder Neues zu entdecken.
Positiv werte ich auch, dass viele Frauen auf der Baustelle zu finden waren. Das hatte ich nicht unbedingt so erwartet, fand ich aber genauso gut wie der kurze Ausblick in die Zukunft der Baufahrzeuge!

In der KiTa kam das Buch sehr gut an. Vor allem die Jungs hatten großes Interesse und auch schon ein paar Kenntnisse, doch die Erzieherin konnte doch noch neue Infos dank des Buches vermitteln. Besonders beliebt war das Öffnen der Klappen. Kinder können sich auch mal allein damit beschäftigen, jedoch werden Nachfragen sicher nicht ausbleiben…

Bewertung vom 06.03.2020
Der Gorilla-Garten / Käthe Bd.1
Veenstra, Simone;Loose, Anke

Der Gorilla-Garten / Käthe Bd.1


ausgezeichnet

Käthe steht vor einer ganz großen Veränderung. Mit ihren Eltern zieht sie vom Apfelhof ihrer Oma nach Berlin. Alles wird nun anders werden. Neues Zimmer, neue Nachbarn, neue Freunde, neue Schule und gibt es in der Stadt überhaupt genug Grün, einen neuen Lieblingsplatz? Ganz viele neue Eindrücke warten auf das Mädchen…
Alles ist neu und daran muss man sich erst einmal gewöhnen, aber keine Sorge, ein Mädchen wie Käthe findet ganz schnell Anschluss. Genau das tut Käthe etwa die erste Hälfte des Buches und auch wenn ich erwartete, dass viel schneller und intensiver auf das Gärtnern eingegangen wird – doch das tat der Geschichte keinen Abbruch.
Die Unterschiede zwischen dem Land- und Stadtleben werden schön dargestellt, ohne eines der beiden zu verteufeln. Alles hat seine Vor- und Nachteile, Änderungen und Neuerungen sind nichts per se schlechtes, sondern einfach nur mal was anderes. Wie das „Andere“ ist, liegt auch daran, wie man selbst zu den Dingen steht.
Das Buch eignet sich gut zum Vorlesen aber auch für Erstleser (nicht nur für Mädchen!) ist es zu empfehlen und hat mich auch mit seinen liebevollen Illustrationen überzeugt. In vielen kleinen Anmerkungen lernen junge Leser wichtige Grundlagen für das Gärtnern und wie in der Natur gewisse Dinge zusammenhängen (Marienkäfer vertreiben Blattläuse uvm.)
Die kleine Protagonistin ist sehr sympathisch, geht offen mit Veränderungen um und bietet ein gutes Vorbild mit ihrer Liebe zur Natur, dem Gärtnern, Tieren und ihrem lieben Wesen – sie hat sogar ein Herz für Schnecken. Wenn sie auch manchmal ihren eigenen Kopf hat und für ihre Überzeugung einsteht.
Ein gelungener Serienauftakt mit einem ganz tollen Tipp zum Gärtnern, der für jeden umsetzbar ist, ob man nur einen kleinen Platz oder einen riesigen Garten hat. Und was sich genau hinter dem Gorilla-Garten verbirgt, ist sowohl witzig, als auch eine gute Sache.

Bewertung vom 02.03.2020
Dankbarkeiten
Vigan, Delphine

Dankbarkeiten


ausgezeichnet

Michka wird älter und krank, so krank, dass sie irgendwann nicht mehr zu Hause allein leben kann, sondern in ein Heim muss. Sie baut körperlich ab, aber schlimmer sind für die früher so selbstbestimmte Frau ihre Wortfindungsstörungen, die trotz Übungen mit einem Logopäden immer mehr zunehmen. Wie oft sagt man Danke? Wie zeigt man seine Dankbarkeit und was, wenn man sie nicht (mehr) zeigen kann?

Aus drei Perspektiven erfährt man von Michkas Geschichte und allgemein dem Wesen der Dankbarkeit. Zum einen von ihr selbst, in Träumen, in denen sie sich klar artikulieren kann, dann aus Sicht ihrer Ziehtochter Marie. Deren Kindheit war schwierig und auch eine schwere Erkrankung stand sie mit Michkas Hilfe durch. Darum kümmert sie sich auch um die alte Frau und gibt so einen Teil zurück. Das Zusammenspiel der Charaktere wird durch Jeromé, den Logopäden gekonnt abgerundet. Michka ist trotz ihrer Schwierigkeiten ein wunderbarer Charakter. Sie bringt den Leser zum Nachdenken, nicht selten zum Schmunzeln und man mag die charmante Frau einfach.

Ein tiefgründiger, feinfühliger und berührender Roman, der sich dem Altern, Demenz und der Dankbarkeit widmet. Auch Familie, Selbstbestimmtheit oder Hilfsbereitschaft werden angeschnitten und trotz der Kürze in einem beeindruckenden Stil fesselnd beschrieben. Stellenweise poetisch, aber mit einer einfachen Sprache versehen, versteht der Leser direkt worum es geht. Es benötigt ganz offensichtlich nicht hunderter Seiten, um authentisch und emotional auch schwierige Themen des menschlichen Daseins literarisch zu verarbeiten. Zentral ist auch die Sprache - was bleibt, wenn man ihrer nicht mehr mächtig ist?

Gefallen hat mir vor allem die Aussage der Geschichte, sich direkt auszusprechen und nicht zu warten, bis es vielleicht zu spät ist. Denn man weiß wie, was am nächsten Tag ist und somit sollte man Wichtiges besser nicht aufschieben, denn es ist erfüllend und wichtig seine Dankbarkeit zeigen zu können.

Fesselnd ab der ersten Seite, mal traurig, mal humorvoll, aber immer voller Gefühl – daher empfehle ich das Buch gerne weiter! Es war für mich das erste Buch der Autorin, aber sicher nicht das letzte.
Oje, bleibt nur noch Dante zu sagen an die Autorin.