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Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 28.09.2017
Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1
Pérez-Reverte, Arturo

Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1


sehr gut

Diese Geschichte verschlägt den Leser Mitten in die Wirren des Spanischen Bürgerkriegs. Lorenzo Falcó ist Spion, jedoch nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern aus Pragmatismus. Er bekommt den Auftrag, in feindliches Gebiet zu reisen und dort einen Gefangenen zu befreien, gemeinsam mit einem Team vor Ort. Doch dieser Einsatz stellt Falcó vor große Herausforderungen und wirft immer wieder die Frage auf, wer gegen ihn ist und wer mit ihm kämpft. Und ob er einer Frau wirklich trauen kann, die sich auf ihn einlässt.
„Der Preis, den man zahlt“ von Arturo Pérez-Reverte ist ein spannender Spioangethriller mit historischem Anstrich, der einen als Leser stellenweise sehr fordert. Es wird viel Wissen über die Parteien und den Verlauf des Bürgerkriegs vorausgesetzt, was teilweise dazu führt, dass man nicht mehr weiß, wer jetzt eigentlich auf welcher Seite und für wen kämpft. Hier hätten ein Stichwortverzeichnis, eine Karte der verschieden besetzten Gebiete und ein kurzer historischer Ablauf im Anhang dem Romans - zumindest für eine Veröffentlichung außerhalb Spaniens- sehr gut getan. Davon abgesehen hat mir der Roman aber ausgesprochen gut gefallen. Falcó ist nicht unbedingt ein Sympathieträger und sein Frauenbild aus heutiger Sicht fragwürdig, für die damalige Zeit aber wohl absolut typisch. Er ist ein Frauenheld, der dann jedoch auf eine Frau trifft, die ihm an Gerissenheit und Abenteuerlust mindestens ebenbürtig ist, was ihn sehr aus dem Tritt bringt, wie aus seinen Handlungen deutlich wird. Das hat ihn mir wiederum sympathisch gemacht hat, denn in dem kühlen und berechnenden Spion scheint doch ein Mensch zu stecken. Zum Glück verfällt der Autor nicht der Idee, jetzt eine romantisch-kitschige Liebesgeschichte zu starten, sondern bleibt seiner realistischen Erzählweise auch hier treu. Es herrscht Krieg und den will er keineswegs durch überhöhte Liebesbekundungen verklären, im Gegenteil ist „Der Preis, den man zahlt“ eine kühle und keineswegs idealisierende Darstellung des Krieges und der Kriegsparteien.
Wer von Arturo Pérez-Revertes Roman „Der Preis, den man zahlt“ einen lockeren und leichten Historienroman erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht sein, der Autor fordert einiges von seinen Lesern, bringt aber meiner Meinung nach auch sehr viel rüber mit der Figur des Lorenzo Falcó und den Beschreibungen des Bürgerkriegs.

Bewertung vom 26.09.2017
Das erste Opfer / Oxen Bd.1
Jensen, Jens Henrik

Das erste Opfer / Oxen Bd.1


sehr gut

Niels Oxen ist ehemaliger dänischer Elitesoldat, hochdekoriert mit zahlreichen Auszeichnungen. Doch jetzt hat er sich völlig zurückgezogen und lebt mit seinem Hund im Wald, möglichst weit weg von allen Menschen. Doch als er sich in der näheren Umgebung umsieht, stößt er auf einen Landsitz und im Garten findet er einen erhängten Hund vor. Wenig später wird auch der Hausherr tot aufgefunden und die Polizei kommt auf Oxen zu. Hat er etwas mit der Leiche zu tun? Doch der Fall zieht schnell viel weitere Kreise als gedacht und Oxen hat zwei Möglichkeiten: Sich verstecken oder die Hintergründe selbst aufdecken. Er entscheidet sich für die zweite Möglichkeit.
„Oxen. Das erste Opfer“ ist der erste Teil einer dreibändigen Reihe um Niels Oxen, geschrieben von Jens Henrik Jensen. Dennoch wirkt der Teil sehr abgeschlossen und man hat nicht das Gefühl, bis zum nächsten Band in der Luft zu hängen. Oxen ist ein sehr zwiespältiger Charakter, man weiß als Leser gar nicht genau, ob man ihn mögen soll oder ob er einem zutiefst suspekt ist. Das macht jedoch auch die besondere Spannung dieses Thrillers aus und zieht einen in die Geschichte hinein. Auch wenn Niels Oxen Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist, ist der ganze Fall sehr komplex angelegt und bietet viele Wendungen und Überraschungen, ohne unlogisch und künstlich zu sein, was mir besonders gut gefallen hat. Auch die anderen Charaktere, wie die Mitarbeiter des Geheimdienstes, mit denen Oxen kooperiert, sind sehr detailliert beschrieben, was viele Möglichkeiten für die Entwicklung der Geschichte bietet. Den Beginn des Thrillers fand ich noch etwas gemächlich, doch schnell entwickelt die Story ein hohes Tempo und irgendwie wächst einem Oxen dann doch ans Herz, so dass man von dem Buch gefesselt wird.
Mir hat „Oxen. Das erste Opfer“ des dänischen Autors Jens Henrik Jensen sehr gut gefallen, er verbindet alles was ein guter Thriller an Spannung braucht mit einer auffälligen Hauptfigur, die man als Leser nicht so schnell vergisst. Lediglich das Warten auf den nächsten Band, der im Frühjahr 2018 erscheinen soll, dauert mir zu lange. Ich muss auf jeden Fall wissen, was Niels Oxen noch erlebt.

Bewertung vom 21.09.2017
Die Gärten von Istanbul
Ümit, Ahmet

Die Gärten von Istanbul


gut

Hauptkommissar Nevzat ermittelt in einem außergewöhnlichen Fall, der ihn und seine Kollegen Ali und Zeynep auf die Spuren der Geschichte Istanbuls bringt. Eine Leiche wird zu Füßen einer Statur Kemal Atatürks gefunden, die Kehle ist aufgeschlitzt und in den Händen finden die Ermittler eine Münze, die auf Byzanzion, das ursprüngliche Istanbul verweist. Das Opfer ist Professor für Kunstgeschichte, auch seine Ex-Frau und weitere Bekannte beschäftigen sich aktiv mit der Geschichte Istanbuls. Nevzat muss herausfinden, was die Täter ihm mit diesen Informationen sagen wollen, und das am besten schnell, denn der Täter mordet weiter.
Ahmet Ümit beschreibt in seinem Krimi „Die Gärten von Istanbul“ auf wunderbare Weise die Geschichte der Stadt, die historischen Zusammenhänge der Bauwerke und die Veränderungen, denen sie im Laufe der Jahrhunderte unterlag. Dieser Teil des Romans war sehr spannend und hat mir ausgesprochen gut gefallen. Im Gegensatz zur eigentlichen Kriminalhandlung, denn diese zog sich unglaublich lange hin, ohne dass wirklich etwas passiert. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass die Ermittler die ersten 600 Seiten gar nicht weiterkommen und auf den letzten 100 Seiten muss dann alles passieren, Ermittlungsergebnisse und völlig überraschende Wendung inklusive. Hinzu kommt, dass ich die Arbeitsmethoden der Ermittler eher unglaubwürdig fand. Da wird über Tatorte getrampelt, Fundstücke einfach in die Hand genommen und Kommissar Ali brüllt einfach alle Verdächtigen in Grund und Boden, ein Wunder, dass er sie nicht gleich verprügelt.
Für mich fügte sich die Kriminalhandlung einfach nicht in den Rahmen der historischen Elemente ein, der Plot war zäh und ohne Entwicklungen, die einen als Leser wirklich mitgerissen hätten. Auch die Beschreibungen von Nevzats Privatleben waren mir zu kühl und abgehackt und fügten sich lange nicht in das Gesamtbild des Krimis ein. Ich war von Ahmet Ümits Krimi „Die Gärten von Istanbul“ leider enttäuscht. Drei Sterne gibt es dennoch, da ich die historischen Beschreibungen und Erklärungen sehr gut recherchiert und für den Leser toll aufbereitet fand.

Bewertung vom 18.09.2017
Möge die Stunde kommen / Clifton-Saga Bd.6
Archer, Jeffrey

Möge die Stunde kommen / Clifton-Saga Bd.6


ausgezeichnet

Es ist Anfang der 70er Jahre und Emma Clifton steckt mitten in einem Prozess gegen Lady Virginia Fenwick um den Machterhalt bei Barrington Shipping, dem Familienunternehmen. Es scheint, als wenn nur ein Brief ihr helfen könnte, der gleichzeitig die politische Karriere ihres Bruders ruiniert, denn er soll eine Affäre mit einer jungen Frau in Ostberlin haben. Gleichzeitig kämpft ihr Mann Harry weiter um die Freilassung des Schriftstellers Anatol Babakov, dessen Buch über Stalin er aus der Sowjetunion geschmuggelt hat. Der Kalte Krieg steht bei diesem Band der Clifton-Reihe im Mittelpunkt, doch um alle Familienmitglieder und Freunde entwickeln sich weiter spannende Geschichten, auch Emmas und Harrys Sohn Sebastian rückt verstärkt in den Fokus. Die Familiensaga geht also in der nächsten Generation weiter.
Ich kann nur immer wieder betonen, wie großartig alle Romane der Clifton-Saga geschrieben sind und das schließt auch den neuesten Band „Möge die Stunde kommen“ mit ein. Jeffrey Archer ist ein Erzähler der Extraklasse, der mit unglaublicher Leichtigkeit die historischen und gesellschaftlichen Fakten der Zeit mit der Familiengeschichte der Cliftons verbindet und für den Leser so ein spannendes und mitreißendes Gesamtbild schafft. Wer alle Bände gelesen hat, begleitet Emma, Harry und Giles jetzt schon sehr lange und es ist bewundernswert, wie konstant Archer seinen Figuren beschreibt und ihnen dabei gleichzeitig viel Entwicklungsspielraum gibt. Er schafft in jedem Band spannende Einzelgeschichten, ohne den großen Rahmen aus den Augen zu verlieren, was die Reihe auch besonders auszeichnet. Die Charaktere wachsen einem ans Herz und nach jedem Band wartet man sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Leider steht schon fest, dass im kommenden Jahr mit Band sieben der letzte Teil der Reihe erscheinen wird.
Jeffrey Archers Roman „Wem die Stunde schlägt“ ist mitreißend geschrieben und der Autor schafft es auf wunderbare Art, die Familiengeschichte der Cliftons vor einem historischen Gesamtbild zu erzählen, das einen als Leser fasziniert. Jeffrey Archer ist ein großartiger Erzähler, was er mit dem sechsten Band der Clifton-Saga wieder einmal beweist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2017
Justizpalast
Morsbach, Petra

Justizpalast


ausgezeichnet

Thirza Zorniger ist das Produkt einer leidenschaftlichen Beziehung zwischen dem Schauspieler Carlos Zorniger und Gudrun, Tochter von Strafrichter Wilhelm Kargus. Doch die Beziehung zerbricht und Thirza wächst bei ihrem Großvater und den Tanten in Parsing auf, nachdem ihre Mutter überfordert die Erziehung der Tochter aufgibt. Dort entwickelt sie den Wunsch, ebenso wie ihr Großvater, den sie sonst nicht besonders zu mögen scheint, Juristin zu werden und es bis in den Münchener Justizpalast zu schaffen.
Petra Morsbach erzählt in „Justizpalast“ ausgiebig von Thirzas Leben, ihren Jugendjahren, aber hauptsächlich von ihrer Zeit als aktiver Juristin in verschiedensten Themengebieten. Familiengericht, Gnadenabteilung im Ministerium, Beschwerdekammer, Kartellrecht – durch all diese Bereiche arbeitet sich Thirza und was vielleicht langweilig klingt, ist ein hochspannender Roman über Recht und Gerechtigkeit. Bereits im Studium diskutiert Thirza mit Kommilitonen Radbruch und die Frage, welche Rolle Recht und Gesetz und welche darin die Richter zu spielen haben. Gibt es so etwas wie rechtgewordenes Unrecht? Diese Frage ist direkte Folge aus dem Fehlverhalten der Richter in der Nazi-Diktatur und beschäftigt Thirza ihr ganzes Leben lang. Der Roman „Justizpalast“ ist nicht nur spannend, man lernt auch eine Menge über Rechtsauslegung, Rechtsphilosophie und das Selbstverständnis der Justiz. Immer wieder werden Fälle eingeflochten, die Thirza verhandelt, was den Roman so nah und lebensecht macht, dass man manchmal vergisst, dass man eine fiktive, keine reale Geschichte liest.
Thirza ist eine sehr spezielle Persönlichkeit, privat sehr gehemmt, sucht sie Erfüllung im Beruf und hat sich von der Vorstellung, in einer Beziehung glücklich zu werden, schnell verabschiedet. Sie kämpft in einer Zeit um Anerkennung, als Frauen in der Justiz selten und im Richteramt noch seltener waren. Jedenfalls zu Beginn, denn Morsbach lässt uns an Thirzas Beispiel auch die Geschichte der deutschen Justiz in der Nachkriegszeit erleben, die Veränderung der Probleme und Fragestellungen und die Komplexität des Rechts durch immer neue Gegebenheiten von Außen.
Ich halte Petra Morsbachs Roman „Justizpalast“ für einen herausragenden Roman. Die Autorin bereitet ein zunächst langweilig erscheinendes Thema wie ein Leben für die Justiz so spannend auf, dass man den Roman kaum noch aus der Hand legen kann. Durch Thirzas speziellen Charakter wird das Buch noch kurzweiliger und selbst komplizierte Stellen über rechtsphilosophische Diskussion schreibt sie so klar und fesselnd, dass man sich keinesfalls abgeschreckt fühlt. Thirza wächst einem ans Herz und ihr uneingeschränktes Streben nach Gerechtigkeit schafft großen Respekt vor dieser Figur. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Empfehlung für diesen Roman verbunden mit der Bitte, sich nicht abschrecken zu lassen vom vielleicht schwierigen Thema, denn Petra Morsbach macht es dem Leser unglaublich leicht, sich darauf zu einzulassen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2017
Entdecke Deutschland

Entdecke Deutschland


ausgezeichnet

„Entdecke Deutschland“ ist ein wunderbarer Bildband, der einem die eigene Heimat näher bringt und zu tollen Reisen und Ausflügen inspiriert. Das Buch ist thematisch sortiert, nach Reiseart oder Interesse, Bahnreisen, Literatur, Wanderungen, alles ist möglich. Dank der Karte mit den Nummern der Touren kann man sich aber auch schnell und einfach einen Überblick verschaffen, was in bestimmten Regionen im Angebot ist und sich so einen Plan machen.
Dieser Bildband von Reinhard Pietsch und Gerhard Grubbe überzeugt nicht nur durch wunderschöne Bilder und tolle Reiseidee, die ganze Aufmachung ist sehr hochwertig und eignet sich daher auch sehr gut als Geschenk. „Entdecke Deutschland“ zeigt auf schöne Weise, dass man nicht immer in Ferne reisen muss, um etwas zu erlebt. Die nähere Umgebung hat oft viel zu bieten, egal ob man historisch interessiert oder wandernder Naturfreund ist.
Alles in allem ist „Entdecke Deutschland“ ein toller Band für alle, die ihre Heimat besser kennenlernen wollen und vielleicht mit einem kleinen Abenteuer beginnen möchten. Hier findet man jede Inspiration, die man braucht.

Bewertung vom 13.09.2017
Dann schlaf auch du
Slimani, Leïla

Dann schlaf auch du


ausgezeichnet

Myriam und Paul sind ein erfolgreiches Ehepaar, sie ist Anwältin und er arbeitet als Musikproduzent. Nach der Geburt der Kinder Mila und Adam bleibt Myriam zunächst zu Hause, doch nach einiger Zeit frustriert sie ihr Leben als Hausfrau, sie will zurück in den Job. Eine Nanny soll sich um die Kinder kümmern und so kommt die Familie zu Louise. Sie scheint perfekt, sie kocht, putzt und die Kinder lieben sie abgöttisch. Louise wird zum Mitglied der Familie, immer flexibel, immer da und auch im Urlaub mit dabei. Louise ist unersetzlich, bis das Unvorstellbare passiert.
Leïla Slimanis Roman „Dann schlaf auch du“ ist der intensivste Roman, den ich seit langem gelesen habe. Geschickt erhöht sie durch Rückblenden und Perspektiven anderer Figuren die Spannung und kommt doch immer wieder zurück auf das Zentrum der Geschichte, das Familienleben von Myriam und Paul mit den Kindern und Louise. Da man gleich zu Beginn erfährt, dass etwas wahrlich grausames passiert, wird die Lektüre umso eindringlicher und bewegender, denn über all den glücklichen Szenen schwebt das unweigerliche Damoklesschwert des eigentlich bereits vorweg genommen Endes. Ich habe den Roman fast in einem Zug durchgelesen, weil ich mich von der Spannung und den Figuren nicht lösen konnte und wider besseren Wissens doch irgendwie die ganze Zeit gehofft habe, es ginge noch gut aus.
Besonders fasziniert hat mich die absolute Neutralität, mit der Leïla Slimani die Geschichte erzählt, es gibt keine Schuldzuweisungen, keine Erklärungsversuche, sie stellt die Geschichte einfach dar und überlässt es dem Leser, zu urteilen und sich eine Meinung zu bilden. Es geht nicht um Gut oder Böse, um Schuld oder Unschuld, um Rabenmütter oder Vollzeithausfrau, es geht einfach nur um die einzelne Geschichte und ihren Verlauf, ohne Vorbild oder Beispiel zu sein.
Der Roman „Dann schlaf auch du“ von Leïla Slimani ist ein beeindruckendes Buch, eine kleine Sternstunde für alle Leser. Für mich ist es das beste Buch, das ich seit langem gelesen habe und es wird mich sicher so schnell nicht loslassen, daher kann ich nur jedem Leser dieses ganz besondere Buch ans Herz legen: Bitte lest es!

Bewertung vom 12.09.2017
In tiefen Schluchten / Tori Godon Bd.1
Chaplet, Anne

In tiefen Schluchten / Tori Godon Bd.1


weniger gut

Tori lebt in einem kleinen Dorf in der wunderschönen Landschaft der Ardèche mit ihren Bergen, Höhlen und Schluchten in einem alten Haus voller Geheimnisse. Ihr verstorbener Mann hatte hugenottische Ahnen aus der Gegen und so interessiert Tori sich sehr für die Geschichte des Ortes und auch ihres Hauses, das eines der ältesten im Ort sein soll. Doch im Dorf passieren seltsame Dinge, ein Tourist verschwindet und ein alter Mann fällt die Kellertreppe herunter und stirbt. Von ihm hatte Tori sich Informationen über die Geschichte des Ortes versprochen, was steckt also hinter diesen mysteriösen Vorfällen?
Anne Chaplets Roman „In tiefen Schluchten“ zeichnet sich besonders durch die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen aus und durch die sehr gut recherchierten historischen Details zu der Region. Die historische Komponente ist sehr spannend beschrieben und eine sehr gute Grundlage für die Geschichte. Leider wurde das Buch ausdrücklich als Kriminalroman vermarktet, wie es auch der Untertitel sagt, und das finde ich gänzlich unpassend. Es gibt zwar Ungereimtheiten, aber einen Krimi mit Ermittlungen und einer Auflösung sehe ich hier nicht. Im Gegenteil, vieles wird angedeutet und bleibt unscharf oder wird gar nicht weiterverfolgt, was ich beim Lesen als frustrierend empfunden habe. Selbst wenn man das Lokalkolorit mit in den Vordergrund hebt, wie es zum Beispiel auch Martin Walker mit seinen Bruno, Chef de Police Krimis tut, sollte doch eine Kriminalhandlung klar erkennbar sein. Das ist bei „In tiefen Schluchten“ nicht der Fall, weshalb ich von dem Buch relativ enttäuscht war. Besonders, da die historischen Elemente meiner Meinung nach zeigen, dass Anne Chaplet einen sehr gut historischen Roman hätte schreiben können, wenn sie sich vom Genre des Krimis getrennt hätte.
„In tiefen Schluchten“ von Anne Chaplet ist eine Geschichte mit sehr guten Ansätzen, die sich leider nicht sinnvoll in eine Krimihandlung bündeln lassen, worunter der Roman sehr leidet. Die guten Stellen sind leider zu wenige und die Autorin schafft es nicht, alle Stränge in der Hand zu behalten, so dass einige Hinweise ins Leere führen und entweder gar nicht weiter verfolgt oder unter den Teppich gekehrt werden. Da wäre eindeutig mehr drin gewesen.

Bewertung vom 11.09.2017
Zartbitter ist das Glück
Østby, Anne

Zartbitter ist das Glück


sehr gut

Vier Frauen in Norwegen bekommen Briefe von einer alten Freundin. Kat lebt auf Fidschi und hat dort eine Kakaoplantage. Nach dem Tod ihres Mannes lädt sie jetzt ihre Schulfreundinnen ein. Nicht auf einen Urlaub, sondern dazu, gemeinsam ihren Lebensabend auf der wunderschönen Insel zu verbringen, auf der sie lebt. Doch das Zusammenleben bringt auch Probleme mit sich, die Frauen haben sich verändert, haben unterschiedliche Lebensentwürfe gelebt und müssen sich nun neu zusammenfinden. Hat Kat die richtige Entscheidung getroffen, als sie Sina, Maya, Ingrid und Lisbeth zu sich eingeladen hat?
Anne Østby hat mit „Zartbitter ist das Glück“ eine wunderbare Geschichte über fünf Frauen geschaffen, die trotz unterschiedlicher Leben im Alter wieder zusammenfinden. Besonders gut gefallen hat mir, dass die Probleme, die sich daraus ergeben, offen angesprochen werden und die Autorin nicht versucht, eine klischeehafte fröhliche Frauen-WG zu schaffen, die auch gar nicht glaubwürdig wäre. Es ist harte Arbeit für die Frauen, wieder da anzuknüpfen, wo sie vor fünfzig Jahren aufgehört haben, der Kontakt hatte sich nur sehr lose gehalten, man hat das Leben der anderen eher aus der Ferne verfolgt. Zudem zeichnet sich die Geschichte durch sehr detaillierte Beschreibungen der Traditionen und Gepflogenheiten der Bevölkerung auf Fidschi aus, die immer wieder für Missverständnisse sorgen. Für den Leser wird dies sehr schön ersichtlich, da in kurzen Abschnitten Kats Haushälterin Ateca immer wieder zu Wort kommt, die ihrer Verwunderung über das Verhalten der Fremden und ihren Sorgen dort Ausdruck verleiht.
Meiner Meinung nach hat Anne Østby eine in sich schlüssige und sehr gelungene Geschichte geschrieben, die einen als Leser bewegt und mitnimmt. Durch die sehr unterschiedlichen Charaktere entsteht eine Spannung, die die Geschichte vorantreibt und „Zartbitter ist das Glück“ zu einem leichten und dennoch nachdenklichen Leseerlebnis macht.

Bewertung vom 08.09.2017
Die Phantasie der Schildkröte
Pinnow, Judith

Die Phantasie der Schildkröte


ausgezeichnet

Edith ist Mitte vierzig und lebt völlig isoliert und verschlossen, tagsüber arbeitet sie in einer Versicherung, zu Hause ist ihr Leben bis ins letzte durchorganisiert. Sie hat keine Freunde, tut sich schwer mit Kontakten und lässt nie etwas zufällig geschehen. Sogar ihre Kleidung ist nach festen Wochentagen sortiert, damit nichts schief gehen kann. Als sie im Aufzug die zehnjährige Schneewittchen kennenlernt, gerät ihr Alltag durcheinander. Das Mädchen drängt sich regelrecht in ihr Leben, bringt es durcheinander und bringt Edith dazu, sich der Welt draußen zu stellen. Immer neue Aufgaben muss Edith lösen und lernt so Menschen kennen und ändert ihr Leben.
„Die Phantasie der Schildkröte“ ist ein wunderschönes und magisches Buch. Man muss sich auf die Erzählidee einlassen, die sich vielleicht nicht von Anfang logisch erklären lässt. Das Auftauchen von Schneewittchen hat etwas von einem Wirbelsturm, der über Edith hereinbricht und wir Leser müssen uns mit ihr in diesen Sturm stürzen, was uns sicher leichter fällt als der zurückhaltenden Edith. Doch Schneewittchen reißt die Herzen aller Menschen an sich und so ist man schnell in der Geschichte gefangen, isst Törtchen, misst Spaghetti und stielt Schildkröten, was Schneewittchen halt gerade so ausbrütet. Die Geschichte ist unglaublich liebevoll geschrieben und so phantasievoll und kreativ, wie es Romane „für Große“ nur selten sind. Es gibt wirklich magische Momente, wunderbare Figuren, die mit viel Liebe beschrieben werden und einige Vorfälle, die einen beim Lesen einfach laut auflachen lassen.
Judith Pinnows Roman „Die Phantasie der Schildkröte“ ist für mich ein wahres Herzensbuch, warmherzig und liebevoll und dabei trotzdem spannend, traurig, lustig und bunt im Wechsel. Am Ende wünsche ich den Figuren einfach nur alles Gute und freue mich, einen Abschnitt ihres Lebens mit ihnen geteilt zu haben. Edith wird sicher ihren Weg gehen und ich kann jedem nur ans Herz legen, sich auf „Die Phantasie der Schildkröte“ einzulassen.