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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 548 Bewertungen
Bewertung vom 18.10.2021
Labyrinth München
Schwab, Axel

Labyrinth München


ausgezeichnet

Autor und Wahlmünchner Axel Schwab kennt die bayerische Landeshauptstadt seit 25 Jahren - lang genug, um einen profunden Reiseführer über die Isarmetropole zu schreiben.

Auf ausführliche Hintergrundinfos zur Historie Münchens verzichtet er, die kann sich der interessierte Leser jedoch online besorgen, einschlägige Websites sind an entsprechender Stelle im Buch genannt. Dafür bietet die optisch sehr angsprechende Klappenbroschur 30 geografisch sortierte Spaziergänge in und um München, vom Zentrum bis ins nähere Umland.

Noch vor den Touren finden sich die persönlichen "Best-of"-Listen Schwabs: Cafés, Restaurants, besondere Läden, Museen und - Instagrammer aufgemerkt - attraktive Fotospots. Bei den Tipps ist eine gewisse Vorliebe für Japanisches erkennbar, was zunächst überraschen mag, nicht jedoch, wenn man weiß, dass der Autor regelmäßig in Nippon weilt.

Die Spaziergänge selbst sind sehr gelungen, auf einen Blick erfährt man alles Nötige: Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Öffnungszeiten, Preise etc. Die wirklich zahlreichen Fotos machen Lust, sich gleich "auf die Socken zu machen", und Stadtplan-Ausschnitte bieten dafür hilfreiche Orientierung.

Überhaupt ist das die große Stärke dieses Reiseführers. Er nimmt dem Leser weitgehend zeitaufwendige Planungen ab. Man kann einfach im Buch blättern, überlegen worauf man am meisten Lust hat - und los geht´s! Wer nicht in München lebt und somit nur begrenzte Zeit für seine Entdeckungen hat, schaut am besten in den Anhang. Hier sind praktische Tabellen, die je zwei Touren pro Tag vorschlagen, und zwar so, dass die jeweiligen Sehenswürdigkeiten an diesem Wochentag auch geöffnet sind. Ebenso gibt eine Aufstellung nach Themen und Wochentagen Orientierung.

Ich selbst kenne München seit Jahrzehnten, habe lange dort gelebt, und dennoch hat mich dieses bunte Potpourri an Spaziergängen auf neue Pfade und an etliche mir bis dato unbekannte, wundervolle Orte geführt.

Fazit: Ein topaktueller Münchenführer, eine 1-A-Planungshilfe mit großartigem Preis-Leistungs-Verhältnis! Außerdem vergebe ich ein persönliches Gütesiegel, denn ich habe mich nicht verlaufen (und das will durchaus etwas heißen ...).

Bewertung vom 12.10.2021
Simple & Clever Cooking
Paul, Stevan

Simple & Clever Cooking


ausgezeichnet

Das Cover kommt extrem schlicht und für ein Kochbuch eher untypisch daher: kein Hochglanzfoto eines stundenlang von Foodstylisten geschönten Gerichts, sondern lediglich zwei Hintergrundfarben und der schwarze, senkrechte Titel. Doch die Farben sind in der Kombination ungewöhnlich und werden dadurch zum Eye-Catcher, simple und clever eben, wie es der Untertitel ankündigt. Und der Inhalt hält, was das Cover verspricht:

Gleich zu Beginn überrascht Autor Stevan Paul mit gleichermaßen einfachen wie geschmacklich überzeugenden "Mini-Rezepten" zu zehn verschiedenen Gemüsen. Und auch im umfangreichen Hauptteil sind die "richtigen" Rezepte nie kompliziert oder aufwändig zuzubereiten. Paul hält den Ball flach, kommt mit einer Handvoll Zutaten und Aromen aus, und auch die Zubereitung verlangt den Hobbyköchen kein sonderliches Geschick ab.

Dabei könnte der Koch und Foodjournalist auch anders. Anfang der 1990er Jahre stand Stevan Paul in mehreren Sternerestaurants am Herd. Nun aber bringt er die Einfachheit in die deutschen Küchen, und dies mit Erfolg. Paul versteht Kochen mehr als Handwerk denn als verschwurbelte Kunst. Die Rezepte sollen keine Anleitung sein, an die man sich penibel zu halten hat, sondern der Autor möchte sie vielmehr als Vorschläge verstanden wissen. Jeder und jede ist dazu aufgerufen, die Gerichte nach eigenen Vorlieben abzuwandeln. Das Buch liefert dazu das nötige Grundgerüst, sozusagen einen Baukasten, aus dem man sich bedienen kann, weil klar ist, was gut zusammen passt.

Die Rezepte, die ich bislang versucht habe, konnten mich allesamt begeistern. Da wird ein Tortilla-Fladen kurzerhand zum Blitz-Flammkuchen umfunktioniert, Belag nach Wahl, ab in den Ofen - fertig! Oder Rührei: Mein erster Gedanke war "Kann man so etwas Banales noch großartig verbessern?" Meine Antwort ist ein klares JA. Geriebener Käse, das Ei nur leicht in Schlieren ziehen, beim Braten vorsichtig schieben und zum Schluss mit Tomatenwürfeln toppen - ein Traum! Aber auch Ausgefalleneres findet sich, zum Beispiel gekochte Eier, die in Soja-Soße mariniert und in Kresse und Sesam gewälzt werden. Eine Vorspeise, die eine wahre Augenweide ist.

Die modernen Fotos von Vivi D`Angelo sind herrlich unaufgeregt, etwa wenn der Veggie-Mushroom-Cheesburger schlicht auf weißem Teller auf der Couch steht, eben ganz so, wie es auch auf dem heimischen Sitzmöbel sein könnte. Das vermittelt ein beruhigendes Gefühl von "so bekomme ich das auch hin".

Außerdem punktet das Kochbuch auch mit Tipps für die nötige Grundausstattung in der Küche sowie zu sinnvoller Vorratshaltung. Zusammen mit Rezeptideen für Resteverwertung (neudeutsch: Leftoverküche) ist dies ein zeitgemäßer Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Übrigens: Dass die Gerichte komplett ohne Fleisch auskommen, habe ich erst nach ein paar Wochen gemerkt, man vermisst es gar nicht! Ein rundum gelungenes Werk, für Anfänger wie fortgeschrittene Hobbyköche sehr zu empfehlen!

Bewertung vom 11.10.2021
Afrika ist kein Land
McCann, Jennifer;Reisedepeschen

Afrika ist kein Land


sehr gut

Dies ist - nach "Reisedepeschen aus Bolivien und Peru" das zweite Buch der Hannoveraner Biologie-Lehrerin Jennifer MacCann.

Hier erzählt sie von ihren Reisen durch elf zentral- und ostafrikanische Länder, inklusive der beiden Inseln Magadaskar und Sansibar. McCann schreibt kurzweilig und unterhaltsam und räumt mit vielen Klischees auf. Sie entlarvt schonungslos ehrlich, wie ihr Wissen über den zweitgrößten Kontinent durch postkoloniale Sichtweisen geprägt wurde. Die Autorin hinterfragt ihr egoistisches Verhalten als Afrikatouristin, etwa wenn sie sich beim Aufstieg auf den Kilimandscharo erst im Nachhinein um die äußerst mangelhafte Ausrüstung ihrer Träger Gedanken macht. Diese ungeschönten Reflexionen sind einerseits eine Stärke dieses Buchs. Andererseits geht mir McCann hier nicht weit genug, sie bleibt quasi auf halber Strecke stehen: Zwar hält sie sich (und letztlich auch vielen Leser*innen) den Spiegel vor und benennt klar einige Probleme, die Tourismus verursachen kann, etwa wenn es um Naturschutz versus Armutsbekämpfung geht. Doch leider bleibt es beim Benennen des Status quo, Lösungsvorschläge sucht man vergeblich, hier bleibt die Autorin vage oder Antworten fehlen völlig.

Hingegen gelingt es ihr hervorragend, historische und kulturelle Hintergrundinfos kurz und prägnant zusammenzufassen.

Auch optisch punktet das liebevoll gestaltete Hardcover. Zuvorderst mit dem ungewöhnlich gestalteten Cover; die Ländergrenzen sind eingeprägt, so dass der Buchdeckel an ein Puzzle erinnert. Innen geben eine geografische Übersichtskarte mit den bereisten Ländern und ein Lesebändchen Orientierung, und die modernen Farbillustrationen von Johannes Klaus sind eine Augenweide. Auf Fotos hat McCann diesmal leider verzichtet.

Dennoch eine empfehlenswerte Lektüre für alle Afrika-Touristen und solche, die es noch werden wollen. Oder auch einfach für diejenigen, die ihr Bild von Afrika auf den Prüfstand stellen wollen.

Bewertung vom 07.10.2021
Weihnachten mit Christina
Bauer, Christina

Weihnachten mit Christina


ausgezeichnet

Die bekannte Bäuerin und Bloggerin Christina Bauer hat wieder ein neues Backbuch veröffentlicht, und diesmal widmet sie sich ganz der Vorweihnachtszeit.

Das Hardcover macht einen rundum hochwertigen Eindruck, mit edlem Leinenrücken, Goldprägung auf dem Titel und Lesebändchen ist es ein richtiges Schmuckstück. Doch auch der Inhalt weiß zu überzeugen: Über 70 Rezepte gilt es zu entdecken, von traditionellen Klassikern wie Zimtsternen, Spekulatius oder Vanillekipferl bis hin zu kreativen Innovationen wie Tiramisu-Sternen oder putzigen Weihnachtsmännerköpfen. Letztere entstehen kurzerhand aus auf den Kopf gestellten Herzformen. Die Plätzchen werden entsprechend dekoriert, so dass die Rundungen der Herzen zu dicken Pausbacken werden, wirklich originell! Und auch geschmacklich überzeugen die Rezepte: ein Freund attestierte den Kürbiskern-Kipferln Suchtpotenzial ...

Zusätzlich zu den Rezepten für Plätzchen, Stollen, Weihnachtsbrote und Co. erklärt die Autorin auch die Herstellung einiger Grundteige und verschiedener Füllungen. So kann man nach Herzenslust selbst kombinieren und neue Lieblingsrezepte entwickeln. Praktische Tipps zu richtiger Lagerung und Haltbarkeit wie auch Kapitel zur Grundausstattung der Vorratskammer und zu benötigten Küchenutensilien runden das Ganze ab und sind vor allem für Backneulinge wertvoll, ebenso wie die ausführlich mit Fotos bebilderten Schritt-für-Schritt-Anleitungen, wenn es mal etwas anspruchsvoller wird. Nützlich sind auch die beiden Register, einmal herkömmlich alphabetisch sortiert, ein zweites nach thematischen Begriffen unterteilt.

"Weihnachten mit Christina" ist kein ausschließliches Backbuch. Zwischen den Hauptkapiteln finden sich auch Ideen für kreative Basteleien in der Vorweihnachtszeit: das Binden eines Adventskranzes, das Schnitzen von Kartoffelstempeln mit Plätzchenausstechern und einiges mehr. Eine persönliche Note erhält das Buch durch Familienfotos der Autorin und kurze Einblicke, wie sie den Advent mit Mann und Kindern auf ihrem Bauernhof gestaltet.

Für den Löwenzahnverlag schon eine Selbstverständlichkeit, für mich aber dennoch äußerst lobenswert sind die klimapositive Produktion und der cradle-to-cradle Druck, ich schätze Umweltbewusstsein und ressourcenschonende Herstellung sehr. Dazu passen auch Christinas Tipps für die Verwendung übrig gebliebener Lebensmittelreste - so geht Nachhaltigkeit in der Backstube!

Meine klitzekleinen Kritikpunkte fallen nicht sehr ins Gewicht, ich möchte sie dennoch aufführen: Für Anfänger dürfte manche Angabe etwas zu ungenau sein, etwa wenn ein Teig "dünn" ausgerollt werden soll, hier wäre eine mm-Angabe gut. Die Backzeiten und Zutaten sind sehr übersichtlich aufgeführt, die Angabe von Ruhezeiten "versteckt" sich leider oft im Text der Zubereitung.

Dennoch ist es ein rundum gelungenes Backbuch für die Adventszeit, bestens geeignet als Geschenk, ob für Freunde oder für sich selbst!

Bewertung vom 06.10.2021
Der Panzer des Hummers
Minor, Caroline Albertine

Der Panzer des Hummers


weniger gut

Wenn der großartige deutsche Humorist Heinz Erhardt bei seinen Auftritten "noch´n Gedicht" ankündigte, hing das Publikum erwartungsfroh an seinen Lippen und konnte gar nicht genug bekommen. Daran erinnerte mich der vorliegende Roman, allerdings leider mit eher gegenteiligem Erfolg: Autorin Minor versammelt in Ihrem Erstling eine derartige Fülle an Personen, dass ich mir schon nach wenigen Kapiteln dachte: "Oh nein, nicht noch ´ne Figur ...!"

Zwar hilft das vorangestellte Personenverzeichnis bei der Orientierung, doch gelingt es Minor leider nicht, ihre Armada an Protagonisten und Nebendarstellern eine erkennbare Entwicklung durchlaufen zu lassen. Die Autorin verzettelt sich in zu vielen Schauplätzen und Einzelschicksalen, es ist kaum Struktur erkennbar. Gemeinsam ist fast allen Personen, dass sie - jede auf ihre eigene Art - unglücklich oder gescheitert sind. Minor zeichnet eine amerikanische und eine dänische Familie, deren Mitglieder nur noch lose zusammen hängen, sich irgendwie verloren zu haben scheinen. Im Verlauf des Romans entstehen Kontakte zwischen den beiden Familien, aber ein tieferer Sinn erschließt sich mir nicht. Es geht um Elternschaft, wobei die Väter meist durch Abwesenheit glänzen. Es wird viel erzählt und noch mehr verschwiegen.

Auf der literarischen Guthabenseite kann Minor genaue Beobachtungen verbuchen. Leider gelingt es ihr nur manchmal, dies auch adäquat sprachlich umzusetzen. Zu oft finden sich banale Gedanken oder schräge Bilder, etwa wenn bildende Künstler beschrieben werden als Leute, aus deren "Händen und Hirnen Dinge wuchsen". Oder jemand fühlt sich "wie eine geöffnete Tomatendose". Sorry, aber das ist mir dann doch etwas zu surreal, in meiner Welt haben Dosen keine Gefühle. Seltsam muten auch diejenigen Kapitel an, in denen ein verstorbenes Ehepaar in einer Art Zwischenreich gefangen ist, abgetrennt durch eine "zarte Membran", die auch schon mal eine "ungesunde Farbe" aufweist. Wieso? Keine Ahnung.

Caroline Albertine Minor hat für ihre Kurzgeschichten bereits viel Anerkennung erfahren. Nun hat sie sich auf den Weg zur Romanautorin gemacht, angekommen ist sie dort noch lange nicht. "Der Panzer des Hummers" wirkt eher wie eine literarische Fingerübung, höchstens ein Romanfragment.

Bewertung vom 21.09.2021
Magic Fermentation
Kruse, Marcel;Pulsinger, Geru

Magic Fermentation


ausgezeichnet

Ja, ich habe schon mal ein Sauerteigbrot gebacken und ich bestelle beim Koreaner gerne Kimchi. Aber was genau Fermentation ist, und vor allem wie vielseitig man sie in der eigenen Küche einsetzen kann, davon hatte ich keine Ahnung.

Dies hat sich durch "Magic Fermentation" grundlegend geändert. Marcel Kruse und Geru Pulsingers Leidenschaft für die Herstellung bzw. Veredelung von Lebensmittelns durch mikrobiologische Prozesse ist extrem ansteckend. Die Begeisterung des Autorenduos hat dazu geführt, dass nun auch ich seit Monaten eine eifrige "Fermentista" bin. In meinem Vorratsregal blubbern die verschiedensten Gemüse- und Obstkombinationen bunt vor sich hin, ich trinke fast täglich selbst gemachten Kefir und stelle originelle, prickelnde kulinarische Geburtstagsgeschenke her, die sehr gut ankommen.

Das Buch deckt wirklich alles rund ums Thema Fermentieren ab: Es gibt eine gut verständliche theoretische Einführung, einen sehr großen Rezeptteil, eine Pannenhilfe, falls mal etwas schief geht sowie ein Fachglossar und Bezugsquellen. Wobei ich es sehr praktisch finde, dass man nicht gleich einen Küchenschrank voller Spezialutensilien benötigt; mit einigen unterschiedlich großen Einmachgläsern und den Zutaten kann man eigentlich gleich loslegen. (Dann allerdings ist Geduld angesagt: Die Fermente brauchen mehrere Wochen, teils sogar Monate, bis sie verzehrreif sind.)

Die Optik des stabilen Hardcovers ist top: großformatige Farbfotos, übersichtliche Gestaltung der Rezepte samt hilfreichen Tipps, auch ein Lesebändchen fehlt nicht. Symbole zeigen auf einen Blick, wie lange fermentiert werden muss und wie lange der Inhalt dann haltbar ist.

Die Sprache ist jung und modern, ein besonderer Pluspunkt ist, dass konsequent auf Nachhaltigkeit hingewiesen wird. (Da ist es mehr als stimmig, dass das Buch - wie das gesamte Verlagssortiment bei Löwenzahn - cradle-to-cradle gedruckt wird.)

Ein klitzekleiner Kritikpunkt: Im Rezepte-Register sind fast ausschließlich die exakten Namen der Rezepte aufgeführt, es fehlt eine umfangreiche Verschlagwortung der Hauptzutaten. Dadurch muss man lange suchen, wenn man etwa nicht mehr weiß, dass das leckere Karotten-Kraut mit Kaki eben nicht unter "K" wie "Karotte", sondern unter "G" wie "gelbes Karotten-Kaki-Kraut" zu finden ist. Daher: Spickt das Buch mit Post-its! Und entdeckt ungeahnte kulinarische Genüsse, von "A" wie Apfelstrudel-Drink bis "Z" wie Zucchini-Gurken-Relish.

Bewertung vom 16.09.2021
Seht ihr es nicht?
Haderer, Georg

Seht ihr es nicht?


sehr gut

Es weht ein frischer Wind durch die österreichische Krimiszene: "Seht ihr es nicht?" ist der gelungene Auftakt zu einer Reihe um die ehemalige Polizistin Philomena Schimmer, die nach einem traumatischen Einsatz nun als Sonderermittlerin im "Kompetenzzentrum für abgängige Personen" tätig ist.

Der Kriminalroman ist in mehrfacher Hinsicht untypisch für das Genre. Zum einen steht nicht so sehr das Verbrechen und dessen Aufklärung im Mittelpunkt als vielmehr die Ermittlerin Schimmer. Haderer zeichnet ein anschauliches Bild ihrer Psyche, er versorgt den Leser mit Szenen zu ihrem Sexualleben und auch ihre Familie nimmt großen Raum ein.

Und auch sprachlich ist die Geschichte weit davon entfernt, gewöhnlich zu sein. Haderer legt ein schnelles Erzähltempo vor, das die ganze Aufmerksamkeit des Lesers fordert. Der Stil ist eigenwillig, überraschend und immer wieder witzig-ironisch. Besonders haben es mir zahlreiche schlagfertige Dialoge angetan. An skurillen Figuren mangelt es nicht, manche sind etwas überzeichnet und teils tappt der Autor in die Stereotypie-Falle. Ein wenig anstrengend fand ich es, die zahlreichen Austrizismen und (zumindest Nicht-Österreichern) ungeläufigen Abkürzungen nachschlagen zu müssen, hier wäre ein erklärender Anhang schön.

Ein Pluspunkt ist für mich hingegen die Vielfalt der angerissenen Themen. Der geneigte Leser lernt über Nanobots ebenso dazu wie über die Theorie sogenannter morphischer Felder, Robert D. Hares Psychopathen-Checkliste oder den surrealistischen Fotografen Wiliam Wegman.

Der Plot selbst spart nicht an roten Heringen und überraschenden Wendungen, für mich bis zur letzten Seite spannend und unterhaltsam, ich hoffe auf baldige Fortsetzung.

Bewertung vom 16.09.2021
Stupid ways to die
Hahn, Marco

Stupid ways to die


gut

Bereits auf dem Cover verspricht Autor Marco Hahn fast Unglaubliches: "Mit drei einfachen Schritten länger leben." Meine Neugierde war schnell geweckt, sollte es wirklich so mühelos sein, sich zusätzliche Lebenszeit zu verschaffen?

Nun, schon im Vorwort wird es leider unseriös: Man soll "einfach" Zucker und Aluminium nach Möglichkeit vermeiden, außerdem viel Wasser trinken und - voilà - schon lebt man deutlich länger, verspricht Hahn. Sorry, selbst wenn all dies der Gesundheit zuträglich sein mag, ein Versprechen auf ein (noch dazu deutlich) längeres Leben kann niemand abgeben!

Man merkt dem Ratgeber an, dass es dem Autor ein großes Anliegen ist, sein im Selbststudium und durch eigene Recherche erworbenes Wissen mit der Welt zu teilen. Dabei zeigt der studierte Betriebswirt durchaus profunde naturwissenschaftliche Grundkenntnisse. Allerdings wird auch deutlich, dass hier ein Laie schreibt. Das wäre auch völlig in Ordnung, wenn der Autor nicht immer wieder versucht hätte, seinen missionarischen Eifer auf möglichst breite Faktenbasis zu stellen. Mit über zwanzig Seiten Quellenangaben und Web-Links nimmt der Anhang fast ein Achtel des gesamten Buchs ein, für einen Ratgeber doch recht viel. Für eine wissenschaftliche Arbeit ist das angemessen, ja sogar nötig, in diesem Ratgeber wirkt es auf mich übertrieben. Zumal die Fakten oft nicht eindeutig zu interpretieren sind, was der Autor immerhin ehrlich zugibt, etwa wenn er Krankheiten nennt, die möglicherweise im Zusammenhang mit Aluminiumbelastung stehen.

Grundsätzlich teile ich viele Ansichten Hahns, doch ich hatte mir etwas mehr Motivation und praktische Tipps für die Umsetzung einer besseren Lebensweise erhofft. Dass Wasser zu den gesündesten Getränken zählt, dürfte inzwischen wirklich Allgemeinwissen sein, und dennoch greifen viele immer noch zu oft zu Softdrinks, Fruchtsäften und Alkohol. Wieso bietet das Buch nicht ein paar schmackhafte Rezepte für aromatisiertes Wasser, mit frischen Kräutern, Zitrone etc.?

Sehr gelungen sind die zahlreichen witzigen Farbillustrationen von Ralph Handmann, sie bringen so manchen Aspekt besser auf den Punkt als der Text.

Über einige Satzfehler habe ich mich genauso geärgert wie über despektierliche Stellen ("Senioren, die tagtäglich eine komplette Mahlzeit in Form von Tabletten einnehmen"), daher vergebe ich leider nur eine mittlere Bewertung.

Bewertung vom 08.09.2021
Sherlock Holmes Mind Palace Geniale Gedächtnisrätsel
Dedopulos, Tim

Sherlock Holmes Mind Palace Geniale Gedächtnisrätsel


sehr gut

Mit "Geniale Gedächtnisrätsel" legt Tim Dedopulos seine dritte Rätselsammlung rund um den britischen Meisterdetektiv Sherlock Holmes vor. Der Titel ist etwas irreführend, geht es doch weder ausschließlich um Gedächtnisrätsel, noch kann man die Aufgaben anhand "Sherlocks genialer Gedächtniskunst" lösen, wie die Subheadline impliziert.

Vielmehr bietet das Buch 100 Fragestellungen aus Mathematik, Naturwissenschaften und Logik, gruppiert nach vier Schwierigkeitsstufen. So manch verzwicktes Rätsel konnte ich nach einiger Zeit knacken; insbesondere die naturwissenschaftlichen Aufgaben weiß man, oder eben nicht, da kann man oftmals ohne entsprechende Vorbildung wenig ausrichten. Diese Fragen eignen sich aber gut für ein Quiz im Familien- oder Freundeskreis, zumal die Auflösung (meist) kurz und dennoch allgemein verständlich ist.

Das großformatige Paperback punktet auch durch die hervorragende Gestaltung. Die vorder- und rückseitige Umschlagklappenbroschur kann gut als Lesezeichen für Rätsel und Auflösung dienen. Und die zahlreichen farbigen Illustrationen sind eine wahre Augenweide, nicht nur für Fans des britischen Detektivs.

Erzähler ist - wie auch in den Originalgeschichten von Arthur Conan Doyle - Dr. Watson, Freund und ständiger Begleiter von Holmes. Die Rätsel sind in der fiktiven Welt des Detektivs angesiedelt; der geneigte Leser wird auch weitere Figuren des Sherlock-Universums wiederfinden, wie etwa Inspector Lestrade. Außerdem werden viele Kriminalfälle kurz zitiert.

Neu an dieser Rätselsammlung ist, dass überdies verschiedene Methoden vorgestellt werden, anhand derer man sein Gedächtnis trainieren kann. Darunter finden sich bekannte Verfahrensweisen, wie die Loci-Methode, aber auch relativ Ungewöhnliches wie die Hérigone-Methode zum Memorieren langer Zahlenreihen. Hier will das Buch meines Erachtens zu viel auf einmal. Ich denke nicht, dass man damit sein Gedächtnis wirklich verbessern kann, dazu sind die genannten Methoden zu oberflächlich erklärt. Aber vielleicht wecken sie beim ein oder anderen das Interesse, sich weitergehend zu informieren.

Fazit: Eine wunderschön gestaltete Sammlung von Rätseln und Quizfragen, an der vor allem Sherlock-Holmes-Fans ihre wahre Freude haben dürften. Nicht unerwähnt lassen möchte ich das hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnis.

Bewertung vom 06.09.2021
Kleine Paläste
Moster, Andreas

Kleine Paläste


ausgezeichnet

"Es ist nicht das erste Mal, dass der Hund versucht, mich zu ermorden." Schon mit diesem originellen ersten Satz hatte Andreas Moster meine volle Aufmerksamkeit, und dies sollte sich auch bis zum Endes dieses großartigen Romans nicht ändern.

"Kleine Paläste" erzählt von Missbrauch und einer kleinbürgerlichen Gesellschaft, die lieber wegsieht, als sich der Konfrontation mit dem Täter zu stellen. Eine Gesellschaft, wie es sie leider auch heute immer noch viel zu oft gibt. Ehefrauen, die sich leidenschaftlich der Renovierung des Eigenheimes widmen, statt die Beziehung zu Mann und Kind ehrlich zu reflektieren. Nachbarn, die sich hinter dem Rücken "das Maul zerreißen", aber keinen noch so großen Verdachtsmoment laut aussprechen oder gar entsprechend handeln.

Geschickt wechselt der Roman zwischen zwei Zeitebenen und mehreren Erzählperspektiven. Zwischen der Tat und der Gegenwartsebene (genau genommen das Jahr 2018) liegen 32 Jahre. Mehr als eine Generation - doch aufgearbeitet scheint nichts. Nur langsam bröckelt der Putz von den "kleinen Palästen", nur bruchstückhaft kann man durch feine Risse hinter die mühevoll aufrecht erhaltenen Fassaden blicken.

Moster sind unverhoffte Bilder gelungen, die sich mir eingeprägt haben. Etwa wenn er von den Hautfalten des an den Rollstuhl gefesselten Vaters schreibt, an die sich der pflegende Sohn nicht herantraut, weil dort verborgene Geheimnisse liegen.

Die Erzählung hat einerseits eine Grundschwere, die der Thematik angemessen ist. Andererseits überrascht der Autor auch mit Witz und Esprit, die vor allem aufblitzen, wenn die verstorbene Mutter des Protagonisten, quasi als Gespenst zum Leser spricht und das Setting kommentiert, ohne handelnd eingreifen zu können.

Große Schreibkunst, ich ziehe meinen Hut!