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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2021
Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1
Hector, Wolf

Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1


sehr gut

Ein historischer Roman, der im vierzehnten Jahrhundert angesiedelt ist, mit einem Steinmetz als Protagonisten, der die Vision hat, ein Bauwerk zu erschaffen, das die Ewigkeit überdauern wird…klingelt da etwas bei den Leser*innen historischer Romane? Auch wenn der Handlungsort ausnahmsweise nicht das mittelalterliche England ist, so ist mir beim Lesen des Klappentextes sofort Ken Follett in den Sinn gekommen, auch wenn Wolf Hector (ein Pseudonym des Autors Thomas Ziebula) als Hintergrund Prag und den Bau der Karlsbrücke gewählt hat.

Wenn man die Geschichte um die Entstehung eines real existierenden Bauwerks in den Mittelpunkt eines Romans stellt, bedarf das einer gründlichen Recherche. Und hier hat der Autor ohne Zweifel seine Hausaufgaben mehr als erledigt. Die Quellenlage ist, wie Hector im Nachwort vermerkt, mehr als dürftig, was dem Roman allerdings nicht zum Nachteil gereicht, ganz im Gegenteil, denn so bleibt wesentlich mehr Spielraum für die künstlerische Freiheit, speziell was die Persönlichkeiten der Handlungsträger und deren Umfeld angeht.

In historischen Romanen, die für die breite Masse angelegt sind, lassen sich Klischees leider in den meisten Fällen nicht vermeiden, was allerdings der Lesbarkeit zu Gute kommt. So kommt auch hier der Baumeister aus einfachen Verhältnissen, hat sowohl Gönner als auch Rivalen, muss Rückschläge überwinden und sich zahlreicher Intrigen erwehren. Glücklicherweise verzettelt sich der Autor nicht, driftet nicht in nichtssagende Banalitäten ab, sondern bemüht sich um eine realistische Darstellung der damaligen Lebensumstände.

Dem Vergleich mit Follett hält Hectors „Die Brücke der Ewigkeit“ ohne Zweifel stand, und wer sich für die Geschichte historischer Bauwerke und deren Entstehung interessiert, kann hier unbesorgt zugreifen.

Bewertung vom 17.12.2021
Der Uhrmacher in der Filigree Street
Pulley, Natasha

Der Uhrmacher in der Filigree Street


gut

Gaslicht, Nebelschwaden und mechanische Erfindungen, dazu eine Bombenexplosion. Das alles verortet im London des Jahres 1883, so dass dieser viktorianische Hintergrund die optimalen Voraussetzungen für einen interessanten Steampunk-Roman bietet. Die Frage ist nur, ob „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ dieses Versprechen einlösen kann.

Die Handlung ist um eine geheimnisvolle Taschenuhr und drei Hauptfiguren herum aufgebaut: Nathaniel Steepleton, ein kleiner Angestellter im Innenministerium, der sich um die Übermittlung der ein- und ausgehenden Nachrichten kümmert. Grace Carrow, eine unkonventionelle Physikstudentin an Oxfords neuem College für Frauen. Herr Mori, ein exzentrischer japanischer Uhrmacher mit besonderen Fähigkeiten. Verbunden wird dies durch den Bombenanschlag auf Scotland Yard, bei dem die Taschenuhr eine nicht unwesentliche Rolle spielt, und der offenbar auf das Konto der Fenier, einer Geheimorganisation, die für ein unabhängiges Irland kämpft, geht. Doch wer hat die Bombe gebaut, und was hat die Taschenuhr damit zu tun? Jetzt könnte ein Sherlock Holmes von Nutzen sein, der deduktiv und für die Leser*innen nachvollziehbar den Hintergrund dieses Ereignisses aufklärt.

Aber leider fehlt eine solche Figur, die Tempo und Spannung in die Handlung gebracht hätte. Zwar verbindet die Autorin die Geschichten der Figuren, schlägt aber immer wieder völlig überflüssige Haken, gibt Informationen, die für den Fortgang der Handlung keinerlei Relevanz haben und deren Sinn sich nicht erschließt. So wird aus diesem Erstling eine langatmige, verwirrende, mit Banalitäten überhäufte pseudo-philosophische Abhandlung über Zufall, Schicksal und Vorbestimmung als ein atmosphärischer und spannender Steampunk-Roman.

Bewertung vom 16.12.2021
Die Übersetzerin
Lecoat, Jenny

Die Übersetzerin


gut

Handlungsort des Romans von Jenny Lecoat, zu dem sie sich durch ihre eigene Familiengeschichte inspirieren ließ, ist die Kanalinsel Jersey, und wahrscheinlich sind die wenigsten Leser*innen mit deren jüngere Geschichte vertraut. Mir war zumindest bis zu einem Urlaub vor vielen Jahren nicht bekannt, dass Jersey das einzige britische Gebiet war, das im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten besetzt wurde. Bis heute zeugen davon die baulichen Überreste von Bunkern, Wachtürmen etc., die dem Atlantikwall zuzurechnen sind. Der Plan, Jersey als Basis zu benutzen, um von dort über die englische Südküste Großbritannien zu erobern, misslang glücklicherweise.

Im Zentrum der Handlung steht Hedy Bercu, eine österreichische Jüdin, die 1938 aus Wien nach Jersey flüchtet, um der Deportation zu entgehen. Wirklich willkommen ist sie, wie alle Flüchtlinge, dort nicht, sondern wird eher geduldet. Das ändert sich, als 1940 die Wehrmacht die Insel okkupiert und die Registrierung der Ausländer verlangt. In erster Linie geht es ihnen darum, ihre Macht zu demonstrieren und Juden aufzuspüren. Anfangs scheint sich für Hedy alles zum Guten zu wenden, bekommt sie doch einen Job als Übersetzerin bei den Deutschen und findet in einem Wehrmachtsoffizier einen Freund. Doch die Zeiten ändern sich, und so bleibt ihr drei Jahre später nichts anderes übrig, als ihr Überleben in fremde Hände zu legen und unterzutauchen.

Obwohl Hedys Erfahrungen ein Teil ihrer Familiengeschichte sind, schaut die Autorin äußerst distanziert auf deren Schicksal. Mitgefühl oder Empathie sucht man in diesen Beschreibungen vergebens, aber auch Hedy ist keine Sympathieträgerin. Was um sie herum passiert, interessiert sie nur soweit, wie es ihr eigenes Leben und ihre Sicherheit tangiert. Selbst diejenigen, die ihr zu überleben helfen, beurteilt sie mit Überheblichkeit und lediglich danach, ob und wie sehr sie ihr nützlich sein könnten.

Unter dem Strich ist „Die Übersetzerin“ ein enttäuschender Roman über das Überleben in schwierigen Zeiten, der sein Potenzial verschenkt hat. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 15.12.2021
Silverview
Le Carré, John

Silverview


ausgezeichnet

Ein Kaff in East Anglia, in dem sich Julian Lawndsley einen Lebenstraum verwirklicht und eine Buchhandlung eröffnet, obwohl von Literatur und Autoren gänzlich unbeleckt. Unterstützung bekommt er von Edward Avon, einem seiner wenigen Kunden. Avon ist ein smarter älterer Herr, der sowohl über die entsprechende Bildung verfügt als auch Ideen hat, wie man das Geschäft ankurbeln könnte. Aber Avon hat auch einen Vergangenheit, früher aktiver Topagent, hat er sich mit seiner todkranken Frau Deborah auf den nahe gelegenen Landsitz „Silverview“ zurückgezogen. Auch sie hat für den Auslandsgeheimdienst MI6 gearbeitet, und ihren Scharfsinn hat die ehemalige Nahost-Analystin trotz ihrer schweren Erkrankung nicht verloren. Offenbar gibt es einen Maulwurf in den Reihen des Dienstes, und Deborah befürchtet, dass ihr polnischstämmiger Mann den Geheimnisverrat begangen haben könnte. Sie informiert den MI6 von ihrem Verdacht, woraufhin die hektische Suche nach dem Leck beginnt.

„Silverview“ ist aus einem Manuskript aus John Le Carrés Nachlass entstanden, das von seinem Sohn fertiggestellt wurde, was sich aber glücklicherweise nicht auf die Qualität ausgewirkt hat. Es ist das sanfte Resümee eines Autors, der sich zeit seines Lebens aktiv in Agentenkreisen bewegt und darüber geschrieben hat. Allerdings richtet er hier seinen Blick nicht auf die Vorgehensweise und Arbeit der Spione, sondern auf deren Wirken in Zeiten des Wandels. Die Schlapphüte und die konspirativen Treffen haben ausgedient, heutzutage beschafft man sich die benötigten Informationen auf anderen Wegen. Keine toten Briefkästen oder dunkle Ecken mehr, diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Ungewissheiten, Rückblicke, verflossene Liebschaften, moralische Grauzonen und die über weite Strecken sinnfreien Aktivitäten der Geheimdienste, die nirgendwo hinführen, all das beschreibt Le Carré elegant, mit feiner Ironie und herrlich britischen Dialogen. Und das wirkt nicht altersmilde oder resignativ, sondern gespeist aus den Erkenntnissen und Erfahrungen eines langen Lebens.

Bewertung vom 12.12.2021
Eifersucht
Nesbø, Jo

Eifersucht


ausgezeichnet

Ich bin kein Fan von Kurzgeschichten, sind diese doch meist zu sehr auf eine Person bzw. eine wesentliche Aussage reduziert, so dass für eine feine Ausarbeitung der Charaktere kaum Platz ist. Deshalb bin ich auch mit einer gehörigen Portion Skepsis an das neue Buch von Jo Nesbø herangegangen, dessen Kriminalromane um und mit Harry Hole, dem einzelgängerischen Ermittler mit den unkonventionellen Methoden, ich sehr schätze.

Sieben Short Stories, ein Motiv, so der Untertitel von Nesbøs „Eifersucht“, in dem er diese Empfindung und ihre Auswirkungen, schon so oft in der Literatur thematisiert, in den vielen Facetten beschreibt. Was löst dieses Gefühl aus und was macht es mit dem Menschen? Richtet es sich gegen das Objekt oder entfaltet es gar eine selbstzerstörerische Wirkung? Kann man damit leben oder führt es zu unberechenbaren Konsequenzen? Das sind die Kernfragen, denen sich der Autor stellt und differenziert zu beantworten versucht.

Eine junge Frau, die ihre eigene Tötung in Auftrag gibt. Ein Brüderpaar, das sich wegen der Liebe zu einer Frau entzweit und das geschwisterliche Band durchtrennt, was für einen von ihnen tödliche Konsequenzen hat. Ein Ohrring auf dem Rücksitz eines Taxis, der eine Ehe Richtung Abgrund treibt. Alles so ähnlich schon einmal gelesen, aber von dem Autor durch die komprimierte Form äußerst intensiv und stellenweise auch unerwartet verstörend beschrieben.

Im Gegensatz zu den Kriminalromanen wirken diese Kurzgeschichten wesentlich literarischer, ausgefeilter und konzentrieren sich stärker auf die psychologische Komponente, verzichten aber dennoch nicht auf unerwartete Wendungen und bieten somit auch die Spannung, die wir von dem Autor gewohnt sind.

Manchmal bedarf es eben nicht vieler Worte, um auf den Punkt zu kommen. Lesen!

Bewertung vom 10.12.2021
NATRIUM CHLORID / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.9
Adler-Olsen, Jussi

NATRIUM CHLORID / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.9


weniger gut

Wieder einmal muss sich das Sonderdezernat Q um einen Cold Case kümmern, der weite Kreise zieht. Ausgangspunkt ist die Explosion in einer Autowerkstatt vor über dreißig Jahren, bei der nicht nur sämtliche Mechaniker ums Leben kommen sondern auch das Kind einer Kundin getötet wird, die ihren Wagen abholen möchte. Die Mutter überlebt, begeht aber an ihrem 60. Geburtstag Selbstmord, was dazu führt, dass sich das Sonderdezernat den zurückliegenden Fall genauer anschaut. Die Untersuchungsberichte lassen nichts Ungewöhnliches erkennen, mit Ausnahme eines Häufchens Salz, das am Unglücksort gefunden wurde.

Was folgt ist die detaillierte Beschreibung der Arbeit von Mørcks Mitarbeitern Assad, Rose und Gordon, die alte Unterlagen nach diesem seltsamen Detail durchforsten und erkennen, dass es in regemäßigen Abständen Todesfälle gibt, in denen am Fundort der Leiche Salz zu finden ist. Offenbar gibt es eine/n Serienmörder/in, der/die unbehelligt seit dreißig Jahren in regelmäßigen Abständen mordet. Aber welche Bedeutung hat das titelgebende „Natriumchlorid“ an den Tatorten?

Das ist auch schon die interessanteste Frage, denn sowohl Täterschaft als auch Motiv sind bereits nach der Hälfte des Buches eindeutig geklärt. Die verbleibenden 250 Seiten widmen sich der Jagd nach dem Täter, schildern die Gefangenschaft des neuesten Opfers und lassen als Nebenhandlung einen neuen alten Fall aufploppen, in den Mørck involviert war und der ihn jetzt seine Karriere kosten könnte…

Die fast ausschließlich positiven Besprechungen dieses neuen Bandes aus der Sonderdezernat Q-Reihe kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ist das „…ein hochspannender Thriller, bei dem sich Jussi Adler Olsen selbst übertroffen hat“, wie ein Rezensent schreibt? Diese Frage muss ich für mich mit einem klaren Nein beantworten. Ein Thriller? Nein. Ein durchsichtiger Plot, durch das frühzeitige Entlarven des Täters auch null Spannung, keine unerwarteten Wendungen, keine Weiterentwicklung der Personen, der Stil zäh und langatmig.

Der größte Kritikpunkt ist für mich allerdings die Sprache, die von mangelndem Respekt gegenüber den Charakteren zeugt (ob das der Autor oder der Übersetzer zu verantworten hat, kann ich nicht beurteilen) und absolut nicht in die heutige Zeit passt. Da wird etwas „herausklamüsert“, Gordon von seiner Kollegin als eine „blasse Bohnenstange“ angesehen, und, als ob das noch nicht genug wäre, nennt Mørck seine Mitarbeiterin Rose in Gedanken abwechselnd „dumme Gans“, „dumme Schachtel“ und „Waschweib“. Ein Ärgernis!

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.12.2021
Nebeltage
Malanowska, Kaja

Nebeltage


ausgezeichnet

Dass eine Literaturnobelpreisträgerin einen Kriminalroman empfiehlt, ist selten, deshalb ist die Aussage von Olga Tokarczuk über „Nebeltage“ durchaus bemerkenswert: „Ein hervorragender Kriminalroman, maßgefertigt für die heutige Zeit“. Mit diesen Worten hat sie zumindest mich auf Kaja Malanowskas „Nebeltage“ neugierig gemacht.

Die Autorin ist promovierte Biologin, schreibt Kolumnen für das linke Magazin Krytyka Polityczna und hat bereits zwei Romane und einen Band mit Erzählungen veröffentlicht, in denen sie unbequeme Themen anpackt, die nicht nur für Polen sondern auch für unseren Alltag relevant sind. In Kombination mit Tokarczuks Aussage reicht das für mich schon als Empfehlung.

Eine junge Frau wird hinterrücks in ihrem Badezimmer mit einem Hammer erschlagen. Das Motiv scheint unklar, könnte aber ein missglückter Raubmord sein. Verdächtigt wird – natürlich – die tschetschenische Putzfrau, eine Illegale mit Geldsorgen. Soweit, so bekannt. Mit den Ermittlungen werden Marcin Sawicki und seine neue Kollegin Ada Rochniewicz betraut, letztere erst kürzlich aus Wrocław nach Warschau versetzt, wobei der Grund dafür im Dunkeln bleibt. Eine interessante Konstellation, hier der akribische Ermittler alter Schule mit Eheproblemen, dort die intuitive Kommissarin mit traumatischer Vergangenheit (?), die dem Machogehabe, dem Misstrauen und der Geringschätzung der männlichen Kollegen ausgesetzt ist und sich ihren Platz erst noch erkämpfen muss.

„Nebeltage“ ist im winterlich grauen Warschau angesiedelt, eindrücklich von der Autorin beschrieben, die damit die passende Atmosphäre für diesen düsteren Polizeiroman kreiert. Die Ermittlungen gehen langsam voran, werden auch stellenweise für mein Empfinden zu ausführlich beschrieben, gerade dann, wenn das persönliche Umfeld des Opfers unter die Lupe genommen wird. Wesentlich interessanter sind die Innenansichten, der Blick auf die polnische Gesellschaft mit ihrem Rechtsextremismus, der Misogynie, den verheerenden Auswirkungen einer sektiererischen Religiosität, dem Filz in Politik und Polizei. Eine absolut lohnenswerte Lektüre, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Lesen!

Bewertung vom 08.12.2021
Mitgift
Ahrens, Henning

Mitgift


ausgezeichnet

Es ist ein eindringliches Stück Familiengeschichte, das Henning Ahrens in seinem für den Deutschen Buchpreis 2021 nominierten Roman „Mitgift“ beschreibt. Aber im Gegensatz zu den trivialen Werken dieses Genres hüllt er den Leser/die Leserin nicht in die wohlige Decke von Liebe, Verständnis und Zuckerguss, sondern zeigt das bäuerliche Familienleben, reduziert und konzentriert auf ein problematisches Vater-Sohn-Verhältnis. Das ist aber längst nicht das einzige Thema, er schaut auch mit dem Brennglas in die Seelen der einzelnen Familienmitglieder, zeigt die Auswirkungen, die der Zweite Weltkrieg auf sie hatte. Hoffnungen, Wünsche und Träume, die sich nicht erfüllten. Enttäuschungen, die bis in die Gegenwart hinein wirken und Leben zerstören.

Ahrens verkneift sich jegliche Sentimentalität, beschreibt nüchtern, präzise und mit einer gehörigen Portion Distanz diese toxischen innerfamiliären Verhältnisse. In alternierenden Kapiteln zwischen den Jahren 1944 und 1962 wechselt er die Perspektiven, lässt er aber nicht nur die verschiedenen Familienmitglieder sondern auch die Totenfrau Gerda zu Wort kommen, deren Leben ebenfalls mit der Bauernfamilie verbunden ist. Einst die Jugendliebe des alten Wilhelm, von diesem aber zugunsten der Mitgift der Bauerntochter Käthe verlassen, damit Scholle zu Scholle kommt. Es ist dieser Hunger nach Land, das Versprechen der Nationalsozialisten, den Bauern neue Gebiete im Osten zur Verfügung zu stellen, die ihn in die Wehrmacht treibt und schließlich dazu führt, dass er bis 1949 in Kriegsgefangenschaft gerät. Zuhause muss die Familie, heißt im Klartext der älteste Sohn, dafür sorgen, dass der Betrieb weiterläuft. Doch von dem heimkehrenden Vater bleibt die Anerkennung aus, denn jeder hat seinen Platz in der Familie, das ist schon seit Generationen so geregelt, muss wissen, wohin er gehört, wieder zurück ins Glied rücken. Das konfliktbeladene Verhältnis zwischen dem tyrannischen Vater, der sich noch immer nicht von dem Gedankengut der Nationalsozialisten abgewandt hat, und dem Sohn, der für sich einen Ausweg aus diesem bäuerlichen Leben sucht, schaukelt sich allmählich auf, bis es schließlich zu dem finalen Ereignis kommt, das einen der beiden das Leben kostet. Lesen!

Bewertung vom 06.12.2021
Tod eines Nomaden / Der Mongole Bd.3
Manook, Ian

Tod eines Nomaden / Der Mongole Bd.3


ausgezeichnet

Yeruldelgger hat die Nase voll. Ganz gleich, wie sehr er sich abstrampelt, um denen das Handwerk zu legen, die sämtliche Gesetze aushebeln und sein Volk in den Würgegriff nehmen, es ist nie genug. Erschöpft von den immerwährenden Kämpfen nach Gerechtigkeit, die zu keinen Ergebnissen führen, quittiert er den Polizeidienst, verlässt die Stadt und zieht sich in die Wüste zurück. Mit der Unterstützung seines spirituellen Lehrmeisters besinnt er sich auf die uralten Traditionen, hofft so, zur Ruhe zu kommen, seinen inneren Frieden und wieder zu sich selbst zu finden.

Doch daraus wird nichts, denn sein Ruf eilt ihm voraus und niemand bleibt in der Wüste unbemerkt. Und so sieht er sich mit der Bitte einer unverhofft vor seiner Jurte auftauchenden Reiterin konfrontiert, sie bei der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter zu unterstützen. Sie wird nicht die Einzige bleiben, die seine Hilfe benötigt. Verschwundene Frauen, Todesfälle, ausgeführt nach uralten Riten und ein Massengrab, all dies führt dazu, dass der ehemalige Polizist noch einmal in den Sattel steigt, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

Ian Manook nimmt uns mit in ein Land, das im Westen kaum einmal in den Nachrichten auftaucht. Ein Land, das für die meisten von uns ein weißer Fleck ist. Ein Land, das schon längst wegen seiner seltenen Bodenschätze zum Spielball der gierigen internationalen Großkonzerne geworden ist. Ein ökologisch ausgebeutetes Land, dessen stolze Bewohner auf der Jagd nach dem schnellen Geld ihre Identität verlieren.

So muss sie also enden, die Trilogie. Mit einem einsamen Tod inmitten der gnadenlosen Wüste, deren Vormarsch nicht zu stoppen ist. Mit dem langsamen, aber unaufhörlichen Verschwinden der nomadischen Kultur. Mit Profitstreben, das kühl kalkulierend die Traditionen eines Volkes auslöscht.

Bewertung vom 03.12.2021
Vietnameasy
Luu, Uyen

Vietnameasy


ausgezeichnet

„Vietnameasy“ ist das zweite Kochbuch der Food- Autorin und -Stylistin Uyen Luu, in den achtziger Jahren mit ihrer Familie aus Vietnam nach England gekommen und im Londoner Nordosten aufgewachsen. Bekannt wurde sie durch ihre Supper-Clubs im heimischen Wohnzimmer, bei denen Luu die Teilnehmer mit den Aromen der vietnamesischen Küche vertraut machte. Die von ihr veranstalteten Kochkurse stießen ebenfalls auf großes Interesse, so nahmen unter anderem auch Jamie Oliver und Gennaro Contaldo an ihnen teil.

Unter den Kochtraditionen Asiens nimmt die vietnamesische Küche eine Sonderstellung ein, ist sie doch geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen benachbarter Nationen, aber nicht zuletzt auch von Gebräuchen und Traditionen der französischen Kolonialmacht. So ist das überall erhältliche Banh Mi nichts weiter als ein mit frischen Zutaten belegtes Baguette.

Wie man bereits dem Titel entnehmen kann, ist es Uyen Luus Anliegen aufzuzeigen, wie schnell und einfach man die schmackhaften Gerichte Vietnams zubereiten kann. Und das schafft sie mit 80 Rezepten, in denen sich Tradition und Moderne vereinen. Eine Herangehensweise, die perfekt in unsere globalisierte Welt passt und es uns auch einfacher macht, Zutaten, die eventuell gerade nicht vorhanden sind, durch entsprechende Alternativen, die die Autorin in jeder Rezept-Einleitung nennt, zu ersetzen.

Luu stellt auf den ersten Seiten die vietnamesische Speisekammer mit ihren Grundzutaten vor und gibt hilfreiche Küchentipps. Bei der Einteilung der nachfolgenden Rezepte verabschiedet sie sich von der klassischen Menüfolge, und das ist auch gut so, denn wer stellt sich denn heutzutage noch stundenlang in die Küche, um ein mehrgängiges Menü zuzubereiten. Aber sie denkt auch an diejenigen, die auf diese Vorschläge nicht verzichten möchten, und so gibt es am Ende des Kochbuchs zwei Seiten mit entsprechenden Kombinationsmöglichkeiten.

Köstliches zu Reis, Bunte Gemüsebeilagen, Knackige Salate, Mit Freunden schlemmen, Himmlische Nudelsuppen, Schnelle Gerichte für jeden Tag, Süßes und Desserts und Grundlagen – so die Einteilung, bei der an alles gedacht ist.

Uyen Luu hält ihr Versprechen, die Zubereitung der vorgestellten Speisen ist in der Tat „easy“, weil die jeweilige Beschreibung sehr detailliert beschrieben und anschaulich bebildert ist. Und auch die Zutaten sind mittlerweile in jedem gut sortierten Supermarkt erhältlich, allerdings sollte man darauf achten, gute und frische Ware zu bekommen. Dann steht einem kulinarischen Vergnügen nichts im Wege.