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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 251 Bewertungen
Bewertung vom 06.05.2022
Das kleine Buch für Buchliebhaber

Das kleine Buch für Buchliebhaber


ausgezeichnet

Wunderschöne Zitatesammlung über Bücher & Lesen.

Ein Künstler ist, wer auch über schwere Dinge leicht schreiben kann. (S. Prudhomme)
Man ist neugierig, die Stellen im Buch zu lesen, die ein anderer unterstrichen hat. (Jean Paul)
Die 3 lebenswichtigen L: Lesen - Lachen - Lieben. (Christiane Schlüter)

Eignet sich insb. als Beigabe zu Karten, Glückwünschen etc.

Bewertung vom 04.03.2022
Das Maß ist voll
Hahne, Peter

Das Maß ist voll


ausgezeichnet

Auffrischungsimpfung für die Vernunft.

Peter Hahne (PH) ist ein Denker, der sich nie verbogen hat. Schon in den 80er Jahren hat er ein Buch geschrieben (Die Macht der Manipulation), das den damaligen Fernsehoberen die Leviten las. Nur, sie hatten es nicht verstanden. Über Jahrzehnte allerdings hat das Fernsehen ein gut austariertes Verhältnis zwischen links und rechts in Angebote umgesetzt: unterschiedliche politische Richtungen kamen zu Wort. Heute ist das nicht mehr der Fall. Links schwillt den Gleichheits- und Gerechtigkeitsaposteln der Kamm. Dabei fügt Grün die notwendige Angst hinzu, denn morgen hat die Erde angeblich ein Ende.

Links und rechts sind Einordnungen aus dem Autoverkehr, aber keine guten Maßstäbe für Politik. Weil es so diffamierend benützt wird, hier eine mögliche Unterscheidung: bei Rechts sind die persönlichen Freiheiten wichtiger als Gleichmacherei. Links bedeutet, dass mehr Gleichheit angestrebt wird, meist auch auf Kosten persönlicher Freiheiten. Problematisch daran ist, dass die Grenzlinien nicht klar gezogen werden können. Deshalb ist für mich nur ein Maßstab der Politik richtig: entspricht sie einer bürgerlichen Vernunft oder nicht? Berücksichtigt sie eine Verantwortungsethik, die ein gutes Verhältnis zwischen dem Einzelnen und Allen herstellt. Stellt Sie die Freiheit des Einzelnen über vorgeschobene Gemeinwohlinteressen?

Wenn ich mich als Mann morgen als Frau umdefinieren kann, ohne biologische Parameter umzustellen, dann ist dies mehr als unvernünftig. Es öffnet Manipulationen Tür und Tor. Am Fall Tessa erkennt man: Die politische Klasse hat jegliche Bodenhaftung und den Draht zur Bevölkerung komplett verloren. Sie unterstützt vor allem Studienabbrecher, die dem Bürgertum heute vorschreiben wollen, wie es zu leben habe. Im Vordergrund stehen Wunschtheorien und Gleichmacherei, die wenig noch mit der Realität zu tun haben.

Besonders problematisch ist, dass im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen die Bevölkerung bzw. die Meinungen nicht mehr abgebildet sind, der Trend schwingt Richtung Wünschen von gutmenschlicher, toleranter Weltpolitik, die unerfüllbare Forderungen stellt und die Energie des Landes aussaugt. Die Ausführungen von PH zeigen ganz konkret, wo der Schuh drückt und niemand in Berlin kann diese Sachverhalte mehr übersehen. Die SPD stand schon am Abgrund und gemeinsam mit den Grünen wird es bald weit darunter hinaus gehen, täglich hofft man, dass wenigstens ein Helmut Schmidt wieder irgendwo auftaucht.

PH ist ein christlich grundierter Denker, dessen Konzept heute nicht mehr im woken, grünen Akzeptanz-Bereich liegt. Er argumentiert in einer Richtung, die auch Iwan ILJIN in seinem Buch "Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse:" skizziert.

Peter Hahne ist eine echte Auffrischungsimpfung für die Vernunft. Wir sehen hinter die Potemkinschen Dörfer der zeitgeistig verwrirrten Aktivisten aus Journaille und Politik. "Wir befinden uns heute in einer Situation, in der ein gutmenschliches, liberal-willenloses Christentum zur „Verschleuderung“ unseres religiösen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen „Erbes“ geführt hat." (Kardinal Schönborn) Die heutigen Aktivisten aus Politik und Journaille arbeiten weiter an einem woken Deutschland, dessen Toleranz demnächst nichts mehr verteidigen und das neben einer komplizierten Sprache nichts mehr bieten kann, was man Kultur nennen könnte, außer globaler Einheitsförmigkeit.

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2022
Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten
Zitelmann, Rainer

Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten


ausgezeichnet

Wer das Kaiserreich studiert hat und die Kriege vorüberziehen lässt, weiß, dass die SPD große Verdienste um die ArbeiterInteressen hatte. Ich habe ein Leben lang gearbeitet, als Unternehmer wie Rainer Zitelmann, mich im Grunde nie um Politik gekümmert und zur Entlastung meines hohen Einkommens habe ich (absurderweise) SPD gewählt. Weil das auch mein Vater getan hatte, dem ich sehr verbunden war. Aber irgendwann muss jeder aufwachen. Und sich Gedanken machen um unsere Systeme des Politischen, des Wirtschaftens, also Sozialismus versus Marktwirtschaft. Je mehr der Staat eingreift, reguliert und verteilt, umso mehr Sozialismus ansteht, der schlicht kontraproduktiv wird wie z.B. in Schweden in den 70er80er Jahren. Schweden hat das längst geändert. „Wird der Kapitalismus-Anteil in einer Wirtschaft erhöht, so wie das etwa in den letzten Jahrzehnten in China geschah, dann führt das in der Regel zu mehr Wachstum und der Mehrheit der Menschen geht es besser.“

Kapitalismus ist keine Ideologie, sondern natürlich gewachsen, er entspricht der Natur des Menschen am besten. Es gibt keine Trennung in Mensch und Wirtschaft. Jeder Mensch wirtschaftet. Linke Ideologen haben den Gegensatz kultiviert und grenzen jenen Bereich aus, in dem wir die meiste Zeit des Lebens verbringen. Sie diffamieren ihn mit dem Begriff „Kapitalismus.“ Ich suche schon lange nach einem Wort, das diesen Nachteil vermeidet. Innovism wäre es, wenn ich englisch denke. Leider gibt es keinen adäquaten deutschen Begriff. Bis dorthin sollte man das Wort Marktwirtschaft, besser noch soziale Marktwirtschaft nutzen. Alle Beteiligten in einer Marktwirtschaft profitieren von den stattfindenden Innovationen, Unternehmer und Arbeitnehmer gemeinsam.

Die Kraft der Marktwirtschaft drückt Marcel Reich-Ranicki etwas überspitzt so aus: „Die anständigen Menschen arbeiten um des Ruhms und des Geldes willen, die unanständigen wollen die Welt verändern und die Menschen erlösen.“ RZ möchte die Welt nicht erlösen, aber Verständnis schaffen für ein System, in dem wir alle agieren, er möchte die Frontlinien begradigen und Gemeinsames erreichen, eine Verantwortunsethik für die Zukunft.

Alle 10 benannten kritischen Punkte gegen den Kapitalismus und die Argumente von RZ dagegen sind ein Genuss zu lesen. Ich bin Praktiker und schätze den verständlichen Ton und Stil. So kann ich in Zukunft besser auf Argumente eingehen und diese entkräften. Natürlich ist soziale Marktwirtschaft, Wettbewerb und Innovation nicht immer einfach, aber das verlangt auch niemand. Wer etwas leisten möchte, hat Freude am Wettbewerb und er hat Interesse daran, für andere und für sich selbst etwas zu schaffen. Er arbeitet begeisternd und muss deshalb ein Leben lang nicht mehr arbeiten. Wenn erst mal diese Einigkeit vorhanden wäre, könnte man sich um die wirklichen Probleme kümmern, nämlich um jene, die eine funktionierende Marktwirtschaft lösen und immer einhegen muss. Stichworte wie geplanter Verschleiß, Gleichberechtigung, Monopole, Recycling, Ressourcenverbrauch etc. wären dabei zentral, aber auch Teilhabe und Lust am Unternehmertum.

Moderne Wirtschaft ist wandlungsfähig, ihr entscheidender Impuls ist Kritikfähigkeit und praktische Adaption, Optimierung, Ideen und machen. Radikale Antikapitalisten schrieben schöne, endlos lange Theorien von schöneren Welten, alleine alle sozialistischen Versuche schlugen fehl. Sie waren zu starr und nicht bereit für Optimierungen. Die von Joseph Schumpeter entwickelte „schöpferische Zerstörung“ ist der Hauptimplus des Kapitalismus. Aus ihr ziehen alle ihre Vorteile. Theorien laufen in Sackgassen, aber die praktische Umsetzung von Ideen in Produkte lebt vom Widerspruch, der permanenten Wandlung und ist deshalb so erfolgreich. Fehler im Kapitalismus sind möglich, es ist sein Antrieb bzw. Turbo zum Immer-Besser-Werden. Sich ihm so zu nähern, ist die einzig mögliche, humane Denkweise, zum Wohle aller.

Bewertung vom 06.02.2022
Gesammelte Werke
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


ausgezeichnet

Liebe zur Literatur: "Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen." (Bacon)

Ich lese Bücher nicht wegen dem Ende, sondern für weite Sätze, die mich aufleben lassen und tragen. Hier wird ganz feiner Literatursand gehoben, umgeschichtet und in einer Sanduhr des Lebens erfahren wir alles über die Lese-Vorlieben der handelnden Personen. Und ebenso viel über die Probleme ihres Lebens und deren Losungen und Lösungen.

Der ersten Sätze: "Martin Berg lag, die Hände auf dem Bauch gefaltet, im Wohnzimmer auf dem Fußboden. Um ihn herum waren waren alle möglichen Papier verstreut. Neben seinem Kopf lag ein halb fertiger Roman, ..." Eine eigentlich unspektakuläre Sprache entfaltet ganz langsam ihre Wirkung und zieht mich in die Welt des Martin Berg, seiner Familie und der Freunde.

Ich wünsche mir, dass diese Brikett an Buch nie aufhört. Es zu umfassen, macht mir ebenso Freude wie die ganz normalen Leben und Tage der handelnden Personen mitzuerleben. Es ist etwas Besonderes in dieser lauten Zeit diese leisen Töne zu vernehmen und sich dort wiederzufinden, wo Tage ihren ganz normalen Gang nehmen.

Das Arbeiten und Hoffen eines Verlegers ist ein Stoff, der für Bücherliebhaber das ganz große Kino bietet. Es sind große Worte, kleine Brötchen oft, Wolkenkuckucksträume und harte Landungen in der Realität, immer abgefedert durch Inhalte, die man in Buchdeckel bindet und verkaufen will. Aber eben auch mit großen Erfolgen, die das Einkommen sichern.

Geistes-Wissenschaften und Diskussionen um Politik und Leben, Wirtschaft und Freiheit. Letzten Endes schafft es diese Art des Schreibens gegen das Vergessen vorzugehen, Leben zu erinnern und Tage festzuhalten. Wir alle fließen weg ohne diese Fähigkeit, Lydia Sandgren schärft den Blick für Momente, die auch wir festhalten können, die lebens- und lesenswert sind.

"Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen." Diese Aussage von Francis Bacon skizziert den Kern dieses Buches, gelb wie die Sonne und lichte Strahlen sendend, die bleiben, die mich als Buchliebhaber durchwärmen und erfreuen. Unglaublich, dass die Autorin in so jungen Jahren ein solches Meisterwerk schreiben kann.

"Der eine lässt sich alles gefallen. Der andere wehrt sich mit Händen und Füßen. Der dritte beschreitet den Rechtsweg. Der vierte den politischen. Der fünfte greift zur Feder." (Martin Walser)

Bewertung vom 04.02.2022
Zur Zukunft der Demokratie
Steinmeier, Frank-Walter

Zur Zukunft der Demokratie


gut

Eine breite Diskussion, von konservativ bis links, von digital bis Religion - man muss hier einen Pluspunkt für dieses Buch sehen. Es bringt die aktuellen Diskussionen gut in einen Raum, in dem wir uns alle heute bewegen und mitreden sollten.

Beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses habe ich mich beobachtet und festgestellt, dass ich doch die mir adäquaten Themen eher suche und mich zwingen muss, konträre Meinungen zu lesen, z.B. jene von Mouhanad Khorchide (MK).

Immer wieder spannend, wie MK an Koran, Hadith und allen anderen Aussagen des Islam vorbei eine universelle Religion definiert, die mit dem Islam nur noch im Traum etwas zu tun hat. Er formuliert schöne Sätze, z.B.: „Religiosität ist somit ein Geschehen der Liebe aus Liebe für die Liebe.“ Wir sind eine Verwirklichung der Liebe Gottes, seiner Barmherzigkeit, wir sind Gottes Statthalter auf Erden. Unser Antrag sei ein politischer mithin zur Umgestaltung der Gesellschaft, um die Schöpfung möglichst als Selbstzweck zu befreien. Sloterdesk nähert er sich dem möglichen Beitrag des Islam zu einer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft.

Schön auch die Feststellung, Huntington’s Kampf der Kulturen wende sich hin zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache ebenso wie die Geschichte und die aktuellen Einstellungen der Deutschen zum Islam, die MK anführt. Über 80% verbinden den Islam mit Frauenunterdrückung (Ilhan Arsel: Frauen sind Eure Äcker), Fanatismus (70%) und Gewaltbereitschaft (+60%). Schuld daran seien wie immer wir, weil der Islam von der deutschen Regierung auf eine organisierte Linie gebracht wurde, in der konservative Sichtweisen dominieren, während aber der liberale Islam stärker berücksichtigt werden sollte.

Es ist ganz großes Märchenkino, wie MK das islamische Glaubensbekenntnis zu einem freiheitlichen Ansatz umdeutet: „Der Ruf des Korans zum Glauben an den einen Gott ist ein Ruf, sich zur Freiheit zu bekennen.“ Er meint damit u.a., sich vom Polytheismus zu befreien und genau hier sind wir bei der Trinität Gottes, dem Kern des Christentums. An Gott Vater, Gott Sohn und den Heiligen Geist zu glauben, gilt dem Islam als die größte, unvergebbare Sünde.

MK sieht im Vorgehen der deutschen Regierung mit dem Religionsunterricht gute Ansätze, die allerdings in das alte, konservative Islam-Verständnis abdriften. „Es besteht noch Handlungsbedarf in wichtigen Fragen wie der Imamausbildung oder der Förderung der liberalen Gemeinden."

Der Beitrag von Ulf Poschardt nennt Fakten, die nach meinem Gefühl so sind. „Gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine politische Schlagseite entstanden, die zu scharfer Kritik in den Sozialen Medien geführt hat.“ Zurecht, denn ein Herr Böhmermann möchte dort anordnen, wer gefragt werden kann und wer nicht in seine Qualität passt. Eine Journalistin beim Spiegel ist stolz darauf, Regierungssprecherin zu werden - man versteht das nicht mehr. Kritischer Journalismus wird immer mehr durch moralische Haltungen ersetzt. Es stimmt: „Zu viele Journalisten haben sich als Transmissionsriemen gesellschaftlicher Prozesse verstanden, der das Gelingen des „Merkel’schen Wir schaffen das“ sicherstellen sollte.
Völlig ungewohnt ist für UP die Rolle linker Medien: „Sie sind zum Verklärer staatlichen Handelns geworden.“ Die Forderer und Förderer höchste moralischer Standards werden so zum Totengräber journalistischer Standards, die gerne jene verhöhnen, die sich von ihnen abwenden und objektiv informiert werden wollen. Wer einfach schreibt, was ist, ohne zu viel Haltungszeigefinger, der wird auch morgen dabei sein, UP hat völlig Recht. Ich sehe die größte Verantwortung bei linken Journalisten, die mit ihrem Vorgehen eine tiefe Spaltung der Gesellschaft vornehmen, wie in Amerika. „Im Zentrum aller Medien muss wieder der mündige Bürger stehen, den man mit Argumenten, Pluralismus und Respekt ernst nimmt.“ Und nicht mit Angst und Manipulation traktiert.

Nein, die Einleitung des Herrn Steinmeier habe

Bewertung vom 04.02.2022
Geschüttelt, aber ungerührt
Löhndorf, Marion

Geschüttelt, aber ungerührt


ausgezeichnet

„Kontrolle zurückerhalten“: Dies war der Brexit Gewinner Slogan

„Take back control“, der wesentliche Slogan des Brexit stammt von Dominic Cummings, den David Cameron einen Karriere-Soziopathen nannte. Mich fesselte dieses Kapitel in dem Buch von Marion Löhndorf ebenso wie alle anderen. Es ist mein Auftakt für eine weitere Beschäftigung mit diesem Thema, das am Ende dieses Buches mit Literaturempfehlungen weiter gesponnen wird. Tradition und Vergangenheitssehnsucht haben in Britannien einen besonderen Platz und waren wohl der reich gedüngte Boden für den Brexit.

Besonders eindrücklich empfinde ich am ganzen Buch, dass Frau Löhndorf nicht im üblichen deutschen Haltungsstil schreibt, sondern analysiert was ist. Humorvoll, breit gefächert und unterhaltsam. Engländer haben immer noch eine reiche Tradition aus der Vergangenheit, die sie trägt und davon abhält, in andere Zusammenhänge und Verbünde zu gehen, die ihnen ihre Souveränität nehmen.

George Orwell, der sozialistische Autor meinte über die englische Zivilisation: „It has a flavor of its own.“ Er brandmarkte Linke wie Rechte und mit ihm wird klar, dass der Engländer es verachtet, wenn er etikettiert, koordiniert und gezählt wird, sein Heimatgefühl liegt im Privaten, Individuellen, Humorvollen und insb. die zahlreichen, notwendigen Überwachungskameras in London (Nr. 3 aller Städte weltweit, warum wohl?) sind ihm ein Gräuel.

Eine Tasse Tee schraubt die Seelentemperatur auf einen komfortablen Mittelwert, lesen wir und denken bei diesem klassischen Getränk der Mäßigung direkt an die Queen, die wir auch so gerne als Königin hätten statt einen Präsidenten, der Spaziergänger maßregelt. Sie dagegen ehrt einen 100-jährigen Kriegsveteranen, der mit Rollator noch Spenden sammelte für die Corona-Kranken. Das Video von Thomas Moore bzw. sein Ritterschlag rührt auch heute noch Kontinentaleuropäer zu Tränen.

Wer in England als Politiker humorlos und ungeschickt agiert, hat verloren. Noch reitet Johnson das Humor-Pferd und man ist gespannt, wie lange noch. England feiert den Sieg über Deutschland aus den beiden Weltkriegen immer noch enthusiastisch, während das Wirtschaftliche und der Fußball eher Deutschland zu Füßen liegt. Kein Wunder, wollte man sich von Merkel nicht weitere Migranten aufschwatzen lassen, ein weiterer Grund für den Brexit.

Den Multikulturalismus sehen Briten heute als gescheitert an, sie bieten Zuwanderern eine reiche Kultur, mit der man sich identifizieren kann, in die eine Integration möglich ist. In Deutschland hingegen, schreibt eine SPD Politikerin, gäbe es neben der deutschen Sprache nichts mehr, was kulturell auf ein Dasein hindeuten würde. Man beginnt, Engländern zu beneiden, auch wenn sie einen Bürgermeister in London haben, der meint, dass Terroranschläge auch für Engländer normal seien.

Mir scheint heute, London ist für Engländer vom Land eine Art außerirdische, globalisierte Stadt, die alle Probleme der Globalisierung potenziert anbietet und den Normalbürger abschreckt. Er glaubt dann eher an Plakate, auf denen er liest: "EU Policy at work. Britisch workers are hit hard by cheap unlimited labour." Man sieht einen britischen Arbeiter, der als Bettler auf der Straße sitzt.

Und doch: man ist stolz auf London und die Bollwerke, die sich dort versammeln und von ewiger Größe künden: Tower Bridge und Tower, Buckingham Palace, Riesenrad London Eye, St. Paul's Cathedral. "London ist eine Stadt der Möglichkeiten. Unvorhergesehenes kann passieren, jeden Monat, jeden Tag, jede Minute."

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2021
Radikalisierter Konservatismus
Strobl, Natascha

Radikalisierter Konservatismus


schlecht

Vorwärts im egalitären Sinne in Höchstmoral und Geschichtsvergessenheit.

Mit Definitionen kennen sich egalitäre Revolutionäre gut aus? Hier lesen wir gleich zu Beginn, dass Konservative Ungleichheiten als konstituierend ansähen, von daher eine Art Bürgerlichkeit aus Besitz und Stellung zementieren wollen. „Zentrale Bedeutung darin hat die Vorstellung, Ungleichheit sei für das Funktionieren einer Gesellschaft konstitutiv.“ Konservative seien mithin antiegalitär, antiliberal und rückwärtsbezogen.

Ein schöner Satz: „Der konservative Antiegalitarismus steht gleichermaßen quer zu den ideellen wie materiellen Gleichheitsvorstellungen von Liberalismus und Sozialismus: Weder sind alle Menschen gleich, noch besteht eine untrennbare Einheit zwischen den Werten Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.“

Wir nehmen also die egalitäre Zielsetzung der Frau Strobl mit und erkennen, dass ein weiteres Mal dem Kant’schen Imperativ einer kommenden Nivellierung in weltweitem, kollektiven Gleichglück entsprochen werden soll. Hierzu hat Karl Popper schon das Wesentliche gesagt: „Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“

Auf leicht gehobenem Baerbock-Niveau und mit korrekten Zitaten stoßen wir dann nicht weit weg vom Vorwort auf den Kern des Bösen. Er säße in Schnellroda und hat sich dort einen ganzen Verlag erschaffen, der uns mit rechtem Gedankengut infiltriert und die Gesellschaft zu hypnotisieren versucht.

Nun, konservativ sein bedeutet bürgerlich zu sein, das stimmt. Man nimmt Herausforderungen an und blickt auf die Realität, um von daher die bestmöglichen Lebens- und Entwicklungsformen zu finden. Menschlich zu sein heißt, vorhandene Unterschiede anzuerkennen, um für alle bestmögliche Bildung zu erreichen.

Dieses Denken ist etwas völlig anderes als die Autorin unterstellt, es geht von der Vernunft und guten Lösungen für alle aus. Es setzt nicht auf ein Ideal der Gleichheit, weil dieses inhuman und völlig geschichtsvergessen wäre. Gerade bei Bürgerlichen gab es nie eine Hierarchie qua Geburt, wie die Autorin unterstellt, sondern Aufstiegschancen für Kluge und Fleißige. Dies war und ist konstiuierend. Hans Rosling hat die Vorzüge einer sozialen Marktwirtschaft bestens beschrieben, die Grundlage war und ist eines konservativen, fortschrittlichen Denkens abseits aller falschen Träume von Gleichheit und Geschwisterlichkeit.

Konservatismus oder Bürgerlichkeit verfügt über wenige bis keine konzeptionellen, ideologischen Strategien, es scheint sein großer Nachteil zu sein, mit dem man ihn immer wieder angreifen kann. „Kurz gefasst, verstehen wir (wer ist wir, die Autorin oder ein Autorenkollektiv?) unter Konservatismus also eine antiegalitäre, antirevolutionäre, klassenharmonisierende Haltung, deren höchste Werte Ordnung und Eigentum sind.“ Wie damit die industrielle Revolution möglich gewesen sein soll und Innovationen bis heute stattfinden, man rätselt mit der Autorin. Skepsis scheint ihre fremd, ein religiöses Heilsversprechen für absolute Gleichheit hingegen ein absolutes Muss.

Viele mögen dieses Sprachduktus aus den 70ern noch kennen, man ist verwundert, dass heute noch eine derart undifferenzierte Sichtweise auf Geschichte und Erfolge der bürgerlichen Zeit gegeben sind. Vorwärts im egalitären Sinne in Höchstmoral und Geschichtsvergessenheit sind keine guten Grundlagen, und das Anprangern von Konservativen ebensowenig. Ihnen Radikalität zu unterstellen, sozusagen alles Konservative zu diffamieren und in die radikale, rechte Ecke zu schieben, ist unredlich und durchschaubar populistisch. Es verhärtet und löst keine Probleme.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2021
Hegels >Logik< lesen
Eiden-Offe, Patrick

Hegels >Logik< lesen


ausgezeichnet

Linke wie Rechte beziehen sich oft auf Hegel und versuchen, ihren Geist an seiner Phänomenologie bzw. Logik des Geistes zu schulen. Sie wollen damit ihre jeweilige Gegenwart bzw. den Urgrund der Dinge verstehen lernen.

Alles was existiert, muss für Hegel unaufhaltsam und unermüdlich in was anderes übergehen, und zwar in sein Gegenteil.

Begriffe sind Griffe, mit denen man die Dinge bewegen kann.

Hegel möchte, dass wir in allem die Komödie entdecken.

Humor, Erfahrung, Ästhetik, in diesem Dreiklang ist dieses Buch aufgebaut und versucht, dem Wesen Hegels nahe zu kommen.

Der wunderschöne, wirklich gelungene Titel hat mich angezogen und das Innere hat mich nicht enttäuscht.