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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 767 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2020
Camus, Albert

Die Pest


sehr gut

Albert Camus beschreibt die Entwicklung und Auswirkungen der Pest in der französischen Präfektur Oran an der algerischen Küste im Jahr 194' aus der Perspektive von Dr. Bernard Rieux, einem couragierten Arzt, der gegen die Seuche ankämpft.

Zu Beginn sterben die Ratten und später die Menschen. Über Oran wird der Ausnahmezustand verhängt. Niemand darf die Stadt verlassen. Das geordnete Leben in der Stadt bricht zusammen. Die Menschen verkriechen sich in ihren Wohnungen.

Der atheistische Arzt Rieux kämpft aktiv gegen die Seuche an, während der Jesuitenpater Paneloux in seiner Predigt die Pest als Strafe Gottes zur Züchtigung des Menschen bezeichnet. Die Protagonisten gehen unterschiedlich mit der Situation um.

Es sind Handlungsorientierung, Liebe und Solidarität gefragt, statt Egoismus, Aberglaube und Fatalismus, auch wenn die Situation absurd erscheint. Wer die Absurdität in den Fokus rückt, verliert den Kampf gegen die Seuche.

Die Pest ist gekommen wie eine finstere Wolke und sie verschwindet auch irgendwann wieder, ohne, dass die Betroffenen es erklären können. Sie steht metaphysisch für das Böse, welches die Menschheit von Zeit zu Zeit heimsucht.

Es ist kein Zufall, dass der Roman in den 1940er Jahren entstanden ist. Das Böse steht sinnbildlich für die Okkupation Frankreichs durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Auch wenn die Gefahr gebannt ist, bleibt das Böse im Menschen latent vorhanden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.11.2020
Borchert, Wolfgang

Draußen vor der Tür


ausgezeichnet

Das Buch besteht aus dem Drama "Draußen vor der Tür", vierzehn Kurzgeschichten und einem Nachwort von Heinrich Böll aus dem Jahre 1955. Borchert gehört, insbesondere wegen seiner überzeugenden den Nerv der Zeit treffenden Nachkriegsbeschreibungen, zu den wichtigsten Autoren deutscher Nachkriegsliteratur. Seine eigenen Erfahrungen fließen in seine Geschichten ein.

Der deutsche Soldat Beckmann kehrt nach 3 Jahren russischer Gefangenschaft heim in seine Heimatstadt Hamburg. Er ist traumatisiert, gebrochen vom millionenfachen Tod und hat Schmerzen aufgrund seiner Kriegsverletzungen. Verarmt und hungrig stellt er fest, dass er kein Zuhause mehr hat. Er fühlt sich von der Gesellschaft verlassen und fragt nach der Verantwortung für die Gräueltaten des Krieges.

Die Leser werden in diesem Drama mit Kälte, Verantwortungslosigkeit und Gleichgültigkeit konfrontiert. Die Gesellschaft hat ihr Mitgefühl verloren. So eindringlich, das gilt auch für die Kurzgeschichten, kann nur jemand schreiben, der die Abgründe des Krieges erlebt hat. In dem Buch finden sich Menschen wieder, die die Zeit erlebt haben. Es ist zugleich eine Mahnung an nachfolgende Generationen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2020
Bambaren, Sergio

Das weiße Segel


gut

Eine Reise zu sich selbst

Bei diesem Buch handelt es sich um ein modernes Märchen, in dem Sergio Bambaren deutlich macht, worauf es im Leben wirklich ankommt. Kate und Michael, ein junges Paar aus Auckland, sind mit ihrer Lebenssituation unzufrieden. Sie erwerben ein Segelboot, kappen alle beruflichen und privaten Verbindungen zu ihrer Heimat und stechen in See. Sie begeben sich auf eine Entdeckungsreise.

Auf ihrer einjährigen Tour lernen sie unbekannte Kulturen kennen, tauschen sie Erfahrungen mit fremden Menschen aus, lernen sie mit Gefahren umzugehen und finden sie letztlich zu sich selbst. Ein magisches Buch, welches sie von einem Freund geschenkt bekommen haben, inspiriert sie auf ihrer Reise. Die Geschichte enthält einige Zufälle und zahlreiche bekannte Lebensweisheiten.

Die Charaktere sind einfach gestrickt und die Geschichte ist vorhersehbar. Die These des Buches "Folge Deinem Herzen" lädt zum Träumen ein, denn die Realität ist komplizierter. Der Autor fordert die Leser auf, wie Coelhos andalusische Hirte in "Der Alchimist", aus dem Alltag auszubrechen, sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben, Risiken einzugehen und das Schöne in der Welt zu suchen.

Bewertung vom 27.10.2020
Akyün, Hatice

Einmal Hans mit scharfer Soße


gut

Zwischen den Welten

Journalistin Hatice Akyün, in Anatolien geboren und in Duisburg aufgewachsen, kennt sowohl die türkische als auch die deutsche Kultur. Sie sagt von sich selbst, dass sie zu deutsch sei, um eine Türkin zu sein, und zu türkisch sei, um sich eine Deutsche zu nennen. Mit Charme und Selbstironie beschreibt sie ihren Spagat zwischen zwei unterschiedlichen Welten.

Ihre Ausführungen sind unterhaltsam und humorvoll, aber auch sehr subjektiv. Sie beschreibt Episoden aus ihrem Leben, wobei Familie, Freundschaften und Essensgewohnheiten dominieren. Ihre Ausführungen sind lustig, erhellend, aber auch sehr klischeehaft, wenn es um die Charakterisierungen von Deutschen und Türken geht. Über ihr Berufsleben schreibt sie nicht.

Hatice Akyün führt kein durchschnittliches Leben, sondern das Leben einer unabhängigen selbstständigen Karrierefrau. Insofern entspricht ihre Lebenswirklichkeit als erfolgreiche Journalistin auch nicht dem Durchschnitt. Die Unabhängigkeit hat ihre Grenzen, wenn es um die Partnerwahl geht. Beziehungen kann man viele haben, aber als Ehepartner kommt nur ein Mann infrage, der beschnitten ist.

Erhellend fand ich ihre Erlebnisse auf der Autofahrt in die Türkei. Ob ein türkischer Hochzeitsbrauch, bei dem rote Bänder um die Taille der Dame gewickelt werden, wirklich unterhaltsamer ist, als das Zersägen eines Baumstammes bei manchen deutschen Hochzeiten, darüber ließe sich streiten. Die Autorin schreibt keine durchgängige Geschichte, aber sie liefert einen Beitrag zum Verständnis unterschiedlicher Kulturen.

Bewertung vom 12.10.2020
Kast, Bas

Der Ernährungskompass


sehr gut

Gesunde Ernährung ist möglich

Das Buch enthält die Quintessenz aus zahlreichen ernährungswissenschaftlichen Studien. Bas Kast macht deutlich, von welchen Nahrungsmittel wir mehr essen sollten, weil sie gesund sind und welche wir aufgrund der Nebenwirkungen meiden sollten. Menschen reagieren unterschiedlich auf Stoffe in Lebensmitteln und so kann jeder auf Basis der zusammengestellten Hintergrundinformationen seinen eigenen Essensfahrplan erstellen.

Nicht alle Erkenntnisse sind neu und es kann unterschiedliche Wege geben, sein individuelles Ziel zu erreichen. Positiv ist, dass der Autor undogmatisch an das Thema herangeht und sich jenseits von Ideologien mit Gesundheitsfragen auseinandersetzt. Das Buch ist, wie der Titel schon sagt, ein Kompass, eine Orientierungshilfe für gesunde Ernährung. Jeder muss seinen eigenen Weg finden zwischen Genuss und Gesundheit.

Kast untersucht die Grundstoffe der Nahrung und ihre Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, er analysiert verschiedene Diäten, geht auf unterschiedliche Fastenkuren ein und thematisiert den Einfluss des Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers auf die Nahrungsaufnahme. Im Epilog stellt er 12 Ernährungstipps zusammen, die das Destillat seiner umfangreichen Untersuchungen darstellen.

Bewertung vom 01.10.2020
Al-Zein, Mahmoud

Der Pate von Berlin


sehr gut

"Doch Menschen betrachten Dinge unterschiedlich, und die Entwicklung des Verhältnisses zwischen zwei Leuten erscheint je nach Perspektive in einem anderen Licht." (238)

Die Lebensgeschichte von Mahmoud Al-Zein, der als Jugendlicher aus dem Libanon geflüchtet ist und sich zum "Paten von Berlin" entwickelt hat, ist spannend zu lesen. Im Fokus stehen Familie, Respekt, Autorität, Ehre und Freundschaft, aber auch der brutale Kampf zwischen rivalisierenden Gruppierungen.

Institutionen wie Polizei, Ausländerbehörde, Justiz und Presse kommen bei diesen Betrachtungen schlecht weg. Die Integration, so der Eindruck, ist fehlgeschlagen. Einige Gründe werden genannt. Stattdessen hat die Bandenkriminalität zugenommen. Diese regeln Streitigkeiten meist untereinander.

Der Autor erzählt seine Lebensgeschichte aus seiner Perspektive. Es wäre interessant, zu verschiedenen Ereignissen und Entwicklungen die jeweils andere Seite zu hören. Der Preis für die Macht ist hoch, wie er heute einsieht und auch an die jüngere Generation weitergibt. Dennoch ist seine heutige Rolle nicht transparent geworden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.09.2020
Seethaler, Robert

Der letzte Satz


gut

Gustav Mahler (1860 – 1911) war ein weltberühmter österreichischer Dirigent und Komponist. In dem Buch beschreibt Robert Seethaler eine Sequenz aus dem Leben des großen Musikers. Es handelt von seiner letzten Schiffsreise von New York nach Europa. Mahler ist krank und gebrechlich. Ein Schiffsjunge betreut ihn.

Mahlers Musik steht nicht im Fokus, sondern der Mensch, der sich dahinter verbirgt. Auf dem Schiff passiert nicht viel, der Roman lebt von den Erinnerungen an sein früheres Leben, an seine Familie und seine nicht immer einfache Art im Umgang mit Mitgliedern des Orchesters.

An Deck des Schiffes dominieren die Gespräche Mahlers mit dem Schiffsjungen. Dieser kennt den Musiker nicht, weiß aber, dass es sich um einen Direktor handelt. Es sind diese Unterhaltungen über das Frühstück, über fliegende Fische oder über den Sonnenaufgang, die den Menschen Mahler skizzieren.

In dem Portrait kommt der Musiker Gustav Mahler zu kurz. Die Ausführungen wirken insgesamt seicht. Der Musiker wirkt verletzlich, melancholisch, nachdenklich. Für ein abgerundetes Bild des berühmten Musikers reicht nicht eine Facette aus der Endphase seines Lebens, sondern ist eine umfangreiche Biographie erforderlich.

Bewertung vom 26.09.2020
Dürrenmatt, Friedrich

Das Versprechen


ausgezeichnet

Kurz vor seiner Abreise nach Jordanien wird der fähige Kriminalkommissär Matthäi mit dem Mord an dem jungen Mädchen Gritli Moser konfrontiert. Es gab in den vergangenen Jahren bereits zwei ähnliche Fälle. Handelt es sich um das Werk eines Serienmörders? Der in der Region bekannte Hausierer von Gunten gerät unter Verdacht. Die Indizien sprechen gegen ihn. Dennoch hat Matthäi Zweifel. Er tritt seine Reise nicht an.

Der Titel des Romans bezieht sich offensichtlich auf das Versprechen, welches Matthäi der Mutter des ermordeten Mädchens gegeben hat, den Mörder zu finden. Dieses Versprechen, gepaart mit Matthäis Hang zur Gerechtigkeit führt dazu, dass er von dem Fall besessen ist und zur Aufklärung Maßnahmen ergreift, die Menschen in Gefahr bringen. Er handelt verantwortungslos.

Schuld und Verantwortung spielen in diesem Roman eine zentrale Rolle. Das gilt ebenfalls für die Polizei, die den Hausierer psychisch massiv unter Druck setzt und für dessen Kommandanten Dr. H., der radikale Maßnahmen genehmigt. Schuldig macht sich auch die Bevölkerung von Mägendorf, die sich wie ein aufgebrachter Mob verhält und natürlich der wahre Täter einschließlich seiner Ehefrau.

Der Roman entstand aus einer Drehbuchvorlage zu „Es geschah am hellichten Tag“. Während in dem Film der Kriminalfall im Fokus steht und dieser ein für Krimis typisches Ende nimmt, wollte Dürrenmatt in seinem Roman, der in entscheidenden Szenen vom Film abweicht, die Realität aufzeigen, die von Zufällen geprägt ist und nicht immer zum Erfolg führt. Der Roman ist lesenswert, auch wenn man den Film bereits kennt.

Bewertung vom 24.09.2020
Wilde, Oscar

Die Erzählungen und Märchen


gut

Oscar Wilde war ein irischer Schriftsteller, der sich nach seiner Ausbildung in London niederließ. Er war sprachgewandt, extravagant und galt in seinem Umfeld als Dandy. Vielen ist er durch seinen Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ bekannt, der mehrfach verfilmt wurde.

Im vorliegenden Sammelbuch werden Märchen (Hauptanteil), Erzählungen und Gedichte in Prosa vorgestellt. Melancholie, Trauer, Satire, Gesellschaftskritik, aber auch Güte, Humor und Barmherzigkeit sind Elemente, die man in seinen Geschichten vorfindet. Er schreibt sehr verständlich.

Besonders gefallen hat mir „Das Gespenst von Canterville“. Eine amerikanische Familie übernimmt trotz Warnung das englische Spukschloss Canterville und es stellt sich die Frage: Wer hat Angst vor wem? Es ist eine Parodie auf gewöhnliche Gespenstergeschichten.