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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 1031 Bewertungen
Bewertung vom 18.04.2019
So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt
Voß, Maike

So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt


sehr gut

“So sieht es also aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt” beginnt mit einem Anfang, der in einem anderen Buch durchaus das Happy End sein könnte. Leon und Viola sind seit über einem Jahr Freunde. Nach einer Feier verbringt Viola die Nacht in Leons Wohnung, da sie ihren Schlüssel vergessen hat und dort führt eins zum anderen.
Die beiden gestehen sich gegenseitig ihre Liebe, und dennoch wacht Leon am nächsten Morgen alleine im Bett auf. Wieso hat Viola sich aus dem Staub gemacht, ihre Nummer gelöscht und Leon über Monate hinweg nie zu sich nach Hause mitgenommen, obwohl die beiden füreinander bestimmt zu sein scheinen?

Die ersten Kapitel überrumpeln den Leser regelrecht, bevor man einen Draht zu Leon und Viola entwickeln kann und insbesondere Violas Beweggründe versteht, warum sie nach der gemeinsam mit Leon verbrachten Nacht, die der Beginn von einer wunderbaren Beziehung hätte sein können, klammheimlich das Weite gesucht hat. Wenn man jedoch die ersten Kapitel bewältigt hat, kann man sich dem Sog der Geschichte und dem wunderbaren Schreibstil von Maike Voß nur noch schwer entziehen.

Zu Leon konnte ich zwar eine bessere Verbindung als zu Viola knüpfen, dennoch sind Violas Beweggründe für ihr Verschwinden aus Angst davor verletzt und enttäuscht zu werden nachvollziehbar, wenn man die Details ihrer vorherigen Beziehungen erfährt. Im späteren Verlauf der Geschichte zieht man zudem aus dem Verhältnis zwischen Viola und ihren Eltern den Schluss, dass hier eine der Ursachen für Violas verkorkstes Selbstbewusstsein liegt und kann sich dadurch besser in sie hineinversetzen.
Einiges an Violas Beziehungsdramen ist selbstverschuldet, da Viola nach der ersten schweren Enttäuschung häufig nur noch das Verhalten ihrer Freunde interpretiert hat, anstatt mit ihnen zu reden und sich darüber hinaus in Beziehungen verrannt hat, um Vergangenes zu vergessen.
Es ist tragisch, wie weit einen mangelndes Selbstwertgefühl treiben kann. Viola treibt es auf die Spitze, man bekommt das Gefühl, dass sie der Meinung ist, dass sie es gar nicht verdient glücklich zu werden, weil sie sich “beschädigt” fühlt und dies niemandem zumuten will, an dem ihr wirklich etwas liegt – Leon.
Doch auch Leon verschweigt Viola in ihrer monatelangen Freundschaft wichtige Dinge über sich und hat Violas Vertrauen möglicherweise so verspielt ohne es jemals gewonnen zu haben.
Es tut wirklich weh zwei Menschen leiden zu sehen, die sich gegenseitig Halt und Liebe hätten geben können :(

Maike Voß treibt ein perfides Spiel mit den Gefühlen ihrer Protagonisten, aber auch mit denen ihrer Leser. Statt Leon und Viola getrennte Wege gehen zu lassen, führt das Schicksal die beiden wieder zusammen, um sie anschließend erneut zu trennen. Es ist zu viel zwischen den beiden vorgefallen, um sie nochmals an dem Morgen nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht anknüpfen zu lassen. Oder sollten die beiden doch noch eine zweite Chance bekommen?

Egal, was ich aus dem Buch bis zu den letzten beiden Kapiteln mitgenommen hätte… Allein das Ende verdient es, dass man dieses Buch liest! Ich feiere Maike Voß für ihre Idee und ihren Mut die Geschichte von Leon und Viola auf diese Art enden – oder beginnen? – zu lassen.
Ob das Glühwürmchen – wie Leon Viola, beziehungsweise ihr Leuchten, bezeichnet – am Ende stirbt, das muss jeder Leser selbst erkunden. Ich kann nur so viel verraten, dass Maike Voß es auch am Ende weder ihren Charakteren noch ihren Lesern einfach macht. Das Buch lässt einen, auch nachdem der Deckel über der letzten Seite zugeklappt ist, noch lange nicht los!

Bewertung vom 18.04.2019
On The Come Up
Thomas, Angie

On The Come Up


ausgezeichnet

Bri wächst nach dem Tod ihres Vaters – einer Rap Legende – mit ihrer Mutter und ihrem älteren Bruder in Garden Heights auf. Ihre Mutter war lange Zeit drogenabhängig und während dieser Zeit wurden Bri und ihr Bruder von ihren Großeltern betreut. Das Verhältnis zwischen Bris Mutter und deren Schwiegereltern liegt nicht nur deswegen im Argen, aber es ist der Hauptgrund für das zerrüttete Verhältnis zwischen ihnen.
In Bris Welt ist so vieles falsch und paradox. Wo Drogen fast ihre Familie zerstört hätten, retten sie sie an anderer Stelle. Würde ihre Aunt Pooh ihre ältere Schwester in finanziellen Engpässen nicht mit dem Geld unterstützen, dass sie durch Dealen verdient, hätte diese wahrscheinlich schon lange ihre Wohnung verloren.
Bri träumt davon mit ihrer Leidenschaft den Durchbruch zu schaffen und dank des Raps der Armut den Rücken zu kehren. Für ihre Mutter ist dies jedoch ein rotes Tuch. Nicht nur, dass Bri über ihre Leidenschaft die Schule vernachlässigt, ihr verstorbener Vater stand damals kurz vor dem Durchbruch und Bris Kampf für ihren Traum reisst schmerzhafte Wunden auf. Mit ihrem ersten Song, den sie ins Netz stellt, erregt sie viel Aufmerksamkeit, jedoch nicht nur von der Art, die man sich wünscht. Sie gerät zwischen die Fronten der Gangs in ihrem Viertel, wird zum Gesprächsstoff bei den Weißen, die sich in ihren rassistischen Vorurteilen bestätigt sehen und riskiert den Rückhalt ihrer Freunde und Familie.
Bri wollte nie zum Politikum werden. Sie ist letzten Endes nur ein Mädchen, dass die gleichen Rechte und Chancen wie alle anderen haben will, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihren finanziellen Möglichkeiten. Sie wird jedoch von mehreren Seiten in diese Rolle gedrängt.

Angie Thomas schreibt voller Leidenschaft. Da sie Bri eine ganz eigene Stimme mit deren Rap Songs verleiht, wird dies noch deutlicher als in ihrem Debütroman “The Hate U Give”. Die Songs spiegeln Bris Innersten wider, ihre Gefühle und Gedanken und damit auch Angie Thomas Sicht auf den Rassismus, wie er heute immer noch zum alltäglichen Leben der farbigen Bevölkerung in den USA gehört.
Bris Raps wurden in der Originalfassung im Buch abgedruckt, dass heißt, sie wurden nicht ins Deutsche übersetzt. Da der Inhalt jedoch durch ihre Gedankengänge, bevor sie losrappt, recht gut zusammengefasst wird, kann man sie auch verstehen, wenn man über gute Grundkenntnisse in Englisch verfügt. Auch Jugendsprache und Slangausdrücke wurden im Original belassen, diese sind jedoch in einem angehängten Glossar aufgeführt und erklärt.
“On The Come Up” spricht jedoch nicht nur das Thema Vorurteile und Rassismus an. Angie Thomas nutzt ihre Geschichte, um auch anderen Randgruppen eine Stimme zu verleihen. So ist einer von Bris beiden besten Freunden homosexuell. Dieser verliebt sich über das Internet in einen geheimnisvollen Fremden, dessen Identität bis kurz vor Schluss geheim bleibt und dann für eine große Überraschung sorgt… Kommt jemandem dieser Plot bekannt vor? ;) Angie Thomas zitiert damit Becky Albertallis Roman “Love, Simon”. Der Titel wird im Buch zwar nicht genannt, aber Bri und ihre Freunde witzeln von Anfang an darüber, dass die Geschichte von Sonny und seiner Flamme an einen bekannten Jugendroman erinnert. Überhaupt ist es wieder sehr herzig zu lesen, wie Angie Thomas in ihrem Buch ihre Fangirlmomente zu anderen fiktiven Geschichten auslebt und Harry Potter oder Star Wars zitiert.

“On The Come Up” ist authentisch und facettenreich. Noch weit mehr als in “The Hate U Give” hat man als Leser das Gefühl Angie Thomas selbst zu hören und nicht bloß einer fiktiven Geschichte zu folgen.
Angie Thomas nimmt uns mit in eine Welt, die durch Rassismus, Armut, Vorurteile, Gewalt und Hass geprägt ist, und dennoch schafft sie es, dass Bris Geschichte nicht bedrückt, sondern Hoffnung und Mut verleiht für seine Leidenschaften und Ziele zu kämpfen und eigene Wege zu beschreiten, statt in den Fußstapfen weiter zu laufen, die Eltern und Großeltern für e

Bewertung vom 06.04.2019
Grüne Gurken
Hach, Lena

Grüne Gurken


ausgezeichnet

Ich habe seit “Ja. Nein. Vielleicht” mehrere Bücher von Lena Hach gelesen und gemocht, aber so verliebt wie in genannten Titel bin ich erst mit “Grüne Gurken” wieder.

Landkind Lotte ist neu in Berlin. Ihre Eltern haben sie gegen ihren Willen vom hessischen Dorfleben in die Großstadt verwurzelt, da die beiden dort einen neuen Job antreten. Lottes Eltern, sowie ihre komplette Familie – wie Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen, sind hochbegabt, wohingegen Lotte, wie sie immer betont, nur “normal begabt” ist und auch keine Ambitionen hegt in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten. Ihre Eltern drängen sie immer wieder zu IQ Tests, so dass sich Lotte nicht nur fehl am Platz in Berlin fühlt, sondern auch wie ein Außenseiter in der eigenen Familie.
Durch Zufall findet sie Anschluss in Berlin, als die Lust auf Milchreis sie in den gegenüberliegenden Spätkauf verschlägt, wo der Inhaber sie kurzer Hand als Aushilfe anheuert. Für Lotte startet hier nicht nur ihr erster Job, sondern auch die erste Liebe, die mit “Grünen Gurken” anfängt…
Einmal die Woche kommt ein Junge in den Laden, am selben Tag zur selben Zeit, der exakt 10 grüne Gurken kauft.

Lena Hach hat mit “Grüne Gurken” einen lockeren Teenagerroman mit Tiefgang geschrieben, dem man den Tiefgang auf den ersten Blick gar nicht anmerkt. Lotte hat eine lockere Art. Auch wenn sie teilweise von Selbstzweifeln geplagt wird, da sie den hohen Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht werden kann und will, so zieht sie doch mit ihrer tollpatschigen Art und ihrem Sinn für Humor die Leser auf ihre Seite. Als sie zufällig ihren Job im Spätkauf antritt, kommen Lottes Stärken zu Tage. Es fällt direkt auf, dass ihre Eltern ihr wenig zutrauen und den Job zudem als minderwertig empfinden. Wo Lottes Eltern ihre Tochter leider oft nur auf messbare Intelligenz reduzieren, sehen der Besitzer des Spätkaufs und dessen Freundin viel mehr in Lotte und diese blüht regelrecht auf.
Vielleicht ist dadurch auch zu erklären, dass Lotte über ihren Schatten springt und dem “Grüne Gurken” Einkäufer ein Signal setzt, dass sie ihn gerne näher kennenlernen möchte – manchmal sagen Weingummis eben mehr als Worte ;)

Neben Lotte mochte ich vor allem Yunus vom Spätkauf und seine Freundin Miri, sowie “Vincent” sehr gerne. Neben Lotte schafft es Lena Hach auch diesen Figuren viel Leben und besondere Eigenheiten mit auf den Weg zu geben, obwohl der Umfang des Buches recht überschaubar ist.
Die Entwicklung zwischen Lotte und Luke, wie der grüne Grüne Gurken Käufer “Vincent” tatsächlich heißt, sowie Yunus und Miri war so nicht vorhersehbar. Die Geschichten sind sehr lebensnah und spannen einen Bogen von der ersten Liebe, über die Weiterentwicklung zweier Menschen bis zum Gehen von getrennten Wegen.
Besonders intensiv und bewegend ist das Geheimnis, das hinter den 10 Grünen Gurken steht, die Luke nicht für sich selbst besorgt.

Lena Hachs Roman “Grüne Gurken” ist eine Liebeserklärung an Berlin und die Liebe, es ist aber auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden, Verlust und Abschied. Hinter dem farbenfrohen und jugendlichen Cover steckt viel Tiefe, trotz dessen bleibt die Geschichte locker und liebenswert – eine Kunst, die nicht jeder Autor beherrscht!

Besonders erwähnenswert sind die Infografiken von Katja Berlin. Im Buch ein Hobby von Lotte, ergänzen sie die Geschichte auf wunderbare und ungewöhnliche Weise und verkörpern Lottes lakonische Art und ihren speziellen Humor perfekt.

Bewertung vom 28.03.2019
Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

Ein wirklich erstaunliches Ding


ausgezeichnet

April May entdeckt eines Abends in New York eine riesenhafte roboterähnliche Statue. Um diese seltsame Erscheinung zu würdigen, dreht sie gemeinsam mit ihrem Freund ein Video und stellt es auf YouTube. Schon bald geht das Video viral und der Riese – den April CARL nennt – sowie April selbst erlangen schnell so etwas wie Berühmtheit. Außer New York CARL sind zum exakt gleichen Zeitpunkt 63 weitere CARLs weltweit aufgetaucht. Keiner weiß woher sie kommen, noch was es mit ihnen auf sich hat. Das Gerücht, dass es sich bei den CARLs um ein Zeichen Außerirdischer handelt, kommt auf und verstärkt sich, zumal die CARLs, oder deren Erschaffer, einen Weg finden mit den Menschen im Traum zu kommunizieren.

Die Mittzwanzigerin April May zählt zu den sogenannten Digital Natives. Die Generation, die mit den sozialen Medien aufgewachsen ist, im Gegensatz zu den Digital Immigrants, die diese Welt erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben. Ich erlebe dieses Zusammentreffen zweier Generationen selbst tagtäglich zwischen meiner Tochter und mir. Obwohl ich selbst in den sozialen Medien nicht nur unterwegs, sondern bis zu einem gewissen Grad auch aktiv bin, erstaunt und erschreckt es mich doch immer wieder, wie die sozialen Medien sich in den letzten Jahren entwickelt haben und unser Leben beeinflussen oder sogar vereinnahmt haben.
Fehler, die man heute macht, ziehen größere Kreise und schwerwiegendere Folgen nach sich, als welche, die man zu Zeiten ohne Internet gemacht hat. Dazu muss man nur eine Generation in die Vergangenheit reisen. Was wäre denn vor dreißig Jahren passiert, wenn man abends einer Skulptur wie CARL begegnet wäre?
Mich fasziniert Hank Greens Spiel mit den sozialen Medien und die Kritik, die sich aus April Mays Geschichte ziehen lässt. Wenn man erst einmal mit etwas an die Öffentlichkeit getreten ist, fällt es schwer sich wieder daraus zurückzuziehen. Es grenzt fast an den Bereich des Unmöglichen.
April steht in der Geschichte irgendwann an dem Punkt, dass sie nur noch den Weg nach vorne sieht, und kein Zurück mehr, unabhängig von den Konsequenzen. Ich dachte häufig, dass die Alternativen größer gewesen wären, ohne die breite Masse an Fans und Feinden durch die sozialen Medien im Hintergrund. April will zwar das Geheimnis der CARLs lösen, aber ihre Follower sind ihr irgendwann nicht minder wichtig.

Das Buch hat mich fasziniert und ich kann es kaum erwarten zu erfahren, wie es mit den CARLs weitergeht. Dennoch bin ich mir sicher, dass das Buch außer auf Faszination auch auf viel Ablehnung stoßen wird. Genauso, wie es April im Buch ergeht. Zum einen passt Hank Greens Debüt in keine Genre-Schublade, zum anderen ist die Geschichte gegen Ende echt brutal. Des Weiteren könnte ich mir vorstellen, dass es Leser gibt, denen die erste Hälfte des Buches zusagt, dann aber von der Entwicklung, die sich logisch nicht erklären lässt, abgeschreckt werden. Aber egal, wie man zu der Geschichte an sich steht, ich denke eines erreicht Hank Green bei jedem Leser: die CARLs regen zum Nachdenken an und lösen Diskussionen aus.

“Ein wirklich erstaunliches Ding” ist modern und am Puls der Zeit. Gerade durch Aprils Perspektive fühlt man sich an ihre Seite gestellt und erlebt ihre Abenteuer hautnah mit.
Das Tempo habe ich als sehr unterschiedlich empfunden. Wo zu Beginn noch alles sehr ausführlich erzählt wird und die Entwicklung der Ereignisse gefühlt so langsam vonstatten geht, dass man stellenweise denkt, dass kaum etwas passiert, so überschlagen sich am Ende die Ereignisse, so dass es nahezu ein Schock ist, wenn man auf der letzten Seite angelangt und mit vielen Fragezeichen im Kopf allein gelassen wird. Trotz des unterschiedlichen Erzähltempos hatte ich dennoch nie das Gefühl, dass die Geschichte sich in die Länge zieht, da Hank Greens Schreibstil jugendlich frisch und flüssig ist und er Kniffe einsetzt, um die Neugierde auf den späteren Verlauf zu schüren.

Hank Greens Debütroman ist in meinen Augen Pflichtprogramm für die Generation

Bewertung vom 24.03.2019
Girl

Girl


sehr gut

Lara ist “Girl”, ein 15jähriges Transmädchen auf dem Weg zur geplanten Geschlechtsangleichung und gleichzeitig erfüllt von dem ehrgeizigen Wunsch eine erfolgreiche Balletttänzerin zu werden. Der Zuschauer begleitet Lara auf beiden gleichermaßen harten Wegen.
Wo ihre Ärzte sie schon als Mädchen sehen, ist Lara doch stark auf ihren Körper und ihre primären Geschlechtsmerkmale fixiert und fühlt sich unvollständig und zwiegespalten.
Ihre kleine Familie besteht aus Vater, dem kleinen Bruder Milo und ihr selbst. Dadurch lastet die Verantwortung für den Bruder mit auf ihren Schultern und auch gegenüber dem Vater verhält sie sich in Gesprächen häufig viel erwachsener als man es von einem Mädchen inmitten der Pubertät erwarten würde.
Der Inhalt der Geschichte wiegt schwer und ist häufig düster. Zumal die Erfüllung, die Lara im Tanzen findet, andere Aspekte ihres Lebens überschattet und belastet. Den Platz an einer renommierten Tanzschule muss sie sich hart erarbeiten, so hart, dass ihre Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen wird und die geplante Geschlechtsangleichung in Gefahr gerät. Zudem ist Lara beim Tanzen zwar eine unter vielen, in anderen Szenen, wie in der Gemeinschaftsdusche oder auf einer Party, wird sie jedoch bewusst durch ihre Mitmenschen oder durch stilistische Mittel ausgegrenzt. So fand ich es irgendwie befremdlich, dass die anderen Ballettschülerinnen im Bikini, Lara jedoch immer oberkörperfrei, duschten.
Als Lara das Ballett in Hinblick auf ihre Gesundheit verboten wird, trifft sie eine Entscheidung, die den Zuschauer schockiert, aber Laras Leiden auch intensiv ins Bewusstsein rückt. Im Vergleich dazu fand ich das Ende zu harmlos, offen und unreflektiert, man wünscht sich nach dem schwerwiegenden Vorfall noch eine Weile an Laras Seite verbleiben zu dürfen.

Auch wenn ich nicht ohne Kritik an der Umsetzung bin, so finde ich das Thema Transsexualität jedoch sehr wichtig und trotz aller negativen Stimmen im Vorfeld, dass ein Junge und kein Mädchen die Rolle der Lara verkörpert hat, bin ich voller Lob für die Darstellung durch Victor Polster, dem jungen Tänzer, der als “Lara” sein Filmdebüt gibt und die Lara glaubhaft verkörpert. In meinen Augen ist es vielmehr das Ballett, Laras großer Traum, der dem Film letzten Endes zum Verhängnis wird, so dass er zumindest mich nicht vollends überzeugen konnte. Drängt dieses Topik das Thema Transexualität doch erst Recht in die “körperliche” Ecke und vernachlässigt die Psyche des jungen Mädchens, von der ich so gerne viel mehr erfahren hätte.
Dennoch empfehle ich den Film gerne weiter, da das Thema Transsexualität noch viel zu wenig in Medien fokussiert wird, gerade in Büchern und Filmen, die Menschen in Laras Alter erreichen könnten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2019
Leonce und Lena
Büchner, Georg;Kindermann, Barbara

Leonce und Lena


sehr gut

“Leonce und Lena” ist ein Lustspiel von Georg Büchner, welches nicht nur ein klassisches Liebesverwirrspiel porträtiert, sondern auch Kritik an der Adelsschicht, die das Volk für sich arbeiten lässt und selbst nur Langeweile und Müßiggang kennt. Im Übrigen kommt in diesem Werk das bekannte Sprichwort “Müßiggang ist aller Laster Anfang” vor, ob es dort auch seinen Ursprung hatte, weiß ich jedoch nicht.
Prinz Leonce wirft dies in den Raum und zählt auf, was Leute nicht alles aus Langeweile treiben, dabei entpuppt er sich selbst als Paradebeispiel für das Ausleben von Langeweile, indem er seine Zeit durch spuken, Wolken beobachten oder schlafen totschlägt.
Eines Tages setzt sein Vater Peter ihn vor vollendete Tatsachen. Prinz Leonce aus dem Königreich Popo soll die Prinzessin Lena aus dem Königreich Pipi ehelichen. Dieser Plan stößt jedoch weder bei Leonce noch bei Lena auf Begeisterung und unabhängig voneinander flüchten sie nach Italien. Doch wie es der Zufall – oder das Schicksal – will, lernen sich die beiden dort kennen und lieben, nichtsahnend, wer ihr Gegenüber ist, dem sie schöne Augen machen…

Das Liebesgeplänkel und die Wortspiele eignen sich bereits für ein junges Publikum, die gesellschaftliche Kritik und politische Satire können Kinder meiner Meinung nach jedoch nicht selbstständig erfassen, so dass man meiner Meinung nach den Inhalt mit Kindern nicht unreflektiert konsumieren sollte.

Die Umsetzung des Stückes ist grandios. Meiner Meinung geht trotz Kürzung und Vereinfachung des originalen Textes nichts Relevantes verloren, zudem ist das Hörbuch mit Martin Baltscheit als Sprecher kongenial besetzt, da er die einzelnen Rollen mit viel Witz und Ironie zum Leben erweckt.

Um noch ein besseres Gefühl für die Figuren und die Sprache Georg Büchners zu erhalten, enthält die CD nicht nur die von Martin Baltscheit eingesprochene Hörbuchfassung, sondern ausgewählte Originalszenen, die mit verschiedenen Sprechern besetzt wurden, unter anderem mit Jens Wawrczeck als Valerio, Leonces bestem Freund und treuem Diener.

“Leonce und Lena” ist ein Lustspiel mit viel Sprachwitz und Situationskomik. Jedoch wird meines Erachtens dessen Facettenreichtum und Tiefe Kindern nur verständlich im Gespräch mit Erwachsenen.

Das Buch mit dem Text von Barbara Kindermann nach Georg Büchner und Illustrationen von Almud Kunert ist im Kindermann Verlag in der Reihe “Weltliteratur für Kinder” erschienen.

Bewertung vom 24.03.2019
Zeichnen für ein Europa

Zeichnen für ein Europa


ausgezeichnet

Das Projekt “Zeichnen für ein Europa” entstand aus einer Idee von Markus Weber (Moritz Verlag), der seine Illustratoren um eine Zeichnung für Europa bat. Diese Illustrationen wurden erstmals 2017 im Rahmen der Frankfurter Buchmesse gezeigt. Nach der Reise der Ausstellung im Sommer 2018 nach Großbritannien wuchs die Sammlung um weitere Bilder von britischen Kinderbuchillustratoren…
Die Vorgeschichte und Entstehung des Buches, sowie seine eigene Rolle und Sicht auf Europa, kann man in Axel Schefflers Vorwort nachlesen. Er selbst hat, wie viele weitere Autoren, eine Zeichnung für Europa zu dieser Sammlung beigetragen, außerdem stammt das Covermotiv aus seiner Feder.
In diesem Buch versammelt sich das “Who ist Who” der Illustratorenszene. Neben einer Illustration hat jeder dieser namhaften Kunstschaffenden noch seine Gedanken zu diesem Thema zusammengefasst.
Das Buch ist bewegend, macht aber auch traurig und wütend. Wenn Scheffler sagt, dass sich Großbritannien nach sechsunddreißig Jahren für ihn nicht mehr wie ein Zuhause anfühlt, dann macht das betroffen. Man wünscht sich von Herzen, dass dieses Projekt etwas Bewirken kann und die Briten zum Umdenken bewegt.
Nicht nur Schefflers Worte wiegen schwer, auch die Gedanken der anderen Illustratoren zu Europa und dessen Weg in die Zukunft sollte man sich zu Gemüte führen. Die Illustrationen sprechen zumeist für sich. Hier Favoriten zu nennen, ist beinahe unmöglich. Einige Bilder sprechen mich besonders an, weil sie von meinen Lieblingsillustratoren stammen, andere wecken besonders starke Gefühle beim Betrachten.
Das Buch zeigt, wie Europa bestenfalls sein sollte: vielfältig und gemeinsam stark. An dieser Stelle möchte ich dann doch gerne eine Beitragende zitieren: “Europa ist sehr schön und vielfältig. Ich habe versucht, das in den kleinen Bildern darzustellen. Für mich sind alle Länder Europa, geographisch gesehen – nicht nur die EU-Länder.” (Sabine Lohf)
Die Originalillustrationen der ursprünglichen Ausstellung aus dem Jahr 2017 wurden zugunsten der Bewegung Pulse of Europe versteigert (www.pulseofeurope.eu). Das Projekt hat also schon Gutes bewirkt und kann hoffentlich noch Weiteres bewegen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.03.2019
Flo und Valentina
Hach, Lena

Flo und Valentina


ausgezeichnet

“Flo und Valentina” ist ein witziges und nur ganz klein wenig gruseliges Abenteuer – weil ein bisschen Grusel gehört des Nachts dazu – für junge Leser im Grundschulalter. Flo und Valentina sind auf den ersten Blick zwar zwei sehr ungleiche Freunde, aber dann verbindet sie doch mehr als man denkt. Sei es die Liebe zu Süßigkeiten oder Flos großen Bruder Anton auf die Schippe zu nehmen oder auch, dass sowohl Flo(h)s als auch Vampire beissen können :D
Valentina hat einen süßen Sprachfehler. Bei ihr bildet sich jeder Plural durch das Anhängen von “S”, sei es Zahns, Vampirs oder Fees… Das hat mir selbst aus Erwachsenensicht total viel Spaß gemacht, es ist aber auch manchmal wirklich irrsinnig kompliziert mit der deutschen Sprache und Singular und Plural machen da keine Ausnahme.
Die Handlung erstreckt sich über die erste Nacht, in der Flo und Valentina sich kennenlernen, den nächsten Tag, und eine zweite Nacht, in der die beiden Flos Bruder foppen und eine lustige Lösung für Valentinas Zahnproblem finden, aber welche das ist, das müsst ihr schon selbst entdecken ;)
Ob das Treffen mit Valentina nun ein Traum war oder tatsächlich passiert ist? Flo ist nach diesem Abenteuer sicher nicht mehr das “Schisskaninchen” als das sein Bruder Anton ihn immer bezeichnet hat.

Lena Hachs Schreibstil ist flüssig und kindgerecht, die Länge der Kapitel dem Alter angemessen und die zahlreichen wtizigen Illustrationen von Tine Schulz lockern den Text zusätzlich auf.

“Flo und Valentina: Ach, du nachtschwarze Zwölf!” ist für Kinder, die gerade aus dem Alter entwachsen, in dem man an Fees oder Vampirs glaubt, und zeigt außerdem, dass man sich von den großen Geschwistern nicht alles gefallen lassen muss. Manchmal braucht es nur die richtige Idee oder einen guten Freund an der Seite, um es den Großen zu zeigen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.