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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

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Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2024
Harry Glück
Seiß, Reinhard

Harry Glück


ausgezeichnet

Harry Glück (1925-2016) war einer der produktivsten und umstrittensten Architekten Österreichs. Sein Wohnpark Alt-Erlaa in Wien, einst als "hässliche Betonburg" beschimpft, gilt heute vielen als vorbildhaft.

Publizist Reinhard Seiß ehrt ihn nun mit einer umfassenden Monografie, nein, mit einem Bildband, in dem andere über Harry Glücks Art, Wohnungen zu bauen, philosophieren dürfen. Die 18.000 Wohnungen bleiben als würdiges Denkmal seines Wissens und Wirkens.

Ich selbst habe Harry Glück persönlich kennengelernt, als ich in den frühen 1980er-Jahre bei seinem Architektenkollegen, Industriedesigner und früherem Arbeitgeber Carl Auböck, mit dem Harry Glück die Reihenhausanlage Am Wolfersberg geplant und gebaut hat, gearbeitet habe.

Harry Glück ist quasi ein Quereinsteiger unter den Architekten, denn er kommt von der Bühnentechnik und hat, anders als die meisten Architekten seiner Generation, statt auf der Hochschule für Angewandte Kunst, auf der Technischen Universität studiert. Was ihm zusätzlich Kritik und Anfeindungen einbringt, ist seine größte Auftraggeberin: Die Gesiba, eine Wohnbaugenossenschaft, die der Stadt Wien sehr nahe steht.

In diesem wunderbaren Buch über Harry Glücks Werk und Wirken nimmt natürlich seine bekannteste Wohnhauslage, der Wohnpark Alt-Erlaa, der in den Jahren 1973-1985 errichtet worden ist, den größten Raum ein. Der Wohnpark ist mit rund 9.000 Bewohner eine Stadt in der Stadt. Neben den Wohnungen enthält sie die nötige Infrastruktur wir Kindergärten, Nahversorger, Ärzte und zahlreiche Gemeinschaftsräume in denen nach Herzenslust genäht, Theater gespielt, geturnt oder an Modelleisenbahnen gebaut werden kann. Nicht zu vergessen sind die großzügigen Grünanlagen, die Kinder zum Spielen und ältere Bewohner zum Verweilen einladen. Auch das Konzept der autofreien Anlage hat Harry Glück vorweggenommen.

Kritisiert wurde der Wohnpark vor allem wegen seiner Schwimmbäder am Dach und der Balkone/Terrassen für jede Wohnung. Doch genau das schätzen seine Bewohner, wie die Interviews mit einigen Bewohnern zeigen. Er wurde, so erzählt er im Interview mit Reinhard Seiß, von rechten und linken Gruppen angefeindet, weil er Steuergeld für die Proleten ausgibt und denen Schwimmbäder auf’s Dach baut. Ja, kommen wir dahin, wenn der Klassenunterschied verschwimmt?

Harry Glücks Werk kann als Nachfolge des „Roten Wiens“, dem Wohnbauprogramm der Stadt Wien in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis ca. 1934, gesehen werden. Damals hat man Wohnhausanlagen wie den Karl-Marx-Hof, den Lassalle-Hof oder den Metzleinsdorfer Hof errichtet, um die Wohnungsnot zu lindern. Zweckmäßige Grundrisse und kleine Geschäfte für den täglichen Einkauf, Kindergarten und Gemeinschaftsräume waren damals das Konzept, das Harry Glück für seine Bauten wiederentdeckt hat.

Das Wohnen in der Stadt mit den Vorzügen der Natur zu kombinieren war eines der zentralen Anliegen Harry Glücks. Sein Credo: Wer eine grüne Terrasse hat, braucht am Wochenende nicht aufs Land zu fahren (und reduziert damit den Verkehr). Die Pools auf dem Dach, die er bei zahlreichen seiner Wohnanlagen errichtete, sah er als bewussten Transfer einer Luxusausstattung hin zum "gemeinen Volk". Da er durch seine effiziente Konstruktionsweise bei der vieles vorgefertigt ist, Einsparungen erzielt hat, kann er das Geld in die besondere Ausstattung investieren. Ein Investment, das sich für die Bewohner bis heute lohnt.

Neben seinen in die Höhe gezogenen Wohnbauten hat Harry Glück, vor am Stadtrand von Wien Häuser und Wohnungen im „verdichteten Flachbau“ errichtet. Eine dieser Siedlungen ist gleich bei mir ums Eck in der Auernheimergasse, in Wien-Essling.

Ach, ich könnte noch viel über Harry Glück und sein Werk schreiben. Wer sich für Architektur interessiert, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen. Nur noch ein Satz, nein zwei Sätze: „ein intelligenter Grundriss kostet nicht mehr als ein gewöhnlicher“ (S. 136) und hätten wir nur mehr solcher Architekten, die FÜR die Bewohner bauen als sich selbst ein Denkmal setzen zu wollen.

Das Buch ist in gediegener Ausstattung als Hardcover mit Lesebändchen im Verlag Anton Pustet erschienen. Es ist ein Überblick über Harry Glücks Werk und enthält zahlreiche grandiose Fotos.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Hommage an den 2016 mit 91 Jahren verstorbenen Architekten 5 Sterne.

Bewertung vom 03.05.2024
Die Stille der Flut
Bergsma, Elke;Johannsen, Anna

Die Stille der Flut


ausgezeichnet

Wenn Elke Bergsma oder Anna Johannsen jede für sich einen Krimi schreibt, ist Spannung angesagt. Wenn die beiden dann noch gemeinsam ein Buch verfassen, liegt die Erwartungshaltung bei mir schon sehr hoch. Ich sag’s gleich vorweg - ich bin nicht enttäuscht worden.

Dieser erste Fall für Kea Siefken und Lina Lübbers , ist ja nicht die erste Co-Produktion der beiden Autorinnen. Wie schon in „Juister Mohn“, wo Lena Lorenzen und David Büttner kooperieren (müssen), wird dies auch von Kea Siefken und Lina Lübbers verlangt.

Worum geht’s?

In der Auricher Polizeistation, die von Kea Siefken geleitet wird, scheint es einen Maulwurf zugeben, denn jedes Mal, wenn Kea und ihr Team glaubt, genügend Hinweise zu haben, um die Mitglieder der niederländischen Drogenfamilie de Jong verhaften zu können, werden die geplanten Aktionen verraten und die Vögel sind ausgeflogen. Auch diesmal stehen sie vor den Überresten einer ehemaligen Drogenküche. Was Kea und ihr Team ziemlich frustriet.

Lina Lübbers aus Osnabrück soll nun mit dem externen Blick und einer befristeten Dienstzuteilung den Maulwurf entlarven. Sie hat sich in die Personalakten des Auricher Teams eingelesen und weiß, wer von welchen privaten Problemen geplagt wird. Und das sind so gut wie alle, die geschiedene Mutter zweier Kinder, Kea Siefken inklusive.

Der Empfang an ihren ersten Arbeitszeit fällt ziemlich frostig aus. Beinahe gleichzeitig wird am Strand die Leiche der 16-jährigen Mia gefunden. Das Mädchen ist ertrunken, allerdings mit Drogen vollgepumpt gewesen. Dass sie unmittelbar vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr mit mehreren Männer gehabt hat, eröffnet eine ungeahnte Perspektive. Als dann Mias Tagebücher gefunden werden, ergibt sich ein Hinweis auf die „große“ Liebe. Blöd ist nur, dass der Vorname des Mannes nicht vollständig ausgeschrieben ist und es in Mias Umfeld mehrere Verdächtige gibt, deren Vorname mit einem L beginnt.

Auf der Suche nach Mias Mörder müssen alle Ermittler in unterschiedlichen Konstellationen zusammenarbeiten. So kommt es, dass Lina häufig mit Hauke Behrends, der einzige, der sie freundlich in der Dienststelle willkommen geheißen hat, unterwegs ist, was Kea nicht gar so gut schmeckt. Überhaupt ist Kea wenig amused, dass sie Lina als Unterstützung bekommen hat, hat man ihr ja Linas Auftrag verschwiegen.

Wird Lina den Maulwurf bald enttarnen können? Und wer ist der heimliche Geliebte von Mia? Lenny, Lukas oder Luis?

Meine Meinung:

Dieser Auftakt für eine als Trilogie angelegte Mini-Serie hat mir gut gefallen.

Sehr interessant ist die Schreibweise des Autorinnen-Duos: Die Handlung wird abwechselnd aus Keas und Linas Perspektive, jeweils in der Ich-Form, geschildert. Eine geschickte, wenn auch zu Beginn irritierende Idee! Nicht immer ist ganz eindeutig, in wessen Haut wir Leser nun stecken. Da ist aufmerksames Lesen notwendig, zumal es noch unausgesprochene Gedanken gibt, die in kursiver Schrift eingeschoben sind. Da ist das eine oder andere Blitzlicht über die oder den Kollegen auch amüsant, weil mitunter fehlinterpretiert.

Die Charaktere sind ausgefeilt und wirken recht authentisch. Die beiden Kommissarinnen sind „g’standene Frauen“, d.h. sie arbeiten doppelt soviel wie ihre männlichen Kollegen und sind sich in manchen Dingen ähnlicher als ihnen lieb ist, bzw. sie ahnen. Allerdings haben beide ihre persönlichen Schicksalspäckchen zu tragen. Die eine, alleinerziehend mit einer pubertierenden Tochter und einem etwas jüngeren Sohn, die sich auch auf den Ex- Mann und Kindesvater nicht verlassen kann und die andere, die ihre jüngere Schwester den Drogentod sterben hat sehen. Der Mord an Mia und die Zusammenhänge, lassen in Kea allerlei Schreckgespenster auch für ihre Kinder aufkommen.

Wie es mit den beiden Frauen weitergeht, erfahren wir hoffentlich recht bald. Bis Jahresende sollen ja Band zwei („Die Gewalt des Sturms“) und Band drei („Die Kraft der Ebbe“) erscheinen.

Ich freue mich auf die Fortsetzung!

Fazit:

Ein gelungener Einstieg in eine neue Krimi-Reihe, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 01.05.2024
Aus dem Salzkammergut

Aus dem Salzkammergut


ausgezeichnet

Nachdem das Salzkammergut in diesem Jahr anlässlich der Europäischen Kulturhauptstädte im internationalen Fokus liegt, sind zahlreiche Bücher über die wunderbare Landschaft und ihre Bewohner erschienen. Dieses hier nennt sich im Untertitel „Lesebuch“. Und als solches ist es auch zu verstehen. Unterschiedliche Essays holen bekannte und weniger bekannten Persönlichkeiten vor den Vorhang.

Zunächst einmal wird das Salzkammergut und seine Bewohner beschrieben. Da dürfen auch die üblichen Klischees nicht fehlen. Anschließend geht es mit Betrachtungen von Einheimischen und Zuagroasten weiter. Diese Beiträge sind in folgende Abschnitte unterteilt:

Künstlerinnen und Lebenskünstler
Jasager und Neinsagerinnen
Gipfelstürmer und Naturtalente
Tüftlerinnen und Schrittmacher

Einige der Essays widmen sich dem Widerstand gegen das NS-Unrechtsregime. Ja, es hat sie auch im Salzkammergut gegeben, das ob einer größeren Anzahl von „eingewanderten“ Nazi-Bonzen als besonders regimetreu gegolten hat.

Das Buch liegt schwer auf der Hand, ist es doch als gediegene Ausgabe als Hardcover mit Lesebändchen im Verlag Anton Pustet erschienen.

Historische Fotos sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis ergänzen dieses interessante Buch.

Fazit:

Diesem Buch, das in interessanten Beiträgen von namhaften Autorinnen und Autoren Bekanntes und Unbekanntes aus der Region ans Tageslicht fördert, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 01.05.2024
A Man's Job (eBook, ePUB)
Anderson, Edith

A Man's Job (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser interessante Roman ist bereits 1956 erstmals erschienen und nun in neuer Übersetzung verlegt worden.

Worum geht’s?

In ihrem Debütroman schildert Edith Anderson (1915-1999) den Arbeitskampf von amerikanischen Bahnangestellten. Es ist eine bedrückende, realistische Geschichte einer Gruppe von Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges an der amerikanischen Ostküste die Arbeit der eingerückten Männer übernehmen (müssen). Die Autorin weiß, worüber sie schreibt, da sie eine von ihnen war. Zwischen 1943 und 1947 hat sie als Schaffnerin bei der Pennsylvania Railroad gearbeitet.

Wenn aktuell über Streiks der Deutschen Bahn gesprochen und gelesen wird, so haben solche Bahnstreiks lange Tradition. Dieses Buch liefert einen Einblick in historische Miseren, in denen es nicht ausschließlich um höhere Gehälter ging, sondern um die systematische Benachteiligung von Frauen und Sexismus als Spielart des Kapitalismus.

Anspruch auf einen regulären Dienstplan hatte die Angestellten erst nach einigen Jahren als Beschäftigte, mit der sogenannten Seniorität. Diese wurden Frauen, nachdem sie von vornherein nur für die Kriegsdauer eingestellt worden waren, vorenthalten. Die mehr als ambivalente Haltung der männlichen Vorgesetzen zeigt sich auch darin, dass sie einerseits behaupteten, Frauen könnten die anstrengende Arbeit körperlich und psychisch nicht bewältigen (Schichten, die bis zu 16 Stunden dauerten, ohne sich waschen zu können, waren keine Seltenheit), andererseits teilten sie ihnen für gewöhnlich die aufreibenden Strecken zu, während sie den Männern die guten Strecken zuschanzten. Dazu kamen die stetige sexuell-aggressiven Sprüche, die die Schaffnerinnen über sich ergehen lassen mussten. Manchmal blieb es nicht bei blöden Anmache.

Selbstbewusste Frauen hat man als gesellschaftliche Bedrohung angesehen hat. Nur vor schwarzen US-Amerikaner hatte man noch mehr Angst, wie das folgende Zitat zeigt:

„Ihr Hirngespinst, dass Horden von Frauen die Bahn übernahmen, wurde von dem weit beängstigerenderen Hirngespinst anstürmender Schwarzer verdrängt.“

Da hat man doch lieber Frauen angestellt, die man nach der Rückkehr der Männer sofort wieder entlassen konnte, denn nur die Seniorität bot so etwas wie einen Schutz vor allzu willkürlichen Kündigungen. Die aber hatte man den Frauen ja verwehrt. Ein wahrer Teufelskreis!

Biografisches zur Autorin:

Edith Anderson (1915-1999) ist als Tochter eines jüdischen Ehepaars in New York City zu Welt gekommen, macht eine Ausbildung zur Lehrerin und tritt 1938 der amerikanischen kommunistischen Partei bei und schreibt für eine kommunistische Tageszeitung. Ein eher ungewöhnlicher Schritt in den USA. Sie setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen, vor allem für die Frauen, ein.

In zweiter Ehe ist sie mit dem deutschen Journalisten Max Schröder (1900-1958) verheiratet, der aus Nazi-Deutschland fliehen musste. Als Max Schröder nach Kriegsende in das besiegt und zerstörte Deutschland zurückkehrt und als Lektor beim Aufbau-Verlag arbeitet, folgt sie ihm nach Ost-Berlin.

Fazit:

Dieses Buch, das einen interessanten Einblick die amerikanische (Arbeits)Welt während des Zweiten Weltkrieges und kurz danach gibt, erhält von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 30.04.2024
Dunkle Verwicklungen auf La Palma / Calderon und Rodriguez ermitteln Bd.1 (eBook, ePUB)
Flores & Santana

Dunkle Verwicklungen auf La Palma / Calderon und Rodriguez ermitteln Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Dass es sich bei diesem Krimi weniger um die Schilderung akribischer Polizeiarbeit handelt, ist durch die Leseprobe und Klappentext gleich klar. Aber, dass das Verbrechen, an dessen Aufklärung der Journalist Pedro und dessen Freundin Naira, eine Buchhändlerin, maßgeblich beteiligt sind, und den Kommissar Pedro ziemlich dumm dastehen lassen, ist mir dennoch zu viel des Cosy-Krimis.

Irgendwie scheint dem Autoren-Duo vieles wichtiger zu sein, als den Mord an dem Bauunternehmern Alvaro Martinez aufzuklären. Auch wenn der Tote kein Sympathieträger war, haben er und seine Familie ein Recht darauf, dass gewissenhaft ermittelt wird.

Meine Meinung:

Da die beiden Autoren im Jahr 1994 eine Buchhandlung in Wien gegründet haben, wird den Arbeiten in einer solchen hoher Stellenwert beigemessen, was durchaus interessant ist, aber vom Krimigeschehen doch stark ablenkt. ,

Leider wird Nebensächlichkeiten ein großer Raum eingeräumt. Die Charaktere könnten auch einige Ecken mehr vertragen.

Das Thema Immobilienspekulationen auf den Kanaren ist in zahlreichen anderen Krimis vorgekommen und wesentlich spannender umgesetzt worden, so dass das Buch hier wenig Überraschungen bieten kann.

Die Beschreibung der regionalen Küche erzeugt auch kein Kopfkino. Leider haben Flores & Santana das eherne Gebot des Spannungsromanes „show don’t tell“ missachtet. Mich wundert, dass hier das Lektorat nicht lenkend eingegriffen hat.

Ob ich dem nachfolgendem Band noch eine Chance gebe, weiß ich noch nicht.

Fazit:

Es wird bestimmt Leser geben, die diesen Krimi, der Auftakt zu einer Reihe sein soll, mögen. Mir persönlich ist es viel zu wenig Krimi und Spannung. Das tolle Cover mit dem exklusiven Blattschnitt rettet den 3. Stern.

Bewertung vom 30.04.2024
Südlich von Porto lauert der Tod (eBook, ePUB)
da Silva, Mariana

Südlich von Porto lauert der Tod (eBook, ePUB)


sehr gut

Ria Almeida, eine Polizistin aus Stuttgart, ist nicht nur wegen der Beerdigung ihres Großvater in das kleine portugiesische Städtchen Torreira gekommen, sondern auch um ein wenig Auszeit vom Job und Liebeskummer zu nehmen.

Allerdings wird sie unversehens in einen Kriminalfall verwickelt und beginnt mit ihrem angeheirateten Cousin João, der der Leiter der Polizeistation von Torreira ist, zu ermitteln, obwohl sie natürlich keine Befugnisse, sondern nur ihr Bauchgefühl hat.

„Das Bauchgefühl ist eine Ahnung, mit der man eigentlich immer richtig liegt.“

Raquel Martins de Souza, eine Kunsthistorikerin, wird von ihrer Schwester Inêz tot aufgefunden. Da es keine äußerlichen Anzeichen eines unnatürlichen Todes gibt, wird die Leiche zunächst in das örtliche Bestattungsinstitut überführt. Inêz hingegen glaubt felsenfest an ein Verbrechen und als sich João endlich weich klopfen lässt, eine Autopsie anzuordnen, ist die Leiche verschwunden, nur um einige Zeit später als Wasserleiche wieder aufzutauchen.

Die sich daraus ergebenden Komplikationen überstrahlen, ebenso wie die liebe Familie, das Krimi-Geschehen ein wenig.

Meine Meinung:
Da ich zuvor wieder einmal den zweiten Teil einer Reihe („Südlich von Porto wartet die Schuld“) gelesen habe, musste ich mir nun den hier vorliegenden ersten Fall vornehmen. Der Krimi hat mich nicht enttäuscht. Er vermittelt Urlaubsflair und viel Lokalkolorit, denn die Protagonisten dürfen nach Herzenslust schlemmen.

Die Charaktere sind recht gut angelegt und bieten Potenzial für eine Weiterentwicklung.

Insgesamt hat mir die Verquickung von Kriminalfall, Lokalkolorit und Familiengeschichte sehr gut gefallen.

Das Cover mit den blauen Azulejos sticht sofort ins Auge.
Ein nettes Detail sind die Kapitelüberschriften: Hier wird jeweils ein portugiesischer Begriff hübsch umschrieben. Dabei lernen wir auch kräftig fluchen.

Fazit:

Ein gelungenes Debüt, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 29.04.2024
SALZ MACHT KULTUR
Pfeiffer, Wilma;Stelzle, Walter

SALZ MACHT KULTUR


sehr gut

Das Autoren-Duo Wilma Pfeiffer und Walter Stelzle geht der Geschichte von 3.000 Jahren Salzgewinnung zwischen Bad Reichenhall (D) und Bad Ischl (Ö) nach.

In den drei großen Abschnitten erfahren wir Wissenswertes über das Salz an sich, seinen Abbau und die politische wie wirtschaftliche Bedeutung des „Weißen Goldes“ für die Region(en):

Salz und Wissen
Macht und Wege
Kultur und Geschichte

Es ist kein Zufall, dass der Titel mehrdeutig gelesen werden kann. Zum einen als drei gleichrangige Nomen SALZ. MACHT. KULTUR in Versalien geschrieben oder zum anderen als eigenständiger Satz „Salz macht Kultur.“ Ohne Salz kein Geld, ohne Geld ka Musi (sprich Kultur). Davon leben zahlreiche Fremdenverkehrsorte ob als Kurort oder „Europäische Kulturstädte 2024“. Nicht immer zur Freude der Einheimischen, aber wenn es in der Kassa klingelt, sieht man über diese Unbill häufig hinweg.

Wir dürfen den Autoren auf ihrer mit Anekdoten und Geschichten rund ums Salz gespickten Kulturreise folgen und erfahren dabei viel Wissenswertes, das vielleicht auch bereits bekannt ist.

Zahlreiche Abbildungen sowie Ausflugstipps ergänzen diese Spurensuche nach dem „Weißen Gold“ von dem schon Cassiodor (485-580 n. Chr,) gesagt hat

„Auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf das Salz.“

Fazit:

Ein gelungener Streifzug durch 3.000 Jahre Salzgewinnung rund um Inn und Salzach, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 29.04.2024
Die Festplatte
Freund, Eugen

Die Festplatte


gut

Dieser Krimi ist an eine wahre Begebenheit, die ein schräges Licht auf die damalige österreichische Bundesregierung unter Sebastian Kurz wirft, nämlich die „Schredder-Affäre“, angelehnt. Aber das war es dann auch schon.

Die Fakten: Ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes hat drei Festplatten mit vermutlich brisantem Inhalt zu einer auf Vernichtung von Daten spezialisierten Firma gebracht. Blöderweise hat er „vergessen“ die Rechnung zu bezahlen und, obwohl er höchstpersönlich die Festplatten abgegeben hat, einen falschen Namen angegeben. Was auf den Harddiscs enthalten war, ist nach wie vor unklar.

Aus diesen Zutaten hätte sich ein fesselnder Krimi entwickeln lassen, hätte. Denn das, was Journalist Eugen Freund hier vorlegt, ist nur ein müder Versuch, einen Politkrimi zu schreiben.

Die Ausgangssituation in diesem Krimi ist entfernt an die Wirklichkeit angelehnt: Erich, ein Kabinettsmitarbeiter soll drei Festplatten mit kompromittierendem Inhalt vernichten lassen. Doch zuvor zieht er noch eine Kopie, um sie Bülent, einem befreundeten Journalisten zu übergeben. Allerdings hat Erich die Rechnung ohne den Wirt, in Form finsterer Mächte gemacht, die zwei Agenten aussenden, um Erich die Festplatte abzunehmen. Der Coup in einer einsamen Hütte in einem Kärntner Wald misslingt, Erich ist tot und Bülent kommt in Besitz des begehrten Objektes.

Wird es dem Journalisten gelingen, den Inhalt der Festplatte zu entschlüsseln? UNd wer sind die Drahtzieher?

Meine Meinung:

Leider hat mich dieser Krimi nicht wirklich überzeugt. Wie schon bei seinem Buch „Tod eines Landeshauptmanns“, der den Unfalltod von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider als zentrales Thema hat, ist auch „Die Festplatte“ ein Mix aus verschiedenen Genres wie Krimi, Roman und Agententhriller mit einem Aufhänger eines realen Geschehens. Man erkennt sofort, dass Eugen Freund Journalist ist, der für gewöhnlich Sachbücher schreibt. Die Charaktere wirken flach und blass. Spannung wollte dabei auch keine so recht aufkommen.

Ziemlich unglaubwürdig, dass Journalist Bülent zufällig (???) eine Mitarbeiterin des britischen Geheimdienstes MI5 kennengelernt hat, die ihm bei der Entschlüsselung der Daten helfen soll. Ja, Österreich war und ist ein Tummelplatz ausländischer Geheimdienste, aber so provinziell? Okay, der Bleiburger „Wiesenmarkt“ hat eine Jahrhunderte alte Tradition und die Nähe zum ehemaligen Jugoslawien eröffnen einige Gedankenspiele, aber so richtig bekannt ist er außerhalb Kärntens nicht.

Man merkt, dass Eugen Freund Kärntner ist, den ein Teil der Handlanger der Schurken kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien, zu dem einige Kärntner nach wie vor ein gespaltenes Verhältnis haben.

Ich mag Krimis, die wahre und heiße innenpolitische Themen enthalten. Allerdings gibt es zahlreiche Autoren, die das besser können. Nun ja, ich bin versucht zu sagen „Freund (Schuster), bleib bei deinen Leisten und schreib' weiter Sachbücher“.

Das Buch ist im renommierten Klagenfurter Wieser-Verlag als Hardcover mit Lesebändchen erschienen.

Fazit:

Für diesen Krimi, der die jüngere Zeitgeschichte der österreichischen Innenpolitik und eine erfundene Reportage miteinander zu verweben versucht, kann ich mit aller Nachsicht nur 3 Sterne vergeben.

Bewertung vom 29.04.2024
Salzkammerblut
Hager, Dagmar

Salzkammerblut


ausgezeichnet

In ihrem zweiten Krimi dieser Reihe lässt Dagmar Marie Giesinger, ihres Zeichens Landärztin, beim feucht-fröhliche „Liachtbratlmontag“ auf der Katrin, dem Bad Ischler Hausberg, über die Leiche von Hubert Holzinger stolpern. Der umtriebige Kulturmanager liegt verbrannt auf dem Griller der Almhütte.

Natürlich übernimmt Ben Achleitner, Ermittler beim LKA und Ex-Freund von Marie wieder die Ermittlungen. Noch ist völlig unklar, was passiert ist. Rund 80 Personen sind zu befragen. Doch dann stellt sich heraus, dass ausgerechnet Hannes Reiter, ein junger Mann, der wegen eines tödlichen Autounfalls im Gefängnis gesessen hat und als Hilfskraft beim Liachtbratlmontag beschäftigt war, verschwunden ist.

Wenig später gibt es einen weiteren Toten: Der berüchtigte Linzer Anwalt Theo Pühringer liegt unterhalb des Hallstätter Skywalk. Ist er gesprungen oder gestoßen worden?

Die Ermittlungen gestalten sich als schwierig, denn Filomena, Maries Sprechstundenhilfe, die vielleicht ein wenig Licht ins Dunkel bringen könnte, glänzt durch Abwesenheit.

Hängen die beiden Todesfälle zusammen? Wenn ja, wie? Immerhin kannten sich die beiden Männer.

„Möglich. Aber ich glaube das nicht. Das ist hier das Salzkammergut und nicht New York, wo an allen Ecken und Enden etwas passiert.

Ben Achleitner, der ja die Mentalität der Bewohner des Salzkammerguts recht gut kennt, da er ja selbst einer ist, trägt Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen zusammen, bis sich eine, wenn auch überraschende, aber stimmige Auflösung ergibt.

Meine Meinung:

Dagmar Hager ist es wieder sehr gut gelungen, die Schönheit des Salzkammerguts einzufangen. Die Beschreibung der Landschaft macht Lust, Berge wie die Katrin zu erwandern oder an den Salzkammergutseen die Seele baumeln zu lassen.

Die Autorin legt zahlreiche Spuren, die nicht immer weiter oder gar ans Ziel führen. Der Schreibstil ist flott und der Krimi lässt sich gut lesen.

Die Charaktere sind recht gut gezeichnet. Gut beschrieben ist das Schweigen der Bewohner, das manchmal an die Omertà in Sizilien oder Korsika erinnert. Alte Familiengeschichten und Dramen, die lieber unter den Teppich gekehrt werden, machen den Ermittlern das Leben schwer.

Diesmal darf Filomena, Maries Sprechstundenhilfe, eine wichtige Rolle spielen und enthüllt eines ihrer zahlreichen Geheimnisse.

Die Ereignisse werden aus mehreren Perspektiven erzählt. Jedes Kapitel hat einen Dialektausdruck als Überschrift. Aber keine Sorge, der wird gleicht anschließend erklärt.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung, die menschliche Abgründe offenbart, 5 Sterne.

Bewertung vom 28.04.2024
Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt
Henneberg, Nicole

Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt


ausgezeichnet

Nicole Henneberg beleuchtet in einer beeindruckenden Biografie Leben und Werk einer der interessantesten Autorinnen der Weimarer Republik.

Gabriele Tergit wird als Elise Hirschmann am 4. März 1894 in eine jüdische Berliner Familie geboren. Schon während ihrer Studienzeit, sie ist eine der ersten Studentinnen an der Berliner Universität, legt sie sich das Pseudonym Gabriele Tergit zu (ein Anagramm aus dem Wort "Gitter"). Unter diesem Namen schreibt sie ihre Artikel und später ihre Romane. Seit 1915 schreibt sie Feuilletons, Reiseberichte und Glossen. Die Straßen Berlins bieten dafür überreichlich Stoff. 1925 wird sie, als erste Frau, beim Berliner Tageblatt fix angestellt und bald eine berühmte Reporterin. Ihre Spezialität sind Gerichtsreportagen. Dabei kann sie das Milieu, in dem die Nazis heranwachsen, aus nächster Nähe beobachten. Als sie dann im Jänner 1932 ihre Meinung bei einem Bericht nicht zurückhalten kann,wird sie, laut Goebbels, "die miese Jüdin" zur erklärten Feindin der Nazis.

Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 endet ihre Karriere frühzeitig. Gabriele Tergit geht nach London ins Exil. Nach dem Krieg kann sie an ihre früheren Erfolge nicht mehr anschließen und wird, wie viele andere, zu einer der zu Unrecht Vergessenen.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser lebendigen und penibel recherchierten Biografie einer beeindruckenden Frau, die zu Unrecht fast vergessen worden ist, 5 Sterne.