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Wedma

Bewertungen

Insgesamt 546 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2019
Kochen ist Politik
Höner, David

Kochen ist Politik


ausgezeichnet

Ein bemerkenswertes, informatives, aufschlussreiches Buch, das ich sehr gern gelesen habe. Viele klare Worte zu Problemen in den Krisengebieten. Ein eigenartiges Werk, im positiven Sinne. Das sind die Helden unserer Zeit. Sie gehen los und tun für den Frieden, was sie können. Und das ist nicht gerade wenig, was uns allen zeigt, dass jeder für den Frieden beitragen kann.
In diesem Buch liest man vielerlei: In welchen Ländern die Cuisine tätig war: Kolumbien, Brasilien, Kongo, Ecuador, Peru, Tschernobyl, um einige zu nennen, was sie in Krisengebieten gesehen, erlebt haben und was sie dort im Sinne des Kochens ohne Grenzen bewegen konnten. Eine beeindruckende Fülle an Bildern stürzt auf den Leser: Da sind erschreckende Zeugnisse der Armut der einheimischen Bevölkerung, die ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Da sind die Guerillas, die ihre Einflusszonen kontrollieren und bei der Planung mitberücksichtigt werden müssen. Da sind die treuen Monsanto Handlanger, die nicht dulden, dass der Einsatz der genmanipulierten Pflanzen kritisiert wird und prompt Probleme machen usw. Da ist auch eine höllenheiße Küche, in der sogar der Boden dampft, usw.
Paar treffende systemkritische Worte findet man hier und dort. Oft musste ich auch an das Buch von Jean Feyder „Leistet Widerstand!“ denken, auch ein sehr lesenswertes Werk. David Höner leistete den Widerstand mit seinem Verein. Er erzählt u.a. auch, welche Schwierigkeiten es zu bewältigen gab: Von der Beschaffung des Personals, von der Beschaffung der Finanzmittel zwecks der Durchführung der Projekte im jeweiligen Land uvm. Es gibt auch spannende Einsichten in das Leben in den Ländern, u.a. in Kenia. Da der Verein dort Calabash aufbaute, mussten sie sich mit so einigen polit. Interna und Mentalitätsbesonderheiten auseinandersetzen. Auch über die Arbeit anderer Hilfs- und Entwicklungsorganisationen hört man so einiges, was diese nicht unbedingt in einem Sonnenschein erstrahlen lässt, denn an erster Stelle stehen die finanziellen Interessen der Reichen. „‘Frieden durch Wohlstand‘ lautet das Credo der kapitalistischen Entwicklungspolitik. Nur, wessen Wohlstand und wessen Frieden?“ S. 266 ff.
Im letzten Drittel wurde das Buch richtig toll. Höner hat einen sehr realistischen Blick auf das Tun seines Vereins und sein eigenes. Er teilt auch seine Gedanken zum Zustand der Welt, so wie er sie erlebt hat. Er zeigt z.B., wie die Mechanismen der Verarmung der Bevölkerung funktionieren, s. Kap. 19. Er plädiert auch für den Erhalt der ursprünglichen Formen der Gemeinschaft der Urvölker, was ihr Überleben wahrscheinlicher macht. Seine Resümees, die über das Buch verstreut sind, sind so klug, ja weise. „Wenn wir aufhören den paar Wenigen zuzuhören, die mir ihrer furchterregenden Propaganda glauben, über unser aller Schicksal entscheiden zu dürfen, wird alles gut. Naiv? Wenn es naiv ist, an die gute Option zu glauben und auf sie zu hoffen, bin ich gerne naiv.“ S. 254.
Man kann noch viel über dieses Buch schreiben, besser, man liest es selbst.
Der Inhalt ist leserfreundlich gestaltet worden. So manche schwierigen Dinge wechseln sich mit fröhlicheren Begebenheiten, Gesprächen ab, z.B. wie das Fachsimpeln der Köche, wie man die besten Bratkartoffeln macht, oder auch die Überlegungen, was das Kochen ist, was das gute Essen bewirkt, was die Menschen in den o.g. Ländern so alles essen und trinken usw. Die Kapitel sind nicht besonders lang, dafür aber inhaltsreich.

Das Buch ist hochwertig ausgestattet. Festeinband in hellem Rot, Umschlagblatt aus glattem Glanzpapier mit Fotos auf Vorder- und Rückseite, einige s/w Fotos, angenehme Schriftgröße. Schön als Geschenk.

Fazit: Ein vielfältiges, großartiges, kluges Buch über die Menschen, die in Sachen Frieden so einiges bewegt haben, und nicht nur.

Bewertung vom 12.11.2019
Der Glücksstandard
Tho, Ha Vinh

Der Glücksstandard


ausgezeichnet

Ein spannendes, informatives, sehr gut geschriebenes Buch, das die Leser sowohl auf persönlicher als auch auf der Gemeinschaftsebene anspricht, viele wertvolle Übungen zur Glücksfindung vermittelt, andere praktische Tipps gibt und packend über das Bruttonationalglück erzählt.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut.
Das Buch ist in 3 Teile gegliedert.
Im Teil 1 findet man u.a. viele Gedanken zum Thema Glück und Achtsamkeit. Es gibt auch einfache, schön und für jeden zugänglich beschriebene Übungen, die man zur Entwicklung der Achtsamkeit gern durchführen kann wie: Der bewusste und achtsame Umgang mit Emotionen in 5 Schritten, Übungen zur Kultivierung positiver Gefühle, Die Verwandlung von Hass und Gewalt in Mitgefühl, hier findet man auch ein Gedicht des Zen-Meisters Thich Nhat Hanh, uvm.
Im Teil 2 zeigt Dr. Ha Vinh Tho, dass Bruttonationalglück (BNG) durchaus greifbar, messbar und steuerbar ist. Er beschreibt die 9 Domänen des BNG: Psychisches Wohlbefinden, Bildung, Kulturelle Vielfalt und Identität, Lebendige Gemeinschaft, Lebensstandard. Zudem gibt es noch 33 Indikatoren wie Gesundheitszustand, Bildungsstand usw., die, jeder Domäne zugeordnet, zur näheren Beschreibung und Messung des Glücks der Bevölkerung in Bhutan beitragen. Es gibt noch Variablen wie Gerechtigkeit, Ökonomische Sicherheit, Teilhabe an Produktivem Tun usw., die man nach Punktezahlen bewerten kann, alles schön übersichtlich in Tabellen geordnet.
Teil 3 handelt von der praktischen Umsetzung des BNG. Die 9 o.g. Domänen kann man auch zur Messung des persönlichen Glücksstandes heranziehen. Hier findet man wieder eine Reihe von Übungen, die bei regelmäßiger Anwendung durchaus zum persönlichen Wohlbefinden beitragen können. So manches praktiziere ich seit Jahren und kann die Wirksamkeit bestätigen. Viel Raum ist hier dem Familienglück und der Bildung gegeben worden. Das Kapitel BNG im Bildungswesen beschreibt ein Projekt in den Schulen von Vietnam, das mit Hinblick auf BNG konzipiert und durchgeführt wurde. Übungen wie Freundschaftsbänder knüpfen, mit anderen etwas teilen, respektvoller Umgang miteinander uvm. sind hier klar beschrieben worden, sodass man diese auch bei den Kindern daheim und in örtlicher Schule durchführen kann.
Das Kapitel BNG in der Wirtschaft beschreibt, wie man dieses Konzept im Wirtschaftsleben integrieren kann. Einige klare wie treffende Worte findet man zu alternativlos erklärter Gesellschaftsordnung von heute: „Der Neoliberalismus ist eine Ideologie, keine Wissenschaft.“ S. 240. Ein Paradigmenwechsel ist längst überfällig. Wenn die Unternehmen BNG Konzept bei sich umsetzen würden, „…könnte das zu einer der stärksten Triebkräfte sozialen und ökologischen Wandelns werden.“ Dr. Ha Vinh Tho gibt einige praktische Vorschläge, wie man BNG im unternehmerischen Umfeld integrieren und die Fortschritte messen könnte. Es gibt auch Beispiel eines Unternehmens aus Vietnam, das BNG bei sich bereits integriert hat. Es gibt noch andere, die BNG Konzept verinnerlicht haben. Der Autor betont, dass BNG mit erfolgreichem Betrieb sehr wohl vereinbar ist, wie die Beispiele einiger Unternehmen zeigen.
Zum Schluss schreibt Dr. Ha Vinh Tho „Vor uns liegt die große Aufgabe, gemeinsam ein neues Narrativ zu ersinnen, ein neues Verständnis davon zu schaffen, was es heißt, heute auf dieser Erde Mensch zu sein, mit unserer Verantwortung gegenüber dem Planeten und all seinen Lebensformen.“ Hier gibt es weiter einige tolle Vorschläge. Ich glaube, wenn man all dies bei sich und in der Gemeinschaft, in der man arbeitet und lebt zumindest zum Teil einführen könnte, wäre man schon ein gutes Stück zur besseren Zukunft weiter.
Das Buch ist wertvoll gestaltet. Festeinband in tiefem Orange, Umschlagblatt, angenehme Schriftgröße. Prima als Geschenk.
Fazit: Ein sehr schönes, inspirierendes, kluges, weises Buch, das sich sehr angenehm lesen lässt. Bitte mehr davon.

Bewertung vom 04.11.2019
Sterben (eBook, ePUB)
Gockel, Matthias

Sterben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein sehr gut geschriebenes, informatives Werk, das auf viele Aspekte des Sterbens in Deutschland eingeht, wertvolle Hinweise gibt und das Ganze sehr zugänglich und angenehm zur Sprache bringt.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut.

Dr. Gockel erzählt aus seiner langjährigen Erfahrung und geht dabei auf viele Schlüsselaspekte zum Thema Sterben ausführlich ein. So manches öffnet einem die Augen. Viele Hinweise können den Lesern die eine oder andere unangenehme wie kostspielige Erfahrung sparen. Dieses Wissen kann sich auch auf andere Art positiv auswirken, wenn man denn weiß, wie dieses System rund ums Sterben funktioniert und wie man sinnvollerwiese damit umgeht. Auch über die rechtlichen und juristischen Aspekte wie Patientenverfügungen, Vollsorgevollmachten usw. war hier die Rede.
Dr. Gockel lässt auch in den Ärztealltag tief blicken. Er bringt u.a. die Ängste und die damit eingehenden Fehler der Ärzte deutlich zur Sprache. Er kritisiert auch die ethischen Aspekte des Systems, in dem den Patienten zu Gewinnmaximierungszwecken Unzumutbares als alternativlos verkauft wird.
So bekommt man als potenzieller Patient oder Angehöriger aussagestarke Einblicke in die Entscheidungswege der Ätzte. Man weiß nun, worauf man achten, was und wie man ansprechen sollte, falls etwas nicht so gut läuft, auch um überhaupt gehört zu werden, damit das, was man als Patient will, auch so stattfindet.
Dr. Gockel ist nicht nur Palliativmediziner, er ist auch ein begnadeter Kommunikator, der diese Fähigkeit in vielen Seminaren geschärft hat. Er beschreibt, warum er das eine oder andere den Patienten nicht sagen würde und nicht sagt, was auch die Leser in ihrer Kommunikation mit den Patienten und Ärzten als ein Leitfaden aufnehmen können.
Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Es ist wie ein gutes, reichhaltiges Gespräch unter guten Bekannten. Die vielen kleinen Unterkapitel und ein sehr angenehmer Schreibstil verleiteten mich stets dazu, immer weiter zu lesen. Es war auch spannend, was Dr. Gockel als nächstes erzählt. Es gab u.a. viele Geschichten aus dem Leben, was auch zum Unterhaltungswert dieses Werkes beigetragen hat.

Fazit: Keine Angst vor dem Titel! Es ist ein tolles Buch, das sich sehr angenehm lesen lässt. Nicht nur die informative Ebene erweist sich als wertvoll. Auch die Kommunikation mit dem Autor während der Lektüre ist sich sehr wohltuend.
Auf den ersten Seiten schreibt der Autor: „Der Tod wird immer ein Skandal bleiben. Abe wir können lernen, ihm etwas weniger unvorbereitet zu begegnen. Dazu möchte ich mit diesem Buch einen Beitrag leisten.“ Das ist ihm zweifelsohne gelungen. Bleibt zu hoffen, dass viele Menschen dieses Buch lesen und davon profitieren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.11.2019
Winteraustern / Luc Verlain Bd.3 (eBook, ePUB)
Oetker, Alexander

Winteraustern / Luc Verlain Bd.3 (eBook, ePUB)


gut

Positiv aufgefallen war die Verbesserung des Handwerks, was sich in der Art zu erzählen zum Ausdruck brachte. Insg. wirke das Erzählte sicherer, bodenständiger, gekonnter. Ich habe die Folge 2 kurz vorm Lesen dieses Teils gehört. Die Unterschiede fielen recht deutlich auf.
Atmosphärisch wurde die Geschichte auch, wirkte wie ein kurzer Winterurlaub am Bassin d’Arcachon. Bildhaft, realistisch und zum Greifen nah wurden die Landschaften und das Leben der Austernzüchtern beschrieben. Dieses ist wohl kaum zu beneiden. Das Thema Umwelt, Erderwärmung, und wie das auf das Austernzüchten auswirkt, sind sehr gut präsent.
Gerade die Nebenfiguren schienen dem wahren Leben entsprungen. Die Schicksale der Austernzüchter, die Tragik ihrer Leben sind herzzerreißend.
Weniger positiv fand ich diese süßliche, schon fast gesagt übersüßte Note, die mich auch in der letzten Folge irritiert hatte, wenn es um das Liebesleben von Luc und Anouk ging. Sind wir hier plötzlich in einem billigen Liebesroman, drängte sich die Frage hie und dort auf.
Den Schluss hinterließ einen unstimmigen Eindruck, was sich zunächst als gründlich falsch anfühlte. Zu gemacht und aufgesetzt, wirkte er so, dass er zu dieser Geschichte nicht gehört, sodass ich diese Auflösung im Endeffekt nicht akzeptieren konnte.
Was Luc und Anouk angeht, hörte es sich so an, als ob das die letzte Folge war, was eigentlich schade wäre.

Fazit: Ein atmosphärischer Regio-Krimi mit einer klaren Botschaft, wie auch die vorigen Folgen, und einer guten Prise Gesellschaftskritik. Leider gibt es paar Schwächen. 3 Sterne kann ich hier vergeben.

Bewertung vom 04.11.2019
Sabotierte Wirklichkeit (eBook, ePUB)
Klöckner, Marcus B.

Sabotierte Wirklichkeit (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein must read. Methodische Herangehensweise, überzeugende Argumentation, wohl begründet, geordnet, belegt, griffig, klar, für jeden prima verständlich und nachvollziehbar. Man bekommt viel mehr als KT verspricht und die Kapitelüberschriften im Inhaltsverzeichnis verraten.

Das Werk fördert nicht nur einen kritischeren Umgang mit den Medien. Es geht viel, viel tiefer.

Man bekommt hier nicht nur kluge Unterhaltung. Da steckt noch viel mehr drin. Ich konnte in diesem Rahmen nur wenige Aspekte aufgreifen. Besser, man liest selbst.

Bewertung vom 29.10.2019
Die Liebe in Gedanken (eBook, ePUB)
Michalzik, Peter

Die Liebe in Gedanken (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein bemerkenswertes Werk, das den heutigen Lesern die damalige Zeit, die Künstlerszene und vor allem die Dichter Zwetajewa, Pasternak und Rilke durch ihre Briefe nahebringt.

Im Fokus steht das Jahr 1926, von März bis Dezember. In dieser Zeit wurde eine unmögliche Liebe in Briefen gelebt, erst zwischen Zwetajewa und Pasternak, dann wurde Rilke hinzugezogen. Die drei Dichter befinden sich an drei verschiedenen Orten. Sie sehen sich nicht, es gibt also keine persönlichen Treffen in dieser Zeit. Dennoch entsteht eine Liebe, die die Seiten knistern lässt und auch nach fast hundert Jahren, dank der vielen Zitaten aus den Briefen, sehr lebendig und zum Greifen nah erscheint.
Man lernt Pasternak und Zwetajewa, ihr äußeres und inneres Leben, in diesem Jahr ganz gut kennen. Wie der Autor im Nachwort schreibt, ist dieses Jahr für die späteren Geschehnisse ausschlaggebend. Die beiden diskutierten z.B. über den Tod Sergej Essenins. Wenn man weiß, wie Zwetajewas Leben endet, findet die Bestätigung hierfür. Man versteht auch Pasternak besser, als er in späteren Jahren Schiwago schrieb und eine ähnliche Beziehung zu einer anderen Frau hatte. Er war da schon zum zweiten Mal verheiratet. Scheinbar war er so, dass er die Musen brauchte. Zwetajewa hat dieses Verhaltensmuster geprägt. Von Rilke erfährt man auch so einiges. Er war in dem Jahr aber schon 50, älter und kranker als die beiden Kollegen. In dieser Liebesbeziehung spielte er eine eher Nebenrolle.
Auch über die anderen Akteure in der künstlerischen Szene erfährt man so einiges. In Berlin war sie zu dieser Zeit gut präsent, genauso wie in Paris, da viele Künstler und ihre Bewunderer aus Russland dorthin emigriert hatten.
Die Ausflüge zu Essenin und Nabokov waren eine Bereicherung, fielen sie doch recht kurz aus.
Im Nachwort schreibt der Autor: „In der vorliegenden Darstellung der Geschichte habe ich versucht, den Zusammenhang inklusive des dazugehörigen Hintergrunds herauszuarbeiten… Dieses Buch basiert nicht auf einer wahren Geschichte, es versucht eine wahre Geschichte zu erzählen. Es geht darum, zu zeigen, welche außerordentliche Dimension diese Briefgeschichte hat. Es geht und Liebe und Poesie in der vollständigen Bedeutung der Worte. Alles liegt in den Worten, aber auch jenseits von ihnen.“
Größtenteils wurde die selbst gestellte Aufgabe ganz gut gemeistert. Diese Darstellung der Liebe in Gedanken, die heute wie ein Relikt der längst vergangenen Epoche wirkt, fiel aber schon sehr üppig aus. Weniger, knapper, stringenter wäre mehr, und besser, gewesen. In die gleiche Kerbe schlägt das Setzen der Schwerpunkte, mit dem ich nicht immer einverstanden war.
Dennoch ist es ein bemerkenswertes Werk geworden, das den heutigen Lesern die damalige Künstlerszene und vor allem die Dichter Zwetajewa, Pasternak und Rilke nahebringt.

Bewertung vom 29.10.2019
Alles, was wir sind (eBook, ePUB)
Prescott, Lara

Alles, was wir sind (eBook, ePUB)


gut

Die XXL-Leseprobe fand ich vielversprechend. Die Buchbeschreibung weckte ebenfalls hohe Erwartungen, die aber im Laufe der Geschichte leider kaum ihre Erfüllung fanden. Spätestens ab der Mitte habe ich gewünscht, die Autorin hätte ein anderes Thema gewählt und einen anderen Roman geschrieben.
Abwechselnd wurden zwei Erzählstränge dem Leser dargeboten: Osten und Westen. Der Erzählstrang im Osten fängt 1949-1950 an und endet 1960-1961, der im Westen fängt 1956 an und endet dort im Sommer 1959. Die Geschichte im Osten erzählt, wie Pasternaks Roman Doktor Shiwago entstand. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung des Autors und seiner Muse Olga, ihrer Liebesbeziehung bis zu Pasternaks Tod. Die Story im Westen stellt dar, wie der Roman dort veröffentlicht und, nach Russland eingeschmuggelt, verbreitet wurde. Als Protagonistin wurde hier Irina gewählt, Tochter der russischen Emigranten, die im Stenotypistinnengroßraumbüro in der Agency, beim Geheimdienst, arbeitet. Diese Agency hat eine neue Waffe auserkoren, den neuen Roman von Pasternak, denn die Worte sind Waffen. Damals wie heute, muss man leider sagen.
Der Kontrast in der Darstellung des Lebens im Westen und Osten trat deutlich hervor. Im Westen schien das Leben aus Partys und unbeschwertem Leben zu bestehen. Im Osten wurden hpts. Entbehrungen, Gewalt, Elend dem Leser serviert. Ein sehr düsteres Bild Russlands entsteht vor Augen der Leser. Die ausführlichen Beschreibungen von Olgas Verhaftung und all die beklemmend wirkenden Begebenheiten ihrer Zeit im Gefangenenlager, in Tagebuchform dargereicht, sorgen dafür. Das ganze Elend im Lager steht einem lebendig vor Augen.
In der zweiten Hälfte schmelzen die Erzählstränge zusammen und erzählen davon, wie der in UdSSR verbotene Roman dorthin mithilfe von den Geheimdienstmitarbeitern eingeschleust wurde. Im östlichen Strang wurde gezeigt, wie die Sowjets mit der Veröffentlichung des Romans umgingen, welche Konsequenzen dies für seinen Erschaffer Pasternak und seine Muse Olga und ihre Kinder hatte.
In der ersten Hälfte war ich noch von der Hoffnung beseelt, dass dies ein schöner Schmöker wird. Es ist aber eher ein Frauenroman mit propagandistischer Schlagseite geworden. Zwar hat er insg. gutes Niveau, stellenweise Humor, der Talent der Autorin ist in weiten Strecken gut sichtbar. Mir war hier aber einerseits zu viel von dem typischen Frauenroman-Kleinklein, all diese Gerüchte, wer mit wem in Irinas Büro der Stenotypistinnen ausgeht, das ständige Weggehen, Bars, Drinks, Partys etc. Eine Liebe, die damals in den USA verboten war, wie auch das gelegentliche auf Emotionen spielen und auf die Tränendrüse drücken kamen dann noch dazu. Zudem wurde ich hier zu oft von Perspektivwechsel überrascht: mal erzählt Irina, mal Sally, mal noch eine andere Figur, was mich auch jedes Mal zuverlässig aus dem Lesefluss beförderte.
Meine Begeisterung hielt sich am Ende sehr in Grenzen. Insg. ist der Roman nichts anderes als ein Versuch, das düstere Feindbild Russland in den Köpfen der Leser zu festigen. Die Propagandamaschinerie läuft bereits seit paar Jahren. Der Erzählrahmen ist also vorgezeichnet, und die Autorin bedient ihn hier auch fleißig. Wenn man sieht, in welch dunkeln Tönen der in Russland spielende Erzählstrang gezeichnet ist, all die detailliert gezeichneten Missbrauchsszenen… Der vorgegebene Erzählrahmen wurde durch diese Schilderungen bloß künstlerisch untermalt. Darin kann man einige Meinungsmachegriffe erkennen, die z.B. Albrecht Müller in seinem neuen Buch „Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst: Wie man Manipulationen durchschaut“ beschrieben hat.
Fazit: Man kann es lesen. Muss man aber nicht.

Bewertung vom 24.10.2019
Frieden! Jetzt! Überall!
Müller, Michael

Frieden! Jetzt! Überall!


ausgezeichnet

Eine bemerkenswerte Ansammlung von ca. 56 Beiträgen von 51 bedeutenden Akteuren der Politik, Wirtschaft und Kultur, die für Frieden! Jetzt! Überall, wie der Titel es so schön zum Ausdruck bringt, überzeugend plädieren. Sollte man gelesen haben.
Die Beiträge sind kurz, oft nur paar Seiten, sie liefern aber einen beachtlichen Fundus an:
spannenden Analysen und Zusammenfassungen der politischen Vergangenheit und der Gegenwart;
wertvollen Ideen und konstruktiven Vorschlägen, wie man den Frieden in Europa und der Welt insg. etablieren und das Leben der Menschen besser, schöner, lebenswerter machen könnte uvm.
Abrüstung, konstruktiver Dialog/ Partnerschaft mit Russland, deutliche Erhöhung der Ausgaben für Bildung, Kultur, soziale Zwecke, Ausbau der Infrastruktur, mehr Rechtstaatlichkeit, mehr Demokratie, soziale Gerechtigkeit stehen dabei oft im Vordergrund.
Besonders die Beiträge von Frank Bsirske, Daniela Dahn, Reiner Hoffmann, Anton Hofreiter, Albrecht von Lucke, Mathias Platzeck, Wolfgang Schwarz, Jörg Sommer, Jürgen Trittin, Kathrin Vogler, Sahra Wagenknecht sind mir positiv aufgefallen. Aber eigentlich alle sind, jeder auf eigene Art, bereichernd und lesenswert. Ich habe sie alle aufmerksam gelesen. Nach einigen Wochen Pause nochmals. Es lohnt sich. Insbesondere, wenn man sich dann darüber im Freundes-/ Kollegen und Familienkreis austauscht.
Noch ein kostbarer Aspekt bei diesem Band: Die Vielfalt, der Facettenreichtum dessen, wie man an das Thema hier herangegangen war, von wie vielen Blickwinkeln „Frieden! Jetzt! Überall!“ beleuchtet wurde. Es ist keineswegs so, dass alle das Gleiche auf gleiche Art sagen. So ziemlich das Gegenteil ist der Fall. Weshalb sich diese Inhalte so wohltuend vom leitmedialen Einerlei abheben. Klar ist aber: die überwiegende Mehrheit der Beitragenden, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, Konfession, beruflichem Background, etc. plädieren: Es ist höchste Zeit, mit dem Frieden, jetzt und überall, anzufangen.
Zur Kriegshetze und der Rolle der sog. Leitmedien dabei wurden hier auch einige klare Worte gesprochen. Mehr dazu findet man übrigens in „Sabotierte Wirklichkeit“ von Matthias B. Klöckner. Ein sehr lesenswertes und aufschlussreiches Werk.
Bei vielen Beiträgen in diesem Band kam der Gedanke: Wenn die verantwortlichen Politiker dieses Plädoyer bloß beherzigen würden! Dann könnte man diesen irrsinnigen Tanz an den Abgrund des dritten Weltkrieges stoppen und endlich damit anfangen, ein würdevolles, gutes Leben aufzubauen, und dabei die sinnvolle Politik an den Tag zu legen, bei der die Menschen und ihre Interessen die Priorität Nummer 1 sind.
Die Autoren sagen es deutlich: Es ist machbar, in Frieden mit allen Nachbarn zu leben; gemeinsame Projekte zum Wohlsein aller durchzuführen; ein gutes, würdevolles Leben aufzubauen. Wie und was konkret man tun könnte/sollte, findet man in diesem Band.

Fazit: Ein sehr lesenswertes Buch, ein flammender Appell an die verantwortlichen Politiker und an uns, denn Frieden geht uns alle an.

Bewertung vom 10.10.2019
München MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag
Wigand, Achim

München MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag


ausgezeichnet

Diesen München Reiseführer von Achim Wiegand aus dem Müller Verlag finde ich sehr gut: informativ, übersichtlich, mit einigen nützlichen Extras versehen und vieles mehr. Wenn ich an Reiseführer denke, dann gleich auch an den Müller Verlag. Habe mehrere Müller-Reiseführer in meinem Bücherregal. Und auch mit diesem Werk bin ich zufrieden.

Es handelt sich hier um die 6.te, überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019 mit dem Stadtplan, gleich vorn im Umschlag, 170 Farbfotos über die gesamte Länge verteilt, herausnehmbarer Karte hinten im Buchumschlag, auf dem innen auch die Karte der S-, U-Bahn und Tramnetze abgedruckt ist, und dem Hinweis auf die kostenlose Verkehrs-App für München und Umgebung, die mir auch ihre guten Dienste geleistet hat.

Neben den zahlreichen Infos zu Sehenswürdigkeiten, Gastronomie und Unterbringungsmöglichkeiten findet man die Angaben zu geografischen, geschichtlichen und kulturellen Gegebenheiten uvm.

Die klare, übersichtliche Gliederung und das üppige Kartenmaterial runden den ohnehin positiven Eindruck des Reiseführers sehr vorteilhaft ab. Damit kann man sich auch als Neuling prima in der Stadt orientieren.
Der Reiseführer besteht aus 12 Touren durch die Stadt, z.B. „Vom Isator zum Bürgersaal“, „Viktualienmarkt und Glockenbachviertel“, „Die Maxvorstadt“, „Der Olympiapark“, „Maximilianstraße und Residenz“, „Ludwigstraße, Leoplodstraße und Schwabing“ usw. plus ein extra Kapitel über die Vorortschlösser wie Nymphenburg etc., ein weiteres Kapitel über die Ausflüge im Münchner Umland, sowie kurze Abrisse der Stadtgeschichte und der Küche/ Gastronomie. Infos zu Nachtleben, Kulturleben, Festen und Veranstaltungen, München mit Kindern, Übernachten usw. findet man ebenso am Ende des Buches, sowie das Register, das zuverlässig hilft, schnell das Gesuchte zu finden.

Bei allen Touren ist eine kleine Karte dabei, auf der man gleich sieht, in welchem Stadtteil die Tour stattfindet und wie genau sie verläuft, denn sie ist farblich hervorgehoben. Welche Sehenswürdigkeiten, Essen& Trinken, Nachtleben und Einkaufsmöglichkeiten es dort gibt, sind ebenfalls auf diesen Karten gezeichnet. Alles ist sehr übersichtlich gestaltet. Die Touren sind zudem knapp und griffig, mit Augenzwinkern beschrieben. Bei den Sehenswürdigkeiten sind die Angaben zu Eintrittspreisen, Öffnungszeiten, wie man hinkommt und allem, was man sonst wissen muss, ebenfalls dabei. Jede Tour endet mit den Praktischen Infos wie Cafés, Restaurants, Bars, Kneipen, Einkaufsmeilen samt Adressen, Tel. Nummern, Geschäftszeiten, Besonderheiten uvm. Unter „Mein Tipp“ findet man die quasi Geheimtipps des Autors, die nicht nur praktischer Natur sind, viel ließen mich schmunzeln.

Der historisch-kulturelle Bezug ist in diesem Reiseführer recht stark ausgeprägt. Viele Farbfotos begleiten die Ausführungen. So kann man sich die beschriebenen Sehenswürdigkeiten besser vor Augen führen. Nach paar Seiten bekommt man den Wunsch, die Ortschaften selbst zu erkunden und alles mit eigenen Augen zu sehen.

Fazit: Ein sehr guter Reiseführer voller aktueller Infos und hilfreicher Tipps, übersichtlich, mit vielen Extras, in einer knappen und aussagestärken Sprache verfasst.
Wenn man nach Anregungen für den nächsten Urlaub sucht, eine Reise nach München plant oder auch bereits dort vor Ort ist und nach praktischen Informationen oder Inspirationen sucht, wird man hier fündig, auch wenn man so einiges in München bereits kennt. Für einen Neuling in der Stadt ist er ein Muss. Damit ist man sehr gut bedient, und kann sich ggf. viel Ärger und unnütze Ausgaben sparen.
Ich freue mich, diesen Reiseführer im Regal zu haben. Auf meiner Reise nach München hat er mir als Inspiration und als Nachschlagewerk sehr gute Dienste geleistet. Dank seines handlichen Formats passt er auch in einen kleinen Rucksack. Auch für meine nächste München-Reise werde ich ihn zu Rate ziehen und bei sich haben. Toll auch als Geschenk/ nettes Mitbringsel.

Bewertung vom 10.10.2019
Die Sprache des Donald Trump (eBook, ePUB)
Viennot, Bérengère

Die Sprache des Donald Trump (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Es ist ein kluges, aufschlussreiches, prima geschriebenes Werk, das man gelesen haben sollte.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr treffend.
Man sieht es den Ausführungen der Autorin an, dass sie fertig mit der Welt ist, in der sie Trump übersetzen muss. „Seit Donald Trump an der Spitze der freien Welt steht, habe ich das Gefühl, jeden Tag einen Schlag ins Gesicht zu bekommen. Und ich glaube, ich bin nicht die Einzige.“
Sie begründet im Verlauf ihres Essays ihre Haltung: „ … dass derjenige, der als Aushängeschild seines Landes und mithin seiner Sprache fungieren soll, den Wortschatz eines Sechstklässlers hat, deprimiert mich als Spracharbeiterin. Trumps beschränkter Wortschatz, den ich als Aggression empfinde, ist jedoch nicht das Erschütterndste an seiner verbalen Gewalt. Sicher, er misshandelt die Sprache, obwohl sie ihm nichts getan hat. Aber wenn er kompletten Unsinn von sich gibt…, kommt das Aggressionspotenzial seiner vulgären Äußerungen zum Tragen.“
Es gibt da noch bissigere wie nachvollziehbare Passagen. Die Autorin kann sich so überzeugend empören!
Bérengère Viennot macht es für die Leser verständlich, warum es so eine Zumutung ist, den heutigen Präsidenten von USA zu übersetzen. Sie fängt erst damit an, dass sie erklärt, was das heißt, etwas zu übersetzen, welche Faktoren noch mit hineinfließen, wenn man adäquat übersetzen möchte, welchen Unterschied es macht, wenn ein Profi-Übersetzer dies tut oder ein Journalist, der nicht von Berufswegen übersetzt uvm.
Auf dieser Basis erklärt Bérengère Viennot, warum es oft unmöglich erscheint, Trump zu übersetzen und bringt viele Beispiele, um ihre Ausführungen zu untermauern.
Bérengère Viennot vermutet, dass Trump ein Legastheniker ist. Eins ihrer Kinder ist Legastheniker. Die Parallelen im Verhalten sind für sie unübersehbar. Zudem steht bei Trump der Verdacht auf Alzheimer im Raum, wie beim früheren Präsidenten Ronald Reagan.
Im Kapitel „Selbstüberschätzung“ schreibt sie: „Das Problem besteht nicht in seiner vermeintlichen Dummheit, sondern in seiner mangelnden intellektuellen Neugier. Solange man sich der menschlichen Kultur und der Erfahrung andere verschließt, verschließt man sich auch dem kulturell stimulierten Denken. Die Sprache von Donald Trump dreht sich im Kreis, genau wie seine Aussagen und sein politisches Denken: er nimmt sich selbst zum alleinigen Maßstab aller Entscheidungen.“
Ich lasse die Autorin so oft zu Wort kommen, weil es besser ist, ihre Ausführungen im Original und unmittelbar zu erfahren. Weshalb man auch das Buch selbst lesen sollte. Die Frau hat Klasse, Bildung und Humor. Diese Kombination sollte man sich nicht entgehen lassen. Sie blickt durch und bringt ihre Gedanken glassklar, eloquent und niveauvoll zur Sprache. Gern würde ich ein anderes Buch aus der Feder von Bérengère Viennot lesen.

Fazit: Ein lesenswertes Werk, das sich nicht nur mit der Sprache von Donald Trump befasst. Von der Sprache ist der Übergang zur Persönlichkeit nicht weit. Doch das ist noch nicht alles. „Wenn Amerika auf seinen Präsidenten schaut, glaubt es sich in einem Zerrspiegel zu sehen. In Wahrheit reflektiert dieser Spiegel jedoch eine Wirklichkeit, die es lange verdrängt hat und nun als plötzlichen Schlag ins Gesicht empfindet.“ Dazu gibt es noch im letzten Kapitel einige kritische wie wahre Worte, die von der Entstehungsgeschichte Amerikas bis zur Gegenwart unter Trump reichen und klarstellen, was das alles mit uns zu tun hat, i.e. mit Menschen, die in Frieden glücklich leben wollen.