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Benutzername: 
hasirasi2
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1115 Bewertungen
Bewertung vom 24.01.2023
Der Tote im Kurhaus / Fräulein vom Amt Bd.2
Blum, Charlotte

Der Tote im Kurhaus / Fräulein vom Amt Bd.2


ausgezeichnet

Legenden des Nils

„Alma, du musst ihm helfen. … Du hast es doch schon einmal gemacht.“ (S. 54) Zwei Jahre nach ihrem ersten „Abenteuer“ bittet Almas Freundin und Mitbewohnerin Emmi sie, sich wieder in Ermittlungen zu stürzen. Auf der Premierenfeier der Oper Aida im Ballsaal des Kurhauses wurde der Tenor ermordet. Der war Emmis aktueller Galan und hatte an dem Abend einen Streit mit seinem Vorgänger, der seinen Platz an Emmis Seite nicht kampflos räumen wollte. Da alle Indizien auf ihn weisen, scheint die Polizei gar nicht in andere Richtungen zu ermitteln.
Alma zögert erst, schließlich war ihr erster Fall nicht ganz ungefährlich, freundet sich dann aber zufällig mit der ägyptischen Sopranistin Mary an und erfährt von ihr mehr über die anderen Mitglieder der Truppe. Schnell wird ihr klar: „In diesem Ensemble gibt es mehr als genug Gründe für einen Mord.“ (S. 52) Nicht nur, dass einige Mitglieder untereinander anscheinend nicht immer ganz freiwillig verbandelt sind, sie haben sich zum Teil auch in Ägypten im Rahmen einer Ausgrabung kennengelernt …

„Fräulein vom Amt – Der Tote im Kurhaus“ ist der zweite Teil der Reihe um die Telefonistin Alma aus der Feder des Autoren-Duos Charlotte Blum und genauso spannend und unterhaltsam wie der Vorgänger. Die Wirtschaft hat sich endlich erholt, die Inflation wurde durch die Einführung der Reichsmark beendet und die Stimmen der Nationalsozialisten werden immer lauter.
Baden-Baden ist der Ägyptomanie verfallen, denn kurz zuvor hat Howard Carter das Grab des Tutenchamun mit seinen unzähligen Schätzen entdeckt und dadurch Kunst und Mode nachhaltig beeinflusst. Der Auftritt des Ensembles der durch Europa tourenden Aida-Oper ist der absolute Höhepunkt des Ganzen und wird jetzt durch den Mord überschattet.

Bei ihren Nachforschungen dazu wird Alma mit den großen Gefühlen und Dramen vor und hinter der Bühne konfrontiert und entdeckt so manche Verbindung und Abhängigkeit, die eigentlich geheim bleiben sollte. Gleichzeitig schwelgen sie und die sowieso schwärmerisch veranlagte Emmi in den abenteuerlichen Schilderungen über Ägypten und die Ausgrabungen und träumen dabei von der großen weiten Welt – und der Liebe. Während Emmi weiter von einem Flirt zum nächsten flattert und sich nicht festlegen kann oder will, hat sich Alma letztlich gegen die Beziehung zu Kriminalkommissar Ludwig Schiller entschieden, weil sie ihren Beruf als Telefonistin und ihr unabhängiges Leben zu sehr liebt.
Ludwig ist zu Beginn von den Untersuchungen ausgeschlossen, da er im Gegensatz zu seinem Chef nicht den gerade aufkommenden Lehren Hitlers, sondern der jungen Republik anhängt. Trotzdem kann er Alma bald Informationen zukommen lassen.

Das Autorenduo bringt auch das damalige Zeitgefühl wieder wunderbar rüber. Ich liebe die Seitenhiebe auf die veraltete und unpraktische bis gefährliche Mode (ich sage nur Hutnadeln) ihrer Großmütter und habe mich sehr über den Kauf der neu aufgekommenen leicht anstößigen Gymnastikkleidung für Frauen (Hosen!) und die dabei vorgeführten Übungen amüsiert.

Vor allem ist das Buch aber wieder ein sehr gut inszenierter klassischer Howdunit, der mich bis zum Ende fesseln und überraschen konnte.

Bewertung vom 20.01.2023
Von Spaß war nie die Rede
Berg, Ellen

Von Spaß war nie die Rede


ausgezeichnet

Im Prinzip vergeben, aber die Route wird gerade neu berechnet

„Vielleicht liegt es daran, dass ich Fee heiße. Nomen est omen. Jedenfalls bin ich die gute Fee vom Dienst, auf die man rund um die Uhr zählen kann. … Ich kann auch gar nicht anders, denn das Wort »nein« existiert nicht in meinem Wortschatz.“ (S. 6) Wenigstens zu sich selbst ist Fee ehrlich, denn Mann, Kinder, Chef, Kollegin und beste Freundinnen kennen sie nur als stets hilfs- und einsatzbereite Frau für wirklich alle Fälle. Eine spontane Party mit den Kollegen des Mannes? Kein Problem. Zum Mädelsabend noch schnell den Lieblingskuchen der Gastgeberin backen? Ehrensache. Geburtstagsgeschenk und Überraschung für die Frau des Chefs innerhalb weniger Stunden, obwohl sie längst Feierabend hat? Fees leichteste Übung. Dass ihr eigenes Leben dabei auf der Strecke bleibt, sie sich gehen lässt und sich keiner für ihre Wünsche und Träume interessiert, geht ihr an einem besonders stressigen Tag auf. „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.“ (S. 28)
Urlaub muss her, sagen ihre Freundinnen, zur Not auch mit der Familie. Außerdem ein Zumbakurs mit einem extrem schnuckeligen Lehrer und ein Reiseblog, da kann sie den Familienurlaub, bei dem einiges schief geht, gleich aufarbeiten. Der Blog hat Erfolg. Die witzigen Fotos und Sprüche bringen ihr jede Menge Follower und die Einladung zu einem Wellnesswochenende auf Mallorca und einem Meditationsworkshop auf Bali. Von diesen Reisen hat sie immer geträumt. Aber setzt sie ihre Ehe damit endgültig aufs Spiel?

Ellen Berg hat mit Fee wieder eine Protagonistin mitten aus dem Leben geschaffen, in der sich so manche Frau wiedererkennt – ich mich auch. Wann trauen wir uns schon mal, nein zu sagen, oder dem Gatten (oder Kindern) z.B. das Einräumen der Spülmaschine zu, meist machen wir es „schnell“ selber.
Fee ist an dem Punkt in ihrem Leben, an dem sie entsetzt begreift, „…, dass ich für Christian nicht mehr die Frau fürs Leben bin, sondern nur noch das Mädchen für alles.“ (S. 60) Seine Aussage, sie arbeite ja nur halbtags und habe darum Zeit, sich um die nervige Verwandtschaft, Kinder und den Alltagskram zu kümmern, nimmt sie jahrelang hin und schwelgt dafür in Mordfantasien, in denen Tupperware eine wichtige Rolle spielt – und über die herzlich lachen musste. Als Ausgleich schreibt sie Briefe an ihr inneres Kind, in denen sie von ihren Träumen erzählt, ihre Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft aufschreibt.

Ellen Berg legt mit ihrem Buch den Finger in die Wunde und regt zum Nachdenken an. Wann haben wir das letzte Mal was nur für uns getan, ohne auf andere Rücksicht zu nehmen? „Von Spaß war nie die Rede“ schafft die perfekte Balance aus Humor, Denkanstößen und Selbstverwirklichung.

Bewertung vom 17.01.2023
Der Tote von Wiltshire / Lockyer & Broad ermitteln Bd.1
Webb, Katherine

Der Tote von Wiltshire / Lockyer & Broad ermitteln Bd.1


sehr gut

Die Frau mit den zwei Gesichtern

„Sie müssen mich besuchen … Es geht um damals. Um Harry Ferris.“ (S. 8) Vor 14 Jahren hat Detective Inspector Matthew Lockyer bei einem seiner ersten Fälle die junge Haushälterin Hedy Lambert des Mordes überführt. Jetzt will sie, dass er den Fall neu aufrollt, denn das angebliche Mordopfer ist wieder aufgetaucht.
Der Tote wurde damals lange für Harry Ferris gehalten, den vor Jahren verschwundenen Sohn ihres Arbeitgebers, Professor Ferris. Erst ein DNA-Test ergab, dass es sich dabei um einen Pavee handelte, der Harry ähnlich sah. Jetzt ist Harry wieder da – und damit auch Lockyers Selbstzweifel, ob er wirklich die Richtige hinter Gitter gebracht hat, auch wenn alle Indizien für Hedy sprachen ...
Zusammen mit seiner jungen Kollegin Gemma Broad nimmt er sich die alten Akten vor. Sie befragen alle, die in den Fall involviert waren, und laufen gegen eine Mauer des Schweigens. „Früher oder später müssen Sie sich ja doch damit abfinden, dass alle Ihre Nachforschungen nichts ergeben, weil es nichts zu finden gibt.“ (S. 355) Der Professor liegt seit Jahren im Sterben, seine näheren Verwandten wollen von nichts wissen und sein Butler wacht eifersüchtig über ihn und seine Besucher. Erst Harrys altes Kindermädchen bringt sie auf eine neue Spur. Was wäre, wenn doch Harry und nicht der Pavee ermordet werden sollte?

„Ich war… ein Niemand! Ich war ein Nichts! Ich war nur eine Haushälterin, die dort gearbeitet hat …“ (S. 125) Hedy war bei ihrer Verhaftung eine blasse, unscheinbare junge Frau, die sich vor ihrer Umwelt zu verstecken schien und auf ihrer Unschuld beharrte. Daran haben die vielen Jahre in Haft nichts geändert. Sie ist seltsam emotionslos, wenn es nicht gerade um den Mord geht.
Lockyer hat in seiner Jugend einen schlimmen Verlust erlitten, an dem er sich die Schuld gibt über den er nicht hinwegkommen. Er ist voller Selbstzweifel und hat Schlafstörungen, streift nachts durch die düstere Landschaft. Außerdem hat er sich ein altes, extrem renovierungsbedürftiges Häuschen gekauft und wohnt unter einem undichten Dach zwischen zerfetzten Tapeten – ich wäre da längst schreiend rausgerannt.

Ich bin ehrlich, ich habe mich mit dem Buch zu Beginn etwas schwer getan. Alles wirkt alles grau und trostlos, der alte Fall, das Anwesen des Professors, die Menschen, die Umgebung.
Außerdem braucht die Handlung, bis sie endlich Fahrt aufnimmt, aber dann wird es extrem spannend. Plötzlich gibt es mehrere Verdächtige und Motive, und immer sind sich Lockyer und Broad (und ich) sicher, dass der- bzw. diejenige es jetzt aber wirklich war – und liegen wieder falsch. Dazu kommen Lockyers Gefühle für Hedy. Sie fühlten sich damals einander nahe, sind bzw. waren in ihrer Verletzlichkeit und Einsamkeit verwandte Seelen.

„Der Tote von Wiltshire“ war mein erstes, aber garantiert nicht letztes Buch von Katherine Webb. Die düstere Stimmung und der leicht abgehalfterte Lockyer passten gut zusammen und gefielen mir sehr, und die Auflösung ist ein echter Hammer. Außerdem macht das leicht gruselige Ende neugierig auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 13.01.2023
The Man I Never Met - Kann man lieben, ohne sich zu kennen?
Cook, Elle

The Man I Never Met - Kann man lieben, ohne sich zu kennen?


ausgezeichnet

Das Leben geht doch weiter, oder?

„Ich habe auf einen Mann gewartet, dem ich nie begegnet war und der nie ankam.“ (S. 385) Alles hat mit einem Zahlendreher angefangen. Statt seines zukünftigen Arbeitgebers hatte Davey aus Texas Hannah in London am Telefon. Ein paar Wochen lang schreiben, telefonieren und videochatten sie. Mit jedem Gespräch kommen sie sich näher, freuen sich immer mehr aufeinander und sind dabei, sich ineinander zu verlieben. „Mit einem Mann, dem ich nie begegnet bin, Luftschlösser zu bauen und große Pläne zu schmieden ist bestimmt ein bisschen albern, und dennoch denke ich unentwegt darüber nach.“ (S. 90) Und dann steht sie am Flughafen, um ihn abzuholen, doch er sitzt nicht im Flieger und sein Telefon ist ausgeschaltet.

„The Man I Never Met” hat mich echt überrascht. Was als leichte, zauberhafte Liebesgeschichte beginnt, geht bald so viel tiefer.
Bei ihren bisherigen Beziehungen hat Hannah und Davey immer irgendwas gefehlt. Aber jetzt passt es. Ohne, dass sie sich je gegenübergestanden oder gar in den Arm genommen haben, schmieden sie Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Doch die endet abrupt, bevor sie beginnen kann. Davey zieht sich komplett zurück und verbittet sich jeden weiteren Kontakt. Hannah soll ihr Leben ohne ihn planen. Aber wie kann sie sich einem neuen Mann öffnen, wenn sie immer nur an Davey denkt?!

Hannah geht oft den Weg des geringsten Widerstandes und gibt nach, lässt anderen ihren Willen, weil sie harmoniebedürftig ist. Dadurch nimmt sie aber auch hin, dass sie sich demjenigen unterordnet und die Führung über ihr Leben überlässt – sei es ihr Chef oder Partner. Darum respektiert sie auch Daveys Wunsch, sich nicht mehr bei ihm zu melden, aber vergessen kann sie ihn nicht.

Mir gefällt, dass Hannah nicht in einer Blase lebt. Das Leben geht weiter, auch wenn ihr großer Traum gerade den Bach runtergeht. Ihre beste Freundin lebt in einer tollen Beziehung und ihre 70jährige Nachbarin findet noch mal die große Liebe.
Elle Cook schildert ihre Protagonisten und deren Erlebnisse sehr warmherzig und humorvoll. Hannahs Nachbarin ist herrlich schräg und man freut sich mit ihr über ihren Neubeginn.

Mir gefällt das Buch auch deshalb so gut, weil ich mich und meinen Mann in Hannah und Davey wiedererkannt habe. Unsere Beziehung hat ganz ähnlich angefangen, aus einem lockeren Telefonat wurden stundenlange Anrufe. Außerdem war ich in fast der gleichen Situation wie Davey und wollte eigentlich niemanden an mich binden, weil ich nicht wusste, wie es mit mir weitergehen würde. (Ich bleibe hier so kryptisch, um den Grund von Daveys Abtauchens nicht zu verraten.)
Ich konnte mich beim Lesen also in beide Seiten hineinversetzen, Hannahs Unverständnis für den Kontaktabbruch und Daveys falsch verstandene Rücksichtnahme. Mir hat gefallen, dass Elle Cook zwischendurch immer mal die Perspektive gewechselt hat und Davey die Situation aus seiner Sicht schildern konnte. Und ich mochte die Leichtigkeit, mit der sie sich seinem schweren Thema genähert hat, ohne irgendwas zu beschönigen. Man merkt den Stellen an, dass sie da aus eigener Erfahrung schreibt.

5 Sterne für diese zauberhafte vielleicht-Liebesgeschichte mit einem berührenden Hintergrund, die endet, bevor sie richtig beginnen kann …

Bewertung vom 07.01.2023
Not exactly love. Wer braucht schon ein Happy End?
Brook, Kate

Not exactly love. Wer braucht schon ein Happy End?


gut

Dating und Familie

„Können wir ausmachen, dass es zwischen uns nicht … peinlich wird?“ (S. 8) fragt Alfie Hazel, nachdem sie in seinem Zimmer Sex hatten. Darüber hätten sie vielleicht besser vorher reden sollen, denn sie wohnen in einer WG. Bisher war ihr Zusammenleben völlig unkompliziert. Sie konnten nächtelang über alles reden, jetzt tanzend sie schweigend umeinander herum, denn eigentlich mögen sie den jeweils andern, denken aber, für sie bzw. ihn war es nur ein One-Night-Stand. Und bevor sie die Sache klären können, stehen Hazels Schwester Emily und ihre Frau Daria vor der Tür. Die beiden ziehen gerade aus Australien zurück in die Nähe von London und suchen einen Samenspender.

Die Leseprobe von „Not exactly love” war locker und humorvoll, der Klappentext versprach einen cleveren „… Roman darüber, was Liebe und Familie heute bedeuten.“ Aber so ganz konnte mich das Buch leider nicht überzeugen, obwohl mir die Grundidee sehr gut gefallen hat.
Hazel und Alfi sind typische Mitzwanziger, die in winzigen Zimmern in einer Londoner WG wohnen und auf der Suche nach der großen Liebe und in Hazels Fall auch nach dem Durchbruch sind. Sie ist freiberufliche Illustratorin und erreicht mit ihren Comics, in denen sie von ihrem Leben und ihren Dating-Erfahrungen als weiße Frau erzählt, viele Clicks und Follwer auf Instagram, aber leben kann sie davon nicht. Also jobbt sie in einem Café. Alfie ist Grundschullehrer und ziemlich bodenständig. Nach ihrer gemeinsamen Nacht und ein paar amüsanten Verwicklungen könnte es also zum Happy End kommen, aber dann kommt ihnen das Leben dazwischen. Plötzlich dreht sich alles um Emily und Daria und ihren Kinderwunsch. Ein Samenspender muss gefunden werden, die Befruchtung muss klappen etc.

Das sind schon viele, zum Teil sehr berührende und nachvollziehbare Themen, aber Kate Brook wollte anscheinend alle wichtigen Probleme unserer Zeit unterbringen. Also werden u.a. auch Veganismus, Umweltschutz, CO2 Ausstoß, diverse Phobien, Krankheiten, Familiendramen, Tinderdates, Cybermobbing und Corona behandelt. Das war mir einfach zu überfrachtet und auch das Ende fand ich etwas unrund. Vielleicht gehöre ich mit deutlich über 20 aber auch nicht mehr zur Zielgruppe, also lasst Euch bitte nicht von mir abschrecken.

Bewertung vom 03.01.2023
Die Verbrechen der anderen
Goldammer, Frank

Die Verbrechen der anderen


ausgezeichnet

Ruhm und Geld

Tobias Falck, Leutnant der Volkspolizei der DDR, seine Kollegin Stefanie Bach und sein Vorgesetzter Edgar Schmidt werden mit den Ermittlungen zu einem verschwundenen Gemälde aus der Galerie Alte Meister beauftragt. Der Restauratorin, die das Bild erst vor wenigen Wochen aufgearbeitet hat, ist aufgefallen, dass anstelle des Originals jetzt dort eine sehr gute Kopie hängt. Falck und Bach finden den Fälscher relativ schnell, kommen aber trotzdem zu spät – er wurde erschlagen. Seine Witwe ist überzeugt, dass alle Mitwisser der Fälschung beseitigt werden sollen. "Die bringen uns alle um!“ „Wen meinen Sie …? Die Stasi?“ „Die und die anderen. Die Kunsthändler, alle. Das ist eine Mafia! Die gehen über Leichen. Das war nur der Anfang.“ (S. 85) Sie scheint recht haben, weitere Involvierte werden überfallen oder getötet, ein beauftragter Sachverständiger aus dem Westen verschwindet spurlos. Außerdem durchsucht jemand systematisch die Wohnungen aller Beteiligten. Ein Wettlauf beginnt. Wer findet das Original schneller – der Täter oder die Polizei? Da Falck und Bach vermuten, dass das Gemälde evtl. schon „drüben“ ist, bitten sie die ehemalige Kölner Polizistin Sybille Suderberg um Hilfe, die wegen ihrer Alleingänge inzwischen suspendiert wurde und in Dresden eine Detektei eröffnet hat.

„Wir sind hier wirklich die Trottel der Nation, dachte sich Falck. Er machte sich darüber schon längst keine Illusion mehr.“ (S. 16) Vier Monate nach der Wende ist Falck ernüchtert. Weder seine Kollegin noch sein Vorgesetzter nehmen ihn richtig ernst, stempeln ihn trotz seiner Ermittlungserfolge oft als naiv ab, und auch die Bürger haben keinen Respekt mehr vor der Polizei.
Falck und Bach sind ganz schön gefordert. Zu viele scheinen in die Fälschungen und Devisenbeschaffung verwickelt zu sein, bald sehen sie nicht mehr durch, wer welche bzw. wessen Interessen vertritt. Immer wenn sie denken, dass sie kurz vor der Lösung des Falls stehen, kommt wieder alles ganz anders. Zudem trauen sie Schmidt und Suderberg bald nicht mehr, die scheinen nämlich ihr eigenes Süppchen zu kochen. Wollen sie das Bild etwa selber an den Höchstbietenden verkaufen? Erschwerend kommt hinzu, dass alle Verdächtige extreme Angst vor der Stasi haben. Sie fliehen vor den Polizisten, verweigern die Aussage oder ergehen sich in kryptischen Andeutungen. Und komisch ist es ja schon, dass ihnen immer jemand einen Schritt voraus zu sein scheint. „… wir sollten aufpassen, dass wir nicht dem Verfolgungswahn verfallen.“ (S. 102)
Auch privat läuft es für Falck nicht rund. Er kann oder will sich nicht zwischen drei Frauen entscheiden. Zwischen ihm und seiner Kollegin prickelt es. Dann ist da die Mutter seiner Tochter, liebt er sie oder kommt da nur sein Pflichtgefühl durch? Auch seine Freundin, die ihn vor 2 Jahren verlassen hat, will ihn zurück.

Frank Goldammer verbreitet mit seinem Buch wieder eine ordentliche Portion (N)ostalgie. Ich kann mich noch gut an diese komische, unruhige Zwischenzeit erinnert, in der es die DDR nicht mehr wirklich gab und alles in der Schwebe war. Man ist entweder rübergemacht oder hat abgewartet, was sich ändert – ganz so, wie er es hier im Buch beschreibt.
Außerdem freue ich mich als Dresdnerin über die inzwischen z.T. veralteten Bezeichnungen der Straßen und Plätze, die ich manchmal erst auf den zweiten Blick erkannt, aber bei denen ich fast immer sofort ein Bild von damals vor Augen hatte.

„Die Verbrechen der Anderen“ lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Der Krimi ist wirklich grandios, sehr rasant, mit vielen Verdächtigen und unterschiedlichsten Motiven, und so spannend, dass ich ihn an nur 2 Tagen gelesen habe. Auch das Thema der Devisenbeschaffung und Kunstfälschung von höchster Stelle fand ich extrem spannend. Allerdings musste ich zwischendurch oft überlegen, wer von den Beteiligten überhaupt noch lebt und wie er mit den anderen in Beziehung steht. Frank Goldammer spinnt (zu) viele parallele Handlungsfäden. Auch Falck resigniert zwischendurch. „Inzwischen glaube ich, wir werden das hier niemals ganz aufklären.“ (S. 357).
Zudem ermitteln er und seine Kollegen parallel im Fall eines verschwundenen Grenzschützers, dessen Mutter glaubt, dass sich die Eltern seines damaligen Opfers jetzt an ihm gerächt haben – vielleicht hätte man daraus den dritten Band der Reihe machen können?
Darum leider nur 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 31.12.2022
Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte
Mackesy, Charlie

Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte


ausgezeichnet

Eine Ode an die Freundschaft

„Was willst Du werden, wenn Du groß bist?“, fragte der Maulwurf. „Freundlich“, sagte der Junge. Es ist Winter, als sich ein kleiner Junge im Wald verläuft. Er trifft einen Maulwurf, der von Kuchen träumt und ihm bei der Suche nach seinem Zuhause helfen will. Dabei stoßen sie auf einen hungrigen Fuchs und ein Pferd mit einer besonderen Begabung, dessen es sich schämt. Sie alle vier sind irgendwie einsam und auf der Suche nach einer Heimat, die für jeden etwas anderes bedeutet. Dabei ist es so einfach: Zuhause ist kein Ort – sondern ein Gefühl.

„Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte“ ist aus dem Storyboard der Verfilmung des gleichnamigen Buches entstanden, die ich leider noch nicht gesehen habe.

Die Erzählung ist eine hinreißende und anrührende Ode an die Freundschaft, die zeigt, dass man Freunde oft da findet, wo man sie gar nicht vermutet. Sie erinnert uns auch daran, innezuhalten und das Leben oder wenigstens einen besonderen Augenblick zu genießen. Es geht darum, die Schönheit in den kleinen Dingen (wieder) zu entdecken, seine Ängste zu überwinden, anderen zu helfen oder um Hilfe zu bitten, wenn man sie braucht – denn das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbsterkenntnis und erfordert Mut. „Eine unserer größten Freiheiten liegt darin, wie wir auf Dinge reagieren.“

Charlie Mackesy schreibt und vor allem zeichnet sehr philosophisch – hinter dem Gewitter oder dunklen Nachthimmel kann man immer auch ein kleines Stückchen Helligkeit, ein bisschen Hoffnung entdecken.
Die meisten Zeichnungen sind sehr reduziert, kommen mit wenigen Strichen und Farben aus, und drücken doch alles Wichtige aus und laden zum Träumen ein.

Bewertung vom 30.12.2022
Der Totentanz zu Freiburg / Begine Serafina Bd.7
Fritz, Astrid

Der Totentanz zu Freiburg / Begine Serafina Bd.7


ausgezeichnet

Mitten ins Herz

Serafina, die Frau des Stadtarztes Adalbert Achaz, ist seit einem Jahr Mutter einer kleinen Tochter und freut sich, dass sie auch ihren erwachsenen Sohn Vitus endlich wiedersehen wird, da er zum Michaelisfest mit seiner Gauklertruppe in Freiburg auftritt. Doch die Freude währt nur kurz. Während des ersten Schauspiels wird der Ratsherr und Gerbermeister Oblathus niedergestochen – mitten ins Herz. Da der Mörder das Kostüm von Vitus, trägt, ist der Fall für die Stadtoberen klar. Doch Serafina und Achaz sind sich sicher, dass Vitus nicht der Mörder ist – aber können sie es auch beweisen?

Serafina und Achaz sind in einer echten Zwickmühle. Niemand weiß, dass Vitus Serafinas unehelicher Sohn ist, in Freiburg gilt er als ihr Patenkind. Und obwohl sie eigentlich nicht mehr ermitteln wollten, müssen sie ihm jetzt natürlich helfen und entdecken bei ihren Nachforschungen bald einige Ungereimtheiten und Verdächtige, aber das interessiert die städtischen Ermittler nicht. Außerdem passieren weitere Morde, die irgendwie mit dem ersten in Verbindung zu stehen scheinen und Vitus ebenfalls noch angelastet werden. Doch dann gerät Serafina in Gefahr, weil sie dem Mörder zu nahe kommt …

„Der Totentanz zu Freiburg“ ist schon der 7. Band mit der ehemaligen Begine und jetzige Armenapothekerin und genau so ein toller historischer Schmöker wie seine Vorgänger. Astrid Fritz schafft es, dass man beim Lesen sofort wieder in Serafinas Welt eintaucht und sich so fühlt, als wäre seit ihrem letzten Abenteuer kaum Zeit vergangen. Sie schreibt sehr packend und anschaulich und man bekommt einen guten Eindruck, wie die Stadt und Umgebung damals aussahen und die Menschen lebten.

Der Fall ist sehr spannend und verzwickt, denn der Tote war zwar ein angesehener Ratsherr, hatte aber ein paar unschöne Angewohnheiten, mit denen er sich heimliche Feinde gemacht hat.

Serafina und Achaz sind inzwischen zur Ruhe gekommen und genießen ihr Leben als Eltern und Paar. Ich habe die Streitgefechte aus der Zeit vor ihrer Ehe ein kleines bisschen vermisst, aber vielleicht bekommen sie im nächsten Fall dazu wieder mehr Gelegenheit. Mir hat gefallen, wie sie hier zusammenarbeiten und dass ihr Mann hinter ihr steht, als sie ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit lüftet.

Bewertung vom 28.12.2022
Ein Leben für das Recht auf Liebe / Die Hafenärztin Bd.3
Engel, Henrike

Ein Leben für das Recht auf Liebe / Die Hafenärztin Bd.3


sehr gut

Die Spur des Geldes

Die Ärztin Anne Fitzpatrick hat sich in London ihrer Vergangenheit gestellt und praktiziert jetzt in Hamburg unter ihrem richtigen Namen, aber noch immer kümmert sie sich vor allem um Kinder und Frauen, die kaum Rechte haben. Sie untersucht auch regelmäßig die chinesischen Prostituierten in der „Schmuckstraße“. Als bei ihrem Besuch in einem der Bordelle im Nebenzimmer ein junges Mädchen brutal ermordet wird und die Sache vertuscht werden soll, regt sich ihr Widerspruchsgeist. Sie gibt Kommissar Berthold Rheydt Bescheid und dieser nimmt von ihr unterstützt die Ermittlungen auf. Damit bringt Anne nicht nur die Chinesinnen, sondern auch sich selbst in Lebensgefahr. Sie hat ihren Gegenspieler unterschätzt: „Du willst immer mehr wissen, als gut für dich ist.“ (S. 396)
Kommissar Berthold Rheydt hat mit mehreren Problemen zu kämpfen. Neben der Vermutung, dass es sich bei dem Täter um den damals entwischten Hafenschlächter handelt, hat er bei seinen Ermittlungen mit Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen und muss seinen Vorgesetzten als kommissarischer Leiter der Abteilung vertreten, dabei ist er ein Mann der Straße und nicht des Papierkrams. Außerdem hat er sich in die unkonventionelle Helene Curtis verliebt, traut sich aber nach seiner ersten traumatischen Ehe nicht in eine neue Beziehung. „Sie sind eine wundervolle Frau, Helene. Sie haben etwas Besseres verdient als mich.“ (S. 35) Doch da kennt er Helene schlecht. Sie will ihn als Ehemann und ist dafür sogar bereit, auf die mühsam erkämpfte Stelle als Lehrerin zu verzichten.

„Die Hafenärztin. Ein Leben für das Recht auf Liebe“ ist leider der Abschluss der Trilogie um Anne, Helene und Berthold, dabei könnte man ihre Geschichte sicher noch weiterschreiben.
Diesmal spielt die Handlung hauptsächlich im chinesischen Viertel und dreht sich um Zwangsprostitution bzw. Zwangsarbeit, Bandenkriminalität und das Drogenmilieu. Ein unbekannter Händler versucht den Markt mit besonders reinem Heroin zu überschwemmen, um damit seine Konkurrenten auszuschalten und neue Kunden zu gewinnen. Kommissar Rheydt wird schnell klar, dass er der Spur des Geldes folgen muss, wenn er den Fall aufklären will.

Henrike Engel schreibt extrem fesselnd und kurzweilig, ich konnte das Buch wieder kaum aus der Hand legen. Die Schilderungen der damals sehr exotisch wirkenden Schmuckstraße, die einen ganz eigenen Kosmos bildete, und die Beziehungen der verschiedenen Geschäfte untereinander haben mir sehr gut gefallen.

Vom ersten Band an liegt ihr Augenmerk auf der Entwicklung der Figuren.
Anne kommt aus einem sehr gutsituierten Elternhaus, das ihr das Medizinstudium ermöglicht hat und jetzt nicht mit ihrem Engagement für die Ärmsten der Armen einverstanden ist. Außerdem hat sie Hinweise, dass ihr Vater, zu dem sie immer aufgeschaut hat, in unlautere Geschäfte verwickelt ist und steckt deswegen in einer echten Zwickmühle.
Helenes hat sich von der sittenstrengen Pastorentochter zur überzeugten Frauenrechtlerin entwickelt, die selbstständig leben und arbeiten und darum Lehrerin werden wollte. Doch dann hat sie sich in Kommissar Rheydt verliebt und hofft auf eine Beziehung auf Augenhöhe. Besonders gefallen hat mir, wie sie sich für ihre Freundin Pauline eingesetzt hat und dass ihre Mutter ihr jetzt nacheifert und sich immer mehr von ihrem Mann emanzipiert.
Berthold Rheydt ist ein Mann der Moderne. Um seine Fälle aufzuklären, greift er auf neueste Methoden zurück, bindet externe Spezialisten wie das Apothekerehepaar ein und ermittelt oft unter Einsatz seines Lebens. Privat kämpft er gegen die Geister seiner Vergangenheit, fühlt sich für den Tod seiner ersten Frau und ihres gemeinsamen Sohnes verantwortlich. Kann ihn Helene von einer neuen Beziehung überzeugen?

Mich hat auch der dritte Band der wieder sehr gut unterhalten. Ich ziehe lediglich einen halben Punkt dafür ab, dass Henrike Engel viel aus den ersten beiden Büchern wiederholt und ich nicht zwingend hätte wissen müssen, wie es u.a. mit der Lilith-Bande weitergeht.

Bewertung vom 23.12.2022
Bistro, Bistro!
Reynaud, Stéphane

Bistro, Bistro!


ausgezeichnet

Savoir-vivre

„Bonjour! Zwei Personen? Haben Sie reserviert? Nein? Dann trinken Sie doch am Tresen einen Rotwein, bis ein Tisch frei wird …“ (S. 5)
2020 wurde das Bistro „Oui Mon General“ von Stéphane Reynaud zum besten Bistro von Paris gewählt und da meine letzte Parisreise schon 22 Jahre her und die nächste leider noch nicht in Sicht ist, habe ich mir mit „Bistro, Bistro!“ die echte französische Küche zum Nachkochen nach Hause geholt.

Es gibt Gerichte für jeden Geschmack und Schwierigkeitsgrad, da sollte also für jeden etwas dabei sein und selbst Kochanfänger können Familie oder Freunde mit einfachem, aber gutem Essen beeindrucken.

Das Inhaltsverzeichnis ist wie die Karte eines Bistros aufgebaut und vereint Rezepte „Vom Tresen“ (Das Shashuka aus mit Kreuzkümmel und Honig geschmorter Paprika und Spiegelei ist ein Gedicht.), „Frisch aus dem Meer“, „Vorspeisen“ (Probiert den Spinatsalat mit geschmorten roten Zwiebeln.), „Tagesgerichte“ (Das baskische Hähnchen wird auf einem Bett aus Paprika und Tomaten gegart und dann mit Frühlingszwiebeln und Croutons serviert – klingt ungewöhnlich, ist aber sehr lecker.), „Von Fischen und Fischern“ (Den gedämpften Kabeljau mit Kräuterhaube habe ich inzwischen schon zweimal gemacht.), „Feines vom Fleischer“, „Zu jeder Zeit“ (Ein Croque Monsieur geht immer.), „Käse“ und „Süßes zum Abschluss“ (Den Milchreis mit Mandelkrokant und Karamellsauce haben wir nicht als Dessert, sondern als Mittagessen gegessen.). Ergänzt werden die Abschnitte z.B. mit Wissenswertem über Kaffee oder einer Checkliste für den Fischkauf, dazu kommen verschiedene Käsesorten und ihrer Herkunftsgebiete.
Die Gerichte sind sehr ansprechend fotografiert und werden oft durch die passende Weinempfehlung komplettiert. Natürlich gibt es auch Tipps zu Aperitifs und Digestifs – schließlich sind wir in Frankreich 😉.

Die französische Küche ist zum Teil recht deftig, so findet man im Buch auch Rezepte für Kalbsfüße, Schweinschnauzen oder Entenmägen, aber wie heißt es schon schön – alles kann, nichts muss.

Wir haben inzwischen einige Rezepte getestet. Sie waren alle sehr lecker und abwechslungsreich und es gab immer eine Besonderheit, die dem Gericht den letzten Pfiff verpasst hat.

Bistro, Bistro ist ein tolles Kochbuch mit viel Savoir-vivre für die gehobene französische Bistroküche mit dem besonderen Etwas.