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urmeli

Bewertungen

Insgesamt 497 Bewertungen
Bewertung vom 16.12.2020
The Great Escape

The Great Escape


ausgezeichnet

Der Bildband THE GREAT ESCAPE- Fotografien von der Seefahrt 1950-1970 nimmt uns mit auf eine Reise auf den Ozeanen der Welt. Entlang der damaligen Seefahrtsrouten fahren wir auf den Handelsschiffen der Zeit mit und erleben in eindrucksvollen Bildern und mit einem ausführlichen, dazugehörenden Text, wie das Leben für die Seeleute aussah. Einerseits hat man romantische Vorstellungen von den Reisen in ferne Länder, die für die meisten Menschen kurz nach dem 2. Weltkrieg unerreichbar schienen, andererseits erleben wir auch den harten Alltag der Seeleute. Alleine schon die Fotos, teils künstlerisch wertvoll, teils Schnappschüsse, zeigen uns viel von deren Welt. Auch die Häfen und die erreichten Länder werden mit hochinteressanten Fotos versehen, schwer bepackte Arbeiter be- und entladen und an einem Kran wird ein Kamel verladen. Eine Welt, die für unsere Containerschifffahrt wie eine museale Zeit erscheint und doch ist es noch gar nicht so lange her.
Der einige Minuspunkt an diesem hervorragenden Fotoband ist, dass die Bildbeschreibungen nicht an die Fotos gekoppelt sind, man hat zu blättern, um den entsprechenden Text zu finden.

Bewertung vom 09.12.2020
QualityLand 2.0 / QualityLand Bd.2
Kling, Marc-Uwe

QualityLand 2.0 / QualityLand Bd.2


sehr gut

Peter Arbeitsloser, der Protagonist aus dem ersten Band QualityLand, ist auch diesmal die Hauptperson. Als Maschinentherapeut versucht er, Geräte, die nicht mehr funktionieren, zu heilen. In nicht allzu ferner Zukunft wird die Welt mehr von Maschinen und dem Internet als von Menschen geleitet. Es gibt Levels und je höher das Level einer Person ist, um so mehr darf er, um so mehr Privilegien hat er. Peter Arbeitsloser lebt einigermaßen gut auf einem niedrigen Level, sein Privatleben zwischen seiner Ex Sandra Admin und seiner Liebe Kiki, die ihn verlassen hat, ist recht chaotisch. Er wohnt mit seinen Maschinen, wie dem Sexroboter Romeo, dem Kampfroboter oder der Drohne mit Höhenangst, er unterhält sich auch mit ihnen. Bis plötzlich Kiki wieder in sein Leben tritt und Hilfe benötigt. Ihr Leben wird vom Puppenspieler bedroht.
Das Leben in QualityLand wird von der Technik beherrscht, alles wird gesteuert. Ein interessantes Berufsleben finden so gut wie gar nicht mehr statt, die meisten Menschen langweilen sich. Autos fahren selbstständig, Drohnen bringen alles ins Haus, selbst die Kinder werden von einer automatischen MAMA beaufsichtigt. Wir leben auf einem heißen Planeten, Venedig liegt unter Wasser und im Norden Schwedens kann man es im Sommer noch aushalten. Sieht so unsere Zukunft aus?
Mit sehr viel Ironie und doch immer wieder Anklänge an aktuelle Ereignisse schildert Marc-Uwe Kling ein erschreckendes Zukunftsszenario.

Bewertung vom 09.12.2020
Ada
Berkel, Christian

Ada


ausgezeichnet

Anfang der 90er Jahre geht Ada auf die 50 zu. Sie ist mit sich im Unreinen, sie benötigt die Hilfe eines Therapeuten und hat sogar Selbstmordgedanken. Von ihrer Familie hat sie sich distanziert. Doch wie ist es dazu gekommen? Als Kleinkind zieht ihre Mutter mit ihr nach Argentinien, Ada wächst dort unter schwierigen Bedingungen auf und doch gibt es dort Freiräume, die sie nach der Rückkehr nach Berlin vermisst. Die ersten Jahre lebte sie ohne Vater und nun präsentiert ihr die Mutter gleich zwei Männer, die ihr Vater sein könnten. Sie darf entscheiden. Ob es wirklich ihr leiblicher Vater ist wird sie nie erfahren. Ihre Mutter, die sie katholisch erzogen hat, verschweigt ihr, dass sie eine Jüdin ist. Als ihr kleiner Bruder geboren wird und sie als 12-jährige für ihn mitverantwortlich ist und alles falsch macht ist das Leben in der Familie eine Qual für sie.
Literarisch hochinteressant arbeitet Christian Berkel Teile seiner eigenen Familiengeschichte auf. Auch wenn es die Person Ada nicht gegeben hat, so ist das Leben zwischen Argentinien, Paris und Deutschland, die beiden möglichen Väter wie auch der überstülpte Katholizismus statt des Judentums real. Dieses macht die Handlung glaubwürdig und nachvollziehbar. Beim Lesen läuft häufig ein "Film" mit ab.

Bewertung vom 09.12.2020
Wo du nicht bist
Gebert, Anke

Wo du nicht bist


ausgezeichnet

Durch die Schwangerschaft ihrer Schwester Martha lernt die Stoffverkäuferin des Kadewe Irma Weckmüller den Arzt Dr. Erich Bragenheim Anfang der 30er Jahre in Berlin kennen. Nach und nach wird aus der Sympathie eine innige Liebe. Nach ihrer Verlobung reisen sie nach Venedig und verleben dort eine unbeschwerte Zeit. Zurück in Berlin weht ihnen ein rauer Wind entgegen. Erich hat immer weniger Patientinnen und Irma wird nahegelegt, sich von dem Juden Erich zu trennen, andernfalls würde sie entlassen. Doch die Liebe ist zu groß, sie bleibt bei Erich. In ihrem Umfeld und Erichs Familien- und Freundeskreis wird die Abneigung gegenüber Juden immer dramatischer und sichtbarer. Einige verlassen Deutschland, doch Erich, der sich als Deutscher fühlt, im ersten Weltkrieg ausgezeichnet wurde, kann sich nicht vorstellen, dass die Nazis lange das Sagen haben werden. Er bleibt, er wird schikaniert, zu Zwangsarbeit gezwungen und nach Theresienstadt deportiert. Gleich nach seiner Ankunft in Auschwitz wird er vergast. Für Irma bleibt Erich immer ihr Mann und dieses möchte sie mit allen Mitteln durchsetzen. An ihrem Hochzeitstag mussten die Beiden das Standesamt wieder verlassen, eine Trauung wurde als Rassenschande angesehen und durfte nicht erfolgen. Nun, nach Ende des zweiten Weltkrieges setzt sie alles daran, Erichs Ehefrau zu werden.
Der Roman nach einer wahren Geschichte ist gleichzeitig ein Plädoyer für die bedingungslose Liebe wie auch ein Mahnmal, was den Menschen, insbesondere der jüdischen Bevölkerung angetan wurde. Der Roman ist extrem emotional geschrieben, mal löst er Freude, mal blankes Entsetzen aus. Schade ist, dass man über die weitere Lebensgeschichte Irmas nichts erfährt.

Bewertung vom 06.11.2020
Baskische Tragödie / Luc Verlain Bd.4
Oetker, Alexander

Baskische Tragödie / Luc Verlain Bd.4


ausgezeichnet

Bereits seit der Zeit, als Luc Verlain von der Pariser Polizei zurück in seine Heimat gezogen ist und nun leitender Commissaire bei der Police nationale in Bordeaux ist, bekommt er seltsame, handgeschriebene Postkarten aus San Sebastian im Baskenland. Die letzte Meldung verstört ihn zutiefst, er soll Vater einer Tochter aus einer flüchtigen Bekanntschaft sein, ein Vaterschaftstest bestätigt dieses. Um seine Tochter aufzusuchen fährt er nach San Sebastian und gerät dort ins Drogenmilieu. Vor seiner Abreise wurden an der südfranzösischen Atlantikküste Drogenpakete angeschwemmt, ein kleiner Junge probierte davon und liegt seither im Koma. Und nun soll Luc selbst als Drogenkurier tätig werden, sonst stirbt seine Tochter und deren Mutter. Luc lässt sich darauf ein, denn die örtliche Polizei kann er nicht um Hilfe bitten, die meisten von ihnen wurden geschmiert.
Dieses Mal geht es ins Baskenland und neben der eigentlichen Handlung erfahren wir einiges über das Land und die Besonderheit der baskischen Bevölkerung, immer mit viel Liebe und Sachkenntnis geschildert. Beim Lesen des Kriminalromans lief vor meinem geistigen Auge ein Film ab, bei dem Luc Verlain auch an seine körperlichen Grenzen stieß und, entgegen seiner bisherigen Einstellung, sogar an vorsätzliche Tötung seines Kontrahenten und alten Feindes dachte. Man fiebert mit dem Kommissar mit, wie er es wohl schaffen kann, aus dieser ausweglosen Situation wieder heraus zu kommen. Kleine Hinweise zu den Kollegen oder vergangenen Fällen helfen beim Lesen, falls man die Vorgängerbände nicht kennt.

Bewertung vom 06.11.2020
Das Erbe der Päpstin
Glaesener, Helga

Das Erbe der Päpstin


sehr gut

Freyas Mutter wurde im 9. Jahrhundert von den Dänen entführt. Sie lebte seitdem als Sklavin und auch ihre beiden Töchter Asta und Freya wurden wie Sklaven behandelt. Als ihr eigener Vater die hübsche Asta vergewaltigen wollte und die Mutter getötet wurde, flüchteten die beiden jungen Frauen. Ein beschwerlicher Weg führte sie in den Heimatort ihrer Mutter in der Hoffnung, dort auf ihren Großvater zu treffen. Freya hatte sich bereits auf der Flucht für Männerkleidung entschieden und diese Verkleidung half ihr in einer von Männern dominierten Welt weiter. Dadurch lernte sie lesen und schreiben. Ihr Weg führte weiter nach Rom, wo sich ihr Großvater befinden sollte. Bei ihrem Besuch dort traf sie auf die Päpstin Johanna, die sich ihr als Frau offenbarte. Die Begegnung war nur kurz, doch für Freya sehr nachhaltig, da sie medizinische Ratgeber geschenkt bekam. Ihre Reise führte sie immer weiter, nach Frauenchiemsee und Paris, teilweise freiwillig, meistens jedoch auf der Flucht vor Feinden.
Der historische Roman beruht auf wenige Fakten, die Geschichte an sich ist mehr ein Liebesroman und ein Roman über eine starke Frau, die sich von den Männer ihr Leben nicht vorschreiben lassen will. Das der Titel an den erfolgreichen Roman die Päpstin erinnert lässt die Verkaufszahlen sicherlich ansteigen, der Inhalt hat jedoch herzlich wenig damit zu tun. Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und mit den zu bestehenden Abenteuern auch spannend.

Bewertung vom 06.11.2020
Wonderlands

Wonderlands


ausgezeichnet

Eine Reise durch verschiedenste Arten von Literatur verspricht das Buch Wonderlands. Es beginnt mit alten Mythen und Sagen, wie die Nibelungensaga oder die Odyssee, tausendundeine Nacht ist genauso vertreten wie Don Quijote. Chronologisch nach Erscheinungsjahr setzen sich die sehr informativen Handlungszusammenfassungen und Hintergründe eines Werkes fort. Über 20.000 Meilen unter dem Meer über Peter Pan und der kleine Prinz geht es bis in Zukunftsszenarien und Fantasy wie per Anhalter durch die Galaxis, Hüter der Erinnerung und Harry Potter. Jedes Werk ist reich bebildert, was diesen Band zu etwas Besonderen macht.
Ausgesucht habe ich dieses Buch um mehr über Hintergrundwissen über mir bekannte Geschichten zu erhalten. Beim Lesen stellte ich fest, dass gerade die mir unbekannten Werke hoch interessant sind und meine Neugierde auf das komplette Buch geweckt haben. Vieles war mir nur als Film oder Serie bekannt, wie z. B. Game of Thrones oder die Tribune von Panem und habe es genossen, mehr darüber zu erfahren. Rund herum eine gelungene Mischung.

Bewertung vom 06.11.2020
Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10
Schorlau, Wolfgang

Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10


ausgezeichnet

Als Privatermittler ist der ehemalige Polizeibeamte Georg Dengler zu Recherchen nach Berlin aufgebrochen. Silke, eine Bekannte seiner Lebensgefährtin Olga hat um Hilfe gebeten. Ihr Baby wurde in ihrer Wohnung von einer Ratte gebissen. Der Eigentümer des Wohnkomplexes versuchte seit einiger Zeit, die Mieter aus den Wohnungen zu bekommen, doch steckt wirklich die Kröger Immobilien AG hinter dieser Tat? Wie kamen die Ratten ins Haus und warum waren sie so untypisch aggressiv? Der Berliner Wohnmarkt ist für mehrere Großkonzerne von Interesse, seitdem der Senat zu einem Spottpreis ganze Häuserblöcke an sie verkauft hat. Höhere Gewinne erzielt man durch häufigen Mieterwechsel oder Sanierungen und beides wird vorangetrieben. Als auch Herr Kröger Dengler engagiert gerät er selbst in Gefahr.
Der Kriminalroman ist mehr ein gesellschaftskritischer Roman über den Wohnungsmarkt und nicht mehr bezahlbare Mieten in Ballungsgebieten, in diesem Fall Berlin. Korruption, Machtbesessenheit, Verschwörungen und rechte Gesinnung nehmen ebenso einen breiten Raum wie auch der Beginn der Corona Pandemie und der Umgang der Menschen damit. Sehr spannend und mit viel Hintergrundwissen bringt der Kriminalroman einen selbst zum Nachdenken über Missstände in unserer Gesellschaft.

Bewertung vom 25.09.2020
Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete
Cameron, Sharon

Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete


ausgezeichnet

Stefania, genannt Fusia, wächst mit ihrer Mutter und Geschwistern auf einem Bauernhof in Polen auf. Bereits in jungen Jahren sehnt sie sich nach dem Stadtleben und schafft es, bei ihrer älteren Schwester unter zu kommen. Sie sucht sich eine Arbeit und findet sie im Geschäft der Familie Diamant, die sie schnell wie eine eigene Tochter behandeln und sie bei sich wohnen lassen. Dass die Familie jüdisch und sie selbst katholisch spielt nie eine Rolle. Bis zu dem Zeitpunkt als der 2. Weltkrieg ausbricht und eine regelrechte Judenhatz einsetzt. Wenig später wird die jüdische Bevölkerung ins Ghetto eingesperrt und junge Männer zur Arbeit eingesetzt. Auch der jüngste Sohn Izio der mit Fusia eine junge Liebe verbindet, wird bis zu seinem Tod zur Arbeit getrieben. Als die Eltern mit dem Zug in Vernichtungseinrichtungen abgeholt werden, beschließt der älteste Sohn Max zu fliehen. Fusia ergattert ein ganzen Haus für sich und ihre kleine Schwester, die sie nach der Zwangsdepotation ihrer Mutter zu sich geholt hat, mit einem Dachboden, auf dem nicht nur Max sondern weiter 12 Juden auf engstem Raum leben.
Der Roman nach einer wahren Begebenheit erinnert an die Erlebnisse Anne Franks, doch aus der Sicht der Versteckenden geschrieben. Die Ängste, Krankheiten, die Verzweiflung, der Hunger, aber auch die kleinen Momente des Glücks sind greifbar nah beschrieben. Fusia war ein Mädchen von 16 Jahren, als sie die Verantwortung für ihre Schwester und das Leben von 13 Juden auf sich nahm, als sie als einzige zur Arbeit gehen konnte und von ihrem Geld alle satt werden sollten. Der Roman ist erschütternd und berührend zugleich. Einzig der sperriger Titel und das nicht sonderliche gute Titelbild mindern den Gesamteindruck.

Bewertung vom 25.09.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


sehr gut

Leonore ist eine Geflüchtete. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges musste sie ihre Heimat Ostpreußen verlassen. Sie hatte dort und auf dem Weg in den Westen schreckliches erlebt. In einem kleinen Dorf im Bürgewald hat sie bei dem Moppenbäcker Jean eine Unterkunft und Arbeit in der Bäckerei gefunden. Als Evangelische war sie immer eine Außenseiterin und doch wurde das Dorf zu ihrer neuen Heimat, in der sie nach dem Tod Jeans die Bäckerei weiterführte. Aus einer kurzen Verbindung entstand ihr Sohn Paul und später die Enkelkinder Jan und Sarah. Die Abholzung ihres geliebten Bürgewaldes musste Leonore mit ansehen, der Wald, in dem Paul gerne gespielt hatte sollte für den Tagebau zum Abbau der Braunkohle gerodet werden. Auch das Dorf war dem Untergang geweiht. Lange hat sie Leonore gesträubt, doch am Ende musste auch sie umziehen. Paul und auch später sein Sohn haben Arbeit bei RWE gefunden, sie halfen mit, den Wald zu zerstören, während Sarah sich auf die Seite der Demonstranten im Hambacher Forst stellte.
Naturschutz gegen Wirtschaft, Bäume gegen Abbau von Braunkohle und damit Energiegewinnung, immer wieder der Heimat vertrieben und die Konflikte in der Familie über drei Generationen hinweg bestimmen den Inhalt dieses Romans. Der Raubbau an der Natur ist wirklich erschreckend, wenn man diese Gegend selbst gesehen hat. Etwas mehr Informationen hätte ich mir über die globale Abholzung und Wiederaufforstung gewünscht, die Ansatzweise über Brasilien aufgegriffen wurde.