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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 04.09.2021
Leichenblume / Heloise Kaldan Bd.1
Hancock, Anne Mette

Leichenblume / Heloise Kaldan Bd.1


sehr gut

»Liebe Heloise, hast du jemals gesehen, wie jemand verblutet? Das ist ein einzigartiges Erlebnis. Jedenfalls war es das für mich, aber ich hatte mich auch lange darauf gefreut.«

Die Kopenhagener Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen, aber der Brief einer gesuchten Mörderin, mysteriös und voller teils unverständlicher, teils sehr persönlicher Andeutungen, stresst sie schon. Anna Kiel verschwand nach einem sehr blutigen Mord vor mehreren Jahren spurlos, Heloise hatte nichts mit der Berichtserstattung zu tun – warum also erhält sie diese unheimliche Post? Und woher weiß Anna so viel über sie?

Heloise macht sich auf eine Reise in Annas Vergangenheit, nimmt dazu auch Kontakt zu Kommissar Erik Schäfer auf, der immer noch die Mörderin jagt und nun auf neue Ansatzpunkte hofft. Diese finden die beiden auch tatsächlich bald, müssen aber feststellen, dass sie sich auf gefährliches Terrain begeben…

Diesen Thriller empfand ich als sehr reizvoll. In der Vergangenheit graben, nach Punkten oder Aspekten, die bislang bei den Ermittlungen untergegangen sind – so etwas fesselt mich. Dazu diese verschwurbelten Briefe (es bleibt nicht bei dem einen), bei denen man natürlich versucht, den Sinn dahinter zu begreifen und zudem die Frage, warum Anna überhaupt an Heloise schreibt. Will sie der Journalistin ihre wahre Geschichte erzählen, ist sie möglicherweise gar nicht schuldig? Was geschah wirklich und hat die ganze Angelegenheit vielleicht noch eine größere Dimension?

In wechselnden Perspektiven verfolgt man mal die Geschehnisse rund um Heloise, dazwischen aber auch die um Anna. Ständig schwankte ich: Hat sie jetzt gemordet oder nicht? Was soll die ganze Aktion? Auch Heloise, die abgeklärte Journalistin, bemerkt an sich einen ungewohnten Zug, denn aus irgendeinem Grund verspürt sie den Wunsch, Anna zu verstehen. Gibt es eine rätselhafte Verbindung zwischen den beiden Frauen? Die Auflösung beantwortet alle Fragen, schockiert aber auch.

Fazit: Verzwickte Story mit einer Reise in die Vergangenheit, bei der sich alles um Schuld und Rache dreht.

Bewertung vom 08.08.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


ausgezeichnet

»Ist Ihre Familie denn schon lange im … Geschäft?»
»Das kann man wohl sagen. Seit über zweihundert Jahren. Der Tod stirbt nie aus.«

Die erste Begegnung zwischen dem jungen Inspektor Leopold von Herzfeldt und Augustin Rothmayer, Totengräber auf dem Wiener Zentralfriedhof, verläuft reichlich verkrampft, gegenseitige Vorurteile und Ablehnung dominieren. Doch im gemeinsamen Kampf gegen das Böse in der Stadt wird sich das ändern.

Wien, 1893. Die Mordserie, die die Stadt erschüttert, lässt viele unwillkürlich an den Ripper denken. Der unbekannte Täter geht mit enormer Brutalität vor - er pfählt seine Opfer. Von Herzfeldt, gerade als Tatortexperte in Wien angekommen, erkennt bald, dass er auf die Unterstützung des Fachmanns für Tote angewiesen ist.

Der junge Inspektor ist sehr begabt, verhält sich allerdings sozial höchst ungeschickt. Als Vertreter einer neuen Generation möchte er neue Ermittlungsmethoden bei der Polizei einführen, seine Spezialität sind Spurensicherung, Tatortfotografie, Ballistik, Mikroskopie, ein wenig Profiling… kurz, all das, was man als Kriminalistik kennt. Bei der aktuellen Mordserie könnte er sein ganzes Wissen auffahren, stößt aber den älteren Kollegen, die ohnehin große Vorbehalte gegen die neumodischen Dinge haben, dermaßen vor den Kopf, dass er schnell auf dem Abstellgleis landet. Erschwerend kommt hinzu, dass er ein lupenreines Hochdeutsch spricht und daher, obwohl er aus Graz kommt, gleich als Piefke abgetan wird. Ungewollt bestätigt er alle Vorurteile, hat es folglich enorm schwer.

Eine wahrhaft faszinierende Gestalt ist Augustin Rothmayer, Totengräber aus Tradition, voller Geheimnisse, hochintelligent und erfahren. Niemand sollte den Fehler begehen, den schrulligen Alten zu unterschätzen, denn sein Potential geht weit über das Ausheben von Gräbern hinaus. Seine Studien über alles, was mit dem Tod zu tun hat, schreibt er allabendlich in einem Almanach für Totengräber nieder, viele Kapitel im Buch beginnen mit Auszügen daraus.

Augustins Wissen umfasst natürlich auch all das, was zum Thema Aberglauben gehört. Die gepfählten Opfer und andere zeitgleich stattfindenden gruseligen Vorkommnisse lassen auch an Untote, Vampire oder Wiedergänger denken. Könnte der Mörder durch einen solchen Irrglauben angetrieben werden? Wie passt Walzerkönig Johann Strauss in dieses Szenario und was hat es mit dem jungen Mädchen auf sich, dass sich allein auf dem Friedhof herumtreibt?

All dieses findet statt in einer Zeit, die durch krasse Unterschiede gekennzeichnet ist. Da treffen Tradition und Volksglaube auf viele moderne Entwicklungen, zwischen den Fiakern fahren Fahrräder und die ersten Automobile, wer fortschrittlich sein will und über Geld verfügt, nennt ein Telefon oder einen Fotoapparat sein Eigen. Überhaupt pflegt ein Teil der Bevölkerung einen mondänen Lebensstil, die feine Gesellschaft Wiens sonnt sich in ihrem Reichtum und hat nichts mit dem anderen Teil gemein, dessen Leben durch Armut und Überlebenskampf geprägt ist. Diese spezielle Atmosphäre wird im Buch sehr gut beschrieben, ich begab mich beim Lesen auf eine fesselnde Zeitreise, die ich gerne fortsetzen werde.

Fazit: Tolle Atmosphäre, sehr spannend, faszinierende Charaktere – diese Zeitreise ins Wien des späten 19. Jahrhunderts hat Spaß gemacht.

Bewertung vom 03.08.2021
Tidetod
Kramer, Gerd

Tidetod


sehr gut

»Wer tötet einen Menschen und gibt ihm eine Waffe als Grabbeilage mit in den Sarg? Vielleicht war das bei den alten Ägyptern üblich, hier in Nordfriesland haben wir andere Sitten.«

In Husum treibt ein Entführer und Mörder sein Unwesen, der seine Opfer zum Überlebenskampf zwingt. Einige konnten, teils schwer verletzt, entkommen. Die Kommissare Flottmann und Hilgersen sind rund um die Uhr gefordert, zumal auch ein kleines Mädchen vermisst wird. Was treibt diesen Täter um und vor allem, wie kann man ihn stoppen?

Von der ersten Seite an ist dieses Buch ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Leser ist dabei, wenn die Opfer versuchen, ihr Leben zu retten. Teilweise wird es dabei richtig fies, wer es cosy mag, ist hier falsch. Obwohl sich manche Entwicklung früh abzeichnete, blieb die Spannung. Dazu beigetragen hat sicher der Stil, den ich gleichzeitig als fesselnd und unterhaltsam empfand.

Sympathisch waren mir vor allem die beiden Kommissare sowie ein Musiker namens Leon Gerber, der über ein hochsensibles Gehör verfügt und damit die Ermittler unterstützen kann. Flottmann und Hilgersen sind ziemlich verschieden und liefern sich regelmäßig witzige Wortgefechte, das kennt man so von vielen anderen Teams, ich lese es aber immer gern.

Fazit: Dieser Krimi konnte mich zwar nicht sonderlich überraschen, aber auf jeden Fall gut unterhalten. Ich denke, ich nehme mir auch mal den Vorgängerband vor.

Bewertung vom 29.07.2021
Herr K macht Wiau
Reifenberg, Frank Maria

Herr K macht Wiau


ausgezeichnet

»Und vor allem fühlt er sich wie ein Hund. Darauf kommt es an.«

Eines Morgens wacht Herr K mit dem ganz deutlichen Gefühl auf, dass etwas anders ist. Oder besser gesagt, dass etwas an ihm anders ist. Im Spiegel sieht er denselben Kater, der ihn auch am Vortag angeblickt hat. Nur erkennt er jetzt, dass er eigentlich ein Hund ist.

Herr K ist fürchterlich erschrocken. Wie wird seine Umgebung reagieren? Doch sowohl seine Verlobte, Spitzmaus Mimosa, als auch die Hunde, die er trifft, sind sehr entspannt. Wenn er sich wie ein Hund fühlt, dann ist er halt ein Hund. Ganz einfach.

Als Erwachsener weiß man natürlich, dass es nicht so einfach ist, wenn man realisiert, dass man im falschen Körper steckt. Die Umsetzung dieses wichtigen Themas in diesem Kinderbuch finde ich sehr gelungen. Alle Beteiligten stutzen kurz und überlegen dann: Wie muss man denn aussehen, um ein Hund zu sehen? Alle Hunde auf der Hundewiese sehen völlig verschieden aus und vier Beine, Fell und einen Schwanz hat K auch. Sie bellen auch alle ganz verschieden – völlig ok also, wenn Herr K Wiau ruft, Thema erledigt. Und überhaupt: Auch die Hunde, die wie Hunde aussehen, benehmen sich nicht alle gleich. Und Mimosa mag nichts essen, was Mäuse sonst so essen, sondern ausschließlich Kekse. Jeder ist anders und genau das ist normal.

Die Illustrationen sind farbenfroh, liebevoll und witzig zugleich, die Texte perfekt zum Vor- und Selberlesen. Und große und kleine Leser werden Herrn K als das sehen, was er wirklich ist.

Fazit: Es kann so einfach sein. Ein wichtiges Thema, kindgerecht umgesetzt.

Bewertung vom 29.07.2021
Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper / Inspector Swanson Bd.2
Marley, Robert C.

Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper / Inspector Swanson Bd.2


sehr gut

»Und wo fangen wir an, Sir? Haben wir überhaupt einen Anhaltspunkt? Prostituierte wie Mary Ann Nichols werden in dem Dschungel da draußen jeden Tag ermordet.«
»Ermordet, ja … aber nicht abgeschlachtet und öffentlich zur Schau gestellt. Wenn er sie in den Fluss geworfen hätte, wäre sie vielleicht niemals gefunden worden. Nein, wer immer sie so verstümmelt hat, wollte, dass sie gefunden wird.«

London, 1888. Das Team um Chief Inspector Donald Swanson hat schon viel Schlimmes gesehen, aber die Mordserie im Stadtteil Whitechapel schlägt alles. Wer mordet so brutal und blutig und vor allem warum? Es gibt reichlich Gerüchte und die Liste der Verdächtigen wächst stetig, doch im gleichen Maß scheinen die Ermittlungen boykottiert zu werden…

Wer war Jack the Ripper? Diese Frage treibt auch heute noch viele Menschen um und wird sich doch vermutlich nie beantworten lassen. Wer sich auf den aktuellen Stand der Ripperforschung bringen will, findet dazu reichlich Fachliteratur. Robert C. Marley geht mit seinem Buch einen anderen Weg. Geschickt baut er die historischen Personen, Ermittler, Opfer und Verdächtige, in eine spannende Krimihandlung ein.

Ich habe so einiges von der besagten Fachliteratur gelesen. Normalerweise mag ich es nicht so, wenn bei realen Kriminalfällen hinzugedichtet wird, aber hier passte alles. Die Atmosphäre dicht, der Stil sehr angenehm. Zudem freute ich mich über jeden bekannten Namen und kam ihnen beim Lesen viel näher, als es durch die reinen Sachbücher möglich wäre. Und letztlich ist es vollkommen legitim, sich bei einem Fall wie diesem, bei dem es gefühlt unzählige Verdächtige gibt, für die Auflösung auf einen davon festzulegen. Argumentativ passte die Auflösung auch, wenn sie real wäre, könnte ich sie nachvollziehen.

Fazit: Sehr gelungener Krimi rund um die historische Mordserie. Wer weiß, vielleicht war es ja so?

Bewertung vom 13.07.2021
Oberwasser / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.4
Maurer, Jörg

Oberwasser / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.4


sehr gut

»Gerade hinter den Geranien lauert das Grauen.«

Wer bei einem Kurort in den Alpen eine friedliche Idylle vermutet, sollte sich auf einen fiesen Schock gefasst machen. Der berühmte Kurort mit dem Bindestrich jedenfalls scheint ein Zentrum des internationalen und organisierten Verbrechens zu sein. Das BKA ist vor Ort, aber einer ihrer Ermittler spurlos verschwunden. Kommissar Jennerwein und sein Team sollen ihre Ortskenntnisse nutzen und ihn suchen, aber niemand im Ort darf davon erfahren. Wie soll das bloß funktionieren?

Dieser Fall für das Ermittlerteam im Kurort machte mir wieder großen Spaß! Der Autor hat einen sehr speziellen Stil, mit Wortwitz und viel Augenzwinkern. Der Krimi kommt dabei nicht zu kurz, in der Summe ergibt das einen guten Mix aus Spannung und Humor. Ich mag das sehr!

Zudem passiert ziemlich viel. Jennerweins Team muss, um vernünftig und vor allem heimlich ermitteln zu können, ein Ablenkungsmanöver starten. Sehr kreativ, sehr unterhaltsam! Zu meinem großen Vergnügen war auch das unkonventionelle (und reichlich kriminelle) Bestatterehepaar wieder dabei, ich freue mich über jeden Auftritt von ihnen. Was hat ferner der junge Mann mit der Handlung zu tun, der eigenartige Schriftzeichen auf einer Münze entschlüsseln will?

Es gibt wieder reichlich sympathische Charaktere, einige davon echte Originale. Wenn Kommissarin Nicole Schwattke aus Recklinghausen Sprachunterricht bekommt, könnte ich mich ausschütten vor Lachen. An Spannung fehlt es trotzdem nicht. Der Leser verfolgt das Schicksal einer gefangenen, misshandelten Person mit, das ist nicht ohne.

Das war mein siebter Kurort-Krimi, ich lernte die Reihe mit späteren Bänden kennen und arbeite mich jetzt von vorne durch. Es ist aber für das Verständnis m.E. nicht notwendig, die Reihenfolge einzuhalten.

Fazit: Sehr unterhaltsamer Mix aus Spannung und Humor. Viel Wortwitz und schön schräg. Beim nächsten Besuch dort unten muss ich in der Höllentalklamm unbedingt die Augen nach bestimmten Besonderheiten aufhalten ;-)

Bewertung vom 07.07.2021
Fear - Grab des Schreckens / Pendergast Bd.12
Preston, Douglas;Child, Lincoln

Fear - Grab des Schreckens / Pendergast Bd.12


sehr gut

»D’Agosta hatte die Ausschnitte schon gesehen, trotzdem ließen sie ihn erneut erschaudern. Das Gros der Mörder, das wusste er, ließ sich in zwei große Gruppen unterteilen: planvoll oder nicht planvoll agierend. Aber dieser Mann war so cool, ging derart methodisch vor, dass er beinahe in einer eigenen Liga spielte.«

Lieutenant D’Agosta und sein Team stehen mal wieder vor einer mächtigen Herausforderung. Der Serienmörder, der mit enormer Grausamkeit wütet, passt in kein Schema und scheint mit den Ermittlern ganz entspannt zu spielen. Eigentlich ein Fall wie geschaffen für Special Agent Pendergast, doch der ist nach der Jagd auf die Entführer seiner Frau nicht mehr derselbe.

Auch dieser zwölfte Band der Reihe unterhielt mich bestens. Vier Handlungsstränge gibt es, die Schauplätze liegen an verschiedenen Orten in den USA, in Mexiko und Brasilien.
Auf Pendergast, dem nur ein ultrakurzes Wiedersehen mit seiner Frau vergönnt war, wartet ein weiterer Tiefschlag, der ihn fast umbringt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass es kaum noch schlimmer geht, aber die Autoren muten dem armen Kerl einen heftigen Leidensweg zu.
Die Mordserie in New York ist ebenfalls heftig und der Täter mehr als rätselhaft. Dazu die obskuren Botschaften, die er an den Tatorten zurücklässt und bei denen sich Pendergast als Adressat erkennt.
Dr. John Felder versucht immer noch, hinter Constances Geheimnis zu kommen und geht dabei lebensgefährliche Risiken ein.
Außerdem wird die Geschichte von Corrie Swanson weitererzählt, die im letzten Band mit einem fiesen Cliffhanger abbrach. Corrie hat einen wichtigen Beitrag zu Pendergasts Ermittlungen erbracht, hat aber nun ein anderes, ziemlich persönliches, Problem. Corrie ist mir sehr sympathisch, eine coole junge Frau und wer sie unterschätzt, begeht einen mächtigen Fehler.

In der Summe ergibt das Hochspannung, die sich durch das ganze Buch zieht. Für das Verständnis wäre es sinnvoll, wenigstens die zwei Vorgängerbände zu lesen. Wie sehr Pendergast durch seine erlebten Tragödien beeinträchtigt ist und sich verändert hat, realisiert man erst richtig, wenn man auch die ersten Bände kennt. Persönlich fände ich es schön, wenn die Autoren da nicht noch mehr Register ziehen würden und ich ihn mal wieder entspannt und locker erleben könnte. Ich werde es in Kürze herausfinden.

Fazit: Sehr spannend, viel Action, viele Schauplätze. Neben Pendergast und D’Agosta ermittelt auch Corrie Swanson, das gefiel mir sehr.

Bewertung vom 20.06.2021
Niedertracht / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.3
Maurer, Jörg

Niedertracht / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.3


sehr gut

»Sie schon wieder… Immer wenn Sie auftauchen, gibt es Ärger.«
»Lieber Herr Harrigl, da verwechseln Sie jetzt aber Ursache und Wirkung. Erst kommt der Ärger, dann kommt der Jennerwein. Nicht umgekehrt.«

Großes Entsetzen im idyllischen Kurort gleich neben der Zugspitze! Eben dort oben, in gut 2.500 Metern Höhe, wurde in einer Felsnische eine Leiche gefunden. Zweifelsfrei auf grausige Weise ermordet. Kommissar Jennerwein und sein Team nehmen die Ermittlungen auf, teils kletterfreudig, teils mit extremer Höhenangst, aber noch vor den ersten Erkenntnissen folgt das nächste Opfer…

Es war mal wieder Zeit für einen zünftigen Alpenkrimi – und dieser hier erfüllte meine Erwartungen bestens. Augenzwinkernd, selbstironisch und herrlich schräg sind die Begriffe, die mir bei dieser Reihe ständig durch den Kopf schießen. Der Autor stammt selber aus Garmisch-Partenkirchen, schaut also mit Insiderblick auf das vermeintliche Idyll, hinter dem so manches Verbrechen lauert.

Neben dem reichlich gestörten Täter, den man als Leser während seiner Aktivitäten begleiten und seinen Gedanken folgen kann, gibt es dort beispielsweise einen Kletterkünstler mit dubiosem Gelderwerb, einen mächtig gegen die Obrigkeit protestierenden Insektenkundler und einen leicht erregbaren Gemeinderat. Was treibt zudem der Problemlöser einer ehrenwerten sizilianischen Familie vor Ort? Und wie passen die enormen Fähigkeiten einer offenbar stets anwesenden kleinen Mücke da hinein?

Klingt alles sehr skurril, das soll es auch. Diese Krimis haben einen wirklich eigenen Stil, den man vermutlich entweder sehr mag oder mit dem man nicht klarkommt. Ich jedenfalls hatte wieder großen Spaß. Die Krimihandlung selbst ist spannend und kein bisschen seicht, dazu die sympathischen Charaktere (ich mag Jennerweins gesamtes Team, wenn Polizeiobermeister Ostler ein Protokoll aufnimmt, ist das zum Schreien komisch) und die tolle Landschaft. Ich glaube, ich muss bald mal wieder in die Ecke, auch wenn es dort so gefährlich ist ;-)

Fazit: Spannender Krimi, augenzwinkernd und skurril. Ein ganz eigener Stil, bei dem ich sogar bei den Danksagungen laut lachen musste.

Bewertung vom 15.06.2021
Das Haus der Bücher (eBook, ePUB)
Paul, Michael

Das Haus der Bücher (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Königsberg im Jahr 1933. Inhaber Wilhelm Kirchner, seine ebenfalls in der Buchhandlung arbeitende Nichte Emma und ihre Kollegen Konrad Gallinat und Otto Perlmann stehen unter Schock. Sie lieben ihren Beruf, Bücher sind ihr Leben – und nun werden sie gezwungen, sämtliche Werke zahlreicher Autoren der geplanten großen Bücherverbrennung zu opfern. Die vier sind sich schnell einig, sie wollen versuchen, so viele Bücher wie möglich vor den Flammen zu retten. Auch, wenn sie damit ihr eigenes Leben riskieren…

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man sich von Zeit zu Zeit mit bestimmten Themen auseinandersetzen muss, so bedrückend sie auch sind. Der Nationalsozialismus ist so ein Thema und gehört leider nicht nur zu unserer Vergangenheit. Da mir Bücher sehr am Herzen liegen, fiel meine Wahl diesmal auf diesen Roman vor historischem Hintergrund.

Schauplatz der Handlung ist Königsberg, präzise die damals größte Buchhandlung Europas, das „Haus der Bücher“ des Unternehmens Gräfe und Unzer. Die Beschreibungen der Buchhandlung lassen das Herz jedes Bücherfreundes höherschlagen, eine Reihe alter Fotos gibt einen guten Eindruck der damaligen Pracht.

In die traurige Handlung steigt man sofort ein, ich bewunderte den großen Mut von Kirchner, Emma, Konrad und Otto. Schließlich waren sie ganz normale Menschen, zu deren Alltag es normalerweise nicht gehört, das eigene Leben und das der liebsten Angehörigen zu riskieren. Aber sie verstanden, dass es noch um viel mehr als nur Bücher geht und lieferten ein Musterbeispiel an Zivilcourage.

Wenn sich der Autor auch um einen kleinen Lichtblick zum Ende bemühte, darf man kein Happy End erwarten. Beim Lesen wechselten großes Mitgefühl und Trauer mit Wut und Fassungslosigkeit ab, die Handlung wirkte sehr realistisch. Bei der Vorstellung, dass Studierende, also vermeintlich gebildete Menschen, Bücher verbrennen, komme ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. So eine Verblendung ist beängstigend und leider bewies sich, wie recht Heine hatte, als er schon lange vor den Nazis schrieb »Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.« Passend dazu werden neben dem schon schrecklichen Thema der Bücherverbrennung im Zuge der „Aktion wider den undeutschen Geist“ natürlich auch andere Naziverbrechen angesprochen. Da wird die Universität von jüdischen Professoren „gereinigt“, es wird gefoltert und gemordet.

Die Charaktere und ihr Plan zur Bücherrettung sind fiktiv, aber es ist bekannt, dass im Haus der Bücher „verbotene“ Bücher offenbar heimlich versteckt und unter dem Ladentisch an vertrauenswürdige Kunden verkauft wurden. Um diesen Fakt herum wurde eine spannende Romanhandlung ausgebaut. Ein detailliertes Nachwort gibt Informationen zum geschichtlichen Hintergrund, den Fakten (im Unterschied zur Romanhandlung) und zur Unternehmensgeschichte.

Was mich vor allem zu Beginn leicht irritierte, war die recht einfach gehaltene Sprache. Das überraschte mich, damit hatte ich bei einem Buch über Bücher nicht gerechnet. Mir fielen beispielsweise die kurzen Sätze auf, die auch schon mal mit dem Wörtchen „Dann“ anfingen. Rückblickend stelle ich allerdings fest, dass mir diese Punkte im weiteren Verlauf nicht mehr auffielen. Entweder hatte der Autor sich warmgeschrieben oder ich war so von der Lektüre gefesselt, dass ich die zuvor empfundenen sprachlichen Holprigkeiten nicht mehr wahrnahm. Zudem kann die einfache Sprache auch ein Vorteil sein, denn sie erhöht die Zugangsmöglichkeit für Leser, die vor dem anspruchsvollen Thema Respekt haben. Eins ist sicher, die Auseinandersetzung mit diesem tiefschwarzen Punkt unserer Geschichte ist und bleibt wichtig und obwohl hier fiktive Personen agieren, wird es ähnliche Ereignisse und Schicksale gegeben haben. Sie dürfen nie vergessen werden.

Fazit: Ein fesselndes und leider sehr trauriges Kapitel der Geschichte. Leicht lesbar trotz des ernsten Themas.