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Magnolia
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Bayern

Bewertungen

Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

Was für ein toller Typ, dieser Walter

Walter ist Postbote mit Leib und Seele. Nicht nur seinen Zustellbezirk kennt er in- und auswendig, auch seine Kunden, wie die Briefempfänger neuerdings genannt werden, sind ihm wohlvertraut. Er ist korrekt bis in die Haarspitzen, aber wenn einer meint, ihn provozieren zu müssen, dann kann er auch ganz anders. Als sich dann einer über ihn beschwert, greift seine Chefin durch. Er hat durchaus eine Wahl – in Altersteilzeit gehen oder nach Engelskirchen in die Christkindlfiliale zu wechseln. Was bleibt ihm anderes übrig? Mit knapp sechzig braucht er noch einige Jahre, ein üppiges Ruhegeld hat er sowieso nicht zu erwarten.

Unzählige Briefe ans Christkind werden von ehrenamtlichen Kräften und auch von ihm, von Walter, abgearbeitet. Die kindlichen Wünsche sind eher monetärer Natur, was ihm so gar nicht gefällt. Bis er eines Tages Bens Brief liest. Der Zehnjährige wünscht sich einen Freund und Walter beginnt einen Briefwechsel mit ihm, unterzeichnet mit „Alles Liebe, Gott“. Ben rührt Walters Herz, er will ihm helfen. Aus den Briefen werden Mails, Walters Mail-Adresse kann nur göttlich sein.

Zwischendurch erfahre ich mehr von Walter. Vom jungen, sehr talentierten Fußballer, von seinem beruflichen Werdegang, seiner ersten Liebe und auch von seiner Familie. Je mehr ich von ihm weiß, desto brennender interessiert mich sein Leben. Warum sollte er „kein guter Mann“ sein? Ja, er ist schon gewitzt und doch ist er grundehrlich, hilft, wo er kann. Gleich mal lerne ich ihn von seiner streitbaren Seite kennen, der Einstieg ins Buch hat mich öfter zum Schmunzeln gebracht. Er ist ein wacher Geist, aber Ungerechtigkeit kann er nicht haben. So wird er schon mal selber tätig und wenn es denn sein muss, ist er überkorrekt, händigt alles nach Vorschrift aus. Oder eben nicht. Und dann seine Familie – es herrscht Funkstille, lediglich seine Tochter hält Kontakt. Er ist stets loyal, hält seine einmal gegebenen Versprechen, auch wenn es ihm danach richtig dreckig geht. Vieles ist schief gelaufen, doch Schuldzuweisungen waren nie sein Ding.

Ein wenig schelmisch ist er schon, dieser Walter. Und Andreas Izquierdo stellt ihn so lebensecht, so nahbar vor, dass ich meine, er könnte mir direkt schon irgendwann begegnet sein. Schon nach wenigen Zeilen war ich im Buch, in Walters Geschichte, die sich immer weiter entwickelt. Mit Witz und Charme und seinem so exzellenten Schreibstil hat mich der Autor regelrecht gefangen genommen, meine Gedanken drehen sich um Walter, um den biederen Mann auf dem Cover, den ich – je weiter ich lese - so gar nicht als kleinkariert und spießig wahrnehme. Er hat ein riesengroßes Herz, in das er auch den so bescheidenen Ben geschlossen hat. Im Gegensatz dazu rufen diese konsumgesteuerten Kinder und deren Forderungen eher Walters Unmut hervor.

„Kein guter Mann“ ist ein lebenskluges Buch, gespickt mit köstlichen Momenten, das wie nebenbei auf unsere konsumorientierte Gesellschaft blickt. Mit einem so liebenswert wie spitzbübischen Protagonisten, der trotz so manchen Schicksalsschlägen das Herz auf dem rechten Fleck hat. Der sich mit zunehmendem Alter nie verbiegen lässt, der immer für andere da ist und auch gelernt hat, sich gelegentlich zurückzunehmen. Mein Gott, Walter – du warst ein toller Typ.

Bewertung vom 15.09.2023
Prophet
Blaché, Sin;Macdonald, Helen

Prophet


gut

Genre-Mix

„Prophet ist das Ende der Welt…“ stellt Adam Rubenstein sachlich fest. Er und der ehemalige MI6-Agent Sunil Rao, der jede Lüge sofort erkennt, werden zu Partnern, als da plötzlich ein Diner steht, als mit rationalem Verstand nicht erklärbare Dinge auftauchen, als ein mysteriöser Todesfall direkt nach Ermittlern schreit, die sich mit unkonventionellen Methoden diesen Phänomenen stellen. Schon in Afghanistan haben die beiden Geheimagenten zusammengearbeitet und nun stellen sie sich neuen Herausforderungen. Bei Bedarf stellen sie sich schon mal als Journalisten vor, die an einem Artikel über gespenstische Vorfälle in Sufflok arbeiten.

Rao ist (k)ein menschlicher Lügendetektor, er ist der Spezialist für Wahrheitsfindung, lediglich bei seinem Partner versagt seine Fähigkeit diesbezüglich. Was auch gut ist, denn ein gemeinsames Arbeiten wäre ansonsten nicht möglich. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein und doch ergänzen sie sich auf ganzer Linie, auch wenn Adam als Raos Aufpasser fungiert.

Das Hineinfinden ins Buch ist spannend, wenngleich man schon ganz bei der Sache sein muss. So nebenbei lesen geht nicht, man verliert schnell den Faden und die ganze Story driftet dann ins Nichts ab. Zu viele Dinge passieren gefühlt gleichzeitig und Prophet ist so unerklärlich wie faszinierend. Hinter dieses schier nicht greifbare Phänomen versuchen die beiden Agenten zu kommen und hier bietet das Buch neben Science Fiction viel Mystik mit rasanten Thriller-Elementen. Die beiden Akteure sind besonders, ihre spritzigen Dialoge ebenso, sie laden zu immer neuen Höhenflügen ein, es ist ein nahezu unwirkliches Unterfangen.

Das Cover ist nicht zu übersehen, der Titel lädt zum Spekulieren ein und der Klappentext macht Lust auf das ganze Buch. Und ja, ich habe mich bald eingelesen und bin dann doch an meine Grenzen gestoßen. Die schnellen Szenen- und Zeitwechsel verlangen die ganze Aufmerksamkeit, auch viel Absonderliches, ja Befremdliches, nicht Erklärbares ist zu lesen, der Überblick geht verloren. Gedanklich bin ich ab und an weggedriftet, also war ein mehrmaliges Pausieren unabdingbar, um mich später dann wieder ganz der Story widmen zu können. Dieser wilde Genre-Mix hat mich zwischendurch schon genervt, die Liebesgeschichte hätte es für mein Empfinden nicht unbedingt gebraucht. Das Buch ist ganz okay, auch wenn es kein durchgängiges Lesevergnügen war.

Bewertung vom 13.09.2023
Die Windsor-Akte
Husemann, Dirk

Die Windsor-Akte


sehr gut

Temporeiche Geschichtsstunde

Die Windsor-Akte ist eine Sammlung von zunächst als hoch geheim eingestufter Akten des Außenministeriums des Dritten Reiches. Mittlerweile sind diese Akten in Teilen veröffentlicht, über die Beziehung des früheren (und später abgedankten) König Edward VIII. mit hochrangigen Vertretern des Dritten Reichs wie etwa zu von Ribbentrop ist hier zu lesen.

Schon der Prolog hat es in sich, hiermit hat mich der Autor gleich mal in seine Geschichte gezogen. Corporal Lance Ennis und Colonel Pickett entdecken im April 1945 eine Kiste, voll mit Dokumenten, die – in falschen Händen – das Königreich in seinen Grundfesten erschüttern könnten.

Im Jahre 1992 ist der Journalist Roger Ennis besagten Dokumenten auf der Spur, die sein Großvater damals vor der Zerstörung bewahrt hat. Er bittet eine Archivarin, ihm diese Akten zur Verfügung zu stellen. Und die Archivarin erzählt ihm eine Geschichte…

Edward, der Herzog von Windsor und seine Ehefrau Wallis haben sich in Paris niedergelassen, die Nähe Edwards zu den Nationalsozialisten ist der britischen Regierung ein Dorn im Auge. Um über jeden seiner Schritte informiert zu sein, wird der junge Student Ajax Doggerton eingeschleust. Er hat regelmäßig Bericht zu erstatten, wenngleich es nicht immer Brisantes zu vermelden gibt. Zugunsten der geschiedenen, amerikanischen Staatsbürgerin Wallis Simpson hat Edward auf den Thron verzichtet, ist aber mit den Staatsgeheimnissen vertraut. Und hier kommt der Geheimdienst ins Spiel.

Ajax Anwerbung durch den Geheimdienst ist sehr einfallsreich und endlich in Paris angekommen, ist seine erste Begegnung mit Lydia, dem Hausmädchen, äußerst stürmisch. Beide sind sie in Edward und Wallis Haushalt beschäftigt. Das schillernde Paar schmückte sich mit bekannten Persönlichkeiten ihrer Zeit, wie etwa Picasso, um nur einen zu nennen. Sie reisen viel, die Bediensteten reisen mit. Ajax und Lydia, die ihre Liebe zueinander entdeckt haben, werden auf einer spektakulären Flucht getrennt. Es mischen noch so einige mit, per Auto und Flugzeug geht es ganz schön zur Sache. Diese rasanten Passagen waren mir dann doch zu viel, ein wenig dezenter wäre für mein Empfinden der bessere, der glaubhaftere Weg gewesen. Langweilig jedoch war es an keiner Stelle.

Dirk Husemann hält sich an die historischen Fakten, die fiktiven Elemente waren mir zuweilen zu actionreich, das Drumherum jedoch ist spannend erzählt. Die Windsor-Akte hat mir nichts gesagt und so habe ich ein wenig nachgelesen, was es mit dieser Akte auf sich hat. „Das Tauziehen zwischen England und dem Deutschen Reich um den Herzog von Windsor zählt zu den bizarrsten Episoden des Zweiten Weltkrieges…“ So beginnt das lesenswerte Nachwort, in dem der Autor nochmal alles gut zusammenfasst.

Bewertung vom 12.09.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


gut

Familie und mehr...

Max Richard Leßmanns „Sylter Welle“ ist „eine schmerzhaft-schöne Liebeserklärung an eine vom Aussterben bedrohte Generation, seinen Großeltern“. So wird mir sein Erstlingswerk nahegebracht und ja, diese Aussage erweckt mein Interesse.

Seit jeher reist Max mit Oma Lore und Opa Ludwig nach Sylt. Sie sind mittlerweile alt, den Wohnwagen haben sie gegen ein Hotelzimmer getauscht, auch das Auto hat als Anreise ausgedient. Über drei Tagebekomme ich einen Einblick in die Familie, gleich der erste Tag bietet eine breite Palette an Anekdoten rund um die Leßmanns. Dabei kommen Charaktereigenschaften der Großeltern zum Vorschein, die ihnen nicht immer zum Vorteil gereichen. Vor allem Oma Lore erscheint mir hart und wenig fürsorglich. Zwischendurch blickt Max zurück, erzählt von so manchen Jungenstreich, switcht von einem Gedankenblitz zum nächsten, um dann wieder im Hier und Heute zu sein. Diese Erzählweise ist schon ein wenig ungewöhnlich, jedoch hatte ich diese schnellen Wechsel bald verinnerlicht.

Tag zwei geht emotional in die Tiefe, hier lerne ich sie alle von einer ganz anderen, einer verletzlichen Seite kennen und Tag drei geht mir persönlich zu weit. Nicht alles muss öffentlich gemacht, nicht jede Schwäche ausgeplaudert werden. Und ja, es ist ein autofiktionaler Roman und doch sollten sensible Grenzen nicht überschritten werden.

Auch wenn ich keinem von ihnen gefühlsmäßig näher gekommen bin, so ist Max Richard Leßmann ein unterhaltsamer, gut zu lesender Roman gelungen. Ganz alltägliche Dinge, die im Gedächtnis haften bleiben, wie etwa ein entflohener Vogel und ein kleiner Junge mit einer Hosentasche voller Würmer zum Anlocken, zeigen die liebenswürdigen, die herzlichen Momente auf und ein selbst geschriebenes Lied auf einer Beerdigung lässt so manches Tränchen kullern. Die Gefühlspallette dreht sich weiter, auch Kälte und Unnahbarkeit sind spürbar.

Wenn ich als Resümee ein Hermann Hesse-Zitat stark abwandeln darf, so wohnt nicht jedem Ende ein Zauber inne. Diese „schmerzhaft-schöne Liebeserklärung an die Großeltern“ würde ich meinen Großeltern nicht antun wollen, Tag drei war mehr als grenzwertig.

Bewertung vom 12.09.2023
Blütenzauber im Casa della Flora (Verliebt in Italien)
Holmgren, Hanna

Blütenzauber im Casa della Flora (Verliebt in Italien)


ausgezeichnet

Willkommen im Casa della Flora

Hanna Holmgren hat ihrer Reihe „Verliebt in Italien“ einen ganz besonderen Blütenzauber hinzugefügt. Sie erzählt von Lorella…

…ein Freigeist ist sie, eine Lebenskünstlerin. Vor Jahren hat sie ihr toskanisches Heimatdorf Camaiore verlassen und nun ist sie für ein paar Tage zurückgekehrt, eine Familienfeier steht an. Kaum angekommen, begegnet ihr Pasquale. Mit ihm hat sie damals große Pläne geschmiedet, sie wollten gemeinsam die Welt erobern, das Leben hat anders entschieden. Und so ging sie alleine weg, ihre große Liebe ist inzwischen anderweitig liiert. Finanziell geht einiges schief und nun sitzt sie erst mal fest.

Italien hat es mir seit jeher angetan, es ist und bleibt mein Sehnsuchtsland. Was liegt da näher, als immer mal wieder zu einem Buch zu greifen, das zum Träumen einlädt. Die Autorin hat mich mit ihrem bildhaften Schreibstil direkt mitgenommen, ihre Landschaftsbilder stehen den spitzigen Dialogen in nichts nach. Das Blütenmeer vor Augen stelle ich mir vor, den herrlichen Duft von Rosen und Lavendel und all der Fiori, die zu kunstvollen Arrangements weiterverarbeitet werden, einzusaugen. Auch all die servierten Köstlichkeiten, die ich mir am liebsten sofort auf der Zunge zergehen lassen würde, laden ein, mit allen Sinnen zu genießen.

Und ja, auch die Liebe ist im Spiel, aber nicht nur. Das Zusammenleben in Camaiore in all seinen Facetten, mit all seinen Einwohnern, ist gut getroffen. Es sind die liebenswerten, charmanten Charaktere, die mir sofort sympathisch waren wie etwa der zuweilen bärbeißige Giampaolo. Lorella dagegen hatte nicht unbedingt meine Sympathien, die musste sie sich erst verdienen.

Ein blumiger Gruß beschließt das lesenswerte Buch, Hanna Holmgren plaudert von Fiori, Fiori, Fiori und weiht auch in die Sprache der Blumen ein. Original italienische Rezepte zum Nachkochen beschließen den Italien-Aufenthalt. Es war ein kurzweiliger Toskana-Aufenthalt, ein entspannter Lesegenuss.

Bewertung vom 11.09.2023
Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1
Tsokos, Michael

Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1


sehr gut

Die Rechtsmedizinerin klärt auf

„Er betrachtet zufrieden sein Werk.“ Alles war perfekt in Szene gesetzt, „der Rest ist ein Kinderspiel.“

Den Start in die neue Reihe um die Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao wollte ich nicht verpassen, lässt Michael Tsokos doch hinter die Kulissen seines Berufsalltags blicken. Es ist nicht das erste und wird bestimmt nicht das letzte Buch von ihm sein, das ich – nach anfänglichen Schwierigkeiten – verschlungen habe.

Und ja, das Hineinfinden ins Geschehen gestaltet sich zäh. Zu viel Fachwissen wird hier gefühlt kleinteilig dargeboten und um nichts zu überlesen, was zur Aufklärung wichtig sein könnte, habe ich mich durch die ersten Kapitel zwar nicht direkt gequält, aber doch musste ich mich am Riemen reißen, um dranzubleiben. Und es hat sich gelohnt, denn dieses allzu ausführliche Fachwissen wird zugunsten der Ermittlungsarbeit auf ein vertretbares Maß reduziert.

Die Ehefrau des Inhabers der Corpore Sano Schönheitskliniken wird erdrosselt aufgefunden. Fremdeinwirkung scheint ausgeschlossen, der Auffindeort spricht dagegen. Die Rechtsmediziner errechnen den Todeszeitpunkt, der sich anhand gängiger Methoden gut eingrenzen lässt und doch kommen bald Zweifel auf. Suizid oder doch Mord? Roderich Kracht, der Ehemann der Toten, scheint schon aufgrund seines zeitlich nachvollziehbaren Alibis unverdächtig.

Es ist der erste Fall um die deutsch-chinesische Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao. Auch wenn sie durchaus von ihrem Chef unterstützt wird, so schafft sie vieles im Alleingang. Von Seiten der Polizei mischt Monica Monti, die Leiterin der Ermittlung, schon auch mit, ebenso die IT-Spezialistin Sara Wittstock. Yao geht in ihrem Beruf auf, ihr Privatleben beschränkt sich auf die Sorge um ihre Schwester, die nach einem schweren Schicksalsschlag alleine nicht mehr zurechtkommt. Mit Sara, der schon erwähnten IT-Expertin, ist Yao auch freundschaftlich verbunden, ihre Recherchen zum aktuellen Fall sind weitere Mosaiksteinchen hin zur Aufklärung. Sie stoßen auf ältere Todesfälle, die Ähnlichkeiten erkennen lassen und deren Spuren in immer dieselbe Richtung weisen. Bald scheint der Täter gefunden und doch gelingt es nicht, ihm die Morde nachzuweisen.

Die kurzen Kapitel sind mit präziser Zeit- und Ortsangabe überschrieben, so hat man stets den Überblick. Die Charaktere sind allesamt authentisch, wenngleich mir Sara Wittstock zu nerdig rüberkommt. Eine Einzelkämpferin abseits des Mainstream, für meinen Geschmack überzeichnet. Yao als Hauptakteurin gefällt mir an und für sich gut, ihre Alleingänge sind zwar nervenaufreibend und hochspannend, realistisch sind sie eher nicht. Dies mal außer Acht gelassen, hat die Buch-Figur Yao in ihrer Gänze durchaus Potenzial. „Verstehen Sie irgendetwas von dem, was der Typ da gerade sagt?“ wird Yao gefragt und ich sage ja, vom Fachwissen, das ich so präzise nicht gebraucht hätte, einmal abgesehen. Denn genau diese Längen, die für mich als Laien eher trocken zu lesen sind, kosten den letzten Stern. Und natürlich werde ich beim nächsten Rechtsmedizin-Thriller wieder dabei sein.

Bewertung vom 07.09.2023
Verlogen / Mörderisches Island Bd.2 (eBook, ePUB)
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlogen / Mörderisches Island Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Spannender zweiter Teil

„Mörderisches Island“ zum Zweiten. Auch dieser zweite Band um das Ermittlerteam Elma und Saevar hat es in sich.

Vor sieben Monaten ist die alleinerziehende Marianna verschwunden und nun ist sie eher durch Zufall in einer schwer zugänglichen Höhle gefunden worden. Damals sind sie von einem Suizid ausgegangen, die Leiche jedoch lässt auf eine Gewalttat schließen. Auch wenn die Akte nie geschlossen wurde, so muss der Fall nochmal neu aufgerollt werden, die Ermittlungen damals waren eher oberflächlich.

Hekla, Mariannas 15jährige Tochter, lebt bei Pflegeeltern. Als Kleinkind war sie schon über längere Zeit bei ihnen, nachdem Marianna Ihre Tochter über drei Tage sich selbst überlassen hatte. Ihr Alkoholproblem schien sie wieder im Griff zu haben und so musste Hekla zurück, jedes zweite Wochenende und auch Ferien durfte sie jedoch bei ihren Pflegeeltern verbringen.

Mehrere Erzählstränge wechseln sich ab. Tief berührt und äußerst geschockt lese ich von Hekla und Marianna. Angefangen als ganz kleines Kind schildert die Autorin den Mutter-Tochter-Konflikt. Denn dass ihre Beziehung nie einfach war, steht bald fest. Sie wird älter, die Probleme reißen nicht ab und Marianna steht nicht nur hilflos ihrer Tochter gegenüber, sie ist ihr auch ziemlich gleichgültig.

Auch von Elmas Privatleben erfahre ich einiges. Und mir gefällt, wie sie und Ihr Kollege Saevar miteinander umgehen. Sie verstehen sich gut, auch wenn sie seinen Humor nicht immer gleich versteht. Und doch sind sie ein super Team.

Der Mord muss aufgeklärt werden, die doch lange Zeit zwischen Mariannas Verschwinden und dem Auffinden ihrer Leiche macht ihre Arbeit nicht gerade einfach. Es sind viele Spuren, denen sie nachgehen müssen und immer wieder erfahren sie Kleinigkeiten, Nebensächliches, das doch relevant sein könnte.

Mich hat die Autorin immer wieder auf Fährten gelockt, die sich als falsch herausstellten. Sie hat neue Hinweise eingeworfen - auch diese waren zunächst heiß und wurden kälter, aber dennoch könnte alles möglich gewesen sein. Nebenschauplätze wurden aufgemacht, neue Hinweise waren vielversprechend. Und immer wieder wurden die Karten neu gemischt, erst das für mich nicht vorhersehbare Ende gab Aufschluss. Schön finde ich den Epilog, der auf die noch offenen Fragen eingeht. Ein äußerst spannender zweiter Teil im mörderischen Island ist ausgelesen, der dritte lässt hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten.

Bewertung vom 07.09.2023
Der Glanz der Zukunft. Loulou de la Falaise und Yves Saint Laurent (ungekürzt) (MP3-Download)
Marly, Michelle

Der Glanz der Zukunft. Loulou de la Falaise und Yves Saint Laurent (ungekürzt) (MP3-Download)


sehr gut

Schillernde Modewelt

Loulou de la Falaise liebt ihre Flohmarktklamotten, sie mag es bunt und ausgefallen. Haute Couture kann sie sich nicht leisten und doch fällt sie mit ihrem extravaganten Kleidungsstil auf, den sie sich in London auf dem Camden Market zusammenstellt. Noch ziemlich jung heiratet sie, diese Ehe jedoch ist nicht von Dauer. Sie führt ein unstetes Leben, sie jettet um die Welt und lernt viele bekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit kennen. Eine Begegnung jedoch lässt sie später wieder nach Frankreich zurückkehren – Yves Saint Laurent. Obwohl sie sich in diesem Land nie heimisch gefühlt hat, so wird Frankreich doch noch Heimat für sie.

Michelle Marly macht die 1970er Jahre lebendig, lässt mich in die glanzvolle Welt der Mode eintauchen. Zunächst lehnt sie ab, über Yves Saint Laurent zu schreiben. Als sie dann – neugierig geworden - über ihn und die Frauen in seinem Leben recherchiert, bleibt sie schwerpunktmäßig bei Loulou de la Falaise hängen. Yves und sie waren über dreißig Jahre freundschaftlich und beruflich verbunden. Er sagt einmal über Loulou: „Es vergeht kein Tag, an dem sie mich nicht mit Staunen erfüllt.“

Das ungekürzte Hörbuch über 8:28 Stunden von Harper Audio hat Carolin Haupt eingesprochen. Ihre wunderbar klangvolle Stimme passt perfekt zu diesem Roman, der Loulou de Falaise würdigt, eine begabte, sehr facettenreiche Frau, die mir bis dato nicht sagte, die ich hier kennen- und schätzenlernen durfte.

Der Roman orientiert sich an wahren Begebenheiten, ohne den Anspruch einer Biografie zu haben. So hat die Autorin belegbare Fakten mit den fiktiven Elementen in eine gut hör- bzw. lesbare Form gebracht. Yves Saint Laurent war neben Coco Chanel, Christian Dior und noch so einigen bis heute sehr bekannten Modeschöpfern ein ganz Großer seiner Zunft.

In den letzten 15 Minuten des Hörbuches werden die wichtigsten Personen mit allen Eckdaten ihres Lebens in Kurzform vorgestellt – ein runder Abschluss.

Es war ein interessanter Blick in eine Welt der Reichen und Schönen, es waren unterhaltsame Hörstunden um eine Hauptakteurin, die mir vollkommen unbekannt war. Mick Jagger, Rudolf Nurejew, Andy Walhol, Paloma Picasso, Paul Getty und wie sie alle heißen mögen, haben ihren Weg gekreuzt. Gefühlt alle Berühmtheiten aus Künstlerkreisen waren zugegen, und natürlich spielten auch Drogen in der glanzvollen Modewelt eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Bewertung vom 07.09.2023
Wie ein Stern in mondloser Nacht
Sand, Marie

Wie ein Stern in mondloser Nacht


sehr gut

Emotional erzählte Geschichte rund um die Babyklappe

„Klingel an der Hintertür, zähl bis zwanzig, dann lauf weg, das Kind wird in Sicherheit sein.“

Marie Sand erzählt von der Hebamme Henni Bartholdy, einer stillen Heldin, die mit ihrer ersten Babyklappe schon 1956 Neugeborenen eine Chance aufs Leben bot. Es ist die Nachkriegszeit, wir sind in Berlin in den 1950er Jahren. Auch wenn es aufwärts geht, so ist die Armut noch allgegenwärtig. Henni lebt mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder mehr schlecht als recht, mit Putzstellen hält sich die kleine Familie über Wasser und natürlich packt auch Henni mit an. So auch heute, als sie die Villa der Arztfamilie von Rothenburg säubert. Eduard, der Sohn des Hauses, fällt direkt über den Putzeimer – Henni und Eds erste Begegnung ist ziemlich stürmisch.

Der Sohn aus reichem Hause und die Tochter der Putzfrau begegnen sich, finden sich sympathisch und nicht nur das, sie ziehen sich magisch an. Ihre Geschichte, ihre Liebe, zieht sich durchs Buch. Aber was hat sie zu bieten? Eds Eltern sind wenig begeistert, eine Verbindung schier unmöglich. Vor allem die Frau Mama macht deutlich, dass ihr Sohn in anderen Sphären zu schweben hat. Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist allgegenwärtig. Als dann die noch sehr junge Henni schwanger wird, drängen sie die von Rothenburgs, unterstützt von ihrer Mutter, zu einem Schritt mit weitreichenden Folgen.

Eine ungewollte Schwangerschaft zieht vieles nach sich. Die Frage nach einer Abtreibung, die Verzweiflung der Frauen, kennt Henni nur zu gut. Sie will helfen, lässt sich als Hebamme ausbilden. Auch um der Kinder willen, sie sollen leben. Und sie lässt sich nicht beirren. Sie denkt an diejenigen, die in Not sind. Deren Leben aus den Fugen geraten ist. Ein Kind heißt: Verantwortung zu tragen, für dieses kleine Wesen da zu sein, das eigene Leben umzukrempeln. Nicht immer kann dies gelingen, nicht jede Mutter freut sich über ihr Baby. Marie Sand erzählt von Müttern, die unbedingt ein Baby wollen und auch von denen, die daran zugrunde gehen. Die einen haben mein Mitgefühl, andere kann ich zwar verstehen und doch möchte ich sie schütteln. Viele Emotionen werden freigesetzt, auch so manches Tränchen vergossen.

Der zweite Erzählstrang handelt von Liv. Auch sie ist ein Findelkind, ihre Adoptiveltern schweigen und doch lässt sie nicht locker. Sie und die Suche nach ihren Wurzeln waren mir nicht so nah, Hennis Part hat mich mehr angesprochen, wenngleich die Liebesgeschichte für meinen Geschmack etwas weniger hätte sein dürfen. Und doch dient sie dazu, den tiefen Graben zwischen den Gesellschaftsschichten zu verdeutlichen.

Marie Sand hat schon in ihrem ersten Roman „Ein Kind der Hoffnung“ von einer stillen Heldin erzählt, in ihrem neuen Buch „Wie ein Stern in mondloser Nacht“ hat sie sich wiederum eines sensiblen Themas angenommen. Immer am Rande der Legalität ist ihre heimliche Heldin für die in Not geratenen da. Ein anrührendes Buch, das ich gerne gelesen habe, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 04.09.2023
Ingenium (eBook, ePUB)
Trussoni, Danielle

Ingenium (eBook, ePUB)


gut

Für und wider Ingenium

„Ingenium“ ist ein Mensch mit besonderen geistigen und schöpferischen Fähigkeiten. Mike Brink kann seit seinem Schädel-Hirn-Trauma die kompliziertesten Rätsel sekundenschnell erfassen und nicht nur das, er sieht die Lösung direkt vor sich. Aufgrund dessen bittet ihn eine Gefängnispsychologin, ein seltsames Gemälde zu entschlüsseln. Es stammt von Jess Price, die des Mordes an Noah Cook angeklagt wurde und nun hinter Schloss und Riegel verstummt ist. Ihre Rätsel will Mike entschlüsseln und nicht nur das, er erkennt, dass Jess auch deshalb schweigt, weil jemand sie verfolgt, sie extreme Angst verspürt und diese nicht unbegründet ist. Die Spur führt weit zurück in ein bis dato nicht gelöstes Mysterium.

Mir gefällt das Buch, die Geschichte. Mir gefällt es gar nicht. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, ich bin angezogen, will mehr wissen, bin fasziniert. Und dann ist mir vieles zu langatmig. Was hat dies alles mit Jess Price zu tun, wo ist „eine Verbindung zu dieser Frau, deren Geschichte begonnen hatte, sein Leben zu bestimmen.“ Und ja, die Verbindung sehe ich schon, die Spuren zurück sind auch nachvollziehbar. Es driftet immer wieder ins Übersinnliche, was durchaus okay ist. Dieses Mystische ist nicht das Problem, eher die weitschweifigen Erklärungen dazu, das viel zu Ausführliche, zu trocken Vorgetragene.

Dan Brown + Stephen King = Trussoni. So wird die Autorin, so wird „Ingenium“ beschrieben. An Brown und King denke ich beim Lesen nicht, ich habe sie beide gelesen und auch wenn es schon eine Weile her sein mag, sie wirken immer noch nach. Trussoni kommt meines Erachtens nicht an sie heran.

Die Thriller-Elemente sind gelungen, das große Rätsel bleibt lange rätselhaft. Und doch ergibt dann alles Sinn, es sind so etliche Mächte am Werk, deren Spiel lange nicht zu durchschauen ist. Ein altes Rätsel will gelöst werden, das Ende ist dann für mich zu abgehoben, es gehört eher ins Reich der Phantasie.