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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 26.12.2020
Das Geheimnis von Moorwood Castle / Malvina Moorwood Bd.1
Loeffelbein, Christian

Das Geheimnis von Moorwood Castle / Malvina Moorwood Bd.1


ausgezeichnet

Spuk und Fluch und modrige Kälte

Moorwood Castle ist ein riesiges englisches Schloss mit unzähligen Zimmern und Treppen und Winkeln und entsetzlich marode. Deshalb ist es Malvina Moorwood strengstens untersagt, im Schloss umherzustreifen. Der Vater von Malvina, Earl of Moorwood, ist bettelarm, kann die fälligen Reparaturen am Schloss nicht mehr bezahlen und entschließt sich schweren Herzens, das Schloss zu verkaufen. Einen sehr merkwürdigen Interessenten gibt es auch schon. Als Malvina von dem bevorstehenden Verkauf ihres Zuhauses erfährt, weckt dies ihren Kampfgeist. Zusammen mit Tom, bester Freund, Knobelfan und ewiger Besserwisser, beginnt eine abenteuerliche Geschichte zur Rettung von Moorwood Castle, in der nicht nur Spuk und Fluch, sondern auch eine rätselhafte Schatzkarte eine Rolle spielen.

Dieses Kinderbuch hat alles, was das Leserherz begehrt! Eine perfekte Mischung tut sich in dieser Geschichte auf: Spannung, Witz, Fantasie, Grusel und Überraschung. Die Szenerie des halb verfallenen Schlosses bietet den idealen Hintergrund für aufregende Abenteuer. Erzählt wird mit viel Spannung. Gewürzt wird die Geschichte mit Humor und urkomischen Situationen. Malvina ist eine überaus liebenswerte Hauptperson, chaotisch, oftmals unbedacht, immer hungrig, tapfer, (fast immer) unerschrocken und kämpferisch. Mit viel Kombinationsgabe und Mut stürzt sich Malvina zusammen mit Freund Tom in das haarsträubende Abenteuer, das beide in große Gefahr bringt. Dem Autor gelingt es, einerseits sehr kurzweilig mit viel Charme und Witz, andererseits mit wachsender Spannung zu erzählen. Er schreibt so lebendig, so aufregend plastisch, dass dem Leser die modrige Kälte des alten Gemäuers spürbar in die Knochen fährt. Die aussdrucksstarken Schwarz-Weiß-Illustrationen von Julia Christians unterstreichen die atmosphärisch dicht geschilderten Geschehnisse perfekt. Rundum: Dieser erste Band macht ganz große Luft auf Fortsetzung!

Bewertung vom 18.12.2020
Erinnerungen aus Glas
Dobson, Melanie

Erinnerungen aus Glas


sehr gut

Wenn man ein Buch zum falschen Zeitpunkt liest

Manchmal ist es wohl so, dass ein Buch nicht zur passenden (Lebens-)Zeit gelesen wird und deshalb nicht den Weg direkt ins Leserherz findet. So jedenfalls scheint es mir mit dem vorliegenden Buch gegangen zu sein. Einerseits hatte ich gerade in letzter Zeit sehr viel gelesen über die Jahre des NS-Regimes, der Judenverfolgung und über all das entsetzliche Kriegselend, das in manchen Menschen noch bis zu deren Lebensende Wirkung zeigte, andererseits ist unsere Gegenwart derzeit nicht gerade unbeschwert, auch voll von Ängsten, und man muss sich sehr bemühen um vorweihnachtliche Zuversicht. Vermutlich hatte ich deswegen einige Mühe, das Buch zu lesen, musste viele Pausen machen und kann dem Buch deshalb nicht wirklich gerecht werden.

Zwei Zeitstränge: 1942, die Freundinnen Josie und Eliese in den Niederlanden, und 75 Jahre später Ava Drake in den USA und Uganda. Und wie immer in Büchern, die in verschiedenen Perspektiven erzählen, gibt es irgendwann in der Geschichte ein Verbinden, ein Verstricken, das Aufdecken von Geschehnissen, die bislang totgeschwiegen wurden. Diesen Weg des Erzählens wählt auch Melanie Dobson, und dies in einem ganz feinen, sensiblen Schreibstil. Eindringlich und atmosphärisch dicht beschreibt sie sowohl die Personen als auch all die Ereignisse, die grausamsten ebenso wie die hoffnungsfrohen, alles sehr bildhaft und außerordentlich ausdrucksstark. Ein Buch über den Mut des Widerstands und ein Buch über die gefährliche Wirkung von Geld, Gier und Familiengeheimnissen, aber auch über die Kraft des christlichen Glaubens.

Fazit: Ein überaus lesenswertes, bewegendes und gut geschriebenes Buch. Dass es mich nicht wirklich erreichte, lag nicht am Buch, sondern ausschließlich an mir selbst.

Bewertung vom 13.12.2020
Wo du nicht bist
Gebert, Anke

Wo du nicht bist


sehr gut

Die Grenzen des Romanhaften

„Worte können erlebtes Leid niemals erschöpfend darlegen.“ So steht es irgendwo im Buch. Und genauso ist es. Die Autorin stößt mit ihrer Geschichte an die Grenzen des Erzählbaren. Umso mehr, da die erzählte Geschichte eine wahre Begebenheit ist. Und so bin ich streckenweise völlig gefangen im Buch, streckenweise jedoch bleibe ich als neutraler Beobachter außen vor.

Wir lernen Irma Weckmüller und ihre jüngere Schwester Martha im Berlin der späten 20er Jahre kennen. Irma arbeitet als Stoffverkäuferin im KaDeWe, Martha als Hausmädchen in einer begüterten Familie. Als Martha von ihrem Dienstherrn schwanger wird, lernt Irma auf der Suche nach Hilfe für ihre Schwester den Arzt und Juden Erich Bragenheim kennen und lieben. Doch der an die Macht kommende Nationalsozialismus verändert alles…

In verschiedenen Perspektiven erfahren wir von einer Liebe, so unfassbar stark, wie es wohl nur wenige Menschen erleben. Die Rückblicke in die Jahre ab 1929 in das Alltagsleben der beiden Schwestern, die Geburt des unehelichen Kindes, das Abgleiten der Schwester Martha in Lethargie und später in verblendeten Egoismus, das vorsichtige Sich-Annähern von Irma und Erich – diese Rückblicke sind lebendig, atmosphärisch dicht, nachvollziehbar und fesselnd, ebenso die Sequenzen ab 1945 im zerstörten Berlin und die verzweifelte Suche nach Erich, mit der Irma sich aufrecht hält. Die Autorin scheitert jedoch meiner Meinung nach in den Darstellungen der furchtbaren, der fürchterlichsten Gräueltaten der Nazis an Juden, an der kaum in Worte zu fassenden Entsetzlichkeit dessen, was Menschen in dieser Zeit ertragen mussten. Anke Gebert erzählt zwar schonungslos, aber dennoch bleibt der Leser oft außen vor. Es fehlt die wahre Intensität, der penetrante Leichengestank, die Asche zwischen den Zähnen, es fehlen die grässlichen Schmerzen des Hungers und der grenzenlosen Angst. Es fehlt an Unausweichlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Zu glatt und nüchtern kommen diese schlimmen und allerschlimmsten Szenen auf den Leser zu. Es stimmt ja auch: „Worte können erlebtes Leid niemals erschöpfend darlegen.“ Dass Irmas Liebe zu Erich seinen Tod überdauert und sie geradezu besessen auf Legitimation beharrt, ist beklemmend und wohl nur aus der kämpferischen Stärke der Irma Weckmüller heraus zu verstehen.

Fazit: Ein lesenswertes Buch, das jedoch streckenweise an den Grenzen einer romanhaften Schilderung jener unsäglichen Zeit scheitert.

Bewertung vom 08.12.2020
Die gestresste Seele
Dobos, Gustav

Die gestresste Seele


ausgezeichnet

Ich fühle, also bin ich

Selten habe ich mehr bedauert, ein Buch nur digital vorliegen zu haben, wie in diesem Fall. „Die gestresste Seele“ von Dr. Gustav Dobos sollte man sich unbedingt in gebundener Form zulegen, denn es handelt sich um ein Buch, das man immer und immer wieder zur Hand nehmen möchte. Mit dem reinen Durchlesen ist es nicht getan!

Der Autor Prof. Dr. med. Gustav Dobos, der die Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin in Essen leitet, hat mit „Die gestresste Seele“ ein optimal strukturiertes Buch vorgelegt. Mit der theoretischen Beleuchtung der vielen Säulen, auf denen die Naturheilkunde und Integrative Medizin ruht, beginnt der Autor. Und genau dies ist auch erforderlich, um die vielen erforschten und auch die nicht ausreichend erforschten möglichen Zusammenhänge zwischen Körper und Geist, zwischen Körper und Seele ein wenig besser zu verstehen. Dr. Dobos will uns vermitteln, wie viel einfacher es ist, über Gefühle statt über Worte auf den Körper einzuwirken. Und wie wichtig es ist, dass wir nicht nur die Körpersignale, sondern auch die Gefühlssignale wahrnehmen und dass es tatsächlich möglich ist, auf die Grundgefühle bewusst Einfluss zu nehmen. Nach vielen gut verständlichen und wissenschaftlich untermauerten theoretischen Ausführungen, die bereits für den Leser so manches Aha-Erlebnis mit sich bringen, beginnt das Training der Resilienz im zweiten Teil des Buches. Wie hat es mich gefreut, dass Dr. Dobos ein Kapitel Viktor E. Frankl widmet, dem Begründer der Logotherapie, in der ich selbst ausgebildet bin: „Es gibt keine einzige Lebenssituation, die man nicht in eine sinnhafte Situation umwandeln könnte.“ Unsere Haltung zu den Geschehnissen ist entscheidend. Das 8-Wochen-Trainingsprogramm, zusammengestellt aus den Grundsätzen der Mind-Body-Medizin, beschließt das Buch. Das Programm fasst Körper und Geist in seinen verschiedenen Übungen auf ideale und durchaus machbare Weise zusammen.

Dr. Dobos schreibt an keiner Stelle belehrend oder „von oben herab“. Vielmehr öffnet er mit seinem Buch wohlwollend und mitfühlend die Wundertüte seines umfassenden Fachwissens, um uns begreiflich zu machen, dass wir es selbst in der Hand haben, unserer gestressten Seele zu helfen. Denn es gibt einen hochwirksamen Weg, aber man muss ihn gehen, man muss ihn üben, üben, üben, jeden Tag aufs Neue. Lesen reicht nicht!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2020
Silberstreif / Gut Greifenau Bd.5
Caspian, Hanna

Silberstreif / Gut Greifenau Bd.5


ausgezeichnet

Und weiter geht es mit der opulenten Familiensaga

Ach, ist das schön, wieder eintauchen zu können in diese mehrbändige, grandios erzählte Familiensaga, die alles bereit hält, was der Lesehungrige begehrt, nämlich kurz gesagt Gefühle und Spannung, perfekt in Szene gesetzt in einer historischen Zeit.

In Band 5 geht es um die Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, von 1923 bis 1928, einer durchaus dramatischen Zeit, in der die Inflation ihren Höhepunkt erreichte mit all den existenzvernichtenden Ereignissen, die die Wirtschaftskrise mit sich brachte. Und man ahnt bereits die Anfänge der politischen Entwicklung, die nicht nur den Deutschen entsetzliches Elend mit sich bringen wird. Es geschieht viel mit den und rund um die Bewohner von Gut Greifenau, zuviel, um es hier zusammenfassend auf den Punkt zu bringen. Band 5 ist ebenso wie seine Vorgänger prall voll von Leben und Leiden und Freude in all seinen Facetten.

Hanna Caspian hat die großartige Gabe, so ausufernd detailreich und damit so intensiv zu erzählen, dass man als Leser völlig eintaucht in das Leben derer von Auwitz-Aarhayn. Ich hatte beim Lesen auch dieses fünften Bandes das Gefühl, mich wie in einer Unterwasserwelt völlig losgelöst von meinem realen Alltag in dem von der Autorin so meisterhaft gezeichneten Umfeld zu bewegen, mich mit all den kleinen und großen Dramen herumzuschlagen, mit denen die Protagonisten zu kämpfen hatten. Da die Autorin für ihre Romane sehr sorgfältig recherchiert, gewann ich einen intensiven Blick auf die politischen Entwicklungen und deren Auswirkungen, auf technische Neuerungen und besonders auf die persönlichen Weiterentwicklungen der Personen, deren Leben man als Leser schon von Band 1 verfolgen durfte. Band 5 hat ebenso wie die Vorgängerbände unbedingten Suchtfaktor!

Bewertung vom 26.11.2020
Dort, wo die Zeit entsteht
Wengenroth, Claudia

Dort, wo die Zeit entsteht


ausgezeichnet

Ein poetisch-tiefenpsychologisches Fundstück

Katharina ist eine junge Ärztin, die Klarheit in Regeln und Ordnung findet. Die Kapriolen des Lebens, besonders in ihrem Beruf, zehren an ihr. Und so zieht sie sich für ein paar Tage, in der Zeit der Rauhnächte zwischen den Jahren, in die alte Berghütte ihrer Familie zurück mit der Hoffnung auf Abstand. Irmelin, eine alte Bergbäuerin, passt seit vielen Jahren auf diese von der Familie scheinbar vergessene Berghütte auf, sie hütet sie hütet wie ihr Eigentum. Dass Katharina Zuflucht in der Hütte sucht, sich von der Berghütte geradezu eingeladen fühlt, lässt Irmelin aufhorchen. Katharina hat seltsame Träume und Irmelin erzählt ihr bei einem Besuch in der Hütte ebenso seltsame Geschichten. Denn die Zeit der Rauhnächte ist eine Begegnung mit der Wilden Jagd, mit Bergriesen und Waldzwergen, mit offenen Seelen und vielen anderen mystischen Bildern. In den Träumen von Katharina beginnt ein Weg der inneren Heilung.

Das Buch braucht den Leser, der sich Zeit nimmt. Der sich den Wörtern hingibt. Und dem es gelingt, die Doppeldeutigkeiten der inneren Erlebnisse zu entschlüsseln. Das Buch erzählt so langsam und bedeutungsschwer wie einer dieser französischen Filme der Nouvelle Vague aus den Sechziger Jahren. Das macht das Lesen anstrengend. Auch der Schreibstil ist fordernd. Die Sätze mit einem manchmal willkürlich scheinenden Aufbau jenseits der gewohnten Grammatikwege lassen nur langsames Lesen zu. Und doch habe ich das Buch als Genuss empfunden, wie ein langes und sehr intensiv-poetisches Gedicht, das aus sorgsam gesuchten Wörtern etwas vermitteln will, was Wörter letztlich aber nur in Bildern transportieren können. Wenn Irmelin die Fenster der Hütte öffnet, damit „das Haus Luft holen kann“ oder wenn Katharina eine Traum-Kellertreppe ins Unbewusste hinabsteigt und mit einem schmerzhaften Sturz allen Halt verliert, wenn der Rabe als mystischer Gestaltwandler den Weg weist und wenn die unterschiedlichen Energien des Windes zu leben beginnen – wenn all dies und noch viel mehr in einer solch dichterisch verdichteten Weise wie im vorliegenden Buch gestaltet wurde und der richtige Leser zum richtigen Zeitpunkt zu diesem Buch findet, dann ist genau das Wunder geschehen, das, selten genug, Büchern innewohnt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.11.2020
Die Djurkovic und ihr Metzger
Raab, Thomas

Die Djurkovic und ihr Metzger


weniger gut

Ein Buch mit zu viel „Gschisti-Gschasti“

Humor ist so eine Sache. Vor allen Dingen eine ernste Sache, falls man darüber nachdenken möchte. Auf jeden Fall ist nicht jede Art von Humor für jeden Menschen in gleicher Weise geeignet, was das vorliegende Buch unmissverständlich beweist. Der Autor ist ein „Kult-Autor“, heißt es. Demnach gibt es viele Menschen, die seinen Humor mögen. Tja, ich gehöre leider nicht dazu.

Den Inhalt kann man kurz fassen: Die große Hochzeit des Metzger mit Danjela steht an, doch kurz vor dem Ja-Wort verschwindet diese mit einem bedrohlich aussehenden Kerl aus der Kirche. Der Metzger rappelt sich aus der Depression hoch, forscht nach und stolpert mitten hinein in einen Familienclan, dessen Machenschaften nicht sehr sympathisch sind.

Mit viel gutem Willen, zudem mit dem österreichischen Sprachductus einigermaßen vertraut begann ich das Buch zu lesen. Und fand die Anfangsszene „Vorhang auf – Vorhang zu“ noch einigermaßen vergnüglich. Aber je weiter ich las, desto verwirrter und genervter wurde ich. Walkie-Talkie-Unterhaltungen , Funkprotokolle und Anjezas Erinnerungen funken sich zwischen die eigentliche Handlung. Unvollständige Sätze und die Fülle an Ausrufezeichen machen das Lesen auch nicht leichter. Und den viel gerühmten schrägen Humor des Autors teile ich leider auch nicht. Mühsam schleppte ich mich durch die Seiten. Einzig die Vorstellung, dass ich nicht lese, sondern das Buch von einem Könner laut im Lokalkolorit vorgelesen bekomme, brachte mich einigermaßen verletzungsfrei durch die Geschichte. Aber Spaß hatte ich keinen mit diesem Buch, im Gegenteil.

Bewertung vom 21.11.2020
Der Heimweg
Fitzek, Sebastian

Der Heimweg


sehr gut

Abstoßend brutales Katz- und Mausspiel

Diese Rezension kann man kurz halten. Denn dass Fitzek „es drauf hat“, Thriller zu schreiben, weiß inzwischen wohl jeder. Dass er mit jedem weiteren Erfolgstitel mehr und mehr unter Druck und Leistungszwang gerät und damit zunehmend das verliert, was ihn in seinen frühen Titeln auszeichnete, gibt mir zu denken.

Jules Tannberg ist für seinen Freund eingesprungen und hat dessen Schicht beim ehrenamtlichen Telefonbegleitservice übernommen. Es ist nach 22 Uhr und Jules spricht mit Klara, einer Frau, die sich von ihrem brutalen Mann verfolgt fühlt. Mehr Inhalt hier zu erzählen, macht keinen Sinn.

Es hätte ein faszinierendes, nervenaufreibendes Kammerspiel werden können. Aber statt auf Raffinesse setzt Fitzek auf extreme Brutalität, auf ekelerregende, abstoßend widerliche Szenerien, die übler gar nicht mehr sein könnten. Das Baden in Eiter, Blut und fauligem Gestank allein macht jedoch noch keinen guten Thriller. Klar, Fitzek weiß, wie er die Leser durch den Fleischwolf dreht, wie er sie ins Spiegelkabinett schickt, dass sie nicht mehr aus noch ein wissen vor lauter Twists und Täuschungen. Wer das alles zu schnell liest, fällt vor lauter Schwindelgefühlen von der Couch. Und ja, es gibt auch außerordentlich spannende Sequenzen, die dem Leser den Atem rauben. Und natürlich erleben wir zum Schluss des Buches, dass wir Fitzek wieder auf den Leim gegangen sind. Das ist gekonnt geschrieben, keine Frage. Dennoch fehlt es mir an Feinheiten im Ausgestalten, insbesondere die Protagonisten bleiben technisch-konstruiert künstlich und damit für den Leser fremd und fern. Ganz wunderbar dagegen sind Fitzeks Danksagungen am Ende des Buches: Man sieht beim Lesen sein verschmitztes Lächeln direkt vor sich…

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Bewertung vom 10.11.2020
Die Hornisse / Tom Babylon Bd.3
Raabe, Marc

Die Hornisse / Tom Babylon Bd.3


sehr gut

Packende Szenen und ein gemeiner Cliffhanger

Wenn ein renommierter LKA-Ermittler wie Tom Babylon mitten beim Babyschwimmen weggerufen wird an einen Tatort, so zeigt sich meiner Meinung nach genau an dieser fast komisch anmutenden Szene sowohl die Stärke als auch die Schwäche des vorliegenden Buches.

Der gefeierte Rockstar Brad Galloway ist tot, er liegt ausgeblutet und ans Bett gefesselt in seinem Hotelzimmer. Einzige mögliche Spur: Eine unbekannte Frau hatte Brad Galloway noch während seines Konzertes in Berlin am Abend zuvor einen geheimnisvollen Umschlag überreicht. Tom Babylon nimmt zusammen mit der Psychologin Sita Johanns die Ermittlungen auf. Jemand sinnt auf Rache und will alles zerstören, was Tom Babylon wichtig ist, doch der eigentliche Anfang der Geschichte liegt bereits 30 Jahre zurück.

Auch in diesem dritten Band rund um den Ermittler Tom Babylon wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Die gegenwärtigen Geschehnisse sind im mühsam zu lesenden Präsens geschrieben, die Rückblicke rund um das Jahr 1989 im flüssigen Imperfekt. Die beiden Zeitebenen verweben sich, je weiter man liest, immer mehr, verknoten sich geradezu, geben Informationen und verwirren gleichzeitig. Es gibt Passagen von großer packender Spannung, insbesondere bei den Rückblicken, die sehr intensiv das Leben in der DDR mit der großen Angst vor dem herrschenden Denunziantentum schildern. Aber leider gibt es im Buch auch gewisse Längen, besonders während der Schilderungen der eher frustranen Ermittlungsarbeit. Und es wurde mir mitunter zu viel an Privatheit, was Tom Babylon da aus seiner Vergangenheit mit sich schleppt. Besonders die Szenen mit seiner vor 20 Jahren verschwundenen kleinen Schwester Viola, die gerne mal neben ihm im Auto sitzt und Kommentare abgibt, gingen mir bald auf die Nerven. Doch grundsätzlich ist auch dieser dritte Band gut und flott zu lesen, mit einer geschickt konstruierten Handlung, lebendigen Dialogen, aber leider mit einem ganz gemeinen Cliffhanger zum Schluss.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2020
Die wundersame Winterreise der Selma Larsson
Lindström, Erik O.

Die wundersame Winterreise der Selma Larsson


ausgezeichnet

Ein Kinderbuch, wie es gelungener nicht sein könnte

Nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Mutter muss arbeiten, in einem Altersheim. Dass diese Arbeit sehr wichtig ist, weiß Selma, gerade an Weihnachten. Deshalb soll Selma zu ihrem Papa, der inzwischen eine neue Familie hat. Doch Papa sagt ganz kurzfristig ab. Selma ist sehr traurig, da bleibt nur noch, ganz wild auf dem Trampolin herumzuhüpfen, das hilft ein wenig. Schließlich kommt die rettende Idee: Selma soll zu Tante Maja, darüber freut sich Selma sehr. Als sie aus dem Zug aussteigt, wird sie jedoch von niemandem erwartet. So macht sich Selma zu Fuß durch den tiefen Schnee auf den Weg. Und damit beginnt ein aufregendes Abenteuer…

Welch eine Wohltat: „Die wundersame Wintereise der Selma Larsson“ ist ein Kinderbuch, wie es nicht gelungener sein könnte. Durch die spannungsreiche Geschichte verführt es kleine Leser in eine andere Welt. Ohne modisch anbiedernde Gassensprache. Ohne pädagogisch wertvolle Absichtserklärungen. Ohne offenkundige Problembewältigungs-Vorschläge. Nein, einfach ein Kinderbuch, wie es Kindern gut tut. Märchenhaft fast. Zum Wegträumen. Phantasie anregend. Zum Mitfiebern. Und tröstlich vor allem, denn die Geschichte geht gut aus. Und deshalb wohltuend für Kinderseelen. Eine Geschichte für kleine Leser (oder Zuhörer), die aufregend ist und deshalb gefangen nimmt, um nach einer Zeit des Mitfieberns wieder in die Realität auftauchen zu lassen. So, genauso sollen Kinderbücher sein, wenn sie das Wichtigste, was es gibt, den Leseanfängern mitgeben wollen: Die intensive Kraft der Phantasie. Die schlichten, aber ausdrucksstarken Illustrationen von Sonja Bougaeva, zum Teil koloriert, unterstreichen dieses rundum schöne vorweihnachtliche Kinderbuch

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.