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LindaRabbit
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Freiburg
Über mich: 
Leseratte erster Klasse!

Bewertungen

Insgesamt 254 Bewertungen
Bewertung vom 19.09.2021
Die Sache mit dem dritten L / Leo und Lucy Bd.1
Elbs, Rebecca

Die Sache mit dem dritten L / Leo und Lucy Bd.1


ausgezeichnet

der Leo aus dem 15. Stock mit dem coolen Skateboard

Leo will den Vorlesewettbewerb gewinnen, er ist aber ein schlechter Vorleser. Er will gewinnen, weil er ein Skateboard möchte und damit die Skateboard Meisterschrift gewinnen. Von dem Preisgeld will er Lucy eine Freude bereiten.
Leo lebt in seiner astronautischen Traumwelt.

Köln-Chorweiler ist nicht gerade 'high end of the city', nicht die Traumstation, wo Träume automatisch erfüllt werden. Leo muss für seine Träume kämpfen (nein, es ist leider nicht das Skateboard von dem er träumt, was er zum Geburtstag erhält). Und Lucy sitzt im Rollstuhl, Leo will aber für Lucy, die er sehr schätzt, auch einiges ermöglichen, was andere, die ihre Beine benützen können, sowieso können.

Stil: Allein schon der Titel: Die Sache mit dem dritten L. Da will man doch sofort wissen, was ist das dritte L? Auch schon erste Kapitelüberschrift: Wenn möglich Außerirdischen aus dem Weg gehen...Leo, Lucy und L.

Titelbild: Sehr niedlich, erzeugt Interesse

Für Kinder ein großartiges Buch in die Welt derjenigen, die es nicht ganz so leicht haben

Rebecca Elbs, Carlsen Verlag
Auszeichnung: Kirsten-Boie-Förderpreis

Bewertung vom 19.09.2021
Die Schlotterbeck-Chroniken
Wamsler, Mark

Die Schlotterbeck-Chroniken


ausgezeichnet

ich schlottere mit dem Schlotterbeck


Natterlein, Lord Draco und Schlotterbecks einziger Fangzahn - das Leben ist hart. Und das in Immernacht, Teil von Gruselheim. Der arme nicht-bluttrinkende Schlotterbeck war noch nie aus Gruselheim herausgekommen, er kannte die Außenwelt nur durch das 'scary net', doch Mama Ludmilla und Flap machten die kleine dreiundeinhalb Zimmergruft am Rande von Gruselheim schon angenehm. Mit seinem Vater gab es immer Probleme, weil er eben kein Blut trinken wollte. Doch nun mit seinen 165 jungen Jahren muss er doch ran...

Das hat er davon, dass er die Blutbank zerstörte und die bluttrinkende Schülergemeinschaft nicht auf ihre Kosten kam... nun muss Julius Schlotterbeck Abenteuer bestehen.

Mark Wamslers Schlotterbeck Chroniken sind einfach großartig, die Sprache ist so schnoddrig wie ein Youth Slang eben sein muss... (wobei ich annahm, boah ist eher wieder out, gehört zu den weitaus Älteren... boah, aber echt geil). Sehr gut geschrieben! Macht auch ältern Vampirfans Spaß...

Und vor allem ist es eine großartige Schreibe, um Jüngeren zu Toleranz, Respekt und Akzeptanz von Andersartigen aus Sicht eines Vampirjünglings zu erzählen.

Supertolles Titelbild - großartig gezeichnet mit dem schlottrigen Schlotterbeck, ein Zähnchen sexy aus dem Mund hängend und seine erotischen Fledermausohren, dazu modisch natürlich zerrissene Jeans an den Knien. Alles in eine düstere romantische Nachtszene getaucht auf einem Friedhof, der blutige Anfänger sagt alles schon!

Bewertung vom 19.09.2021
Der Sucher
French, Tana

Der Sucher


ausgezeichnet

Die grüne Insel, ein Ex-Cop, ein Kind

Buchumschlag: Gewitter über Irland. Zeigt bereits die Dramatik an, die sich im Buch entwickelt. Geschickt gewählt

Buchinhalt: Wenn ein Cop aus Chicago sich in den Westen von Irland zurückzieht, dann ist er auf der Flucht (vor sich selbst, Frau und Tochter). Er kommt an und wird im Dorf aufgenommen. Doch Tiere kommen seltsam zu Tode. Und ein Kind (Trey) spielt eine Rolle, was Cal (der Cop) langsam zu zähmen scheint. Er schafft es innerhalb kurzer Zeit Freunde zu haben, die genauso verschroben sind wie er…, die deswegen zu ihm passen.

Ein literarischer Thriller. Hochspannend.

Cals Interaktion mit der Natur ist sehr schön, er versucht sich mit den Krähen anzufreunden. Noch schöner ist die zart beginnende Freundschaft mit Trey, die wirklich wichtig für beide wird.

Stil: Sprache mit Tiefgang. Die Autorin verbindet inneren Monolog geschickt mit Ortsbeschreibungen. Die Lust die grüne Insel zu besuchen wird gesteigert. Reisen im Kopf.

Lesen!
(Ich habe es auf Englisch gelesen, das was ich gerne mit Übersetzungen mache)

Bewertung vom 19.09.2021
Die Flucht beginnt / Survivors Bd.1
Pfeiffer, Boris

Die Flucht beginnt / Survivors Bd.1


ausgezeichnet

Alarm in der Tiefsee

Höchste Eisenbahn: Ausgebleichte Korallen, Fische, die ums Überleben kämpfen, Plastikmüll – der sie erstickt, Erwärmung der Meere, Schmelzen des Ewigen Eises an den Polen, wegbrechende Eisschollen, die den Eisbären den Raum vermindert...
Ich habe Frank Schätzings Schwarm gelesen und seither 'fresse' ich alle Bücher zu den Problemen im Meer.

Aufregend geschrieben - so werden schon etwas Jüngere mit dem Problem konfrontiert... obwohl ich denke, dass viele Jugendliche schon wissen, was abgeht. Wenn Fische im Schwarm schwimmen (Sardinen z.B.), dann geht es immer darum sich im Schwarm zu retten, damit Fressfeinde nur wenige erwischen und die anderen überleben. Wenn unterschiedliche Fische, die keine Schwarmfische sind und aus ganz anderen Fischfamilien stammen, zusammen einen Schwarm bilden - dann ist die Lage ernst, sehr ernst (das ist natürlich nur für dieses schöne Jugendbuch so dargestellt)

Zacky, Heuler, Scir, DonDon und wie sie alle heißen, halten jetzt zusammen, um den schlimmsten Feinden, die sie alle fressen wollen, zu entkommen.

Die Überschriften der Zwischenkapitel sind so spannend geschrieben, dass wohl keiner über neun Jahren das Buch so schnell wieder aus der Hand legt.

Pfeiffer sagt es genau richtig, nur wenn alle zusammenhalten lässt sich eine Lösung finden.

Toll, endlich ein Jugendbuch über die Lage der Tiefseebewohner. Es ist sehr schön kindgerecht geschrieben und kann nur empfohlen werden!

Schneiderbuch in der Harper Collins GmbH, Dragonfly – Verlag

Bewertung vom 19.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Auf der Reise zu sich selbst

Tom sieht die Welt aus dem Blickwinkel seiner Kamera. Schutzschild? Er betrachtet die Fotografien und merkt, dass er seine Liebe, seine Kinder, sein Leben nur durch die Fotografien betrachtet. Er weiß, dass er kein großer Künstler ist. Und er ist auf dem Weg an dem Unausgesprochenen zu zerbrechen...
Das Buch beginnt damit, dass Tom sich auf eine gefährliche Autofahrt durch eine Winterlandschaft begibt, um seinen Sohn Luke zu holen, der krank in einem einsamen Haus steckt. Von Nordirland nach Schottland.

Bei 'Park' habe ich intensiv festgestellt, dass es nicht reicht, ein Buch nach der Leseprobe zu beurteilen. Der Einstieg in den Roman ist nicht gerade spannend und ich dachte, was da wohl kommt. Doch es wurde viel interessanter als ich vermutete.
Das Kennenlernen von Tom und Lorna, dieser brutale Typ (sein Vorgänger), der ihnen das Leben versäuern will. Die Reise, die kleinen Ereignisse am Rande der Reise, die zum großen Nachdenken führt. Das Erlebnis beim Engel. Die Sorge um den ältesten Sohn Daniel, der langsame bis zum endgültigen Verlust von Daniel. Das Aufbrechen der Narben und Verkrustungen.

Stil: Vereistes Land, zugefrorener See – der Autor schreibt in langen Schachtelsätzen. Und es ist nicht einfach zu lesen, kein darüber Huschen, sondern ein langsames Wort für Wort sich vortastend. Seine philosophischen Betrachtungen, vermischt mit der Kargheit der Landschaft, und immer das Gefühl der Linse vor seinen Augen, macht das Buch eigentlich zu einem Gedichtsband. Die Sprache wird immer besser, immer eigener, immer außergewöhnlicher...Es ist kein Buch, durch das ich mich 'fresse' und es nicht aus der Hand legen kann, es ist ein Buch, was ich immer wieder in die Hand nehme und Neues entdecke.

Coverbild: Aufnahme aus der Höhe - eine Straße, die sich am rechten Bildrand entlang zieht. Winterlandschaft. Auf jeden Fall reizt es das Buch in die Hand zu nehmen und reinzuschauen, wohin führt die Straße? Was passiert in diesem Wald?

David Park, Reise durch ein fremdes Land
Dumont Verlag (übersetzt von Michaela Grabinger)

Bewertung vom 15.09.2021
Rochade
Tötschinger, Reinhard

Rochade


sehr gut

Fälschung!

Ein Attentat auf ein Bild; ein Restaurateur, der selbst Maler ist. Das Vergnügen ein großartiges Bild in Händen zu haben – es anfassen zu können. Was nur wenige dürfen. Er muss – der Restaurateur. Es ist beschädigt. Nun strömen seine Gedanken zum Bild, zur Malerei, zum Kunstverständnis. Angesichts der Tatsache, dass gerade ein anscheinend bekannter Künstler eine ‚unsichtbare Skulptur‘ für 15.000 Dollar verkauft bekam, stellt sich die Frage nach ‚Kunst‘, was ist Kunst, wer ist Künstler und welche Kunstobjekte sind authentisch?

Die Gedanken des Restaurateurs fließen so auch zum Kunstgeschäft aufs Papier. Zu den Besitzenden und den Schauenden.

Der Roman spielt im Jahr 2022 und er erinnert an das aktuelle österreichische Geschehen. Der Kanzler will das zerstörte Bild restauriert für sich, der Restaurateur will das aber nicht.

Stil: Ich-Erzähler, der Ahnung hat vom Kunstgeschäft

Reinhard Tötschinger, 'Rochade', 2021, Picus Verlag

Bewertung vom 05.09.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Die Schwarzen Reiter und die Kinder

Stefanie vor Schulte entwickelt in ihrem Erstlingswerk eine brilliante Romanidee, die direkt von dem Einbandsgemälde des Romans entnommen worden sein könnte. Der Junge auf dem Gemälde schaut melancholisch, aber auch charakterlich gefestigt auf den Betrachtenden.Und darum geht es in dem Roman: Eine Geschichte über einen Jungen mit seinem schwarzen Hahn. Ein Junge mit einer nicht alltäglichen Geschichte.

Wer könnte dieser Junge sein? Wann und wo könnte er gelebt haben? Der Maler, mit dem Martin mitgeht, nimmt er eine Vaterrolle für den Jungen ein? Meint der Maler es gut mit ihm oder nützt er den feinsinnigen und hilfsbereiten Jungen aus?
Die Autorin lässt den Roman in einer Zeit spielen, die von Rechtlosigkeit und Armut geprägt ist. Die Menschen kämpfen täglich um ihr Überleben. Satt sein, glücklich sein, etwas für die Zukunft zurücklegen, die Kinder in Schulen ausbilden – all das gibt es hier nicht. Es herrscht der pure Überlebenskampf vor.

Der kleine Martin ist der einzige Überlebende einer größeren Familie, die der Vater eines Tages mit dem Beil erschlagen hat. Im Dorf kümmert sich niemand um ihn. Die Menschen haben eher Bedenken, dass sich sein Unglück auf sie übertragen könnte. Und dann dieser schwarze Hahn, der wie ein Teufel auf der Schulter des Jungen sitzt... Einzig ein Maler, der die Kirche im Dorf ausmalen soll, hat Mitleid mit dem Jungen und sieht in dessen Augen etwas Besonderes. Deshalb nimmt er ihn als Modell für den Christus, was die Leute im Dorf (die der Maler als Idioten bezeichnet) verärgert, ausgerechnet der Ausgestoßene.

Im Roman muss Martin viele Abenteuer bestehen und wächst dabei zu einer menschlichen Größe, erhaben über die Niederträchtigen um ihn herum. Das geht fast bis zur Selbstaufgabe des Jugendlichen. Aber seine eigentliche Aufgabe besteht darin herauszufinden, wer die wilden Reiter sind, die überall Kinder entführen, und was mit diesen Kindern passiert. Er findet es heraus.
Die übelste Gestalt in diesem Roman ist die Fürstin, die nur ihren eigenen kranken Egoismus auslebt und gar nicht merkt, wie ihr Volk darbt, hungert und verroht. Sie ist es auch, die die Aufträge für die Kindesentführungen erteilt. Martin muss nun an seine äußersten Grenzen gehen, um die Kinder zu befreien. Nachdem er auch noch eine Brachialaufgabe bewältigen muss, ist er der Retter.

Das ist alles sehr eindringlich beschrieben. Martin und die Fürstin bilden krasse Gegensätze. Während er – wie sein Vorbild Christus – das Gute will, ist die Fürstin geprägt von Eitelkeit und purem Egoismus und nicht ihrer Aufgabe als Landesfürstin gewachsen. Doch bei aller Grausamkeit und Hoffnungslosigkeit lässt der Roman am Ende einen positiven Ausblick auf die Zukunft zu. Martin kehrt zu dem Menschen zurück, der ihm am Meisten (neben seinem Hahn) bedeutet.

Der Schreibstil, knappe Sätze mit knallharten Aussagen. Ist das nicht Hemingway-Stil? Es ist aber auch ein sehr märchenhafter Stil. Mir kommt der gesamte Roman wie eine literarische Allegorie vor… Es ist eine brutale Erzählung, bei der ich öfters tief durchatmen musste. Kein leichter Stoff, sondern Ttiefgründiges über die Menschheit. Daher denke ich an ‚Allegorie‘, diese wortgewaltige Verarbeitung von Hilfbereitschaft, Egoismus, Not und Elend soll den Lesenden anregen (Parallelen in der real existierenden Welt zu sehen). Daher sind meine Anfangsfragen lediglich als Hinweise zu betrachten, denn es gibt keine näheren Angaben zum wo, warum, wieso.

Das Buch-Cover ist sehr ansprechend, ein künstlerisches Bild... gefällt mir gut!
Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 227 Seiten und kostet 22 Euro.

Bewertung vom 05.09.2021
Ritchie Girl
Pflüger, Andreas

Ritchie Girl


ausgezeichnet

Wer die Wahrheit sucht, muss sie auch ertragen

Wer die Wahrheit sucht, muss sie auch ertragen! Keine Überschrift könnte besser sein als diese: Es ist ungemein brutal, was Paula ertragen muss.

Das Gedicht ‚keine, die so ging wie ich‘ am Anfang des Vorspanns weckt natürlich ungeheuer die Neugierde… keine, die so ging…. Und jetzt verschwunden ist? Es ist harter Tobak, denn es geht um die Nazizeit, um Aufarbeitung, ‚meine Schuld, deine Schuld‘ ?

Das Camp Ritchie existierte tatsächlich als Ausbildungslager für ‚Military Intelligence Training‘ (überwiegend deutschsprachige, jüdische und oppositionelle junge Männer, die in der US-Armee gegen Nazi-Deutschland kämpfen; dazu gehörten auch Thomas Mann, Stefan Heym, Georg Kreisler, um nur ein paar illustre Namen zu nennen). Die sogenannten Ritchie Boys waren ein wichtiger Bestandteil zur Besetzung Nazi-Deutschlands und danach für den demokratischen Aufbau. Kaum bekannt, weil alle Ritchie Boys Stillschweigen darüber hielten. Nun zum ersten Mal wird ein ‚Ritchie Girl‘ erwähnt, es gab auch später einen weiblichen Teil in Camp Ritchie. Allerdings wurden sie bei Beförderungen gerne übergangen und sie waren Belästigungen ausgesetzt. Der Name Ritchie stammt von einem Politiker.

Die Titelheldin Paula wuchs in Berlin auf und lebte neun Jahre während der Hitler-Diktatur dort (sie war eine privilegierte Ausländerin, deutsche Mutter, US-amerikanischer Vater, der aus reichem Haus kam). Nun kommen als Ritchie Girl ihre Deutschsprach- und vor Ort Kenntnisse gut an. In der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges kommt sie wieder nach Europa und erlebt die verheerenden Auswirkungen von Faschismus und Krieg in Italien, in Österreich und dann in Frankfurt.

Doch Paula, hoch intelligent, gebildet, begabt, wird für Sonderaufgaben ausgesucht. Sie wird mit schlimmen Nazi-Verbrechern konfrontiert. Sie ist sogar in Nürnberg dabei als Todesurteile ausgeführt werden. Und immer wieder sucht sie die Wahrheit, wird mit ihrer eigenen Jugend konfrontiert, was sie als junger Mensch verdrängte und wie sehr ihr eigener Vater im ‚System‘ involviert war, denn die Nazi-Größen gingen in ihrem Elternhaus ein und aus. Und da ist noch ihre große Liebe, der sie wieder begegnet und immer noch an ihm hängt. Doch peu a peu bekommt sie immer mehr über ihn heraus und es ist die größte Scham in ihrem Leben. Doch da ist immer Sam... und Sam ist Sam. (Die Geschichte ist voller Überraschungen!)

Stil: Eine wortgewaltige Explosion mit solch interessanten und aufregenden Metaphern, dass mich fast jede Metapher umreißt und ich den Boden unter meinen Füßen verliere. Großartig zu lesen! Allerdings geht es recht langsam voran, es ist kein Buch was ich so nebenbei verschlingen kann, sondern was ständig zum Nachdenken anregt. Auch recherchiere ich viel im Internet dazu, weil ich manchmal einfach nicht glauben kann was ich lese. Aber es stimmt – der Autor hat hervorragend recherchiert. Und wo er Fiktionen eingebaut hat, gab er das in seinem Schlusswort auch zu. Sehr sauberes Handwerk!

Nur den Buchumschlag finde ich nicht besonders: Die Monumentalbauten am unteren Rand scheinen die Gebäude der IG Farben in Frankfurt zu sein, die erstaunlicherweise die Bombardierung von Frankfurt überstanden haben. Dahinter eine rot aufgehende Sonne oder Scheinwerfer – wie sie faschistische Staaten (Nazis, Stalin, usw.) gerne benutzen. Ich vermute, es bezieht sich als Symbol auf den Nazi-Faschismus.

Mein Schlusswort - der Autor sagt, als er das erste Mal vom Ritchie Camp hörte: „Du hast dein ganzes Leben lang diesen Roman in dir gehabt, und es nicht gewusst“. Jetzt hat er ihn geschrieben und es ist mehr als lesenswert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2021
Ein Koffer voller Schönheit / Frauen, die die Welt schöner machen Bd.1
Engel, Kristina

Ein Koffer voller Schönheit / Frauen, die die Welt schöner machen Bd.1


ausgezeichnet

Damals in den Sechzigern

Wer kennt noch die Avon Beraterin?

Avon, Kosmetikprodukte aus dem Köfferchen zu verkaufen – damals – eine Sensation. Heute, nicht mehr bekannt. Anne fährt mit ihrer Isetta (damals in den Sechzigern die Fahrsensation, heute steht die Knutschkugel im Museum in Bonn, mein Vater hatte eine solche Knutschkugel, zum vorne einsteigen... vor meiner Zeit). Anne sieht nicht aus wie die damals durchschnittliche deutsche Frau – sondern hat einen fremdländischen ‚touch‘ an sich. Das könnte vielleicht für eine neue Idee sogar von Vorteil sein. Der Vorspann erzählt von Annes erster Fahrt von Lüneburg aufs Land, zu einer Bäuerin, die sich für den Bauernball schick machen wollte. Anne erinnert sich auch an ihre Ehe, die mal liebevoll begann und jetzt nichts mehr ist.

Dieses Buch erzählt davon, wie schwierig der Weg der Nachkriegsfrauen (nach dem Zweiten Weltkrieg) war und wie sie ihren Weg in die Emanzipation sich bahnen mussten – etwas, was wir heute als selbstverständlich annehmen.

Was mich faszinierte, war die unkonventionelle Schwiegermutter … schön, so einen Schatz an seiner Seite zu wissen. Da kann der Mann noch so sehr hinterwäldlerisch sein. Sie ist lustig und fidel. Leider wohl sehr selten solche Schwiegermütter...

Stil: Nett erzählt, vor allem von den Schwierigkeiten eine Avon Beraterin zu werden. Erinnert mich auch an die Anfänge von Beate Uhse, die mit ihrem Erotikunternehmen anfänglich auch gegen massive Probleme anzugehen hatte und später eine großartige Unternehmerin wurde (trotz der Schmuddelecke).

Es ist ein wichtiges Buch, um sich darüber im Klaren zu werden wie schwierig Anfänge sind, der Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch ein 'start up' (wie es heute so schön heißt) aufzubauen.
Durchaus lesbar für diejenigen auch, die heute ein neues Unternehmen aufbauen wollen. Die Schwierigkeiten bleiben, vielleicht auf anderer Ebene. Daher nicht aufgeben, Hütchen auf und durch!

Bewertung vom 02.09.2021
Das geheime Leben des Albert Entwistle
Cain, Matt

Das geheime Leben des Albert Entwistle


sehr gut

Der Briefträger

Der Buchtitel bringt es – allein das Wort geheim. Geheimnisse ziehen uns doch an. Und so will jeder dem Geheimnis des Briefboten auf den Grund gehen. Wer ist George? Auf was ist seine Sozialphobie begründet? Und wird die Suche nach seiner Liebe fündig? Dazu im Rahmen einer kleinen englischen Stadt (mit Charme, heißt es, denken wir da nicht an Cornwall und ähnliche literarisch bereits gut beackerte Regionen des britischen Königreichs?)

Stil: Leicht zu lesen, es geht ja meistens um Alltagsbeschreibungen von Albert und seinen inneren Ängsten, dass er nicht mit Leuten reden möchte. Er taut zweimal auf: Als er vor lauter Angst, den offiziellen Brief lesen zu müssen, zu seiner Beruhigung tanzte. Die Worte dazu bringen einem Albert ziemlich nahe und macht neugierig auf das schreckliche Geheimnis. Das zweite Mal, als er einen Weihnachtspullover kaufen muss und ihn die Verkäuferin ungemein geschickt um den Finger wickelt. So gut beschrieben, dass man meint daneben zu stehen. Dann ist da auch der Neuzuzug in seiner Postbotenrunde und da meint man seinem Geheimnis doch ein Stück näher gekommen zu sein.

Buchumschlag: Ein englisch roter Briefkasten, eine graue Katze, die Umrandung wie ein Luftpostbrief, Briefe, die über das Bild flattern. Sehr romantisch gemacht, anziehend!

Ich empfehle gern das Buch! Mit Albert um die Ecke ziehen. Der stille Held des Romans ist ein liebenswürdiger Mensch, den man einfach gernhaben möchte. Und wer Matt Cain kennt, mag erraten in welche Richtung Alberts Suche geht...

Matt Cain, Das geheime Leben des Albert Entwistle, Ullstein Verlag
(Dieses Buch ist das dritte von Matt Cain)