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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 743 Bewertungen
Bewertung vom 31.12.2019
Ein Leben mehr
Saucier, Jocelyne

Ein Leben mehr


gut

Theodore (Ted) Boychuk hat den verheerenden Brand von Matheson in Nord-Kanada 1916 als damals 14-jähriger überlebt. Dabei verlor er seine gesamte Familie. Er wurde in der Region zu einer Legende. Jahrzehnte später ist die 80-jährige Fotografin Ange-Aimée auf den Spuren von Boychuk und will Hintergründe recherchieren.

Boychuk ist zu Beginn der Geschichte bereits tot, gestorben in einer einsamen Hütte, abseits der Zivilation, wo er zusammen mit Tom, einem 86-jährigem ehemaligem Schmuggler und Draufgänger und Charlie, einem 89-jährigem Naturburschen die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat.

Die alten Männer gehen auf die Jagd und betreiben eine Hanfplantage. Ihre Ruhe wird gestört, als nacheinander 2 Frauen in der Hütte auftauchen und zwar die Fotografin sowie die eigensinnige Marie-Desneige, die 66 Jahre ihres Lebens in der Psychiatrie verbracht hat. Das Leben der Männer verändert sich.

Der Roman ist angereichert mit Retrospektiven. Jedoch wirken die Ereignisse nicht authentisch. Mit fast 90 Jahren in der Wildnis zu leben, hat mit Romantik nichts zu tun. Die Beschreibungen hätten den realen Gegebenheiten angepasst werden können. Auch wirken die Charaktere arg konstruiert. Dennoch hat mir das Ende der Geschichte gefallen.

Bewertung vom 30.12.2019
Größen der Mathematik
Stewart, Ian

Größen der Mathematik


sehr gut

Mathematiker, die Geschichte geschrieben haben

Ian Stewart stellt 25 bedeutende Mathematiker vor, aus der Antike bis in die Moderne, aus dem Osten wie aus dem Westen. Die historische Reise beginnt ca. 250 v. Chr. bei Archimedes von Syrakus und endet in der Neuzeit bei dem amerikanischen Mathematiker William Thurston.

Inhaltlich handelt es sich um eine Mischung aus besonderen Lebensumständen und mathematischen Leistungen der Protagonisten. Stewart versucht Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Ein besonderes Merkmal ist die Besessenheit der Mathematiker für ihr Fach. Auch kristallisierte sich ihr Talent früh heraus.

Die Biograhien sind zwangsläufig lückenhaft. Stewart vermittelt Ausschnitte aus ihrem Leben und ihren Werken. Wer sich für bestimmte Mathematiker interessiert, sollte auf Einzelbiographien zurückgreifen, die auf dem Buchmarkt zu finden sind. Im Gegensatz zu seinem Buch „Weltformeln“, stehen hier die Menschen im Vordergrund.

Bewertung vom 14.07.2019
Und Nietzsche weinte
Yalom, Irvin D.

Und Nietzsche weinte


ausgezeichnet

In diesem Roman beschreibt Irvin D. Yalom die fiktive Begegnung zweier realer Personen der Zeitgeschichte und zwar des Wiener Arztes Josef Breuer und des Philosophen Friedrich Nietzsche im Jahre 1882. Die Begegnung wird durch die junge Russin Lou Salomé eingeleitet, die sich Sorgen um den Gesundheitszustand ihres guten Bekannten Nietzsche macht. Nietzsche sei körperlich und seelisch krank und verzweifelt.

Nietzsche erweist sich als skeptischer Patient, dem es an Vertrauen mangelt und bricht die Behandlung daher nach kurzer Zeit ab. Erst nach einem Anfall und durch einen Trick kann Breuer ihn davon überzeugen, in Wien zu bleiben und zwar nicht als sein Patient, sondern als Therapeut von Breuer, der selbst Probleme mit seiner Patientin Bertha Pappenheim hat, der er verfallen ist.

Nietzsche geht auf das Angebot ein. Breuer hofft durch die folgende Gesprächstherapie Zugang zu Nietzsche zu bekommen und ihm so doch noch helfen zu können. Es folgen zahlreiche Gespräche zwischen Breuer und Nietzsche über Philosophie und Psychotherapie auf hohem Niveau. Diese Gespräche machen den Kern des Buches aus. Die Psychotherapie wird in diesem Buch quasi vorweggenommen.

Breuers junger Diskussionspartner und Freund Sigmund Freud trägt maßgeblich zu einer Wende in Breuers Gesundheitszustand bei. Die intensiven Gespräche und die Zuwendung erweisen sich auch für Nietzsche als äußerst nützlich. Autor Yalom ist selbst Professor für Psychiatrie und damit in der Lage, einen realistischen Gesprächsverlauf zu skizzieren. Zu guter Letzt geben die Protagonisten Einblick in ihre Psyche.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.03.2019
Der Tänzer
McCann, Colum

Der Tänzer


sehr gut

Rudolf Chametowitsch Nurejew (1938 - 1993) gilt als einer der größten Ballett-Tänzer des 20. Jahrhunderts. Aufgewachsen in der Nähe von Irkutsk, UDSSR, emigrierte er 1961 in den Westen nach Paris, wo seine internationale Karriere begann. Colum McCann zeichnet in seinem ausdrucksstarken Roman „Der Tänzer“ den Lebensweg dieses charismatischen, aber auch exzentrischen Ausnahmetalents nach.

Autor McCann lässt Zeitgenossen von Nurejew erzählen. So entstehen unterschiedliche Perspektiven, die wie Mosaiksteine zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden können. Deutlich werden Nurejews früh ausgeprägte Leidenschaft fürs Tanzen und sein unsteter Lebenswandel. Er versteht es, die Freiheit des Westens für seine Zwecke zu nutzen. Sein Lebenswandel ist exzessiv.

McCann ist ein begnadeter Erzähler, der die Lebensumstände schonungslos und eindringlich darstellt und intensiv in die Gefühlswelt der Protagonisten einsteigt. Nurejew führt ein außergewöhnliches Künstlerleben ohne Tabus. Unklar ist manchmal die Perspektive, aus der berichtet wird. Insofern ist ein konzentriertes Lesen erforderlich. Besonders beeindruckt hat mich die Darstellung seiner Kindheit in der Sowjetunion.

Bewertung vom 09.02.2019
Die Brandmauer / Kurt Wallander Bd.9
Mankell, Henning

Die Brandmauer / Kurt Wallander Bd.9


gut

In Schonen gibt es in kurzer Zeit mehrere brutale Morde. Handelt es sich um Einzelfälle, die nichts miteinander zu tun haben oder steckt organisierte Kriminalität dahinter? Wallander und seine Kollegen sind ratlos. Nach und nach lüften sich einige Geheimnisse und es werden Querverbindungen aufgedeckt. Es geht um die Finanzwelt und um Computerkriminalität. Das ist Stoff für einen Thriller.

Leider hält der Krimi nicht das, was er verspricht. Die Story ist zwar spannend, bewegt sich thematisch aber an der Oberfläche. Es reicht nicht aus, Begriffe wie „Weltbank“ und „Hacker“ in den Raum zu werfen, sondern das Thema erfordert tiefgehende Recherchen über die globale Finanzwelt einerseits sowie über Computertechnik und Vernetzung von Systemen andererseits.

Wallander hat zwar einen glänzenden kriminalistischen Instinkt, aber keine Ahnung von Computern. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn Autor Mankell in seinem Krimi Protagonisten kreiert hätte, die diese Zusammenhänge eingehend erläutern. So muss man Mankell vorwerfen, sich nicht genügend mit der Materie beschäftigt zu haben. Im Fokus stehen eher die Marotten von Kommissar Wallander.

Mit diesem Roman, so mein Eindruck, wird das Ende von Wallander eingeläutet. Er wird leichtsinnig, unzufrieden und aggressiv. Sein Nachfolger scharrt mit den Hufen. Wallanders Privatleben, seine Beziehungen zu seinen Kollegen und Erinnerungen an frühere Fälle nehmen sehr viel Raum ein. Auf der anderen Seite werden nicht alle seltsamen Ereignisse zufriedenstellend aufgeklärt.

Bewertung vom 26.01.2019
Die Eleganz des Igels
Barbery, Muriel

Die Eleganz des Igels


ausgezeichnet

In einem Mehrfamilienhaus in der Rue de Grenelle, einer vornehmen Wohngegend in Paris, wohnen auf 6 Etagen verteilt 8 Familien der sozialen Oberschicht. Die 54-jährige Reneé Michel ist dort seit 27 Jahren als Concierge, eine Art Hausmeisterin, beschäftigt. Sie lebt allein. ihr Mann Lucien ist vor Jahren gestorben.

Reneé verbirgt aufgrund persönlicher bzw. familiärer Erfahrungen, die im Laufe der Geschichte erläutert werden, ihre wahre Persönlichkeit. Eine Concierge gehört einer unteren gesellschaftlichen Schicht an und entsprechend verhält sie sich gegenüber den wohlhabenden Bewohnern des Hauses. In Wirklichkeit ist sie belesen und sehr gebildet.

In der 5. Etage wohnt die Familie Josse. Vater Paul ist Abgeordneter, Mutter Solange ist Sprachwissenschaftlerin, Tochter Colombe ist Studentin und dann gibt es noch die 12-jährige Tochter Paloma, die sich dümmer gibt als sie ist. Paloma ist hypersensibel (289), hochintelligent, lernt Japanisch und will mit 13 Jahren Selbstmord begehen.

"Wenn schon nichts einen Sinn hat, soll der Geist sich wenigstens damit auseinandersetzen, oder?" (20) Paloma macht sich tiefgründige Gedanken über die Welt und schreibt diese in einem Heft nieder. Das Buch besteht aus kurzen Kapiteln, in denen abwechselnd die Perspektiven von Reneé und Paloma dargestellt werden.

In einem Mehrfamilienhaus kommt es zu zahlreichen Begegnungen. Autorin Muriel Barbery schreibt über das Tagesgeschehen, über Konflikte, über einzelne Bewohner sowie über Gedanken und Reflexionen. Es dominiert nicht die Handlungsebene, sondern es sind die Gedanken und Reflexionen, die den Wert des Buches ausmachen.

Kapitel für Kapitel versinken die Leser in sprachgewaltige intellektuelle Betrachtungen. Es handelt sich um eine lebenskluge Geschichte, die auch beim zweiten Lesen noch Freude bereiten kann. Es kommt wie es kommen muss, Paloma und Reneé blicken tiefer als andere und erkennen ihre Seelenverwandtschaft.

Diesen Befreiungsschlag haben sie nicht selbst verursacht, sondern er geht wesentlich auf die unvoreingenommene Art des neuen Hausbewohners Ozu Kakuro, einem Japaner, zurück. Ozu erkennt die Menschen hinter ihren Masken und fühlt sich von gebildeten Menschen angezogen. Paloma und Reneé verändern sich, sie leben auf.

Kritisch würde ich anmerken, dass Paloma nicht nur intelligent, sondern auch weise und lebenserfahren wirkt. Dass eine 12-jährige wirklich über Psychoanalyse, Marcel Proust und Spiegelneuronen reflektieren kann, erscheint mir wirklichkeitsfremd. Dennoch handelt es sich um ein Buch, in dem es viel zu entdecken gibt.

Bewertung vom 28.12.2018
Post von Karlheinz
Kazim, Hasnain

Post von Karlheinz


sehr gut

Der Journalist Hasnain Kazim wurde durch seine Tätigkeit als Korrespondent der Türkei, die er aufgrund seiner kritischen Berichterstattung verlassen musste, bekannt. Zu seinen hauptsächlichen Themen gehören Islamismus, Nationalismus und Patriotismus. Dabei macht er die Erfahrung, dass die islamische Welt ihn für einen Kritiker hält und westliche Neonazis in ihm einen extremen Muslime sehen.

Kazim erlebt, was viele (auch unpolitische) Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, erleben, er wird mit Hasskommentaren konfrontiert. Wie geht er mit der daraus resultierenden Belastung um? Da Ignorieren nicht sein Ding ist, führt er Dialoge mit den Absendern mit mehr oder weniger Erfolg und hat nunmehr einen Teil seiner Mail-Korrespondenz für das vorliegende Buch aufgearbeitet.

Manch ein Schreiber ist überrascht, dass er eine Antwort erhält und einige merken dann, dass sie mit ihrem Kommentar über das Ziel hinausgeschossen sind. Einige erweisen sich als unbelehrbar und da hilft nur der Abbruch des Dialogs. Die Erfahrungen, die der Autor mit seiner Mail-Korrespondenz macht, sind vergleichbar den Erfahrungen, die viele Menschen in den sozialen Medien machen. Der Umgangston ist vielfach unterirdisch.

Der Autor, rhetorisch geschult, antwortet nicht immer sachlich, sondern in einigen Fällen überheblich, provokant oder ironisch. Das dient dann mehr der eigenen Befriedigung, als der Aufklärung der Gegenseite. Jedoch ist bei manchen Schreibern auch Hopfen und Malz verloren. Alles in allem handelt es sich um ein wichtiges Aufklärungsbuch, welches Teilen der Gesellschaft einen Spiegel vorhält.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.12.2018
Leibniz war kein Butterkeks
Schmidt-Salomon, Michael;Salomon, Lea

Leibniz war kein Butterkeks


sehr gut

Das Buch besteht aus einem verständlichen Dialog zwischen dem als Religionskritiker bekannten freischaffenden Philosophen Michael Schmidt-Salomon und seiner Tochter Lea über philosophische Fragen der Gegenwart. Es handelt sich um ein von gegenseitigem Respekt getragenen Gespräch zwischen Vater und Tochter. Es ist aber auch ein Gespräch zwischen Fachmann und Laie.

Schmidt-Salomon präsentiert in seinen Beiträgen seine eigene humanistisch-naturalistische Weltanschauung. Tochter Lea stellt Fragen zu verschiedenen weltanschaulichen und gesellschaftlichen Themen, kann aber aufgrund ihrer Vorbildung inhaltlich nicht viel entgegensetzen bzw. liegen Vater und Tochter in grundsätzlichen Fragen nicht weit auseinander.

Auffallend ist, dass Schmidt-Salomon schwierigen Fragen nicht aus dem Weg geht. Dazu gehören Gottesglaube und Religionskritik, Evolution, freier Wille, Schuld und Sühne, Moral und Ethik, Suizid, Abtreibung, Rechte der Tiere sowie Toleranz und Akzeptanz. Seine kenntnisreichen Ausführungen wirken wie ein frischer Wind, der durch das verstaubte Gebäude der Philosophie weht.

Da Schmidt-Salomon mit seiner Meinung nicht immer richtig liegen muss, wäre eine Fortsetzung der Diskussion mit einem Fachphilosophen oder einem Vertreter aus einem anderen Fachbereich hilfreich, der konträre Positionen zu Schmidt-Salomon vertritt. Die Dialogform eignet sich hervorragend, um unterschiedliche Standpunkte und auch Gemeinsamkeiten deutlich zu machen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.12.2018
Ich sehe was, was du nicht siehst
Dahl, Roald

Ich sehe was, was du nicht siehst


sehr gut

Wer Roald Dahls unglaubliche Geschichten mag und mehr über ihn selbst erfahren möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Abgedruckt sind seine erste Geschichte "Ein Kinderspiel" und seine Autobiographie "Wie ich Schriftsteller wurde". Die Leser werden mit der Erkenntnis konfrontiert, dass bei Dahl selbst die realen Geschichten fantastisch klingen. Das gilt auch für "Der Schatz von Mildenhall". Alle anderen Geschichten in diesem Buch sind frei erfunden.