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Ingrid von buchsichten.de
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Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 329 Bewertungen
Bewertung vom 24.06.2021
Zeit für Träume / Senfblütensaga Bd.1
Langenbach, Clara

Zeit für Träume / Senfblütensaga Bd.1


sehr gut

Emma Bergmann ist eine der Protagonisten der Senfblütensaga, einer Trilogie von Clara Langenbach. Sie wohnt im von den Deutschen annektierten Metz und ist 16 Jahre alt als sie im Jahr 1905 von ihren Eltern zum Onkel nach Speyer geschickt wird. Stattdessen nimmt Emma sich die Freiheit und reist nach Straßburg, um sich dort an der Universität eine Vorlesung eines bekannten Juristen anzuhören, denn sie träumt davon, selbst zu studieren.

Emmas Vater ist Kanzlist und verfügt über ein solides Einkommen, jedoch reicht es kaum aus, um den Ansprüchen seiner Frau Käthe gerecht zu werden. Die Familie hat einen großen Verlust erlitten und seitdem ist das Schweigen zwischen den Eheleuten tief. Käthe sinnt darauf, für Emma einen möglichst gutsituierten Ehemann zu finden und sie bestens auszustaffieren, wenn sie Einladungen nachkommt. Emma fühlt sich zerrissen zwischen den Erwartungen ihrer Eltern und ihren Hoffnungen auf eine berufliche Zukunft. Ihr Aufbegehren wird jahrelang möglichst im Keim erstickt, ruft bei ihr aber noch mehr Widerstand hervor.

Zur gleichen Zeit träumt der wenig ältere Carl, weiterer Protagonist des Romans und einziger Sohn eines Fuhrunternehmers in Metz, von einem eigenen Unternehmen, in dem er Senf herstellen möchte. Sein Vater sieht seinen Sohn jedoch als seinen Nachfolger. Für beide Hauptfiguren ist es die Zeit für Träume. Sie sind jung, innovativ denkend, voller Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben. Emma erkennt die Hintergründe für das Handeln ihrer Eltern ebenso wie Carl, dennoch können sie die Folgen ihrer Entscheidungen nicht immer absehen.

Clara Langenbach stellt die historische Zeit vorstellbar und realistisch dar. Ihr Roman mit fiktiven Figuren basiert auf der wahren Geschichte von Otto und Frieda Frenzel, den Erfindern der heutigen Marke „Löwensenf“. Nachdem Emma und Carl füreinander bestimmt zu sein scheinen, führt die Autorin ihre Hauptfiguren über Höhen und Tiefen, um diese zur Erkenntnis zu führen, ob eine gemeinsame Zukunft möglich ist. Ein Freund von Carl und seine Schwester machen es beiden nicht einfach. Die Entwicklung ihrer Protagonisten wird von der Autorin abwechslungsreich und feinfühlend beschrieben. Allerdings füllt die Autorin den Alltag von Emma meiner Meinung nach nicht vollständig aus, so dass ich dazu kein Bild vor Augen bekam.

In ihrem Buch „Zeit für Träume“, dem ersten Teil einer Trilogie, erzählt Clara Langenbach die Geschichte der beiden jungen, selbstbewussten Figuren Emma und Carl zwischen den Jahren 1905 und 1909, die sich über Widrigkeiten hinweg nicht nur aufeinander zu entwickeln, sondern auch an ihren Vorstellungen einer selbstbestimmten Zukunft festhalten. Die Gefühle ihrer Protagonisten beschreibt die Autorin dabei einfühlsam und bewegend. Vor allem den Lesern und Leserinnnen von historischen Romanen empfehle ich das Buch gerne weiter.

Bewertung vom 23.05.2021
Wie Träume im Sommerwind
Herzog, Katharina

Wie Träume im Sommerwind


ausgezeichnet

In ihrem Roman „Wie Träume im Sommerwind“ stellt Katharina Herzog die Schwestern Clara und Emilia in den Mittelpunkt. Sie wachsen auf dem Rosenhof ihrer Eltern auf Usedom auf. Bereits das Cover ließ mich als Leserin von Rosen, Sonne und Meer träumen, doch die Protagonistinnen haben einige Lebensstürme zu bewältigen.
Schon in ihrer Kindheit beteiligen beide sich an kleinen Tätigkeiten auf dem Hof rund um die Rosen, doch sie sind vom Charakter her verschieden. Clara ist fest mit ihrer Heimat verwurzelt und kann sich ein Leben jenseits des Rosenhofs nicht vorstellen. Aber Emilia, die drei Jahre jünger ist als ihre Schwester, fühlt sich eingeengt, versteht es bereits früh durch ihr Verhalten gelegentlich zu provozieren und möchte ihrem Berufswunsch als Parfumeurin nach Paris. Dort erreicht sie im Sommer 2019 die Nachricht, dass ihre Schwester einen schweren Autounfall hatte und im Koma liegt.

Emilia, die inzwischen 31 Jahre alt ist, reist so schnell wie möglich in die Heimat. Dort wird sie mit weiteren Hiobsbotschaften konfrontiert, die ihre Welt auf den Kopf stellen, denn ihre Eltern stehen kurz vor der Scheidung und der Rosenhof steuert auf die Insolvenz zu. Ein von Clara verstecktes Foto, welches Emilia durch Zufall findet, lässt sie ein Geheimnis dahinter vermuten, dass sie nach Kent in England führt. Auch sie selbst war nicht mit allem offen gegenüber ihrer Familie.

Der Nachbarssohn Josh ist seit der Jugendzeit für die Schwestern da. Emilia war immer eifersüchtig auf sein besonders gutes Verhältnis zu Clara, sie fühlte sich zurückgewiesen. Jetzt freut sie sich über seine Hilfe und spürt, dass auch ihn etwas bedrückt. Lange unterdrückte Gefühle ihm gegenüber drängen ans Tageslicht und neben ihrem ganzen Kummer fühlt sie sich nun auch in Sachen Liebe in einem Zwiespalt.

Katharina Herzog lässt ihre Geschichte auf zwei Zeitebenen spielen. Während Emilia aufgrund des Unfalls ihrer Schwester nach Hause zurückkehrt und damit beginnt, Geheimnisse aus der Vergangenheit aufzudecken, hatte ich die Möglichkeit an Claras Seite nach Kent ins Jahr 1999 zu reisen. In England verbringt sie die Sommerferien vor ihrer Ausbildung auf dem Hof bei einer Freundin der Mutter, deren Ehemann Gärtner ist. Immer wieder wechselt die Erzählung hierhin, denn dadurch klären sich im Laufe der Zeit einige Zusammenhänge. Unterdessen wurde ich in der Gegenwart am Schluss des vorigen Kapitels meist mit einem kleinen Cliffhanger zurückgelassen, was mich veranlasste, schnellst weiterzulesen.

Ihre Figuren hat die Autorin fest in der Hand und begrenzt sie auf eine überschaubare Anzahl. Sie gibt ihnen Gelegenheit ihr Verhalten zu überdenken und zu ändern. Die Sorgen und Ängste, aber auch die Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wendet sind realistisch dargestellt. Auf dem Rosenhof und in Kent dreht sich vieles um duftende Rosen, so dass man beinahe glaubt, den Geruch zwischen den Buchseiten wahrzunehmen. Zwischen den Zeilen ist die Begeisterung der Autorin für die Gärten von Südengland herauszulesen.

In ihrem Roman „Wie Träume im Sommerwind“ zeigt Katharina Herzog, dass Träume nicht nur Schäume sein müssen. Auch ein Scheitern kann man akzeptieren und manchmal bildet sich daraus noch etwas Gutes. Kleine Geheimnisse, unvorhersehbare Wendungen, Liebe und Vertrauen begleiteten mich durch die Geschichte und sorgten für eine unterhaltsame Lektüre, die ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 06.05.2021
Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1


ausgezeichnet

Es ist das Jahr 1919. Magda Fuchs wohnt in Hildesheim, arbeitet als Stationsärztin, ist mit dem Staatsanwalt Bertram verheiratet und schwanger. In einer Nacht, die zur längsten ihres Lebens wird, verliert sie ihren Mann und auch bald darauf ihr Kind. Sie ist die Protagonistin im Roman „Das Leben ein ewiger Traum“ von Helene Sommerfeld. Hinter dem Autorennamen verbirgt sich ein Berliner Ehepaar und in die deutsche Hauptstadt führt auch nach dem furiosen Prolog der weitere Weg der Hauptfigur. Das Buch ist der Auftakt zur Saga „Die Polizeiärztin“, denn als solche beginnt Magda etwa ein Jahr nach ihrem persönlichen Drama beim Berliner Gesundheitsamt und wird in ihrer Funktion dem Polizeipräsidium zugeteilt.

In Berlin lebt Magda in einer neu eröffneten Pension für Frauen. Dort trifft sie auf Doris, die eine Karriere als Schauspielerin anstrebt und auf die Tochter der Pensionsinhaberin Celia, die unglücklich verheiratet ist und davon träumt, Medizin zu studieren. Beruflich trifft Magda häufig auf die Fürsorgerin Ina, die die hässlichen Seiten der Hauptstadt kennt. Die freiberufliche Journalistin Erika ist immer zur Stelle wenn sie eine gute Story wittert, meist nicht zur Freude von Magda. Über die Bekanntschaft zur Rechtsanwältin Ruth lernt sie weitere, unkonventionell agierende, selbstbewusste Frauen kennen, in deren Gesellschaft sie sich zunehmend wohl fühlt. Ihre Arbeit hilft ihr dabei, den Schmerz über die tragischen Verluste zu ertragen und mit der Zeit gelingt es ihr sich für eine neue Beziehung zu öffnen.

Anfang der 1920er Jahre ist eine schwierige Zeit, denn die Deutschen haben immer noch viele Nöte durch die Folgen des Weltkriegs. Lebensmittel sind teilweise noch knapp, ebenso wie der Wohnraum, aber man ist grundsätzlich froh darüber, überlebt zu haben. Neben der Untersuchung von Frauen im Gefängnis wird Magda auch an Tatorten benötigt, um Hilfe bei weiblichen Beteiligten zu leisten. Dadurch wird sie häufiger mit Kindern konfrontiert, deren Schicksal nicht nur Magda, sondern auch mich als Leser berührten. Zunehmend erkennt die Protagonistin, dass den Möglichkeiten zur Hilfe Grenzen gesetzt sind. Außerdem erkennt sie, dass unter der ärmeren Bevölkerung Berlins ein Verhaltenskodex gilt und es von ihr ungeahnte, illegale, verachtenswerte Verdienstmöglichkeiten gibt, über die ich als Leser bestürzt war.

Auf der anderen Seite bot das Berlin der damaligen Zeit durch vielfache kulturelle Angebote Glanz und Ansehen für Stars und Sternchen, wodurch das Leben zum ewigen Traum werden konnte, ein möglicher tiefer Fall nach dem Aufwachen inklusive. Die Figuren sind bis in die Nebencharaktere hinein durchgehend gut ausformuliert und abwechslungsreich gestaltet. Einigen bietet das Autorenpaar die Möglichkeit sich durch Erfahrungen weiter zu entwickeln und ihre Arglosigkeit hinter sich zu lassen.

Die Geschichte wirkt authentisch und immer wieder zeigt Helene Sommerfeld den schwierigen Weg, den vor allem Frauen zu gehen haben, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. An geeignete finanzielle Mittel gelangten sie jedoch meist nur durch einen eigenen Beruf, den sie in der Ehe nur mit Genehmigung ihres Mannes ausüben durften oder durch elterliche Unterstützung. Von Beginn an besteht Spannung durch einige aufzuklärende Verbrechen in Magdas persönlichem und beruflichem Umfeld an deren Aufklärung sie einen gewissen Anteil hat. Durch ständig neue Entwicklungen wird die Spannungskurve bis zum Schluss gehalten.

„Das Leben ein ewiger Traum“ von Helene Sommerfeld ist der erste Band einer Trilogie rund um die Berliner Polizeiärztin Magda Fuchs, in deren Umfeld Frauen zu finden sind, die ihren Wünschen nachgehen und zur Verwirklichung manche Widrigkeit auf sich nehmen. Das Buch endet mit einem Cliffhanger, der auf die baldige Fortsetzung ungeduldig warten lässt. Gerne vergebe ich eine Empfehlung an Leser historischer Romane.

Bewertung vom 19.04.2021
Junischnee
Arnautovic, Ljuba

Junischnee


ausgezeichnet

Im Roman „Junischnee“ erzählt die in Wien lebende Autorin Ljuba Arnautovic ihre Familiengeschichte weiter, die sie in ihrem Debüt „Im Verborgenen“ begonnen hat. Das Lesen des vorliegenden Buchs ist problemlos ohne Vorkenntnisse möglich. Den größten Teil der Erzählung ist dem Leben von Karl, dem Vater der Autorin gewidmet. Doch der Titel führt die Leser in Richtung der Mutter Nina, für die nach altem Brauch ein Bäumchen zur Geburt gepflanzt wird. Aus Versehen wählt der Vater aber eine Pappel statt einer Birke. Ohne feste Wurzeln und wie der Schnee der Pappeln im Juni mit dem Wind verweht scheint es für Nina vorherbestimmt, dass sie ihre Heimat verlassen wird.

Karl wird von seiner Mutter Eva gemeinsam mit seinem älteren Bruder und weiteren Kindern dem Republikanischen Schutzbund anvertraut, der die Kinder in ein Ferienlager auf der Krim bringt und später in ein Kinderheim. Was zunächst mit Freude und Glück verbunden ist, wird zu Leid und Überlebenskampf für Karl als Straßenkind, in der Besserungsanstalt und im Arbeitslager. Er heiratet Nina, die er im Gulag kennengelernt hat und die ihm nach seiner Entlassung einen Wohnort bietet. Sie folgt ihm nach Wien und leidet dort unter heftigem Heimweh. Inzwischen hat das Paar zwei Kinder und zwischen den Eltern der Autorin entspinnt sich ein Kampf auf einer neuen Ebene.

Ljuba Arnautovic wählt für ihre Schilderungen eine nüchterne Sprache. Sie ordnet die Begebenheiten in deren jeweiliges Umfeld ein. Beim Lesen sollte man sich verdeutlichen, dass das, was sie schreibt, wirklich geschehen ist. Geschichtlich fundiert, aber ohne lange Hintergrunderklärungen einzuflechten, weiß sie geschickt die für ihre Eltern wesentlichen, wegweisenden Ereignisse im Leben zu skizzieren. Ohne Schlenker, im Präsens zur Vergegenwärtigung, nimmt der Roman den Leser mit in eine grauenvolle Zeit, in der die Handlung des Einzelnen der Ideologie entsprechend zu sein hatte. Die Autorin verdeutlicht, dass ein Aufbegehren zu weitreichenden Konsequenzen führte.

Ljuba Arnautovic wirft in ihrem Buch „Junischnee“ kritische Fragen zum Verhalten ihrer Vorfahren auf. Sie beschreibt neben den Jahren in der Sowjetunion auch die Begebenheiten nach der Rückkehr ihrer Eltern nach Wien und der dann folgenden Ehekrise klar und ungeschminkt. Mit viel Respekt stellt sie die Entscheidungen ihres Vaters, auch in Bezug auf ihre Schwester und sich selbst dar. Ihre Erzählung ist bewegend und erschütternd und lässt daran denken, zu welchen Folgen extreme Gesinnungen führen und möglich sind. Die Geschichte hallt nach und sollte viele Leser finden.

Bewertung vom 19.04.2021
Der Zirkus von Girifalco
Dara, Domenico

Der Zirkus von Girifalco


sehr gut

Der zweite Roman des Italieners Domenico Dara „Der Zirkus von Girifalco“ spielt erneut in dem kleinen kalabrischen Ort, in dem er aufgewachsen ist. Zeitlich ist die Geschichte einige Jahre nach den Ereignissen im vorigen Buch angesiedelt, dessen Kenntnis zum Leben aber nicht benötigt wird. Es hat mich gefreut, dass Doktor Vonella, eine der fiktiven Charaktere, noch tätig ist. Die Handlung spielt im süditalienischen Hochsommer über wenige Wochen hinweg.

Bevor ein Zirkus sich Mitte August durch Zufall in Girifalco einfindet und für die Einwohner glücklicherweise Ersatz bietet für die erwarteten und ausgebliebenen Kirmesattraktionen zum Patronasfest San Roccos, stellt der Autor dem Leser eine Reihe seiner Figuren vor, die im Folgenden eine größere Rolle einnehmen werden. Es ist ein bunter Reigen von Personen, die Domenico Dara in den Mittelpunkt stellt. Dazu gehört Luciano, genannt Lulù, der in der Nervenheilanstalt in Girifalco lebt und von einem Schafhirten gelernt hat auf Blättern zu musizieren. Die sanfte Conetta wünscht sich seit Jahren innig, dass sie schwanger wird und der gleichmütige Archidemu hofft darauf, dass er eines Tages seinen deutlich jüngeren Bruder wiederfindet, der als Kind beim Spielen unauffindbar verschwunden ist. Angelo hingegen fällt in der Dorfgemeinschaft durch seine blonden Haare auf und sehnt sich danach, seinen Vater kennenzulernen über den seine alleinstehende Mutter sich nicht äußert. Die verbitterte Mararosa plagt die Eifersucht auf die glückliche Rosaria, die mit dem Händler Sarvatùras verheiratet ist und der alternde Schneider Venanziu bemüht sich darum, seinen Lustgewinn zu maximieren. Jede der Hauptfiguren ist auf ganz besondere Art und Weise vom Einzug des Zirkusses betroffen und findet eine Verbindung zu einem der Artisten.

Durch seine Ortskenntnis vermittelt der Autor ein authentisches Bild des Handlungsorts. Seine Figuren sind liebevoll im Detail beschrieben, aber auch zahlreich, was den Überblick manchmal erschwert, aber eine Dorfgemeinschaft treffend wiedergibt. Zorn, Hass und Neid, Missgunst, Stolz, Vorurteile, Freude, Mitleid, Hilfsbereitschaft und Freundschaft stehen hier nebeneinander und sind wie in jedem Ort der Welt auch hier zu finden. Die Szenen wechseln ständig zwischen den einzelnen Personen, was das Lesen nicht einfach macht. Schon als der Zirkus eintrifft, die Protagonisten die geklebten Werbeplakate in Augenschein nehmen und ihre Gefühle beim Betrachten offengelegt werden, war ich gespannt, welche Geschichte sich dazu jeweils entspinnen wird.

Domenico Dara breitet auf poetische Weise die Lebens- und Denkart seiner Figuren in einem breiten Spektrum vor dem Leser aus. Der Zirkus entfaltet Anziehungskraft auf die Bewohner und gleichzeitig trägt auch die Zurschaustellung von Reliquien zum Patronatsfest dazu bei, dass sich etwas Mysteriöses über den Ort legt, das zum Glauben, Wünschen und Träumen einlädt. Der Autor philosophiert über manche Gesetzmäßigkeiten der Natur, die berühmte Denker aufgeschrieben haben. Das Dorfleben in Girifalco sieht er im Ausgleich zwischen Gut und Böse, zu dem die Einwohner mit ihrem Verhalten beitragen, die aber davon nichts ahnen.

Mit großem Einfühlungsvermögen und Beschreibungen von ironisch bis anzüglich und von rau bis mitfühlend erzählt Domenico Dara in seinem Roman "Der Zirkus von Girifalco" von den Begebenheiten rund um seine gut ausformulierten Charaktere in einem kleinen kalabrischen Dorf, während ein Zirkus über zwei Wochen zu Gast weilt. Ich empfehle den Roman gerne an Leser mit Sinn für Philosophie weiter.

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Bewertung vom 19.04.2021
Was wir scheinen
Keller, Hildegard E.

Was wir scheinen


sehr gut

Der Name Hannah Arendt fällt im Literaturbetrieb immer mal wieder, so dass ich mir schon länger vorgenommen hatte, mich mit dem Namen hinter der Person zu beschäftigen. Daher sprach mich der Roman „Was wir scheinen“ von Hildegard E. Keller besonders an. Doch zunächst suchte ich im Internet nach Fotos, um während des Lesens ein Bild der Protagonistin vor Augen zu haben. Tatsächlich fand ich ein Video von Hannah Arendt mit ihrem Gespräch aus 1964 mit Günter Gaus. Danach blieb mir auch ihre Stimme und ihre Ausdrucksweise beim Lesen ständig präsent.

Hildegard E. Keller zeichnet in ihrem Roman ein detailliertes Bild von Hannah Arendt. Als Leserin begleitete ich die politische Theoretikerin, die nie als Philosophin bezeichnet werden wollte, auf ihrer letzten Reise im Sommer 1975 nach Tegna in der Schweiz. Dort verbringt sie, nur einige Monate vor ihrem frühen Tod durch Herzinfarkt, einige erholsame Wochen. Die Autorin wählt einen auktorialen Erzählstil. Immer wieder lässt sie deutlich werden, wie viel Kraft die Verteidigung ihrer Ansichten Hannah Arendt kostet und wie sehr sie die Ruhe in Tegna genießt, auch zum Nachdenken. Neben den alltäglichen Verrichtungen, die Hildegard E. Keller durch ihre Beschreibungen lebendig gestaltet, lässt sie Hannah Arendt sich an ihre einzelnen Lebensstationen erinnern, hauptsächlich seit ihrer Immigration mit ihrem zweiten Ehemann Heinrich Blücher und ihrer Mutter in die USA. Aber immer wieder flackert auch ein Gedanke an noch frühere Zeiten auf. Dabei werden ihre Meinungen zu verschiedenen Aspekten deutlich, mit denen sie sich tiefgehend auseinandergesetzt hat.

Religion war in der Kindheit der Protagonistin nie ein Thema, aber schon früh fand sie Zugang zu philosophischen Schriften. Wer sich auf diesem Gebiet auskennt, wird deutlich mehr Freude an diesem Roman haben als andere Leser. Gerade so wie jeder sich an seine Freunde und Bekannten erinnert, denkt Hannah an diese nur mit ihrem Vor- oder Spitznamen. Dadurch wurde es für mich erschwert, ihre Gedanken nachzuvollziehen, da ich nicht immer wusste, welche Person gemeint war, das erschloss sich mir erst im weiteren Verlauf. Sie kannte interessante Persönlichkeiten auf mehreren Kontinenten mit denen sie sich gerne konstruktiv austauschte, was auch in zahlreichen Dialogen im Buch verdeutlicht wird.

Hanna Arendt war durch ihre eigene Arbeit unabhängig von Ehepartner und Familie und blieb sich immer selbst treu. Sie vermied es, in der Öffentlichkeit zu stehen, konnte es aber nicht verhindern, dass sie durch ihre journalistische Tätigkeit im Rahmen des Eichmann-Prozesses an Bekanntheit hinzugewann und durch ihre energisch vertretene Meinung heftiger Kritik ausgesetzt war. Dieser Umstand nimmt im Buch zum Ende hin einen großen Umfang ein.

Im Roman wird die Handlung immer wieder durch Zitate von Hannah Arendt unterbrochen, so dass ich mir selbst auch ein Bild ihres klugen und denkscharfen Wissens machen konnte. Der Buchtitel ist einem ihrer Gedichte entnommen. Zwischen den drei Kapiteln ist ein Märchen von ihr zu lesen, das gefüllt ist mit Metaphern und an das sie durch manche Erfahrungen in Querverbindungen immer wieder erinnert wird.

Hildegard E. Keller zeichnet in ihrem Roman „Was wir sind“ dank ihrer ausgiebigen Recherche ein einfühlsames Portrait der Theoretikerin Hannah Arendt, in der sie deren Konzepte, Betrachtungsweisen und Auffassungen zu den verschiedensten philosophischen und politischen Themen herausstellt. Der Roman ist anspruchsvoll und erfordert einiges an Lesezeit, auch um die verschiedenen philosophischen Ansichten nachzuvollziehen. Wer sich dem Denken von Hannah Arendt wie ich gerne annähern möchte, dem empfehle ich gerne diesen Roman.

Bewertung vom 13.04.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

Der Roman „Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel spielt auf zwei Zeitebenen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Greta Monderath. Im Sommer 2015 ist sie 84 Jahre alt. Sie wird zunehmend dement, aber in ihren klaren Momenten erzählt sie ihrem Sohn Tom erstmalig von ihrer Kindheit und Jugend in Ostpreußen, die jäh mit Vertreibung zu Beginn des Jahres 1945 endete. Das Ziel der Familie bei ihrer Flucht waren Verwandte in Heidelberg, welches damals von der US-Armee eingenommen war. Der Titel nimmt Bezug auf das Fraternisierungsverbot, das die militärische Führung der US-Streitkräfte erlassen hatte. In diesem Rahmen sollen sich ihre Soldaten selbstverständlich auch von den schamlosen deutschen Frauen fernhalten. Aber nicht nur deswegen ist die Liebe von Greta zum GI Robert Cooper, eine unmögliche Liebe, sondern auch weil er afroamerikanisch ist.

Tom Monderath ist ein bekannter Nachrichtenmoderator im Fernsehen. Nach einigen Jahren im Ausland ist er in seine Heimat Köln zurückgekehrt. Um seine Mutter hat er sich bisher kaum Sorgen gemacht, sie wohnt allein in der elterlichen Wohnung und versorgt sich selbst. Nachdem sie mit dem Auto einen unvorhergesehenen Ausflug gemacht hat, beginnt Tom zu ahnen, dass Greta ihm über ihren Gesundheitszustand einiges vorgeflunkert hat. Sie wird von bestimmten Dingen getriggert, die bei ihr Erinnerungen auslösen und sie dazu veranlassen, ihrem Sohn von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Durch Zufall entdeckt Tom in einem Dokument seiner Mutter das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut. Aufgrund seiner guten Recherchefähigkeiten erfährt er bald mehr über die Herkunft des Kinds und dessen Zusammenhang mit seiner Familie.

Durch den furiosen Start mit der Irrfahrt von Greta wurde ich als Leser in die Geschichte hineingesogen. Mit Tom hat Susanne Abel eine moderne interessante Figur geschaffen. Tom ist alleinstehend mit wechselnden Partnerschaften. Er interviewt Politiker mit Rang und Namen und berichtet täglich von den aktuellsten Ereignissen zu denen auch das Thema der syrischen Flüchtlinge gehört. Zunächst wirkte er leicht hochnäsig und genervt auf mich. Im Laufe der Erzählung wurde er mir, auch aufgrund seiner tatsächlichen Sorge und sein Kümmern um seine Mutter sympathischer, auch weil ihm sein Bild in der Öffentlichkeit zunehmend weniger wichtig wurde.

Die Autorin hat ein Händchen dafür, das Tun und Handeln ihrer Charaktere authentisch abzubilden. Dabei lässt sie bei der Erkrankung von Greta persönliche Erfahrungen einfließen. Sie verdeutlicht, dass Demenz das Schwinden der Erinnerungen der betroffenen Person mit sich bringt aber auch für die Angehörigen nicht mehr greifbar sein wird.

Susanne Abel zeigt mir einerseits mit dem Rassismus in der US-Armee und andererseits mit dem Umgang der Deutschen mit sogenannten „Brown Babys“ zwei Themen auf, die mir bisher von ihrer Bedeutung nicht bewusst waren. Bestürzt verfolgte ich die Schilderungen, die realistisch im Beispiel die tatsächlichen Begebenheiten wiedergeben. Es gelingt der Autorin, Fakten auch in einem längeren Zusammenhang anregend einzubauen.

Mit dem Buch „Stay away from Gretchen“ hat Susanne Abel einen ansprechenden, bewegenden Roman geschrieben, der eine Verbindung zwischen der heutigen Flüchtlingskrise und den Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg zieht. Mit der Rassentrennung innerhalb der US-Armee und dem Umgang mit alleinerziehenden Frauen und ihren Babys, mit der besonderen Variante von Kindern mit dunkler Hautfarbe, im Nachkriegsdeutschland bindet sie heute wenig kommunizierte, aber wichtige Themen in ihre Geschichte ein. Mich hat die ergreifende Erzählung sehr berührt und daher empfehle ich sie gerne uneingeschränkt weiter.

Bewertung vom 12.04.2021
Pension Herzschmerz
Below, Christin-Marie

Pension Herzschmerz


sehr gut

Der Roman „Pension Herzschmerz von Christin-Marie Below spielt zu weiten Teilen auf der wunderschönen Nordseeinsel Norderney. Der Titel nimmt Bezug auf den großen Wunsch der drei besten Freundinnen Louise, genannt Lou, Anna und Kim. Sie möchten auf dem Eiland ein Gästehaus eröffnen. Das Cover lässt an Sonne, Strand und Meer denken und nur zu gerne wäre ich den jungen Frauen nach Norderney gefolgt. Dennoch konnte ich mich aufgrund der Geschichte zumindest gedanklich dorthin träumen.

Lou ist 28 Jahre alt, arbeitet als Reiseverkehrskauffrau und wohnt mit ihrem Freund Nils zusammen in Oberhausen. Als ihre Freundin Anna sich im Streit von ihrem Partner trennt, beschließen die beiden zu Kim nach Norderney zu fahren und ihr behilflich zu sein, denn diese hat sich bei einer tollkühnen Aktion den Fuß gebrochen. Allerdings hat Nils kein Verständnis für den spontanen Einfall zur Reise, denn eigentlich wollte er mit Lou gemeinsam in der Wohnung renovieren. Es kommt zum Bruch der Partnerschaft. Glücklicherweise haben sich Lou, Anna und Kim einander und manche gemeinsame heitere Stunde hilft ihnen über den Liebeskummer hinweg. Bald schon sind sie zaghaft bereit, eine neue Liebe zuzulassen.

Chistin-Marie Below hat ihren Roman in fünf Phasen des Endes einer Beziehung eingeteilt und immer einen Ratschlag hinzufügt, warum es jeweils wichtig ist, eine Freundin zur Seite zu haben. Ihre Figuren gestaltet sie realitätsnah, die Handlungen nachvollziehbar. Viele Probleme, die sich durch eine Trennung ergeben, werden nur kurz angeschnitten und überlagern dadurch nicht die amüsanten, kurzweiligen Teile der Erzählung. Für die Hilfe, die Kim zum Weiterbetrieb ihrer Fußpflege benötigt, bietet die Autorin eine machbare Lösung. Die Freundinnen bieten sich gegenseitig Freiräume, die sie an der Seite ihrer Partner nicht gefunden haben. Dennoch scheuen sie sich nicht, offene Worte miteinander zu äußern, manchmal überspielt durch kleine Neckereien, die die Schärfe aus der Situation nehmen.

Die Idee der Pension steht relativ schnell zur Diskussion und obwohl die Planung nicht ins Detail geht, hielt ich die Umsetzung durch die Freundinnen nicht nur aufgrund ihrer Kenntnisse, sondern auch aufgrund ihres Umgangs miteinander für machbar. Daher habe ich darauf gehofft, dass sie ihren Traum umsetzen können. Eine zusätzliche Bedingung, die die Drei bei der Verwirklichung ihres Ziels erfüllen müssen, sorgt für Abwechslung und vergnüglichen Szenen. Durch ihre Beschreibungen sorgt die Autorin dank ihrer Ortkenntnisse für Sommerflair mit viel Lokalkolorit.

Der Roman „Pension Herzschmerz“ von Christin-Marie Below ist eine Wohlfühlgeschichte über die Freundschaft dreier junger Frauen mit Liebeskummer und einer gemeinsamen Vorstellung über ihre Zukunft, die sich locker und leicht liest und durch seine humorvolle Art für einige unterhaltsame Stunden sorgt. Daher empfehle ich das Buch gerne weiter.

Bewertung vom 11.04.2021
Alles, was wir wissen und was nicht

Alles, was wir wissen und was nicht


ausgezeichnet

Der Titel des Buchs „Alles, was wir wissen – und was nicht deutet bereits an, dass es unmöglich ist, die Kenntnisse aller Menschen zu allen denkbaren Themen in einem Buch verständlich aufzubereiten. Das ist auch dem Herausgeber Christopher Lloyds bewusst und er hat sich hierzu Gedanken gemacht, dazu später mehr. Im Untertitel wurde hinzugefügt, dass das Buch Aussagen trifft über Raketen, Vulkane, Mumien, Bienen, Kriege, das Gehirn und unsere Zukunft. Die Begriffe sind jedoch bei Weitem nicht abschließend aufgelistet, sondern finden sich in einem der acht Themenbereiche wieder. Die Kapitel sind gegliedert in Universum, Erde, Materie, Leben, Menschen, Altertum und Mittelalter, Moderne Zeiten sowie Heute und Morgen und sorgen für einen spannenden Themenmix. Obwohl die unterschiedlichen Gebiete einzeln angesprochen werden, greifen sie dennoch ineinander über.

Christopher Lloyd kann man als Suchenden bezeichnen, der ständig nach Antworten auf die Fragen forscht, die sich für ihn täglich ergeben. Dabei bleibt seine Neugierde nicht still, woraus sich immer wieder neue Fragen ergeben. Diesem Umstand zur Folge hat der Herausgeber sich überlegt, wie er Verzweigungen und Anknüpfungspunkte im Buch darstellen kann. Aus diesem Anlass findet sich auf jeder linken Seite eine Fußnote mit Hinweisen zu verschiedenen Themen, die außerdem für den Leser interessant sein könnten mit Seitenangaben zum schnellen Auffinden. An dieser Stelle stehen auch die beratenden Experten genannt, die bei der Erstellung der jeweiligen Seite mitgearbeitet haben. Mit Foto und gelb unterlegt werden sie mit kurzer Zusammenfassung des Gebiets, auf dem sie arbeiten, auch noch einzeln rechts unten auf entsprechenden Seiten vorgestellt. Am Ende des Buchs findet sich ein Quellen- und Bildnachweis sowie die Mitwirkenden am Text, an den Illustrationen und zur wissenschaftlichen Beratung. Leider ist kein Stichwortverzeichnis hinzugefügt, vermutlich aufgrund der großen Anzahl von Begriffen, die hier zu nennen wären und weil der Leser auf die Querverweise zurückgreifen kann.

Das Buch ist eine große Fundgrube an Wissen. Es macht Spaß, darin zu blättern. Übersichtliche Grafiken, strukturierte Aufbereitungen von Daten und passende Fotos zu den Sachgebieten werden farblich voneinander abgegrenzt und sind dadurch Blickfänge, die auf kreative Weise dazu auffordern, betrachtet und gelesen zu werden. Schon Kinder ab etwa acht Jahren können gemeinsam mit Älteren auf Entdeckungsreise im Buch gehen, aber auch Erwachsene können nicht nur ihr Wissen auffrischen, sondern Erweitern und Neues entdecken. Dabei wird Jeder feststellen, dass sich längst nicht alle Frage mit den Kenntnissen unserer Zeit beantworten lassen

Auch in seinem Buch „Alles, was wir wissen und was nicht“ gelingt es dem Herausgeber Christopher Lloyd wieder, die Wissbegier des Lesers anzusprechen und neben der Vermittlung von Fakten dessen Neugier zu kitzeln auf die sich aus den Antworten aufwerfenden neuen Fragen. Mich hat das Buch sehr angesprochen, weil es mir auf unterhaltsame Weise Altbekanntes ins Gedächtnis gerufen, Zusammenhänge verdeutlicht, Einblicke gewährt und neues Know-How vermittelt hat. Daher empfehle ich das Buch gerne weiter.

Bewertung vom 29.03.2021
Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
Suiter Clarke, Amy

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden


ausgezeichnet

In ihrem Thriller „Der Countdown-Killer“ lässt die US-Amerikanerin Amy Suiter Clarke die investigative Podcasterin Elle Castillo gemeinsam mit der Kriminalpolizei in Minneapolis ermitteln. Der Untertitel „Nur du kannst ihn finden“ bezieht sich darauf, dass Elle durch die Reichweite des Podcasts auf Hinweise ihrer im ganzen Land verstreut sitzenden Zuhörer zurückgreifen kann. Allerdings gibt es auch noch einen weiteren Grund für ihre besondere Befähigung, den Täter zu finden, der sich dem Leser erst im Laufe der Geschichte erschließt.

Ende 2019 greift Elle in ihrem Podcast, den sie seit etwa einem Jahr betreibt, einen Cold Case auf, der durch besondere Grausamkeit auffällt. Der sogenannte Countdown-Killer tötete vor zwanzig Jahren mehrfach nach einem bestimmten Schema. Dabei entführte er innerhalb von wenigen Tagen immer drei Frauen, von denen jede in der Reihe ein Jahr jünger als die vorige war. Die Vorliebe des Täters für die Zahlen 21, 7 und 3 fällt bei den Ermittlungen auf und die Frage steht im Raum, ob die 20-jährige, die zuerst ermordet aufgefunden wurde wirklich das erste Opfer war. Nachdem ihm eine 11-jährige entkommen konnte, brach die Mordserie ab, es wird angenommen, dass der Täter verstorben ist. Aktuell geschieht wieder ein Mord auf ähnliche Weise wie die alten Fälle. Um weitere Morde zu verhindern, versucht Elle der Kriminalpolizei bei den Ermittlungen zu helfen und kommt dem aktuellen Täter immer näher.

Dadurch, dass die Autorin Podcastfolgen verschriftlicht in den Thriller einfügt konnte ich als Leser mich in die Lage der Zuhörer versetzen, die den Ausführungen von Elle folgen. Sehr geschickt setzt Amy Suiter Clarke den spannenden Folgen zunächst ein ganz normales Alltagsleben ihrer Protagonisten gegenüber. Das Vorstellen des Schemas im Podcast, wie der Täter vorgeht, und die Tatsache, dass es in Elles unmittelbarer Umgebung eine ihr sehr lieb gewordene Zehnjährige gibt, ließen mich schon bald hoffen und bangen.

Elle hat Kinderpsychologie studiert und für das Jugendamt gearbeitet, daher hat sie noch frühere Kontakt zur Kripo. Sie ist eine im Leben gefestigte Persönlichkeit, die von ihrem Ehemann in ihrem Handeln unterstützt wird. Von Beginn an war eine besondere Verbundenheit von Elle zum Fall des Countdown-Killers zu spüren.

Die Autorin hat die zwiespältigen Gefühle der journalistischen Arbeit von Elle gut herausgearbeitet. Obwohl ihr Podcast auch Kritiken erhält und sie durch die sozialen Medien persönlich angegriffen wird, habe ich Elle die Einstellung abgenommen, dass sie mit dem Podcast tatsächlich zur Aufklärung von Verbrechen beitragen und nicht allein ihre eigene Bekanntheit durch die Sensationslust der Zuhörer steigern möchte.

Mit dem manchmal zu Elle ruppigen Detective Sam Hyde und Commander Ayaan Bishar, mit der Elle seit einigen Jahren auch befreundet ist und schon mehrfach zusammengearbeitet hat, stehen zwei interessante Figuren, die ihren eigenen Ermittlungsstil haben, an der Seite der Podcasterin.

Der Thriller „Der Countdown-Killer“ von Amy Suiter Clarke hält die Spannung dank der cleveren Konstruktion bis zum Ende und wartet dann nochmal mit einer überraschenden Wendung auf, die zu dem besorgten Gefühl passte, welches ich beim Lesen in Bezug auf Elles Vergangenheit gespürt habe. Gerne empfehle ich das Buch an Thriller-Fans weiter.