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Benutzername: 
Curin
Wohnort: 
Bielefeld

Bewertungen

Insgesamt 346 Bewertungen
Bewertung vom 24.10.2017
Das Floß der Medusa
Franzobel

Das Floß der Medusa


sehr gut

1816: Die unter französischer Flagge segelnde Fregatte Medusa beginnt ihre Reise von Rochefort nach Saint-Louis im Senegal. Niemand von der Besatzung und von den Zivilisten ahnt, dass ihnen eine Katastrophe bevor steht. Der ohnehin unfähige Kapitän Chaumarey lässt sich von seinem betrügerischen Freund Richeford beraten, anstatt auf weisere Offiziere zu hören, weshalb die Medusa kurz vor der afrikanischen Küste strandet. Während sich die feinen Herrschaften mit den wenigen Rettungsbooten davon machen, bleibt für die übrig gebliebenen 147 Menschen nur ein notdürftig gebautes Floss... .
Franzobel hat sich dem tatsächlich ereignetem Schiffsunglück der Medusa angenommen und daraus einen historischen Roman gemacht. Darin zeigt er nicht nur, wozu Menschen fähig sind, wenn es um das eigene Überleben geht, sondern auch den ganz normalen Alltag auf hoher See im 19. Jahrhundert.
Die ganze Zeit über wird man als Leser von einem allwissenden und stets präsentem Erzähler durch die Handlung geführt. Er kommentiert die verschiedenen Begebenheiten und Figuren, blickt bis in unsere Gegenwart und setzt vergangene und auch zukünftige Ereignisse in Zusammenhang mit dem Unglück auf der Medusa. Mir hat diese Art und Weise, das Geschehen präsentiert zu bekommen, nicht immer gefallen und war mir manchmal zuviel des Guten. An einigen Stellen jedoch zeigt der Erzähler bestimmte Dinge auf, die ich sonst übersehen hätte.
Von den Figuren her ist die Geschichte gerade am Anfang etwas unübersichtlich, doch nach und nach gewöhnt man sich an die Namen und kann diese auch zuordnen. Besonders spannend fand ich, gemeinsam mit dem neuen Schiffsjungen Victor, der ebenfalls das erste Mal eine Fregatte betritt, das Schiffsleben mitzubekommen. Für ihn beginnt gewissermaßen schon vor dem Unglück ein Überlebenskampf, da er sich gegen den brutalen Koch wehren muss und erst bei Savigny, einem etwas übereifrigem Arzt, Ruhe findet.
Erwähnen möchte ich hier auch den Kapitän Chaumarey, der eigentlich nur aufgrund von seinen Bittbriefen und durch seinen Stand der Medusa vorstehen darf. Qualifikationen als auch Erfahrung auf hoher See kann er nicht vorweisen, was für mich doch schon ziemlich erschreckend war.
An ihm, aber auch an der generellen Situation auf der Fregatte zeigt Franzobel, dass schon damals, aber leider auch heute noch immer viele Missstände in der Seefahrt herrschen und man aus dem Schicksal der Medusa nicht viel gelernt hat. So gibt es knapp ein Jahrhundert später auf der Titanic noch immer zu wenige Rettungsboote, so dass nicht alle Menschen gerettet werden können.
Franzobel schreibt gut verständlich und schafft es, dass man sich die einzelnen Situationen und auch die Menschen gut vorstellen kann. Gerade, wenn die Zustände auf dem Floß beschrieben werden, wird es ziemlich eklig und manchmal muss man sich beim lesen wirklich vor Entsetzen die Hand vor den Mund halten. Dennoch bin ich der Meinung, dass es ihm außergewöhnlich gut gelingt, den Überlebensdrang der Figuren darzustellen. Jede Abmilderung und Beschönigung wäre hier fehl am Platz gewesen.
Insgesamt ist ,,Das Floss der Medusa" gleichzeitig ein sehr beeindruckendes, aber auch schockierendes Buch, das zeigt, wie schnell Menschen in Extremsituationen bereit sind, alles zu tun, um ihr Leben zu retten. Diesen besonderen historischen Roman empfehle ich gerne weiter.

Bewertung vom 20.10.2017
Schwimmen
Pousset, Sina

Schwimmen


sehr gut

Als ein Sommer in Frankreich tragisch endet, hat Milla ihren besten Freund Jan für immer verloren. Einige Jahre später scheint sie ihr Leben im Griff zu haben. Die kleine Emma bringt sie in den Kindergarten und geht dann selbst zur Arbeit in einen Literaturverlag, bis sie eines Morgens von den Erinnerungen an Jan eingeholt wird. Sie beschließt, dessen Freundin Kristina aufzusuchen, die damals an den Ereignissen zerbrochen ist... .
Sina Pousset hat hier einen bewegenden Roman geschrieben, der mich innerlich sehr aufgewühlt hat und auch nach dem Lesen nicht loslässt. Die Handlung spielt in der Gegenwart, aber immer wieder gibt es Rückblicke zu dem verhängnisvollen Sommer 2013, indem Jan ertrunken ist.
Beiden, sowohl Milla als auch Kristina, merkt man an jeder Zeile im Buch an, wie sehr sie ihren Freund vermissen und wie sehr dieses schlimme Ereignis ihr Leben geprägt hat. Dennoch haben sie unterschiedliche Wege gewählt, um mit ihrem Verlust und ihrer Trauer umzugehen.
Besonders beeindruckend war für mich die Figur Milla, die für sich eine Möglichkeit gefunden hat, weiterzumachen und ihr Leben zu gestalten. Manchmal war ich mir beim lesen nicht ganz sicher, ob sie so wirklich glücklich ist oder ob sie einfach nur verdrängt und sich eine äußerlich stabile, aber innerlich bröcklige Fassade aufgebaut hat, die jederzeit einstürzen kann. Wenn man Milla in ihrem Alltag beobachtet, sieht man trotz aller Bedenken eine junge Frau, welche Verantwortung für andere übernimmt und es geschafft hat, sich eine gute Basis aufzubauen.
Im Gegensatz zu ihr hat sich Kristina in ihre eigene Welt zurück gezogen und sich dort permanent mit den vergangenen Ereignissen beschäftigt. Es ist traurig zu sehen, wie sehr sie zerbrochen ist, gerade weil man aus den Rückblicken von 2013 herauslesen kann, dass sie eine fröhliche und selbstbewusste junge Frau gewesen ist, die ohne viel nachzudenken einfach gelebt hat.
Für mich war es die ganze Zeit über interessant zu sehen, wie die beiden Frauen miteinander umgehen und sich letztendlich Jan und seinem Tod stellen. Dabei müssen sie auch damit klar kommen, dass eben nicht alle Fragen beantwortet werden können und man mit vielen Ungewissheiten leben muss.
Sina Pousset schreibt feinfühlig und manchmal schon fast mit zu viel Gefühl, so dass man sich dem Buch kaum entziehen kann. Mir war die Atmosphäre an vielen Stellen zu melancholisch und oft hat mich die Handlung sehr betroffen gemacht. Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass es sich hier um eine fiktionale Geschichte handelt und nicht um eine wahre Begebenheit.
Insgesamt habe ich ,,Schwimmen" als einen außergewöhnlichen und gefühlvollen Roman empfunden, der mich auch nach dem lesen zum nachdenken bringt und mich nicht loslässt. Dennoch hat er etwas beklemmendes und fast schon depressives an sich. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 19.10.2017
Das ist bei uns nicht möglich
Lewis, Sinclair

Das ist bei uns nicht möglich


gut

Als in den USA wieder ein Präsident gewählt werden soll, lässt sich Buzz Windrip als Kandidat aufstellen. Mit einem widersinnigen Wahlprogramm nimmt er die unzufriedene Bevölkerung für sich ein und setzt sich gegen die anderen Kandidaten durch. Doch von Anfang an hat er einen Gegner, der sich nicht von seinen überschwänglichen Reden überzeugen lässt: Doremus Jessup, Herausgeber einer Zeitung lässt sich von ihm nicht ruhig stellen und schreibt offen weiter seine Meinung... .
Mich hat dieses Buch neugierig gemacht, weil es bereits 1935 geschrieben wurde, aber dennoch aktuelle Bezüge zum derzeitigen Geschehen in den USA enthalten soll. Einige Parallelen waren für mich erkennbar, aber das Sinclair Lewis wirklich einige Dinge, die heute passieren, vorweggenommen hat, kann ich so nicht bestätigen.
Anfangs habe ich mich mit ,,Das ist bei uns nicht möglich" etwas schwer getan und konnte ich mich erst nach und nach besser in die Handlung einlesen. Als erschwerend habe ich auch die vielen verschiedenen Figuren empfunden, von denen man sich kaum den Namen merken kann. Einige davon werden auch etwas überzogen klischeehaft dargestellt. So gibt es beispielsweise typische Windrip-Anhänger, die nichts von dem, was ihr Präsident sagt, jemals kritisch überprüfen und gar in Frage stellen. Auf der anderen Seite ist da der Journalist Doremus Jessup, der von Anfang an die Absichten von Windrip durchschaut und als sein wohl größter Kritiker versucht, die Menge aufzurütteln.
Sinclair Lewis schreibt sehr detailliert und langatmig, so dass das Lesen für mich oft sehr beschwerlich war. Wenn man das Buch für ein paar Tage weglegt, kommt man kaum mehr hinein und muss sich erstmal wieder zurechtfinden.
Das einzige interessante für mich ist wirklich die Thematik im Buch. Man sieht hier deutlich, wie schnell es gehen kann, dass jemand eine ganze Bevölkerung auf seine Seite zieht und geschickt manipuliert, bis er schließlich die Macht hat. So werden Kritiker bloßgestellt und mundtot gemacht.
Insgesamt war das Buch für mich etwas sperrig und nicht ganz so spannend zu lesen, wie ich es erwartet hätte. Dennoch kann ich das Buch hier weiter empfehlen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2017
Im Herbst / Die Jahreszeiten Bd.1
Knausgard, Karl Ove

Im Herbst / Die Jahreszeiten Bd.1


sehr gut

Für seine noch ungeborene Tochter schreibt der norwegische Autor Karl Ove Knausgard einen Brief. Darin erzählt er ihr Begebenheiten aus der Familie, in die sie kommt und macht sie vertraut mit ganz alltäglichen und besonderen Dingen, die ihm als Vater wichtig sind und die ihn selbst immer faszinieren und zum staunen bringen.
Karl Ove Knausgard hat hier den ersten Band zu einer Jahreszeiten-Reihe vorgelegt, in der er gewissermaßen in vielen kleinen Kapiteln versucht zu erklären, was unsere Welt ausmacht. Wenn man dieses Buch liest, wird man gleich von der ruhigen Stimmung und gelassenen Atmosphäre, die die Texte ausstrahlen, erfasst. Obwohl der Autor eigentlich nur ganz normale Dinge beschreibt und was er damit erlebt hat oder verbindet, gelingt es ihm, den Leser mit in seine Welt zu nehmen und mit seiner Sicht darauf vertraut zu machen.
So beschreibt er ganz banale Sachen wie das Laub und Knöpfe, genauso wie Toilettenschüsseln und Erbrochenes. Mich hat dabei beeindruckt, wie offen er bei seinen Erklärungen vorgeht und selbst bei heiklen Themen nichts verschweigt. Ohne Scham schildert er zum Beispiel, wie er auf einer Klassenfahrt ins Bett gemacht hat. Solche Erinnerungen von ihm wurden mir dann allerdings doch etwas zu genau beschrieben und waren für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Generell ist es aber faszinierend, wie Knausgard es auf ganz natürliche Art und Weise schafft, ohne jegliche Hilfsmittel zur Spannungserzeugung die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen und alltägliche Dinge neu vor Augen zu führen.
Insgesamt habe ich ,,Im Herbst" sehr gerne gelesen und war überrascht, wie viel Leben und Wärme in den Texten steckt. Für mich ist dies ein wunderbar gelassenes Buch, das ich hier gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 17.10.2017
Memory Game - Erinnern ist tödlich
Yap, Felicia

Memory Game - Erinnern ist tödlich


sehr gut

Als im Fluss Cam eine Frauenleiche gefunden wird, betraut man mit den Ermittlungen Inspektor Hans Richardson. Er ist davon überzeugt, dass die Tote vom Bestsellerautor Mark Henry Evans ermordet wurde. Doch um ihm die Tat nachzuweisen, hat er nur einen Tag Zeit, denn in seiner Welt reicht das Gedächtnis der Menschen höchstens zwei Tage zurück. Als Anhaltspunkt hat er nur das Tagebuch der Ermordeten Sophia Alyssa Ayling, die offenbar verrückt war und einen Racheplan ausgearbeitet hat... .
Mit ,,Memory Game" hat die Autorin Felica Yap einen spannenden und raffinierten Thriller geschrieben, der bis zum Ende kaum zu durchschauen ist und sich noch zusätzlich durch das mangelnde Erinnerungsvermögen der Menschen von anderen Büchern des Genres abhebt.
Ich konnte mich schnell in die Handlung einlesen und war begeistert davon, wie plausibel und durchdacht das eingeschränkte Gedächtnis in der Geschichte dargestellt wird. Darin wird zwischen sogenannten ,,Monos" und ,,Duos" unterschieden, die sich jeweils nur einen oder sogar zwei Tage zurückerinnern können, aber ansonsten auf ihr ,,iDiary" zurückgreifen müssen, um überhaupt irgendetwas aus der eigenen Vergangenheit zu erfahren. Ich persönlich fand es irgendwie unheimlich, nur von den eigenen Tagebucheinträgen abhängig zu sein und ansonsten keine Möglichkeit zu haben, bestimmte Ereignisse zu rekonstruieren und sich in Erinnerung rufen zu können.
Erzählt wird die Geschichte aus unterschiedlichen Figurenperspektiven. Da ist zum Beispiel Claire Evans, welche als ,,Mono" wie alle anderen wegen ihres geringen Gedächtnisses in der Gesellschaft diskriminiert und sogar von ihrem Ehemann unterschätzt wird. Auf mich wirkte sie anfangs farblos, aber nach und nach erfährt man mehr über sie, was mein Bild von ihr nicht unbedingt verbessert hat. Ihr, als auch Marc, kann man nicht so recht trauen. Recht zu Beginn erfährt man, dass er etwas verbirgt, aber dennoch war für mich die ganze Zeit unschlüssig, ob er die Tote wirklich ermordet hat.
Am interessantesten fand ich die Figur Sophia Alyssa Ayling, von der man nur durch Tagebucheinträge etwas erfährt. Genauso wie der Ermittler Hans war ich mir unsicher, inwieweit sie sich etwas eingebildet hat und wie gefährlich sie wirklich mit ihren Racheplänen für Marc und Claire war. Wie die anderen Figuren wirkte sie auf mich nicht unbedingt echt und authentisch, aber es war spannend für mich, immer mehr über sie zu lesen und herauszufinden.
Felicia Yap schreibt gut verständlich und schafft es, ganz selbstverständlich das mangelnde Erinnerungsvermögen plausibel in unsere Welt zu integrieren. Das Buch ist voll mit unerwarteten Wendungen, die mich überrascht, aber nicht immer umgehauen haben. Gerade zum Ende hin hat mich gestört, dass einige Fragen meinerseits entweder überhaupt nicht beantwortet wurden oder mir die Erklärung unwahrscheinlich erschien.
Insgesamt ist ,,Memory Game" ein spannender Thriller mit einem gut ausgearbeiteten Konzept, der mir bis auf die erwähnten Kleinigkeiten sehr gut gefallen hat. Wer gerne auch mal eine Dystopie liest und Bücher mag, die man bis zum Ende nicht durchschaut, sollte an diesem Thriller nicht vorbei gehen. Gerne empfehle ich das Buch hier weiter.

Bewertung vom 14.10.2017
Der gefährlichste Ort der Welt
Johnson, Lindsey Lee

Der gefährlichste Ort der Welt


sehr gut

In Mill Valley, einem kleinen Städtchen in der Nähe von San Francisco, leben gut situierte Familien ohne Geldsorgen. Von außen gesehen scheint in diesem Ort alles in Ordnung zu sein, doch in der Schule bahnt sich für die Teenager eine Katastrophe an. Tristan Bloch, der es sowieso schon als Außenseiter schwer hat, schreibt einen Liebesbrief an Cally Broderick, der anschließend von Mitschülern auf Facebook gepostet und böse kommentiert wird. Auf diese Weise gemobbt, radelt Tristan zur Golden Gate Bridge und setzt eine folgenschwere Entscheidung in die Tat um... .
Mit diesem Roman zeigt die Autorin Lindsey Lee Johnson, wie schnell ein Leben in eine ganz andere Richtung verlaufen kann und mit welchen Schwierigkeiten Jugendliche gerade in der Schule und im Freundeskreis zu kämpfen haben.
Mir hat besonders die Machart des Buches gefallen. Hier passiert ein schlimmes Ereignis nicht erst am Ende des Buches, sondern beginnt unmittelbar damit. So kann die Autorin ausleuchten, inwiefern die von jedem mitverschuldete Katastrophe Auswirkungen auf das zukünftige Handeln des Einzelnen hat.
In jedem Kapitel wird eine andere Figur in den Mittelpunkt gerückt und aus ihrer Sicht ihre Geschichte erzählt. So bekommt man von jedem der Schüler ein differenziertes Bild und merkt schnell, dass der äußere Eindruck oft gar nicht mit dem innerlichen der jeweiligen Person übereinstimmt.
Da ist zum Beispiel Cally, die mit der Weitergabe des Liebesbriefes eigentlich nichts Böses bewirken wollte und die Folgen ihres Handelns erst richtig einschätzt, als es bereits zu spät ist. Im Buch setzt sich sie jedoch am meisten mit Tristans Tat auseinander und versucht, sich auf ihre Weise für die Schuld an seinem Tod büßen zu lassen. Andere wie Abigail Cress machen jedoch einfach weiter und stürzen sich ins eigene Unglück, ohne etwas Grundlegendes verstanden zu haben.
Lindsey Lee Johnson schreibt flüssig und schafft es, dass Städtchen mit seinen reichen Teenagern realitätsnah und authentisch darzustellen. Auf eine beeindruckende Weise gelingt es ihr zu zeigen, unter welchem Druck Jugendliche heute stehen. Egal ob es die eigenen Eltern sind, die ständig gute Leistungen fordern oder die Mitschüler, bei denen man um jeden Preis beliebt sein will. Zusätzlich kommen noch soziale Netzwerke wie Facebook dazu, bei denen man schnell für alle sichtbar bloßgestellt werden kann. Auch dies macht die Autorin am Beispiel eines Mädchens sehr deutlich, die nach einem schweren Unglück miterleben muss, wie andere über sie urteilen.
Insgesamt hat die Autorin hier einen sehr beeindruckenden Roman geschrieben, indem deutlich wird, welche großen Auswirkungen scheinbar kleine Entscheidungen haben und größere Dinge ins Rollen bringen können, die gerade für Teenager negative Folgen für das ganze Leben bereit halten. Bis auf einige Dinge finde ich das Buch gut gelungen und empfehle es hier gerne weiter.

Bewertung vom 13.10.2017
Sie zu strafen und zu richten / Sean Corrigan Bd.4
Delaney, Luke

Sie zu strafen und zu richten / Sean Corrigan Bd.4


gut

DI Sean Corrigan bekommt es mit einem besonders perfiden Täter zu tun, der seine Opfer entführt und dann öffentlich im Internet darüber abstimmen lässt, ob er diese hinrichten oder leben lassen soll. Bald schon stellt sich heraus, dass es der sogenannte ,,Jackdaw" nur auf Mitarbeiter aus dem Finanzsektor abgesehen hat, die er beschuldigt, sich an dem Geld anderer zu bereichern. Doch steckt hinter seinen Taten wirklich nur ein grausamer Sinn für Gerechtigkeit?... .
Bei diesem Thriller handelt es sich um den 4. Teil einer Serie um den Ermittler Sean Corrigan, der die ungewöhnliche Gabe besitzt, sich in die Täter hineinversetzen zu können und diese so zu überführen. Für mich war es das erste Buch aus dieser Reihe und da es doch einige Verbindungen zu den Vorgängerbänden gibt, hatte ich manchmal Schwierigkeiten, bestimmte Dinge nachzuvollziehen und immer wieder den Eindruck, dass mir Vorwissen fehlt. Sehr oft wird auf alte Fälle Bezug genommen und dabei auch ganz nebenbei die Auflösung davon verraten.
Mit DI Sean Corrigan bin ich bis zum Ende nicht warm geworden und habe ihn als äußerst getriebenen Menschen empfunden. Was ich etwas widersinnig fand, ist einerseits seine Gabe, sich in Täter völlig hineindenken zu können, aber bei anderen Menschen wie bei seiner Frau überhaupt keine Empathie zu haben.
Die anderen Figuren dagegen haben mir etwas besser gefallen und waren mir auch sympatischer. Da ist zum Beispiel Detective Sergeant Sally Jones, die anders als die anderen mit Besonnenheit und einem gewissen Feingefühl an den Fall heran geht und auch dunkle Momente aus ihrer eigenen Vergangenheit aufarbeitet. Leider hatte ich aber auch hier wieder den Eindruck, nicht ganz genau zu wissen, was Sally in den Fällen davor mit den Tätern erlebt hat.
Der Autor Luke Delaney schreibt gut lesbar und hat eigentlich auch eine spannende Handlung entworfen, die leider im Verlauf immer weniger nachvollziehbar und aus meiner Sicht auch unlogischer wird. Gerade bei der Täterauflösung gibt es einige Widersprüche.
Insgesamt hat die Geschichte eigentlich ein großes Potenzial gehabt, welches leider nicht ganz ausgeschöpft wurde. Mich hat der Krimi dennoch gut unterhalten, auch wenn ich unterm Strich doch etwas enttäuscht war. Daher empfehle ich diesen Thriller nur bedingt weiter.

Bewertung vom 10.10.2017
Engelsschuld / Jana Berzelius Bd.3
Schepp, Emelie

Engelsschuld / Jana Berzelius Bd.3


ausgezeichnet

Als Rettungssanitäter Philip Engström zu einem Einsatz in eine Wohnung gerufen wird, findet er mit seiner Kollegin ein grausam zugerichtetes Opfer mit abgesägten Händen vor. Er versucht noch, die Frau zu retten, was jedoch misslingt. Als noch weitere ähnliche Morde geschehen, geht die Polizei von einem Serientäter aus und versucht einen Zusammenhang zwischen den Getöteten herzustellen. Währenddessen trifft die auf den Fall angesetzte Staatsanwältin Jana Berzelius auf jemanden aus ihrer dunklen Vergangenheit... .
Mit diesem spannenden Thriller hat mich die Autorin Emelie Schepp ab der ersten Seite sofort mitreißen können. Obwohl dies mein erstes Buch aus der Reihe um die Staatsanwältin Jana Berzelius war, hatte ich nicht den Eindruck, dass mir Vorwissen fehlt und ich konnte mich gut in die Handlung einlesen.
Das besondere an dieser Geschichte sind die vielen Blickwinkel, aus der die Mordfälle betrachtet werden. Da ist zum Beispiel der Sanitäter Philip Engström, welcher anfangs mit seinem Job und auch seiner Ehefrau, die unbedingt schwanger werden will, überfordert scheint. Wie bei den anderen Figuren auch, wird sein Privat- als auch sein Arbeitsleben sehr komplex dargestellt, so dass man sich ein gutes Bild davon machen kann. Als außergewöhnlich habe ich auch die Staatsanwaltin Jana Berzelius empfunden, die auf mich erst sehr kalt und irgendwie streng und verbissen wirkte. Erst nach und nach versteht man, warum sie sich anderen Menschen gegenüber so distanziert verhält. Außerdem ist es äußerst spannend, wie sie sich aus einer Extremsituation, in die sie unfreiwillig gerät, heraus manövriert und dabei Wege einschlägt, die man so von einer Frau mit ihrem Beruf nie erwarten würde.
Gerade durch die vielen Figuren, die allesamt selbst eine Geschichte haben und irgendwie mit dem Fall in Zusammenhang stehen, ist die Handlung sehr dicht und an keiner Stelle langatmig. Wie es sich für einen guten Thriller gehört, beginnt das Buch spannend und bleibt es auch die ganze Zeit über, bis zum Schluss das Tempo noch einmal angezogen und noch rasanter als zuvor wird.
Emelie Schepp hat einen sehr gut lesbaren und auch lebendigen Schreibstil. Sie schafft es, die jeweilige Situation immer anschaulich zu beschreiben, ohne sich in vielen kleinen Details zu verlieren. Besonders gefallen hat mir auch, dass man erst kurz vor der Auflösung dahinter kommen konnte, wer der Täter ist. So war die Handlung die ganze Zeit über spannend und enthielt für mich zum Schluss eine echte Überraschung bereit, die aber auch schlüssig war.
Insgesamt ist ,,Engelsschuld" ein Buch mit glaubhaften Figuren, das Spannung bis zur letzen Seite bietet. Für mich ist eines der besten, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Gerne empfehle ich diesen Thriller hier weiter.