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anette1809 - katzemitbuch.de
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Sulzheim
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Mein Blog: https://katzemitbuch.de/

Bewertungen

Insgesamt 957 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2018
Mein wildes blaues Wunder
Sorosiak, Carlie

Mein wildes blaues Wunder


ausgezeichnet

Quinn lebt mit ihrer Familie in Maine. Ihre Eltern betreiben ein Ferienlager, welches von den Großeltern gegründet würde. Es ist alles so zauberhaft. Das enge familiäre Verhältnis zwischen ihrer Nana, den Eltern, Quinn und ihren beiden Geschwistern Reed und Fern. Die Geschwister sind jeweils nicht einmal zwei Jahre auseinander vom Alter, so dass es mehr eine Freundschaft zwischen ihnen ist als reine Familienbande. Alles wirkt magisch und verwunschen. Quinns Hippiemutter, das wunderschöne Anwesen The Hundreds, die Wünsche der Gäste, die von der Decke hängen, der immerblühende und Früchte tragende Blaubeerstrauch vor dem Haus. Doch leider ist das nur eine Seite der Medaille, nur ein Teil, von dem Carlie Sorosiak in ihrem Buch erzählt. Das war Quinns Zuhause im Sommer, bevor eine schlimme Tragödie einen Keil in ihre Familie getrieben hat, woran nun sie und ihre Geschwister zu zerbrechen drohen.

Carlie Sorosiak erzählt Quinns Geschichte im Wechsel zweier Zeitebenen. Zum einen spielt die Geschichte im Sommer, als The Hundreds noch das entzückende und unbeschwerte Zuhause Quinns war bis sich ein Unglück ereignete, welches der Leser zwar früh erahnen kann, was die Autorin jedoch erst recht spät im Buch schwarz auf weiß benennt.
Die zweite Zeitebene spielt in der Gegenwart im Winter nach dem Unglück, auf Grund dessen Quinn und ihre Geschwister kaum noch ein Wort miteinander wechseln. Man spürt Quinns innere Zerrissenheit, aber auch Ferns und Reeds Schmerz wird in den Rückblenden immer greifbarer, auch wenn diese beiden im Gegensatz zu Quinn nicht als Ich-Erzähler fungieren.

Neben der kompletten Familie Saywer spielen Dylan, der mit der ganzen Familie sehr eng befreundet ist, Quinns beste Freundin Hana, und der neue Mitschüler Alexander große Rollen in der Geschichte. Obwohl Carlie Sorosiaks somit ein recht umfangreiches Personal in der Geschichte spielen lässt, überzeugt jede einzelne Figur mit ihrem ausgeprägt gezeichneten Charakter. Zugleich baut die Autorin reichlich Diversität ein, durch Figuren mit Migrationshintergrund, die in Maine eine verschwindend geringe Minderheit repräsentieren, sowie einen homosexuellen Charakter. Sie spielt mit Klischees, ohne selbst welche zu benutzen, um ohne erhobenen Zeigefinger auf die Vielfalt der Menschheit aufmerksam zu machen und aufzuzeigen, dass es keine Unterschiede sind, weswegen wir Menschen in Schubladen stecken sollten.

Das Unglück und der Verlust, den Quinn und ihre Geschwister im Sommer erleiden müssen, droht vieles zu zerstören. Durch die Ankunft ihres neuen Mitschülers Alexanders kann vielleicht wieder Glück in Quinns Leben ziehen. Doch darf sie überhaupt wieder glücklich sein?
Über die Details, warum das Unglück die drei Saywer Geschwister alle dermaßen hart trifft und die Familienbande unwiderruflich zu zerstören droht, möchte ich keine Worte verlieren, da sonst zu viel vom Plot verraten würde. Die Handlung ist zwar nicht unbedingt als spannend zu bezeichnen, aber wartet dennoch mit einigen Geheimnissen auf, die die einzelnen Familienmitglieder betreffen. Auf mich hat die Erzählweise auf jeden Fall einen derartigen Sog ausgeübt, dass ich das Buch nur ungern zwischendurch aus der Hand gelegt habe.

Die Autorin hat ein wundervolles Buch über Freundschaft, Familie, Liebe und Verlust geschrieben, welches nebenbei Fernweh auf den Bundesstaat Maine weckt, welcher dank seiner Landschaftsbeschreibungen und vor allem dem ungezähmten Meer mit all seinen Geheimnissen neben den menschlichen Figuren einen weiteren Charakter dieses Buches bildet.

Die Idee hinter der Geschichte würde ich nicht als neu bezeichnen, aber selten habe ich so ein wunderbares Buch gelesen, welches Schmerzen bereitet und glücklich macht im gleichen Atemzug.
Quinns Nana sagt, dass sich Realität und Magie nicht gegenseitig ausschließen müssen, und genau das trifft auf dieses Wohlfühlbuch zu: es ist real und dennoch voller Magie!

Bewertung vom 08.08.2018
Hier sind wir
Jeffers, Oliver

Hier sind wir


ausgezeichnet

“Hier sind wir” ist wohl bislang Oliver Jeffers persönlichstes Werk. Er hat es in den ersten beiden Monaten des Lebens seines Sohnes Harland geschrieben, um das Wunder des Lebens zu begreifen.
So ist “Hier sind wir” ein Buch geworden, dass das Leben und die Erde, auf der wir dieses verbringen dürfen, feiert.

Jeffers startet seine Reise aus dem All. Zunächst sieht man unser Sonnensystem, eines von vielen Billionen. Einer der Planeten in unserem Sonnensystem ist die Erde. Der Planet, auf dem wir leben.
In wunderschönen, farbenfrohen und ruhigen Bildern beschreibt Jeffers den kleinen Lesern nun unseren Planet.

Er weist Gegensätze auf wie Land und Meer, nasse und trockene Gebiete, flaches Land und Berge.
Nun geht der Blick immer mehr ins Detail. Zunächst geht er mit uns ans und ins Meer, danach führt der Blick gen Himmel.
Einige Bilder haben beinahe Wimmelbuchcharakter, andere bieten eine fast wissenschaftliche Sicht auf die Dinge, wie beispielsweise der Halbschnitt durch den menschlichen Körper, der unser Skelett und die Organe offenbart.

Neben der Sicht auf den Planet Erde und all den Lebewesen, die ihn bevölkern, ist “Hier sind wir” aber auch ein Sprachrohr für ein friedliches Miteinander.

'Wir sehen zwar alle unterschiedlich aus, verhalten uns anders und klingen verschieden…
…aber lass dich nicht täuschen:
Wir alle sind Menschen.'

Gerade auf der Doppelseite, auf der sich dieses Zitat befindet, gibt es so viel zu entdecken. Kleine Menschen, große Menschen, Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, junge und alte Menschen, Sportler, Musiker und Menschen, die verschiedene Berufe ausüben.
Wer bereits andere Bücher von Oliver Jeffers kennt, kann hier alte Bekannte finden. Zum Beispiel den kleinen Jungen aus “Pinguin gesucht”, oder einen Elch wie aus “Dieser Elch gehört mir”, auf der nächsten Doppelseite, auf der es Tiere aller Formen, Größen und Farben zu entdecken gibt.

Obwohl das Buch nur wenig Text enthält, schafft Oliver Jeffers es immer wieder einen lustigen Witz einzubauen.

Seine Bilder beeindrucken zum einen durch Klarheit, andererseits gibt es aber auch viel zu entdecken, durch die unzähligen Farbnuancen, denen sich Jeffers bedient, und die vielen unterschiedlichen Formen, die Lebewesen nun einmal zu eigen sind.
Sehr gut gefällt mir die Tag-Nacht-Seite, wo die Illustrationen zum einen in Sonnenlicht getaucht sind, zum anderen nur vom Licht des Mondes leicht ausgeleuchtet werden. Eine wunderbares Exempel dafür, wie großartig Jeffers mit Farben erzählen kann. Damit schafft er eine ganz besondere Atmosphäre in diesem Buch.

Danach gibt er seinem Sohn und allen Lesern noch wirklich wichtige Weisheiten mit auf den Weg. Dass man seine Lebenszeit gut nutzen, seine Erfahrungen an andere weitergeben und immer zu anderen nett sein soll, denn es gibt so unvorstellbar viele von uns auf der Welt und nur durch gegenseitige Achtsamkeit ist ein friedliches Miteinander möglich.
Jeffers braucht so wenig Worte, um das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Ich wünsche dem Buch nicht nur kleine Leser und Betrachter, sondern auch zahlreiche Erwachsene, die sich seinen Blick auf unsere kleine Existenz im weiten All zu Gemüte führen.

'So, das ist sie also, die Erde.
Pass gut auf sie auf.
Sie ist alles, was wir haben.'

Das Ende der Geschichte greift zwar einen Gedanken auf, den Jeffers bereits auf den vorhergehenden Seiten angeschnitten hat, aber es ist einfach so wunderschön und ergreifend, wie er diesen zum Abschluss mit seinem Sohn in Einklang bringt.

“Hier sind wir” ist ein kleiner Bilderbuchschatz, den ich nicht nur Eltern ans Herz legen möchte. Jeder sollte einen Blick hineinwerfen und sich Gedanken machen über das, was Jeffers schreibt und vor allem visualisiert.
Vielleicht gehen wir dann besser mit unserem kleinen, einmaligen Wohnraum im gigantisch großen All um und sehen die Umwelt, unsere Mitmenschen, die Tiere und Pflanzen wieder mit mehr Wertschätzung und Umsicht an.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.07.2018
Hyde
Wagner, Antje

Hyde


ausgezeichnet

Antje Wagners neues Buch beginnt damit, dass der Leser die gerade volljährig gewordene Katrina beim Trampen kennenlernt. Bei schlechtem Wetter mit einer schweren Erkältung geschlagen, befindet sie sich auf der Walz.
Kurze Zeit später wird sie von Josefine aufgegabelt, die als Wahrsagerin beim Radio arbeitet. Diese fährt Katrina zu einem Wirtshaus, wo sie Arbeit finden kann, um Geld für die nächste Wegstrecke zu verdienen. Dort gerät sie jedoch an einen sehr unsympathischen Wirt. Er nutzt ihre Situation aus und behandelt seine Angestellten generell schlecht.
Als die Situation eskaliert, stiehlt Katrina dessen Transporter und haut ab. Auf ihrer Flucht gelangt sie zu einem leerstehenden Haus im Wald, dass scheinbar nur auf ihre Ankunft gewartet hat. Sie findet dort einen Aushang, dass die Gemeinde einen Verwalter für das seit Jahren unbewohnte Haus sucht, das schon deutliche bessere Tage gesehen hat.

"Hyde" umfasst zwei Handlungsstränge, zum einen die aktuelle Handlung, in der Katrina ins Haus Waldkauz verschlagen wird, wo sich einige seltsame Dinge ereignen, zum anderen führt Antje Wagner uns immer wieder in Rückblenden in Katrinas Vergangenheit.
Sie wuchs gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Zoe abgeschieden im Wald bei ihrem Vater auf. Obwohl Katrinas Erinnerungen voll Liebe zu ihrem früheren Zuhause Hyde, ihrem Vater und ihrer Schwester sind, stimmt irgendetwas an der Situation nicht...
Warum ist Hyde verschwunden, wo sind ihr Vater und ihre Schwester jetzt? Warum kann sie sich nicht mehr an alles erinnern, und was hat dazu geführt, dass sie auf einem Rachefeldzug unterwegs ist?

Antje Wagners neues Buch "Hyde" ist das Psychogramm einer geschundenen Seele, auf der Suche nach Wahrheit und dem richtigen Weg in eine glücklichere Zukunft. Ob diese in der Erfüllung ihrer Rachepläne liegt?

Katrina wirkt sehr sperrig, manchmal unsympathisch. In Ausübung ihrer Rache empfand ich sie sogar beinahe als übertrieben kindisch. Im Laufe der Geschichte erklärt sich jedoch vieles und das Verständnis des Lesers gegenüber Katrina wächst.
Auf Grund eines Unfalls trägt Katrina ein Tuch vor ihrem Gesicht. Im übertragenen Sinne könnte man sagen, dass sich dieses Tuch sinnbildlich immer mehr lüftet und man nicht nur Katrinas entstelltes Gesicht, sondern auch ihr Innerstes zu sehen bekommt, ihre Seele, und schlussendlich nicht nur ihre.
Die zwei Erzählebenen jagen den Leser durchs Katrinas Erlebnisse. Antje Wagner hält vieles lange Zeit im Dunklen verborgen und springt an den spannensten Stellen hin und her zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Ich schätze an Antje Wagners Büchern, dass so vieles undurchschaubar und unerklärlich bleibt, bis man auf den letzten Seiten ihrer Romane von der Wahrheit aus dem Hinterhalt angesprungen wird.
Wobei man sich gerade bei diesem Buch fragen muss, was die Wahrheit ist? Hat jeder eine andere Wahrheit? Besteht Wahrheit aus mehreren Ebenen? Kann man die Wahrheit unterschiedlich auslegen?
"Hyde" verbirgt viele Geheimnisse, die erkundet werden wollen, sowohl in Katrinas Kindheit als auch in ihrer gegenwärtigen Situation. Die Autorin behandelt Themen, die man nicht totschweigen sollte. Einiges spricht sie direkt an, anderes auf metaphorischer Ebene, was einigen Lesern möglicherweise nicht liegen mag, aber diese Interpretation regt meines Erachtens verstärkt zum Nachdenken an.
Die Auflösung der vergangenen Probleme erfolgt in klarem Schwarz und Weiß, die Erkenntnis Katrinas in der Gegenwart verschwimmt dagegen in viele Schattierungen. Gerade Leser, die alles erklärt wissen wollen, sollten während des Handlungsverlaufs auf die feinen Töne und die Bildersprache achten, damit sie vom Ende nicht vor den Kopf gestoßen werden.
Ich für meinen Teil halte das Ende, das eigentlich ein Neuanfang ist, für eines der mutigsten von Antje Wagner seit "Unland".

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.07.2018
Mein Weg aus unsichtbarer Tinte
Yeh, Kat

Mein Weg aus unsichtbarer Tinte


ausgezeichnet

Beatrix ist in meinen Augen eine sehr beeindruckende 11jährige. Ihre Eltern sind beide Künstler und sie selbst nicht minder ein kreativer Kopf, der es liebt seine Gefühle in Gedichten, bevorzugt Haikus, auszudrücken. Sie verliert nie ein Wort zu viel, trägt aber dennoch ihr Inneres nach Außen, indem sie beim Erspinnen ihrer Gedichte die Worte mit dem Finger in die Luft malt, bevor sie sie zu Papier bringt, ihre Stimmung tanzt und ihre Gefühle am liebsten mit einer Playlist untermalt. Sie ist spontan und lebensfroh, doch leider ist das eine Art, die kurz vor oder während der Pubertät nicht gut ankommt.
Man wirkt “komisch” und “anders”, wenn man sich nicht der Masse anschließt, und so kommt es, wie es kommen muss: ihre beste Freundin S und L und L, die zwei anderen Mädels aus ihrer Clique lassen Beatrix links liegen, verleugnen sie sogar gegenüber ihrer neuen Freundin A, weil sie ihnen peinlich ist.

Nun ist es schwierig für Beatrix weiter zu sich selbst zu stehen, da nicht mal ihre Eltern Zeit für sie haben, kurz vor der Entbindung ihrer kleinen Schwester. Zum Glück findet sie in der Schulredaktion neue Bekannte, die wie sie Freigeister sind und nicht in der Masse der anderen Schüler untergehen.
Lange hatte ich mich gefragt, warum Kat Yeh Beatrix früheren Freundeskreis nur mit den Anfangsbuchstaben betitelt und man die Namen erst am Ende des Buches erfährt. Im Nachhinein denke ich, weil S und L und L und A einfach keine Individuen waren, sie sind in der Masse untergegangen und wären beliebig austauschbar gewesen im Gegensatz zu Will oder Briggs, die sie in der Redaktion kennenlernt.
Neben Beatrix, ihren Eltern und zwei ihrer Lehrer, sind es vor allem Will und Briggs, die die Geschichte so interessant und lesenswert machen. Beide sind auf ihre Art genau wie Beatrix anders, wobei Will eine Andersartigkeit an den Tag legt, für die er sich nicht entschieden hat, sondern die ihm auferlegt ist. Aber um zu erfahren, was genau hinter dem Jungen mit der Leidenschaft für Labyrinthe und Listen steckt, dafür muss man die Geschichte schon selbst erlesen.

Zu guter letzt gibt es noch eine weitere Figur in “Mein Weg aus unsichtbarer Tinte”, die in erster Linie dafür verantwortlich war, warum ich das Buch in einem Rutsch verschlungen habe:
Beatrix versteckt sich, weil sie sich einerseits nicht verbiegen lassen, andererseits aber auch nicht mit “peinlichem” Verhalten auffallen möchte. So schreibt sie ihre Gedichte neuerdings mit unsichtbarer Tinte auf kleine Zettel und verbirgt diese in einer Mauerspalte. Eines Tages jedoch erhält sie Antwort auf ihre innersten Gedanken und dieser Fremde versteht sie tatsächlich! Nur um wen handelt es sich bei der geheimnisvollen Person, mit dem sie nun einen Schriftwechsel führt?

Nicht nur durch sich selbst, sondern vor allem über ihre neuen Freunde lernt sich Beatrix ganz neu kennen und lernt zu schätzen, wie wichtig Vertrauen ist und sich auf jemanden verlassen zu können. Irgendwann hat sie dann die Größe zu sich selbst zu stehen und nicht mehr unsichtbar sein zu wollen.

Man lernt so viel aus “Mein Weg aus unsichtbarer Tinte”: wie wichtig zuhören ist, dass es sich lohnt, man selbst zu sein und sich nicht verbiegen zu lassen, das Anderssein nicht immer auf freier Wahl beruht, dass man den Wert von Menschen nicht immer auf den ersten Blick erkennt, und das man nur wirklich glücklich sein kann, wenn man zu sich selbst steht!
Ich denke, dann findet man auch ganz von selbst neue Freunde. Selbst wenn es ein schwieriger Prozess ist, es ist ganz normal, dass man alte Freunde ziehen lassen muss, wenn man sich selbst verändert oder alte Freunde sich verändern.

Kat Yeh hat mit Beas Geschichte dazu eine wirklich einfühlsames, ruhiges, aber tiefgehendes Buch geschaffen, das nicht nur für das empfohlene Lesealter, sondern auch für ältere Jugendliche und Erwachsene geeignet ist, und sei es nur, um sich daran zu erinnern, wie es bei uns selbst in diesem Alter war.

Bewertung vom 26.07.2018
Die letzte Generation / Cat & Cole Bd.1
Suvada, Emily

Die letzte Generation / Cat & Cole Bd.1


ausgezeichnet

Emily Suvada katapultiert ihre Leser in eine Zukunft, in denen Menschen ein Panel in ihrem Arm tragen, welches derart programmiert ist oder mit Updates und Apps versehen werden kann, dass Krankheiten auf diese Art und Weise ausgemerzt oder in Schach gehalten werden können. Doch auch dieses System ist nicht unfehlbar beziehungsweise nicht bis ins letzte Detail ausgereift.
Ein Virus ist derart schnell mutiert und hat sich ausgebreitet, so dass sich die Überlebenden an der Oberfläche nur immunisieren können, indem sie das Fleisch von Infizierten essen, andere Menschen haben in abgeschlossenen Bunkern überlebt. Da dies auf Dauer kein Zustand ist, arbeitet der Gentechnik-Experte Lachlan Agatta gemeinsam mit einem Gehilfen an einem Impfstoff, der sämtliche Menschen gegen den Virus immunisieren soll.

Neben Agatta arbeitet jedoch auch die Technikfirma Cartaxus an einer Lösung, und eines Tages wird Lachlan Agatta gemeinsam mit seinem Gehilfen von eben jener Firma entführt. Nur seine Tochter kann sich retten, die von ihrem Vater die Warnung mit auf den Weg bekommt, dass sie sich vor Cartaxus in Acht nehmen soll.
So schlägt sich Cat zwei Jahre mit nur wenig Hilfe durch die verseuchte Welt an der Oberfläche bis sie eines Tages von einem Soldaten namens Cole der Firma Cartaxus aufgestöbert wird. Dieser kommt jedoch im Namen ihres Vaters. Er überbringt ihr die Nachricht, dass dieser bei einer Explosion im Labor getötet wurde, und er ihm nun den Auftrag erteilt hat seiner Tochter Cat die Meldung zu übermitteln, dass das Schicksal der Menschheit in ihren Händen liegt. Sie soll seine Arbeit entschlüsseln, die glücklicherweise dank Lachlan Agattas Voraussicht nicht völlig bei der Explosion vernichtet wurde, und dafür sorgen, dass der Impfstoff allen frei zugänglich gemacht wird und so die verheerende Seuche ausgerottet werden kann.

Die Autorin fordert von Beginn an die volle Aufmerksamkeit ihrer Leser, für mich war der Auftakt “Die letzte Generation” kein Buch, das sich am Stück wegschmökern lässt. Zu viele technische Details, sowie das rasante Tempo zwingen einen dazu Seite für Seite aufmerksam zu lesen.
Es gab Phasen, wo mir die ganzen technischen Details beinahe zu viel wurden, aber durch Emily Suvadas Schreibstil und den unvorhersehbaren Wendungen gerade zum Ende der Geschichte hin, sind dies vernachlässigbare Kritikpunkte, die man schnell vergisst. Darüber hinaus ist es erstaunlich, wie vielschichtig die Autorin ihre Figuren aufgebaut hat, so dass man kaum sagen kann, wer tatsächlich zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Dabei kann ich dieses Lob durch die Bank weg aussprechen, es konzentriert sich bei Weitem nicht auf die Protagonisten Cat und Cole.

Man sollte schon in gewisser Weise technikaffin sein, um die Welt, wie Emily Suvada sie zeichnet, voll auskosten und nachverfolgen zu können. Auch sollte man nicht zimperlich sein, denn es geht stellenweise sehr blutig zu. Sei es bei den Begegnungen Cats mit den zombieartigen Infizierten oder den diversen Operationen und Eingriffen am menschlichen Körper, die wirklich harter Tobak sind! Vom Ekellevel ist dieses Buch vergleichbar mit “Die Tribute von Panem” oder “Vollendet”, eine Altersempfehlung ab 14 Jahren ist in meinen Augen also mehr als gerechtfertigt.

Weit mehr noch als die technischen Zukunftsaussichten, die uns die Autorin hier serviert, ist es die Gewissensfrage, in wieweit man Menschen etwas aufzwingen darf und ihnen die freie Entscheidung beispielsweise über ihre Gesundheit nimmt, die den Leser fesselt und möglicherweise in Gewissenskonflikte stürzt.
Über diese interessante und durchaus aktuelle Fragestellung sehe ich gerne über kleinere Schwächen der Geschichte hinweg.
Das Ende von “Die letzte Generation” überrumpelt den Leser derart und endet mit einem solchen Cliffhanger, dass es kaum auszuhalten ist zu erfahren, wie es mit Cat und Cole und dem Rest der verbliebenen menschlichen Bevölkerung weitergeht.

Bewertung vom 26.07.2018
Lizzy Carbon und die Qual der Wahl / Lizzy Carbon Bd.3
Fesler, Mario

Lizzy Carbon und die Qual der Wahl / Lizzy Carbon Bd.3


ausgezeichnet

Im Gegensatz zum recht großen zeitlichen Abstand zwischen dem ersten und zweiten Band um Lizzy Carbon, schließt “Lizzy Carbon und die Qual der Wahl” nahtlos an ihr letztes Abenteuer an.
Nur wenige Wochen sind vergangen, seit wir sie, ihre Freunde und ihre Familie bei deren Liebesirrungen und -wirrungen begleiten durften. Diese Geschichte hatte mich in ein wahres Gefühlschaos gestürzt, da mich die Schilderung der Trennung ihrer Eltern, vor allem aber die Beziehung ihres Bruders Max, sehr mitgenommen hatten.
Obwohl Mario Fesler seiner Linie treu bleibt, geht es in dem dritten Abenteuer von Lizzy Carbon wieder um einiges lustiger und lockerer zu als in seinem Vorgänger.

Lizzy ist immer noch glücklich in ihrer Beziehung mit Dominik. Die Entfernung zwischen den beiden durch Dominiks Umzug nach Bayern, wo er ein Internet besucht, hat die junge Liebe nicht brechen können. Die langen Phasen, während denen die beiden sich nicht sehen können, überbrücken die beiden mit Skype.
Lizzys Mutter ist aus dem gemeinsamen Zuhause in die Wohnung von Lizzys Tante gezogen, die beruflich ein Jahr im Ausland verbringt. So hat sich die Lage zwischen Lizzys Eltern etwas entspannt.
Dennoch gibt es Dinge, die die aktuelle Situation trüben. Max’ neuer Freund ist zwar nett, dennoch vermisst Lizzy seinen alten Freund Enrico. Und die Trennung der Eltern wäre weniger schlimm, wenn Lizzys Mutter nicht ausgerechnet mit ihrem Lehrer Viktor Wenz eine Beziehung eingegangen wäre.

Es ist zwar nicht auf Lizzys eigenem Mist gewachsen für die Wahl des neuen Schulsprechers zu kanditieren, aber was, wenn sie damit dem Wenz eins auswischen könnte? Die Wahl führt zu einer Reunion des “Klub der Verlierer”, aber auch die anderen Klubmitglieder haben sich wie Lizzy selbst in den letzten Jahren verändert, und es ist nicht immer einfach mit den Veränderungen der anderen zurecht zu kommen… So hält die Wahl und deren Ausgang mehr als eine Überraschung sowohl für Lizzy als auch die Leser parat.

Auch wenn rückblickend der zweite Band “Lizzy Carbon und die Wunder der Liebe” wohl immer der sein wird, der sich aus dieser Reihe am meisten in mein Gedächtnis eingebrannt hat, und den ich vom Inhalt her am mutigsten finde, so nehme ich es Mario Fesler kein bisschen übel, dass in der dritten Geschichte, neben immer noch vorhandenen ernsten Themen, wieder der Spaß überwiegt ;)
Die Sorgen und Nöte aus dem Vorgängerband werden weder unter den Teppich gekehrt noch beschwichtigt, aber man merkt, dass die Figuren an ihren weitestgehend überstandenen Beziehungproblemen gewachsen sind und versuchen sich ihrer Zukunft zu stellen. So gibt es ein Wiederlesen mit Enrico aka Nils und Lizzys Vater versucht sich in einer Singlegruppe an neuen Hobbys, auch wenn er immer noch gerne ab und an zu tief ins Glas schaut. Die größten Überraschungen halten jedoch Kristine und ein weiteres Mitglied des Klubs der Verlierer parat, und ich habe mich sehr über die Entwicklungen im Leben der beiden gefreut.

Lizzy bewegt sich einmal mehr zwischen Jugend und Erwachsenwerden. So muss sie nicht nur einmal ihre Entscheidungen überdenken und für Fehler gerade stehen.
Auch wenn hier wieder ein lockerer Ton mitschwingt, der mehr an den Erstling denn an den direkten Vorgänger erinnert, so merkt man doch, dass Lizzy in ein Alter kommt, in dem man mehr Verantwortung tragen muss und (falsche) Entscheidungen weitreichendere Folgen haben können.

Wieder einmal hat Mario Fesler eine tiefgehende Geschichte um Familie und Freundschaften zu Papier gebracht, die so facettenreich ist wie das wahre Leben, und ich befürchte beinahe, dass es nun Zeit für den Leser ist von Lizzy Carbon Abschied zu nehmen, auch wenn ich so gerne noch mehr von ihr gelesen hätte.

Reihen-Info:
Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer
Lizzy Carbon und die Wunder der Liebe
Lizzy Carbon und die Qual der Wahl

Bewertung vom 24.07.2018
Die Geschichte vom Löwen, der nicht kochen konnte
Baltscheit, Martin

Die Geschichte vom Löwen, der nicht kochen konnte


ausgezeichnet

Endlich gibt es ein Wiederlesen mit dem Löwen! Der König der Tiere, der dank seiner schlauen Frau und unter Mithilfe der anderen Dschungeltiere bereits so einige Herausforderungen gemeistert hat, steht vor einem neuen Problem: die Löwin hat Geburtstag und zur Feier des Tages möchte der Löwe ihr etwas kochen. Doch weder weiß er was... noch wie!
Ihr könnt es euch denken... Nichts hat er gelernt aus seinem Abenteuer, als er mit Hilfe der Tiere einen Liebesbrief an die Angebetete schreiben wollte, "Nein! So etwas hätte ich doch nie geschrieben!" hieß es damals. Auch wenn die Tiere ihre Rezeptvorschläge alle TOTAL LECKER! finden, aber der Leser ahnt schon, worauf das Ganze hinauslaufen wird...

Beilage Reis am
Sonntag mit Eis.

Dem Mistkäfer schmeckt
an jedem Tag Scheiß.

Immerhin hat der Löwe soweit hinzu gelernt, dass er die Rezeptideen der anderen Dschungelbewohner löwengerecht abwandelt für das Geburtstagmenü. So findet der Vorschlag des Mistkäfers zwar keine Verwendung, aber den Käfer selbst als Zwischengang in Kugelgelee zu kredenzen, das wäre doch total lecker, oder?
Nun steht das Menü, aber...

Bloß weiß er ja nicht,
wie man das macht.

Er kann doch nicht kochen,
braten, pürieren, nicht sieben
und schneiden, schon gar
nicht frittieren.

... und das Unheil nimmt seinen Lauf! Doch die Tiere können dem Löwen mit einer neuen Idee aus der Patsche helfen, so dass er am Ende doch mit einer gelungenen Geburtstagsüberraschung für die Löwin aufwarten kann. Welche das wohl sein mag?

Nachdem der Löwe schreiben, rechnen und schwimmen gelernt hat, hat sein Erfinder Martin Baltscheit nun eine neue Herausforderung für ihn gefunden.
Wie immer ist es äußerst witzig den Löwen zu begleiten und mitzufiebern, dank welchen Ideen er es letzten Endes schaffen wird sein Abenteuer zu meistern. Text und Bild stehen sich in keinster Weise nach, beides ergänzt sich wunderbar!
Am meisten Spaß macht die Geschichte, wenn man sie laut vorliest. Was in der ersten Geschichte das "Nein! So was hätte ich doch nie geschrieben!" war, ist hier das "Total lecker" eines jeden Tieres, welches dem Löwen sein Lieblingsgericht vorschlägt, was die Zuhörer dieser Geschichte laut mitsprechen lässt.

Wer Spaß an den Vorgängern hatte und den Löwen und die anderen Dschungeltiere liebgewonnen hat, der wird auch das neue Abenteuer mögen!
Es hält zwar keine Überraschungen parat, sondern funktioniert auf die gleiche Weise wie die anderen Geschichten vom Schreiben, Zählen und Schwimmen, aber genau das habe ich erwartet und mir auch gewünscht: eine weitere lustige Herausforderung an den vom Alltag überforderten Löwen, der mit Hilfe seiner tierischen Freunde nach einer Lösung sucht, und den die Löwin auch ohne Geschenk genauso dolle lieben würde, wie sie es eben tut ;)

Reihen-Info:
Die Geschichte vom Löwen,
... der nicht schreiben konnte
... der nicht bis 3 zählen konnte
... der nicht schwimmen konnte
... der nicht kochen konnte

Bewertung vom 23.07.2018
Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren
Benjamin, Ali

Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren


ausgezeichnet

Suzys einzige Freundin Franny ist im Sommer ertrunken, gerade mal 12 Jahre alt, was 412 Millionen Herzschlägen entspricht. Franny war eine gute Schwimmerin, und so will Suzy es nicht einfach hinnehmen, dass sie ertrunken ist. Ihrer Meinung nach muss, wenn schon kein Sinn, dann zumindest ein nachvollziehbarerer Grund hinter ihrem frühen Tod stecken. Und so beginnt Suzy alles über Quallen in Erfahrung zu bringen, deren tödliche Art der Irukandji sich auch an den Stränden Neuenglands verbreitet hat...

Die Geschichte wird abwechselnd in der Gegenwart und in Rückblenden erzählt. Wie Suzy Franny kennengelernte und wie es dazu kam, dass die beiden sich entzweiten.
Ein weiterer Grund dafür, warum es so schwierig für Suzy ist Frannys Tod zu akzeptieren, denn die beiden sind im Streit auseinander gegangen und Suzy hatte keine Gelegenheit sich zu entschuldigen und die Unstimmigkeiten zu klären.

'Er konnte mir helfen, ein neues Ende zu schreiben, ein besseres Ende der Geschichte meiner Freundschaft mit Franny.
Ein Ende, bei dem ich zu den Guten gehörte und nicht zu den Bösen.' (S. 78)

Frannys Tod stürzt Suzy in eine Sinnkrise, die soweit führt, dass Suzy nicht mehr redet. Sie war nie ein Freund von Small Talk und findet es nach dem Tod der Freundin noch überflüssiger Worte an Dinge zu verschwenden, die keinen Nutzen haben.

"Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren" ist von der Thematik und Suzys Weg damit umzugehen, meiner Meinung nach mitnichten nur ein Jugendbuch. Wahrscheinlich können gerade Erwachsene, die vermutlich noch häufiger in ihrem Leben mit dem Tod konfrontiert wurden, daraus Trost schöpfen.
Da ich selbst weder gläubig bin, noch an Schicksal glaube, empfinde ich es durchaus als tröstlich, dass Dinge "einfach passieren" und das Leben auch nach einem Schicksalsschlag weitergeht.

Obwohl Suzy mit ihrem für andere zunächst seltsamen Verhalten aneckt, bietet sich ihr immer wieder die Gelegenheit zum Austausch, sofern sie den Wunsch hat, da ihr dennoch Türen offenstehen, sei es von möglichen neuen Freunden, ihren getrennt lebenden Eltern oder einer Psychologin. Auch wenn die Geschichte aus Suzys Perspektive erzählt wird, konnte ich mich recht gut in das Verhalten der anderen Figuren hineinversetzen, die nun vor dem Problem stehen, wie sie Suzy helfen können.

Mir gefällt Ali Benjamins Erzählweise und sich dem Leben und dem unvermeintlichen Ende dessen von der wissenschaftlichen Seite aus zu nähern.
Die Qualle, die das Cover ziert, die die Suzy als eigentlichen Grund für Frannys Tod ansieht, zieht sich sowohl als Illustration als auch inhaltlich durch das komplette Buch.
Es ist eine seltsam distanzierte, aber auch heilende Art sich mit dem Ende des Lebens auseinanderzusetzen und gleichermaßen lernt man neben der Unausweichlichkeit des Todes einiges über dieses faszinierende Meereslebewesen, unter deren Arten sogar eine exzistiert, die unsterblich ist.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass "Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren" machen Lesern weh tun wird. Aber so ist das mit Wunden... Wunden, die heilen, schmerzen. Schmerz bedeutet Leben. Darüber hinaus erzählt Ali Benjamin eine wunderbare Geschichte über vergangene und neue Freundschaften und über das Leben an sich, das nicht immer Sinn macht, aber einfach passiert!

Bewertung vom 24.06.2018
Der Schein
Blix, Ella

Der Schein


ausgezeichnet

Alina muss während eines längeren beruflichen Aufenthalts ihres Vaters ein Internat auf der abgelegenen Ostseeinsel Griffiun besuchen. Dieser Besuch heißt für sie monatelange Trennung von ihrer besten Freundin und von ihrem Freund. Auch der Zugriff auf Kommunikationsmittel wie Email, Skype und WhatsApp ist auf der dünnbesiedelten Ostseeinsel nur eingeschränkt möglich und erschwert den Kontakt zu Freunden und Familie zu halten.
Obwohl sie zu Beginn sehr ablehnend gegen die Insel, das Internat und dessen Bewohner ist, und ihr Verhalten sowie ihre Gedanken vor Vorurteilen nur so strotzen, findet sie doch schnell Anschluss an eine Gruppe Schüler, die aus unterschiedlichen Gründen genau wie sie an den Wochenenden im Internat verweilen muss. Durch den bunt gemischten Haufen lernt Alina ihre Vorurteile zu überdenken. Ella Blix aka Antje Wagner und Tania Witte spielen hier mit Klischees. So assoziiert Alina beispielsweise die Namen ihrer Mitschüler mit Stereotypen was Aussehen oder Gesellschaftsschichten angeht – und fällt damit ziemlich auf die Nase… Ebenso wird das Thema Gender groß aufgezogen, was wenig verwundert, da Antje und Tania aus der queeren Szene kommen und bereits andere Titel veröffentlicht haben, in denen diese Thematik eine mehr oder weniger große Rolle einnimmt.
Auf sprachlich hohem Niveau wird dennoch eine astreine Jugendsprache gepflegt, die sich zum Teil gewaschen hat! Dieses Stilmittel passt aber zum restlichen Spiel mit Klischees und man sollte sich dadurch auf keinen Fall abschrecken lassen.

Vordergründig hat der Leser es also mit einer Freundschaftsgeschichte zu tun, die mit Vorurteilen spielt und diese nach und nach widerlegt. Das Buch hieße aber nicht “Der Schein”, wenn sich hinter der Geschichte von Alina nicht weit mehr verbergen würde. Durch zahlreiche Rückblenden in Alinas Kindheit erfährt der Leser vom Verlust ihrer Mutter. Versponnen mit Sagen um ein dunkles Schiff, welche auf Griffiun herumgeistern, webt das Autorinnenduo so ein düsteres und geheimnisvolles Netz, welches den Leser gemeinsam mit den Figuren der Geschichte rätseln lässt, jedoch bekommt er genau wie diese kaum eine Chance die Zusammenhänge vor dem Ende zu lüften.

Im Gegensatz zu Antje Wagners Alleingängen im Bereich Jugendbuch “Unland” und “Vakuum”, deren Auflösungen im psychologischen Bereich anzusiedeln sind, hält das Ende von “Der Schein” zwar auch psychologische Facetten parat, es driftet aber zudem deutlich in das Genre Science Fiction, so dass man dieser Gattung nicht gänzlich abgeneigt sein sollte, um sich durch die Auflösung nicht vor den Kopf gestoßen zu fühlen.
Mein persönlicher Favorit nach mehreren Titeln von Antje Wagner ist zwar immer noch “Unland”, dennoch bin ich jedes Mal aufs Neue begeistert davon, welchen Ideenreichtum sie birgt und wie sie sich mit jedem Projekt neu definiert. Auch von Tania Witte habe ich im Vorfeld mehrere Sachen gelesen, im Bereich Jugendbuch gibt sie mit “Der Schein” jedoch ihr Debüt.
Die beiden Autorinnen schreiben gemeinsam so homogen, dass man unmöglich eine Stimme herauslesen kann, und das sage ich, obwohl mir beider Schreibstil mittlerweile recht vertraut ist. Müsste ich mich äußern, ob ich nun mehr Antje oder mehr Tania aus dem Buch gelesen habe, dann würde ich rein thematisch zu Antje tendieren, weil “Der Schein” mehr Ähnlichkeit zu ihren Jugendromanen hat als zu den Stoffen, die ich bislang von Tania kenne.

Wer jetzt denkt, dass er mit meiner Rezension recht wenig vom Inhalt erfahren hat… Stimmt ;) Bei Antjes Büchern habe ich es schon immer so gehalten um den heißen Brei herumzureden, da ihre Bücher ganz stark von den Überraschungsmomenten und unvorhersehbaren Entwicklungen leben. Auch wenn mir die Auflösung von “Der Schein” zwar nicht ganz so zusagt wie beispielsweise das Ende von “Unland”, so haben sich mit Antje und Tania zwei starke Stimmen gefunden, die sich durch ihre Sprache, den Hang zu mysteriösen Entwicklungen und ihrem Sinn für Humor wunderbar ergänzen.

Bewertung vom 24.06.2018
Cleo und der total (un)coole Gartenclub
Polák, Stephanie

Cleo und der total (un)coole Gartenclub


ausgezeichnet

Cleo und ihre Freundinnen aus dem Kuchenclub entdecken in dieser Geschichte ihre Liebe zum Gärtnern und gewinnen neue Freunde, auch wenn es zu Beginn nach dem kompletten Gegenteil aussieht…
Ein neuer Mitschüler macht den Mädchen das Leben schwer. Toni, die gerne Skateboard fährt und lieber mit Jungsklamotten und Kurzhaarfriseur herumläuft, hatte sich in den Ferien mit Jayden befreundet, bis zu dem Moment, als Jayden klar wurde, dass er es nicht mit einem Jungen, sondern mit einem coolen Mädchen zu tun hatte. Ab diesem Moment macht sich Jayden gemeinsam mit seinen Freunden über Toni lustig. Zu allem Übel ist Jayden nach den Ferien neu an der Schule, so dass sie ihm kaum noch aus dem Weg gehen kann. Der Gartenclub, der händeringend nach neuen Mitgliedern sucht, kommt da gerade richtig, um für Ablenkung zu sorgen. Doch der Spaß scheint leider von kurzer Dauer zu sein. Jaydens Vater macht nicht nur mit seiner Kaffeehauskette Cleos Eltern und ihrem Tortenparadies Konkurrenz, er will Jaydens neuer Schule eine Halfpipe spendieren, doch um dafür Platz zu schaffen, müsste der Schulgarten weichen!

Nach dem Kuchenclub, dank dem Cleo in ihrem ersten Abenteuer neue Freundinnen gefunden hat, entdeckt sie nun gemeinsam mit ihren Clubmädels den Spaß am Gärtnern. Wie aus dem vorhergehenden Band mit den Backrezepten bekannt, finden sich hier zwischen den einzelnen Kapiteln Anregungen und Anleitungen zum Gärtnern und zum Basteln.
Nach den Schwierigkeiten aus dem “uncoolen Kuchenclub” sehen sich Cleo und ihre Freundinnen hier neuen Herausforderungen gegenübergestellt, so dass man den Gartenclub problemlos ohne Kenntnis ihres ersten Abenteuers lesen kann. Es kommen zwar Charaktere vor, auf die nicht mehr so ausführlich eingegangen wird, da sie in dieser Geschichte keine so große Rolle wie im Kuchenclub spielen, aber das tut dem Spaß an diesem Buch keinen Abbruch.
Stephanie Polák setzt sich mit dem Thema Mobbing auseinander, sowie Konkurrenz im Arbeits- aber auch im Schulleben, ohne, dass diese zu aufgezwungen wirken und den Spaß an der leicht und schwungvoll erzählten Geschichte nehmen.
Mittlerweile versteht sich Cleo mit ihrer ehemals besten Freundin Emma wieder, und selbst Fee – mit der Cleo nie wirklich grün geworden ist – eilt zu guter letzt zu Hilfe, als Not am Mann ist und Ideen zur Rettung sowohl des Gartenclubs als auch dem Tortenparadies von Cleos Eltern gefragt sind.

Wiederum ist Stephanie Polák eine schöne Schulgeschichte gelungen, die auch vor ernsten Themen nicht Halt macht, was dem Lesespaß dennoch keinen Abbruch tut.
Die Garten- und Basteltipps bieten einen tollen Mehrwert, so dass man die Geschichte auch nachdem man sie gelesen hat, noch häufiger zur Hand nehmen wird. Zumal Kindern mit Cleos Geschichten aufgezeigt wird, dass man so viel andere Sachen machen kann als am Computer oder am Smartphone Zeit zu verbringen. Und im Gegensatz zu verzockter Zeit kann man mit Backen, Gärtnern oder Schneidern tolle Sachen für sich oder Geschenke für Freunde herstellen!

Reihen-Info:
Cleo und der total uncoole Kuchenclub
Cleo und der total uncoole Gartenclub