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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1899 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2023
Prophet (eBook, ePUB)
Blaché, Sin; Macdonald, Helen

Prophet (eBook, ePUB)


gut

Das dynamische Duo

Prophet ist der Debütroman von einem Autorinnen-Duo. Sin Blaché und Helen MacDonald. Für beide ist es der erste Roman. Aber Helen MacDonald hat schon Sachbücher geschrieben, zum Beispiel H wie Habicht. Das war ein sprachlich überragendes Buch. Ich hatte gehofft, mehr von dieser Sprachkraft würde sich auch in Prophet finden, aber der ist eher thrillermäßig normal geschrieben. Wobei Tempo und eine gewisse sprachliche Musikalität kann man dem Text zugestehen.
Es geht in Richtung Agententhriller mit phantastischen Einschlägen. Das Buch lebt mehr von seinen gegensätzlichen Hauptfiguren als von der merkwürdigen Story. Die Dialoge zwischen den Protagonisten Adam Rubinstein und Sunil Rao funktionieren durch eine gewisse Lakonie.
Es gibt eine Anziehungskraft zwischen ihnen.
Sie sind sehr unterschiedliche Charaktere. Adam Rubinstein ist zurückhalten, das manifestierte Nichts. Jedenfalls macht er so den Eindruck.
Sunil Rao hingegen ist impulsiv. Er ist kein richtig ausgebildeter Agent, aber vielfach begabt. Daher ergänzen sich die beiden gut.

Prophet ist nicht der schlechteste Thriller und nicht der beste. Wohl aber einer der ungewöhnlichsten.
Ihn als mittelmäßig zu bezeichnen, würde einige gute textliche Qualitäten nicht berücksichtigen. Daher sage ich, es ist ein mehr als ein passables Buch.

Bewertung vom 19.08.2023
Diese paar Minuten
Habringer, Rudolf

Diese paar Minuten


gut

dicht erzählt, manchmal etwas trocken

Die Erzählungen dieses Bandes sind nicht so ganz einfach zu lesen. Das überrascht nicht, da der Otto Müller-Verlag für anspruchsvolle Literatur steht.
Die Geschichten sind überwiegend dicht und konzentriert gestaltet, teilweise etwas trocken.
Den Österreichischen Schriftsteller Rudolf Habringer kannte ich bisher noch nicht. Er hat den guten Einfall, diese Geschichten durch den Schauplatz zu verbinden. Die meisten Geschichten sind nach immer der selben Machart. Ich muss zugeben, dass ich mit einigen Geschichten meine Schwierigkeiten hatte, da unklar blieb, wohin sie mich führen sollen, was ich mit ihnen anfangen soll.
Für die Geschichten spricht, dass sie allesamt von normalen, glaubhaften Menschen besiedelt sind, die allerdings größtenteils ihre Probleme haben.
Von menschlichen Abgründen, von denen auf der Rückseite geschrieben wird, würde ich aber nicht sofort sprechen. Das scheint mir übertrieben.

Beim besprechen von Erzählungsbänden nenne ich gerne immer zwei, drei Geschichten, die mir am Besten gefallen haben. Das kann ich bei diesem Buch leider nicht.

Bewertung vom 17.08.2023
Erinnerung und Lüge (eBook, ePUB)
Garat, Anne-Marie

Erinnerung und Lüge (eBook, ePUB)


gut

Erinnerung und Lüge
ist ein Roman der kürzlich verstorbenen französischen Schriftstellerin Anne-Marie Garat, die in Deutschland nicht so bekannt ist.
Es ist ein Buch voll überbordender Erzählfreude, verkörpert durch die 1928 geborene Lottie, die die Protagonistin des Romans beherbergt und ihr die Geschichten des Dorfes erzählt. In der Gegenwart ist es 1980. Die Protagonistin ist auch eine interessante Figur.
Das Erzählen bestimmt das Buch. Es ist weniger detailliert als ausführlich. Für mich persönlich war es etwas viel.

Bewertung vom 17.08.2023
TROTZ
Rönne, Ronja von

TROTZ


sehr gut

Trotz als Chance

TROTZ ist ein Langessay von Ronja von Rönne, den sie auf ihre bekannt ironische Art verfasst hat.
Eigene Erfahrungen flossen ein, z.B. mit einer ersten Kolumne und ihren Auftritt beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb und insbesondere ihre Rolle im Literaturbetrieb, die keine einfache ist. Ein Klinikaufenthalt folgte.
Die Autorin zeigt, wann Trotz Nachteile mit sich bringt und wann es ggf. erforderlich ist und Form von Widerstand wird. Trotz als Chance!
Meiner Meinung nach ein gelungener Text.

Bewertung vom 17.08.2023
Fremde Mächte / Die Autobiographie des Giuliano di Sansevero Bd.4
Giovene, Andrea

Fremde Mächte / Die Autobiographie des Giuliano di Sansevero Bd.4


sehr gut

Der italienische Proust

Fremde Mächte

Die Autobiografie des Giuliano di Sanseveror umfasst 5 Bände. Dieses Buch mit dem Untertitel Fremde Mächte ist der vierte Teil, theoretisch auch eigenständig lesbar.

Der Erzähler beruft sich zwar auf Tagebücher, aber es ist erzählende Prosa, ein Erinnerungsbuch, offensichtlich durch eigene Erfahrungen des Autors geprägt. Latent denkt man an einen italienischen Proust. Giovene ist ähnlich stark bei den Beschreibungen.

Es sind Kriegszeiten. Er ist in Griechenland als Offizier eingesetzt. Es folgt deutsche Kriegsgefangenschaft und Flucht. Alles erträgt Giuliano gelassen und folgt dem Geschehen mit scharfen Beobachtungen. Überwiegend bleibt er passiv.

Auffällig, wie der Text in einem gleichmäßigen Fluss bleibt.

Bewertung vom 17.08.2023
Jenny Erpenbeck über Christine Lavant / Bücher meines Lebens Bd.5
Erpenbeck, Jenny

Jenny Erpenbeck über Christine Lavant / Bücher meines Lebens Bd.5


ausgezeichnet

Die Bücher meines Lebens, eine Reihe herausgegeben von Volker Weidermann, sind deswegen so stark, weil sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verfasser und dem betrachteten Schriftsteller herstellen.
Als Jenny Erpenbeck einige Jahre in Graz lebte und die österreichische Dichterin Christine Lavant mit 30 Jahren für sich entdeckt, war sie fasziniert und es gelingt ihr, in diesem Buch den Lesern diese Faszination zu vermitteln.
Christine Lavant war mir zwar ein Begriff, aber ich bin kein Kenner ihres Werks. Daher ist die Geschichte, die Erpenbeck über Leben und Werk Lavants erzählt, im höchsten Maße spannend für mich gewesen.
Christine Lavants Leben war unspektakulär. Sie lebte von 1915 bis 1973. Sie verließ ihre Heimat praktisch nie und ihr Leben war auch von Krankheit und Armut geprägt. Dennoch hatte sie ein umfangreiches Werk mit tausenden von Gedichten und Prosa geschaffen.
Erschütternd die Passagen, als Erpenbeck von Lavants psychischen Problemen erzählt, die sie 1935 in die psychiatrische Anstalt in Klagenfurt brachte und über die Lavant 10 Jahre später ihr Prosawerk Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus schrieb. Hier wurden in den Jahren 1941 bis 1945 viele psychisch Kranke und alte Menschen ermordet.
Nach diesem Essay bin ich fest entschlossen, dringend etwas von Christine Lavant zu lesen!

Bewertung vom 15.08.2023
Die Details (eBook, ePUB)
Genberg, Ia

Die Details (eBook, ePUB)


sehr gut

Vier Porträts

Ia Genberg ist eine schwedische Schriftstellerin, die ihrem preisgekrönten Roman Die Details von einer Frau erzählt, die sich während einer Krankheitsphase an vier Personen erinnert, die ihr im Leben wichtig waren:
Johanna, eine Freundin, mit der sie die Liebe zur Literatur teilte.
Niki, die Freundin, die verschwand. Alejandro, der Musiker. Und schließlich Birgitte, die an einer Psychose leidet.

Jede dieser Personen nimmt eins der 4 Kapitel im Buch ein. Man lernt sie als leicht gediegene Persönlichkeiten kennen, die zum Teil innerlich beschädigt sind.
Ich musste leicht an Hemingway denken. Ia Genberg schreibt auch nüchtern, aber intensiv. Sprachlich war ich nicht so sehr vom Stil beeindruckt, aber der Roman ist geschickt komponiert und wirkt entsprechend.

Bewertung vom 15.08.2023
Die eigentümliche Vorliebe für das Meer (eBook, ePUB)
Hens, Gregor

Die eigentümliche Vorliebe für das Meer (eBook, ePUB)


sehr gut

Die letzte Reise der Jasmin

Gregor Hens ist ein bekannter Übersetzer, der auch schon einige Romane geschrieben hat. Dies ist das erste, das ich von ihm lese.
Die eigentümliche Vorliebe für das Meer ist ein eigentümliches Buch, jedenfalls sprachlich.
Besonders die Sätze an den Kapitelanfängen sind nicht frei von Pathos. Das ist man in der zeitgenössischen Literatur so eigentlich nicht gewohnt. Doch man gewöhnt sich schnell daran und schiefe Sätze sind es eindeutig nicht.
Es gibt immer wieder gut gestaltete Passagen.

Im Mittelpunkt steht Benedita, die als 18jährige die Familie verließ, da ihre Mutter weg war und der Vater im Gefängnis. Sie wurde schnell selbstständig. Jetzt kehrt sie nach Jahren zur Familie zurück, die ein Hotel und ein Restaurantschiff besitzen.
In jedem zweiten Kapitel ist Gabriel zentrale Figur. Er ist Beneditas Onkel und väterlicher Freund.
Ganz einfach fassbar sind die Figuren nicht, dafür sind sie ziemlich interessant. Sie sind geprägt durch das Schicksal der Familie.
So ist das Buch eine eigenwillige Familiengeschichte vor exotischen Hintergrund, die teilweise zu packen vermag und der ich 7 von 10 Punkten gebe.

Bewertung vom 15.08.2023
Der Frühling ist in den Bäumen (eBook, ePUB)
Revedin, Jana

Der Frühling ist in den Bäumen (eBook, ePUB)


gut

Night and Day

Der Frühling ist in den Bäumen. Schon der Titel ist irgendwie merkwürdig platt, aber schlimmer ist, dass die Handlung zu konstruiert wirkt. Die Autorin Jana Revedin schmeißt zu viele Zutaten in den verwässerten Brei. Die Protagonistin ist angeblich Assistentin von dem Philosophen Martin Heidegger, aber philosophische Momente hat der Roman kaum.
Sie hat Fred geheiratet, der der Neffe von Marlene Dietrich sein soll. Warum` Was hat die damit zu tun. Da kommt der Verdacht des wahllosen Namedropping auf.
Dann gründet die Protagonistin eine Frauenzeitschrift. Das ist ja nicht gerade eine Kleinigkeit. Gezeigt über diesen Prozess wird aber kaum etwas.
Daher entsteht ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Zentrales Thema des Buches ist Gewalt in einer Beziehung. Renina ist der Gewalt ihres Mannes Fred ausgesetzt. Diese Thematik ist psychologisch hier eher oberflächlich behandelt.

Das Cover gibt ein gewisses Gefühl für die Zeit der fünfziger Jahre in Deutschland, die Handlung bietet das zu wenig.
Mich hatte der Zusammenhang zu Heidegger zum Buch gelockt und war wirklich enttäuscht, dass da nicht viel geboten wird.

Bewertung vom 15.08.2023
18 Kilometer bis Ljubljana
Vojnovic, Goran

18 Kilometer bis Ljubljana


sehr gut

Roman aus Slowenien mit eigenständigem Ton

18 Kilometer nach Ljubljana ist ein Roman von Goran Vojnovic. Er erzählt von der Perspektivlosigkeit eines jungen Mannes in seiner Heimat Slowenien.
Erzählt wird vom Icherzähler Marko in einer selbstironischen, derben Jugendsprache, die an den Rand des Erträglichen geht. Gemildert wird das durch Wortwitz. Der Autor will aber damit auch Grenzen sprengen. Eine Qualität der Sprache ist das hohe Tempo.
Trotz des Zynismus des Protagonisten macht er auch einige gute Beobachtungen.

Marko ist in Slowenien aufgewachsen, aber Sohn bosnischer Eltern. Die letzten Jahre war er in Bosnien bei den Großeltern und hatte dort eine Beziehung mit Alma, die Muslimin ist. Durchaus problematisch, da die Erinnerungen an den Krieg noch frisch sind. Zurück in Slowenien zieht Marko mit seinen Freunden rum.

18 Kilometer nach Ljubljana ist übrigens die Fortsetzung von Vojnovics Kultroman „Tschefuren raus“.