Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 998 Bewertungen
Bewertung vom 25.12.2023
Die Bibliothek im Nebel
Meyer, Kai

Die Bibliothek im Nebel


ausgezeichnet

In Büchern liegt die Seele aller gewesenen Zeit - Thomas Carlyle

Thomas hat es sich zur Aufgabe gemacht, die dunkelsten Geheimnisse der Menschen aufzudecken, die es sich nach dem Krieg in der Bussi-Bussi-Gesellschaft so herrlich bequem eingerichtet haben. Seine Methoden sind nicht immer Usus, aber um Recht walten zu lassen, greift er auch gerne mal zu unkonventionellen Taktiken. Das ruft Liette auf den Plan, denn ihr gehört das Hotel, in dem Thomas seine List zu Geld macht. Ein Treffen zwischen den beiden verspricht aufregend zu werden, denn Thomas soll für Liette die Besitzerin eines Buches ausfindig machen....


Kai Meyer schreibt Märchen für Erwachsene, die so gut erdacht sind, dass sie die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion vollkommen verschwimmen lassen. Mit "Die Bibliothek im Nebel" gelingt ihm wieder ein großer Coup, der von der ersten bis zur letzten Seite randvoll mit faszinierenden Geschichten, jede Menge Spannung und abwechslungsreichen Charakteren ist.

Auf drei Zeitebenen erzählt, weiß der Autor seine Leserschaft mit auf eine Zeitreise zu nehmen, die von Sankt Petersburg im Jahr 1917 bis hin an die Cote d’Azur im Jahr 1928 reicht , um dann mit den Recherchen im Jahr 1958 ebenda ihre Höhepunkt zu nehmen. Die Handlung ist eine sehr gelungene Mischung aus historischen Begebenheiten, Familiensaga und leichten kriminalistischen Elementen und fesselt die Leser:innen regelrecht an die Buchseiten.

Es ist, als würde beim Umblättern die Tinte auf dem Papier leise Flüstern, um ihre Geheimnisse zu offenbaren, die sich hinter dem Nebel verstecken. Es gelingt Meyer sehr gut, dieses mystisch-magische Lesegefühl über die komplette Dauer des Buchs aufrecht zu halten, sodass die Neugier auf die Handlung zu jederzeit erhalten bleibt.

Die Figuren Liette und Thomas sind federführend, aber sie bekommen durch Artur und Mara zwei ebenbürtige Charaktere an die Seite gestellt, sodass die Lesenden im Verlauf des Buches immer wieder mit den unterschiedlichsten Wesenszügen und Beweggründen konfrontiert werden. Meyer verpackt seine sehr gute Recherche in eine mitreißende Story über Bücher, Buchdruck und die Bücherstadt Leipzig, sodass es ihm gelingt, noch ein Stück Wissensvermittlung zu betreiben.

Der Schreibstil ist sehr dynamisch, vermittelt einen hauch Dramatik und Mystik, glänzt mit überraschenden Einblicken und Erkenntnissen und spielt mit den Emotionen der Lesenden. Ein echter Pageturner !

Bewertung vom 22.12.2023
Die Weite des Horizonts
Walker, Noa C.

Die Weite des Horizonts


ausgezeichnet

„Die wahre Freundschaft erkennt man daran, wie wenig sie verlangt und wie viel sie gibt.“ — Marie von Ebner-Eschenbach

1942 - Der Krieg tobt mit all seinen Schrecken und macht auch vor dem Gutshof der Familie Biber im Schwarzwald nicht halt. Während Cara als Wehrmachtshelferin in die Normandie versetzt wird, lösen unbedachte Äußerungen ihres Bruders Alexander in der Heimat eine mittelschwere Katastrophe aus. Doch auch Cara weiß nicht, wie sie sich verhalten soll, denn die schönen Urlaubserinnerungen an die Normandie werden durch die Kriegsereignisse beeinträchtigt. Ausgerechnet Nic, der ihr Herz höher schlagen lässt, gehört einer geheimen Operation an. Die Komplikationen sind vorprogrammiert. Aber was passiert, wenn sich die Freunde von einst als Feinde gegenüberstehen ?


Noa C. Walker alias Elisabeth Büchle ist eine Garantin für historische Bücher, die unter die Haut gehen und noch lange nachwirken. So auch das neueste Werk "Die Weite des Horizonts" , in dem sie die Schrecken der Kriegstage unglaublich lebendig erzählt. Ihre Figuren werden durch ihren aktiven Schreibstil zum Leben erweckt, steigen aus den Seiten und nehmen die Leser;innen an der Hand, um gemeinsam mit ihnen den steinigen Weg zu gehen, der unglaublich viele Entscheidungen von Herz und Verstand verlangt.

Das macht nicht nur Cara, Alexander, Isabell und Nic nahbar, sondern es gelingt der Schreibenden, dass sich ihre Leser:innen komplett in die fiktiven Charaktere hineinversetzen können. Es ist eine Metamorphose, bei der sich die Lesenden in die Figuren des Buches verwandeln, um sie zu verstehen und sie ernst zu nehmen, damit ihre Beweggründe nicht nur nachvollziehbar werden, sondern als eigene Entscheidungen mitgetragen werden.

Es steht die Frage im Raum, wie weit Freundschaft bereit ist, in Krisenzeiten Möglichkeiten und Entscheidungen auszuhalten, die den Umständen geschuldet sind. Auch flicht die Autorin den christlichen Glauben unaufdringlich mit ein, sodass dieser eine Halt gebende Stütze wird, aber sich nie in den Vordergrund drängt.

Zwischen Glaube, Liebe und Hoffnung, Freundschaft und der Tätigkeit im Widerstand entsteht ein Wechselbad der Gefühle und eine unglaublich spannende Handlung, die zum einen durch die sehr innigen Beziehungen der Protas zueinander eine Saite im Herzen zum Klingen bringt und zum anderen deutlich macht, dass es immer einen Weg des Guten gibt, um das Böse zu besiegen.

Der historische Teil ist wie immer sehr sauber recherchiert und vermittelt daher einen sehr fundierten Einblick in unsere jüngste Geschichte.

Sehr lesenswert und ein Highlight 2023 !

Bewertung vom 20.12.2023
Das Papageienbuch
Morgenroth, Wolfgang

Das Papageienbuch


gut

Kurzweilig zu lesen

Es gleicht schon fast einem Märchen, wenn uralte Texte den Weg ins Hier und Jetzt finden. Ihnen haftet etwas Mystisches, Faszinierendes an und genau das macht den Reiz beim Lesen aus. "Das Papageienbuch" führt die Leser.innen mehr als tausend Jahre zurück und lässt sie ein Teil der Kurzgeschichten und Fabeln werden.

Ein Papagei als Moralapostel, der Prabhawati durch seine Erzählungen davon abhält, den letzten Schritt zu gehen und so ihre Ehe zu gefährden. Seine Geschichten und Fabeln werden so erzählt, dass sie Prabhawatis Neugier wecken, sie die ganze Nacht über in Schach halten und so letztendlich den Seitensprung verhindern.

Die Erzählungen lassen sich gut lesen, sind unterhaltsam und zeichnen trotz ihrer Knappheit ein schönes Bild, in das die Lesenden eintauchen können. Zwar stehen hier immer fremdgehende Frauen im Mittelpunkt, aber sie werden nicht angeprangert oder dafür gar vorverurteilt. Was nicht heißen will, dass ein Ehebruch als legitim zu werten ist.

Die Geschichten wissen zu unterhalten, aber so ganz können sie mich nicht überzeugen. Anhand des wirklich mehr als gelungenen Covers und des Klappentextes hatte ich mir eine Leseerlebnis a la Tausendundeiner Nacht erhofft, das mich mit dem Reiz der Exotik auf einer Art fliegendem Teppich in Buchform in die fernöstliche Welt trägt und verzaubert.

Bewertung vom 17.12.2023
Stille Nacht im Schnee
Oetker, Alexander

Stille Nacht im Schnee


sehr gut

Schöne Bescherung

Weihnachten ist das Fest der Familie und der liebgewonnen Traditionen. So auch bei Elisabeth und Pascal, die in ihrem Haus in den Schweizer Bergen schon ganz gespannt auf ihre Kinder und Enkelkinder warten. Der Baum ist geschmückt, die Zutaten für das Käsefondue stehen bereit und es schneit und schneit und schneit. Niemand ahnt, dass es ein ganz besonders Fest randvoll mit Überraschungen und Geständnissen sein wird...


Alexander Oetker öffnet einladend die Türen zum Schweizer Chalet und entführt seine Leser:innen in eine märchenhafte Winterlandschaft in den Bergen. Überall glitzert es, überall funkelt es und Weihnachten liegt ganz deutlich in der Luft. Die Szenen, die sich im gemütlichen Chalet abspielen sind alle mitten aus dem Leben gegriffen und uns allen wohlbekannt. Da ist ein Knistern in der Luft, aber nicht etwa, weil es erotisch wird, sondern weil die Zündschnüre der Nerven recht kurz sind und nur darauf warten, die Emotionen zum Bersten zu bringen.

Das Fest der Liebe wird zum Umschlagplatz für Chaos und ungewollte Komplikationen, wenn unterschiedliche Charaktere treffen. Gesine ist hochnäsig und treibt manch Leser:in zur Verzweiflung und Sohn Mats ist ein verzogener Rotzbengel, der nicht nur seinen Eltern auf der Nase herumtanzt.

Mittendrin die Ruhepole Elisabeth und Pascal, die immer wieder versuchen, ein wenig Ruhe und Ordnung in das familiäre Durcheinander zu bringen. Zwischen Schneegestöber, knackenden Holzscheiten im Kamin und dem ein oder anderen guten Glas Wein kommen dann plötzlich alle Themen auf den Tisch, die unter den Nägeln brennen. Überraschende Geständnisse inbegriffen : )

Trotz all dem Hin und Her bleibt es aber eine wundervoll weihnachtliche Komödie, die an die alle Grisworlds, Hoppenstedts und Grinchs der TV-Welt erinnert und gut unterhält.

Bewertung vom 17.12.2023
Der Unterton

Der Unterton


gut

Gleich im Verlauf, Handlung und Personen dem Buch "Die Freiheit so nah"

Jo beherrscht die Drumsticks wie kein Zweiter und in seiner Band fühlt er sich wohl. Es gibt ja auch keinen Grund zur Klage, denn das Leben in der DDR mitsamt seiner dörflichen Idylle hat schon so seine Vorteile. Mit Eintritt in den Wehrdienst lernt Jo eine ganz andere Welt kennen und findet in Ben einen echten Freund. Aber die Zeit steht nicht still und das Rad dreht sich unaufhörlich weiter. Die DDR ,wie Jo sie aus Kindheitstagen kennt, verfällt immer mehr und aus der schützenden Hülle wird ein wackliges Konstrukt...


Thomas Niedzwetzki lässt in seinem Roman "Der Unterton" autobiografische Züge einfließen und vermittel so seinen Leser;innen, dass zwischen den Seiten nicht erdachte Figuren, sondern Menschen wie du und ich ihre Geschichte erzählen. Sie sind nahbar, geben sehr viel von ihrer Gefühls- & Gedankenwelt preis und so gelingt es dem Schreibenden, das Leben im Osten zugänglich zu machen.

Bei der Schilderung der Klavierstunde schleicht sich ein kleines Grinsen ein, rufen diese doch den Udo Lindenberg Song "Die Klavierlehrerin" aus der Schublade der Erinnerung auf und lassen den Ohrwurm abspielen.

Aber je mehr die Handlung voranschreitet, desto mehr Parallelen und Gleichheiten finden sich zwischen "Der Unterton" und dem erst kürzlich veröffentlichten Roman "Die Freiheit so nah" von A.A Kästner. Freundschaft, Stasi-Knechtschaft, Republikflucht, Wegnahme des Seemannsbuches und selbst dass Ende gleichen sich wie ein Ei dem anderen und ich bin gefangen in einem Déjà-vu, verwechsle die Namen der Protas aus diesem Buch mit dem Kästners und beide Handlungen legen sich zu einer fast identischen Story übereinander.
Ich finde diesen Gleichklang verwirrend und komme nicht umhin, mir diesbezüglich Fragen zu stellen.

Der lange Arm der Stasi, der Schraubstock der Haft und das unrühmliche Ende dieser staatlichen Institution können selbstverständlich nicht geändert und in jedem Buch neu erfunden werden, da es sich hier einfach um Fakten handelt, die unumstößlich sind.

Das Buch liest sich flüssig und dank Niedzwetzkis Feinfühligkeit auch sehr empathisch. Für mich bleiben allerdings zu viele Gleichungen bestehen und deswegen vergebe ich 3 Sternchen.

Bewertung vom 16.12.2023
Kleine Kuschelhelden - Alles gut versteckt!

Kleine Kuschelhelden - Alles gut versteckt!


ausgezeichnet

Magischer Suchspaß

Die kleinen Kuschelhelden erzählen auf 10 großformatigen Pappkarten kleine Episoden, bei denen sich mittels einer kleinen Taschenlampe innerhalb weniger Sekunden das Gute-Nacht-Ritual in pure Magie verwandelt . Denn diese Taschenlampe bringt nicht nur die Seiten zum Leuchten, sondern auch die Augen der Kinder. Mit Hilfe der kleinen Lampe können nämlich Jungen und Mädchen ab 4 Jahren kleine Geheimnisse entdecken , die sich in den kunterbunten Seiten verstecken.

Einfach mit der Taschenlampe auf der Kartenrückseite leuchten und schon scheint die Lichtquelle durch und lässt Sandschaufel, Teekanne, Schlafmütze oder funkelnde Sterne erscheinen. Die Motive sind passend zur jeweiligen Kurzgeschichte gewählt, sodass direkt ein Bezug hergestellt werden kann.

Die Pappkarten sind recht dünn, da sie lichtdurchlässig sein müssen. Das ist auf der einen Seite auch ganz in Ordnung, da ansonsten die Lichtquelle regelrecht verschluckt werden würde, aber auf der anderen Seite wellen sich schon nach wenigen Abenden die Seiten nach oben. Das Greifen gelingt mit kleinen Kinderhänden ganz gut, schult somit Pinzettengriff und Feinmotorik. Visuelle Anreize sind durch die farbenfrohen Zeichnungen gegeben und wecken das Interesse für das Geschehen auf der Karte. Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit werden zusätzlich trainiert, da die versteckten Gegenstände und Motive auf der Kartenvorderseite entdeckt werden wollen.

Zudem wird spielerisch der Wortschatz erweitert. Durch mehrmaliges Wiederholen der Wörter festigen sich diese und finden automatisch in den Sprachgebrauch des Kindes.

Eine magischer Suchspaß, der das Zu-Bett-Gehen in ein kleines Abenteuer verwandelt, daher 4,5 Sternchen

Bewertung vom 16.12.2023
Strohtod
Sandberg, Lou

Strohtod


weniger gut

Hier wird leider nicht Stroh zu Krimi-Gold gesponnen

Sebastian Buck hat sich seinen Start bei der Frankfurter Kripo irgendwie anders vorgestellt, trotzdem ist er dankbar für jede Ablenkung. Der erste Fall führt in mit Kollegin Maike an den Stadtrand und dort heißt es leider nicht mehr "Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde", denn ausgerechnet Reitlehrer Alexander Wiesner liegt tot im Stroh. Aber wer hat ein Interesse daran, das Aushängeschild des Reitvereins auszuschalten und ins Jenseits zu befördern ? Je mehr Strohhalme gewendet werden, desto klarer wird das Motiv...

Nach Prolog und erstem Kapitel habe ich mir gedacht: Wow, was ein Einstieg. Schlagabtausche und Seitenhiebe auf die Beziehungen zwischen den Städten Frankfurt und Offenbach und auch das erste Aufeinandertreffen von Sebastian und Maike lässt das Grinsen von einem Ohr zum anderen wandern. Aber was danach kommt ist einfach nicht das Gelbe vom Ei und weit weg davon entfernt, jemals ein spannender Krimi zu werden.

Nicht nur, dass sich die Fehler in Rechtschreibung und Interpunktion, sowie Dativ und Genitiv häufen, sondern das Niveau geht nach und nach flöten. Irgendwie pendelt sich das Buch zwischen Trennungsschmerz, Beziehungsproblemen und übertriebenem Geltungsbedürfnis ein und lässt dadurch seine eh schon angeschlagenen Protagonist:innen in einem diffusen Licht erscheinen.

Vom Mord und den dazugehörigen Ermittlungen ist nicht viel zu lesen, vielmehr verschwindet die Tat mitsamt der Polizeiarbeit unter den Strohballen und löst sich mehr oder weniger in Wohlgefallen auf. Das Drumherum wird künstlich aufgebauscht, erhält eine viel zu große Plattform, um aus Nichtigkeiten und Belanglosem ein Gerüst zu bauen, das die schüttere Handlung nicht halten kann.

Hier wird leider nicht Stroh zu Krimi-Gold gesponnen , stattdessen werden Beziehungsprobleme gewälzt und persönliche Befindlichkeiten breit getreten. Auch kommt das Regionale viel zu kurz, obwohl hier unglaublich viel Potenzial vorhanden ist. Wer einen aufregenden und rasanten Krimi sucht, der wird leider enttäuscht werden.

1, 5 Sternchen blieben übrig, da viele Ansätze gut gedacht, aber in der Umsetzung eher oberflächlich und unzureichend sind.

Bewertung vom 15.12.2023
Randmeer
Kanter, Olaf

Randmeer


ausgezeichnet

Pläne die Luft und das Wasser, die Wildnis und Natur zu beschützen, sind auch Pläne, den Menschen zu beschützen.“ (Stewart Udall)

Olaf Kanter segelt auf der Nordsee und lässt seine Gedanken schweifen. Ist die Nordsee, die ja eigentlich ein Randmeer des Atlantiks ist, tatsächlich heute noch frei und wild, oder sind es verklärte und romantisierte Darstellungen, die unsere Sehnsucht antreiben ? Ist es nicht vielmehr so, dass sich das Meer in eine wirtschaftliche Nutzfläche verwandelt hat, bei der es gilt, den größtmöglichen Nutzen aus Wind und Wellen zu ziehen ? Doch wo bleibt da der Naturschutz - auch oder gerade in Zeiten der Energiewende.

Auf 136 Seiten lernen die Leser;innen viel über das Gewässer, was mit Ebbe und Flut zweimal täglich sein wandelbares Gesicht zeigt. Zweimal Erosionen, die das Wattenmeer und die Landschaft drumherum verändern. Was heute früh glatt und eben war, sieht abends anders aus. Erdgeschichte zum Miterleben, aber kaum ein/e Tourist:in macht sich die Mühe, dieses Wunder auch tatsächlich zu verinnerlichen.

Ist es wirklich klug und ratsam, immer mehr Windparks mitten ins Meer zu stellen, wo sie unweigerlich Einfluss auf die Strömung nehmen und so auch den Lebensraum der Meerestiere beschneiden ? Doch wie gelingt ein Umdenken und Umlenken, wenn fossile Brennstoffe eben nicht mehr das Non-plus-ultra sind ? Wie die Öl- & Gasplattformen rückbauen und entsorgen ? CO2 in den Meeresboden verpressen klingt zunächst genial, aber um genau das zu tun, muss zunächst noch mehr CO2 produziert werden. Also, warum nicht gleich eine andere Lösung finden.

Kanter bietet Geschichte, Wirtschaft und Wissenschaft für Interessierte, ohne dass es zu fachlich wird. Ja, er geht manchmal in die Tiefe, aber genau das ist nötig, um das Verständnis für die wechselvolle Geschichte der Nordsee zu wecken. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass die Nordseewellen an den Strand trekken und die Halligen, Nord- & Ostfriesischen Inseln Heimat für ihre Bewohner:innen und Sehnsuchtsorte für Tourist:innen sind.

Der Lebensraum Nordsee ist mehr und Meer und genau das gilt es zu erkennen, ohne dass das Randmeer ausgeschlachtet, verbaut und ausgenutzt wird. Ein sehr kluges und gut ausgearbeitetes Essay, das nicht nur rhetorisch den Finger auf wunde Punkte legt, sondern auch sehr überzeugend in seiner Aussage ist.

Sehr empfehlenswert !

Bewertung vom 14.12.2023
Gstaad
Grünberg, Arnon

Gstaad


schlecht

Ekelerregend, abstoßend, verstörend

"Haste was , biste was. Haste nix, biste nix" - nach diesem Motto lebt Francois Lepeltier und baut sich im Verlauf der Jahre ein Leben auf, das vom Schein lebt. Gemeinsam mit seiner Mutter zieht er von Frühstückspension zu Frühstückspension, von Nobelhotel zu Nobelhotel und blendet dabei seine Mitmenschen in einer ungeahnten Perfektion. Doch hinter dieser glänzenden, weltmännischen Fassade sieht es düster aus...

Nach dem Lesen des Klappentextes habe ich mich auf einen Roman gefreut, der den Anschein erweckt, ein moderner Nachfolger des Romans "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" von Thomas Mann zu sein. Der Schreck, die Abneigung und das Entsetzen fahren mir regelrecht in die Knochen, nachdem ich die ersten Seiten gelesen habe.

Statt einer unterhaltsamen Lektüre mit viel satirischem Wortwitz halte ich ein Buch in den Händen, das randvoll mit ekelerregenden, abstoßenden und verstörenden Schilderungen bis ins kleinste Detail ist. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Inzest, Vergewaltigungen und obszöne Sexfantasien sind in diesem Roman auf jeder Seite zu finden und werden wirklich akribisch und mit einer Hingabe beschrieben, die mich sprach- & fassungslos macht.

Zudem scheut sich der Autor nicht davor, sämtliche Öffnungen eines menschlichen Körpers mitsamt seien Flüssigkeiten und Absonderungen plakativ und aufrdringlich zu beschreiben, sodass der Ekelfaktor noch zusätzlich befeuert wird.

Auch wenn die Geschichte von Lepeltier vom Grundgedanken - nämlich wie leicht es ist, das Vortäuschen eines höheren gesellschaftlichen Rangs, einer besseren beruflichen Position aktiv vorzuleben - durchaus einen gewissen Unterhaltungswert besitzt, so kann und will ich die Ausführungen im Buch nicht respektieren und akzeptieren. Hier überschreitet der Autor eindeutig eine Grenze, die ich nicht hinnehmen möchte.

Die Figur Lepeltier ist krankhaft besessen, durch die Erlebnisse in seiner Kindheit sind sein Charakter und seine Seele zerstört, aber muss der Autor mit seinen ausführlichen Schilderungen wirklich noch Anreize geben, wie Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in die Tat umsetzbar wird ?

Ich distanziere mich von jeglichen Ausführungen in diesem Buch und bin erschrocken, dass diese Szenen, Worte und Handlungen einer breiten Masse zugänglich gemacht werden.

Bewertung vom 13.12.2023
24 Wege nach Hause
Fagerlund, Jenny

24 Wege nach Hause


sehr gut

Glücksmomente sind das schönste Geschenk

Petra hat das Gefühl, dass dieses Weihnachtsfest zu einem der traurigsten werden könnte, was sie jemals erlebt hat. Nicht nur, dass sie schwer an dem Verlust ihrer Schwester zu tragen hat, auch hat sie die Verantwortung für ihre Nichte Charlie übernommen. Aber wie soll das Fest der Liebe für zwei in Nyponviken gestrandete Menschen zu einem Freudenfest werden ? Mit dem Auftauchen eines mysteriösen Adventskalenders sieht sich Petra mit einem Rätsel konfrontiert, das täglichen hinter den Türchen mit liebevollen, aber doch eher rätselhaften Botschaften auf sie wartet,. Eines ist klar: Die Verfasserin erzählt von einer großen Liebe, die nicht ohne Folgen geblieben ist...


Jenny Fagerlund erzählt mit "24 Wege nach Hause" eine sehr rührige Geschichte über das Suchen und Finden des eigenen Ich, von familiären Wurzeln und kleinen und großen Geheimnissen, die das Leben manchmal ganz schön auf den Kopf stellen können. Die winterliche Schneelandschaft Nyponvikens tut ihr übriges, um die Leser;innen in die passende Stimmung zu versetzen.

Zwar wartet die Geschichte nicht unbedingt mit großartigen Überraschungen auf, denn allzu früh ist schon zu erkennen, welches Geheimnis sich hinter den Botschaften im Adventskalender verbirgt, aber Fagerlund weiß trotzdem eine sehr heimelige Atmosphäre zu schaffen und der Handlung einen passenden Rahmen zu geben.

Die Figuren haben alle das Herz auf dem rechten Fleck und manchmal ruckelt und hakt es eben, wenn das Leben in den nächsten Gang schaltet und winterliche Fahrt aufnimmt. Die Episoden sind herzerwärmend, ohne große Aufreger und trotzdem lebendig und abwechslungsreich gestaltet, sodass sich der komplette Roman flüssig und angenehm lesen lässt.

Irgendwie verbreitet sich ein warmes wohliges Gefühl, denn Fagerlund beherrscht die Kunst mit den Wörtern zu spielen und sie zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenzufügen. Ein bisschen Romantik, ein bisschen Familiengeschichte und ganz viel Weihnachten erzeugen eine emotionale Bindung an das Buch. Manchmal muss es eben etwas fürs Herz sein und gerade in den Tagen vor Weihnachten tun solche Geschichten einfach gut.