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Bücherfreundin

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Insgesamt 300 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2022
Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1
Getz, Kristine

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1


weniger gut

Brisantes und aktuelles Thema - leider nicht überzeugend umgesetzt
Der Ullstein Verlag hat den Debütroman "Poppy" der norwegischen Autorin Kristine Getz veröffentlicht.
Das Cover ist hinreißend gestaltet, und der Klappentext weckte meine Neugier auf das Buch.

Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht die junge Familie Wiig während einer Zeitspanne von nur 4 Tagen: die Influencerin Lotte, ihr Mann Jens und die zweijährige Tochter Poppy. Die Familie verdient sich ihren Lebensunterhalt mit der Vermarktung des Familienlebens in den sozialen Medien, wobei Poppy als Hauptperson. als unfreiwilliger Star, fungiert. Bereits die Geburt des Kindes war Thema in den Netzwerken, und es vergeht kein Tag, an dem die Familie nicht Berichte postet und kleine Filme veröffentlicht. Die Tätigkeit bringt der Familie mehr als 400.000 Follower, die ihrem scheinbar perfekten Leben folgen, und einen gewissen Wohlstand.
Während eines Aufenthaltes bei den Großeltern verschwindet Poppy spurlos.

Die junge Kommissarin Emer Murphy, nach 6 Wochen Aufenthalt in der Psychiatrie immer noch krankgeschrieben und unter Psychopharmaka stehend, beginnt gegen den Rat ihrer Lebensgefährtin und ihres Arztes mit den Ermittlungen und unterstützt dabei ihren Kollegen Mons Tidemand.

Die Geschichte erinnert mich sehr an "Die Kinder sind Könige" von Delphine de Vigan. Auch in de Vigans Buch geht es um die permanente Internetpräsenz von Eltern, die ihre Kinder in den Medien vermarkten. Auch sie bringen es dank vieler Follower zu einem gewissen Wohlstand. Aber im Gegensatz zu Kristine Getz gelingt es Delphine de Vigan, dem Leser die Ausbeutung, der die Kinder ausgesetzt sind. sehr deutlich und mit viel Intensität vor Augen zu führen.
Bei Kristine Getz vermisse ich die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Internetsucht und Vermarktung von Kindern ohne deren Erlaubnis. Es bleibt vieles sehr an der Oberfläche.

Emer Murphy ist eine interessante Figur, jedoch hätte ich mir ihre Darstellung und die Beschreibung ihrer psychischen Probleme realistischer gewünscht. Die Esotherik-Geschichte rund um Emers Großmutter war meiner Meinung nach überflüssig.

Bei der Ermittlungsarbeit fehlte mir die Fokussierung auf das verschwundene Kind. Stattdessen stehen zunehmend Familienmitglieder und andere Nebenfiguren im Zentrum des Geschehens, so dass die Geschichte für mich zäh wurde, deutlich an Spannung verlor und ich aufpassen musste, vor dem Hintergrund der vielen Personen nicht den Faden zu verlieren.

Der Sprachstil der Autorin ist eher schlicht, keine ihrer Figuren war mir sympathisch, und es mangelte mir an Spannung, die ich in einem Thriller einfach voraussetze. Das Ende war zwar überraschend, hat mich aber nicht überzeugen können. 

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.09.2022
Kochen am offenen Herzen
Strohe, Max

Kochen am offenen Herzen


weniger gut

Buch hält leider nicht, was der Klappentext verspricht
Der Tropen Verlag hat "Kochen am offenen Herzen", die Erinnerungen von Max Strohe, veröffentlicht. Der Name Max Strohe war mir bislang vollkommen unbekannt, aber der Klappentext machte mich neugierig: "Vom Schulabbrecher aus der Provinz zum Sternekoch mit Bundesverdienstkreuz - die Geschichte von Max Strohe ist einzigartig ...". Ich freute mich auf den Bericht über einen interessanten Aufstieg - und wurde enttäuscht.
 
Der Autor schildert seine Geschichte während eines Zeitraums von etwa 10 Jahren. Mit 15 Jahren lernt er seinen Vater, einen erfolgreichen Antiquitätenhändler, kennen, er bricht die Schule ab und tritt eine Ausbildung als Koch an. Sein Arbeitgeber entlässt ihn vorzeitig, Max schafft es dann aber, seine Ausbildung in Bad Neuenahr abzuschließen und arbeitet anschließend in der Küche eines Altersheims, später in einem Hotel auf Kreta.
 
Mit großer Offenheit reflektiert Max Strohe 10 Jahre seines Lebens. Es ist das Leben eines Heranwachsenden, die Schule ist ihm nicht wichtig, wichtig sind Alkohol, Sex und Drogen. Darüber berichtet er in sehr direkter, bisweilen obszöner Sprache. Auf die ausführliche Schilderung seines Liebeslebens sowie Alkohol- und Drogenkonsums hätte ich gut verzichten können, ich hätte lieber mehr über seine Tätigkeit als Koch erfahren. Ich hatte andere Vorstellungen, aufgrund des Klappentextes erhoffte ich mir, mehr darüber zu erfahren, wie er es geschafft hat, die Karriereleiter emporzusteigen.
 
Der Autor hat seine Geschichte in flüssigem und angenehmem Sprachstil verfasst. Die Schilderung seiner Ausbildung fand ich sehr interessant. Bei seiner Abschlussprüfung habe ich richtig mitgefiebert. Max Strohe ist mutig, schreibt auch über Missstände in der Branche, es geht hier um Analogkäse und Formfleisch, Maggi und die Verwendung von Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdaten längst überschritten sind. Ich bin ihm dankbar für diese Aufklärung und werde daraus meine persönlichen Konsequenzen ziehen. Gut gefallen hat mir auch die Beschreibung seiner Begegnungen mit dem Vater, besonders die gemeinsame Reise nach New York.
 
Das Buch wird zwar als Sachbuch beworben, stellt aber das ausschweifende Privatleben des damals jugendlichen Autors in den Vordergrund. Sein Aufstieg in die erste Liga der Köche und seine Tätigkeit als Fernsehkoch hätten mich mehr interessiert, aber das blieb leider vollkommen außen vor. 
 
Aufgrund des vielversprechenden Klappentextes hatte ich mir mehr versprochen - von mir leider nur 2 Sterne.
 

Bewertung vom 17.09.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


ausgezeichnet

Großartiger und anspruchsvoller Roman
Fernando Aramburu hat mit seinem Buch "Patria" bereits einen Bestseller gelandet und ist mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden. Auch "Die Mauersegler" ist in Spanien gefeiert und als Klassiker des 21. Jahrhunderts bezeichnet worden. Dementsprechend war ich sehr neugierig auf die deutsche Übersetzung, die nun vom Rowohlt Verlag veröffentlicht worden ist - und wurde nicht enttäuscht.
 
Der Autor erzählt auf stolzen 832 Seiten die Geschichte des 54jährigen Gymnasiallehrers Toni. Dieser ist seit 10 Jahren von der Radiomoderatorin Amalia geschieden, hat einen Sohn und ist mit seinem Leben unzufrieden. Er beschließt, in exakt 365 Tagen, genau gesagt am 31.7. des kommenden Jahres, aus dem Leben zu scheiden. Bis es soweit ist, führt er ein Tagebuch, in dem er jeden Tag auf ein bis zwei Seiten sein Leben Revue passieren lässt, aber auch seine aktuellen Tageserlebnisse und seine vielfältigen Ansichten festhält. Die Aufzeichnungen bewegen sich zwischen Gegenwart und Vergangenheit, so wie Toni es gerade in den Sinn kommt, und er seziert auch die politische Situation seines Landes. Sein Leben ändert sich, als eine Frau seinen Weg kreuzt, deren Hund Toni heißt ....
 
In 365 Kapiteln erinnert sich der Ich-Erzähler Toni an seine Kindheit, beleuchtet das Verhältnis zu seinen Eltern und beschreibt die Hassgefühle, die er für seinen Bruder Raúl hegt. Auch für seine Exfrau Amalia und den gemeinsamen Sohn Nikita, den er für geistig beschränkt hält, hegt er keine positiven Gefühle. In seinem Beruf ist er schon lange nicht mehr glücklich. Er liebt seinen Hund Pepa und mag seinen Freund, den er ohne dessen Wissen Humpel nennt.
 
Der grandios erzählte Roman hat mich von Anfang an gefesselt und in seinen Bann gezogen. Toni ist ein nicht gerade sympathischer Antiheld, der offen und ehrlich, oft auch mit feinem Sinn für Humor, seine Gedanken und Gefühle in seinem Tagebuch niederschreibt. Das ist faszinierend, sarkastisch, aber bisweilen auch derb bis obszön. So hätte ich auf die genaue Beschreibung seiner intimen Vorlieben und die Abschnitte mit Tina gut verzichten können. Der Roman ist sehr vielschichtig, hart, aber gleichzeitig auch gefühlvoll. Der intelligente und anspruchsvolle Sprachstil hat mich begeistert. Ich bin eingetaucht in Tonis Welt mit all seinen Problemen und Enttäuschungen. Der Autor hat mit seiner einzigartigen Erzählkunst bewirkt, dass ich mehr und mehr verstehen konnte, weshalb Toni sich zu einem so düsteren Menschen entwickelt hat, dem das Leben nicht mehr lebenswert erschien.  
 
Das außergewöhnliche Buch, über das ich noch lange nachdenken werde, ist für mich bereits jetzt ein Highlight dieses Jahres.
Von mir absolute Leseempfehlung und 5 Sterne!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2022
Der Regenbogenfisch glaubt nicht alles
Pfister, Marcus

Der Regenbogenfisch glaubt nicht alles


ausgezeichnet

Liebevoll gestaltetes Vorlesebuch mit wichtiger Botschaft
Der Regenbogenfisch wird 30 Jahre alt! Aus diesem Anlass hat der Nord Süd Verlag "Der Regenbogenfisch glaubt nicht alles" von Marcus Pfister veröffentlicht.

Das mit wunderschönen und schillernden Illustrationen versehene Vorlesebuch erzählt die Geschichte des Regenbogenfischs, in dessen Schwarm der Fisch Humbrecht eine Lügengeschichte erzählt. Es gebe einen Stöpsel im Meer, der von einem fiesen Typen gezogen werden solle. Da geraten der Regenbogenfisch und die anderen Meeresfische natürlich erst einmal in helle Aufregung ...

Das 32seitige großformatige Buch mit der wichtigen Botschaft, nicht alles zu glauben, was man ihnen erzählt, richtet sich an Kinder ab etwa 4 Jahren und ist sehr ansprechend gestaltet. Die Texte sind altersgerecht und gut verständlich. Das Buch ist ein Vorlesebuch, wird aber sicherlich auch Leseanfänger zum Selberlesen animieren. Die zauberhaften Illustrationen ergänzen die Texte ganz wunderbar. 

Jungen und Mädchen werden auch dieses phantasievolle und spannend erzählte Vorlesebuch mit dem Regenbogenfisch lieben!

Bewertung vom 14.09.2022
Der Klang der Erinnerung
Browning Wroe, Jo

Der Klang der Erinnerung


sehr gut

Berührender und fesselnder Debütroman
Der Insel Verlag hat den auf mehreren Zeitebenen erzählten Debütroman "Der Klang der Erinnerung" von Jo Browning Wroe veröffentlicht. Die englische Autorin stammt aus einer Bestatterfamilie und erzählt die Geschichte des jungen Einbalsamierers William Lavery.

Oktober 1966: Der 19jährige William feiert gerade sein glänzend abgeschlossenes Examen als Einbalsamierer. Während des Festessens erfolgt ein Hilferuf aus dem Bergbauort Aberfan. Dort hatte es ein schreckliches Unglück gegeben, bei dem durch einen Haldenrutsch 116 Kinder und 28 Erwachsene getötet wurden. Es werden Einbalsamierer gesucht, um die Getöteten für die Beisetzung vorzubereiten. William reist sofort nach Aberfan, um zu helfen. Die belastende Tätigkeit hinterlässt tiefe Spuren, jahrelang leidet er unter Panikattacken und Albträumen.

Wir begleiten William während seiner Internatszeit ab dem Jahr 1957, bei der seine Gesangsausbildung im Vordergrund steht. Sein großer Traum ist es, "Miserere" von Allegri zu singen, das Solo, das er mit 5 Jahren zum ersten Mal hörte und das ihn so beeindruckte, dass er in Tränen ausbrach.

Die Autorin fächert in Rückblenden behutsam Williams Vergangenheit auf, parallel dazu begleiten wir ihn während seines Aufenthalts im Internat und die Jahre danach. Wir lernen nicht nur den sympathischen William kennen, sondern auch seinen Freund Martin aus der Zeit seines Internatsaufenthaltes, seinen Onkel Robert, der nach dem frühen Tod des Vaters für ihn da ist, erleben seine große Liebe zur empathischen Gloria und die problematische Beziehung zu seiner Mutter Evelyn. Wir werden nicht nur in die schöne Welt der Musik entführt, sondern erfahren auch viel Interessantes über die Tätigkeit eines Einbalsamierers.

Jo Browning Wroe erzählt die Geschichte über das Erwachsenwerden des jungen William ganz wunderbar und feinfühlig. Die Charaktere sind behutsam gezeichnet und authentisch. Ich war von der ersten Seite an gefesselt und begeistert - bis es zur Auflösung des traumatischen Geschehens kam und die zentrale Frage, warum das Verhältnis zu seiner Mutter zerrüttet ist, beantwortet wird. Hier hatte ich große Probleme: das Ende war für mich unglaubwürdig, überladen und schrammte in meinen Augen haarscharf am Kitsch vorbei.

Trotz des mich leider enttäuschenden Schlusskapitels hat mich das emotionale Buch über weite Teile sehr gut unterhalten und gefesselt - von mir 4 Sterne!

Bewertung vom 13.09.2022
Kerl aus Koks
Brandner, Michael

Kerl aus Koks


gut

Unterhaltsame Lebenserinnerungen
Der List Verlag hat mit "Kerl aus Koks" die Lebenserinnerungen des Schauspielers Michael Brandner veröffentlicht. Ich kenne den Autor nicht, aber das schwarz-weiße Cover mit dem kleinen blonden Jungen, der verschmitzt in die Kamera lächelt, hat mich sofort angesprochen und neugierig gemacht. 

Der fast vierjährige Paul fühlt sich wie im Schlaraffenland bei seiner Tante Hannah und Onkel Hans. Er liebt das leckere Essen, mit dem die Tante die Familie verwöhnt und hat sich gut eingelebt. Das behütete Leben in Bayern findet jedoch für ihn ein jähes Ende, als seine Mutter Helga, die für ihn eine fremde Frau ist, unangemeldet vor der Tür steht, um Paul abzuholen. In Dortmund wartet ein vollkommen neues Leben in beengten Verhältnissen auf ihn. Das Geld ist knapp, doch Helmut, der neue Mann an Helgas Seite, bringt Paul sehr viel Verständnis und Zuneigung entgegen und wünscht sich nur, dass Paul glücklich ist. Das Verhältnis zur Mutter, die Paul bedrängt, mit dem nötigen Ehrgeiz ein Studium anzustreben, wird mit den Jahren zunehmend schwierig.
 
Der in weiten Teilen unterhaltsame Roman mit biografischen Zügen ist in 5 Staffeln unterteilt und liest sich sehr flüssig. Mit viel Sprachwitz erzählt der Autor aus seinem Leben während eines Zeitraums von über 40 Jahren. Die Schilderung seiner Kindheit und Jugend ist dem Autor hervorragend und eindrucksvoll gelungen, auch seine Zeit beim Grenzschutz ist sehr kurzweilig geschildert. Danach empfand ich die Handlung als etwas zäh. Die Jahre in der Hausbesetzerszene haben mich nicht fesseln können. Pauls ausschweifendes Leben mit Alkohol und Drogen und die damit verbundenen gesundheitlichen Probleme, die selbstgefällige Schilderung seiner zahlreichen Liebesbeziehungen, die Unbeständigkeit im Arbeitsleben, das alles war mir dann irgendwann zu viel und hat bei mir eher Kopfschütteln ausgelöst. 
Dagegen war es für mich interessant, Pauls Werdegang als Schauspieler zu verfolgen.
 
Die Schilderung der Kindheit und Jugend des Autors hat mich sehr berührt und gefesselt. Was die späteren Jahre angeht, so hätte ich mir gewünscht, dass der Autor etwas Selbstkritik in seine "fast wahre" Geschichte hätte einfließen lassen. 

Bewertung vom 26.08.2022
#buch4you: Dein Mädchenbuch: Sei kreativ
Busch, Nikki

#buch4you: Dein Mädchenbuch: Sei kreativ


ausgezeichnet

Wunderschönes Bastel- und Beschäftigungsbuch für kreative Mädchen
Der Carlsen Verlag hat ein neues Bastel- und beschäftigungsbuch von Nikki Busch veröffentlicht. "Dein Mädchenbuch - sei kreativ" richtet sich mit seinen vielfältigen Ideen und Vorschlägen an Mädchen ab ca. 10 Jahren. Die zauberhaften Illustrationen in wunderschönen Farben stammen von Christiane Hahn. 

Das inspirierende Buch ist bereits auf den ersten Blick zum Verlieben. Das phantasievoll in vielen Farben designte Cover glitzert, die Buchdeckel werden durch ein elastisches Band, das auch als Lesezeichen geeignet ist, zusammengehalten - und auf stolzen 240 Seiten gibt es zahlreiche Vorschläge, um der Kreativität freien Lauf zu lassen. Im einleitenden Kapitel wird erklärt, dass die Bastelanleitungen in drei unterschiedliche Schwierigkeitsgrade unterteilt sind. Danach wird die Faltkunst Origami vorgestellt, und es folgen zahlreiche Anleitungen für das Basteln aus unterschiedlichsten Materialien. Es warten auch viele kleine Rätsel zum Lösen, es gibt Seiten zum Malen, Ausschneiden und Einkleben.
Die Bastelanleitungen und -techniken sind klar und gut verständlich erklärt. Jede Projektseite zeigt eine genaue Übersicht der benötigten Dinge. Die letzten 15 Seiten des sehr hochwertig und liebevoll gestalteten Buches enthalten bunte Papierbögen zur freien Verwendung. Sehr hilfreich finde ich das zweiseitige Stichwortverzeichnis, das sich am Ende des Buches vor den Papierbögen befindet.

Dieses Beschäftigungsbuch für Mädchen ist einfach wunderschön - große Kaufempfehlung von mir und wohlverdiente 5 Sterne!

Bewertung vom 25.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


gut

Phantasievolle Geschichte über Trauerarbeit
Nach Stefanie vor Schultes erfolgreichem Debütroman "Junge mit schwarzem Hahn" im Jahr 2021 erscheint nun im Diogenes Verlag ihr zweiter Roman "Schlangen im Garten".

In der phantasievollen Geschichte steht Familie Mohn im Mittelpunkt, genauer gesagt Adam, der Vater, und seine drei Kinder Linne, Steve und Micha. Die Mutter Johanne ist kürzlich verstorben, und Adam und die Kinder möchten viele Erinnerungen an die Verstorbene bewahren. So verzehren die Zurückgebliebenen die in kleine Stücke zerrissenen Seiten aus Johannes Tagebüchern. Der Vater hat seinen Beruf aufgegeben, der älteste Sohn Steve sein Studium auf Eis gelegt. Linne, die Zornige, ist stets bereit, sich zu prügeln, und Micha, der Sensible, hat sich zurückgezogen. Jeder trauert auf seine außergewöhnliche Weise, was der Nachbarschaft nicht gefällt und Herrn Ginster vom Traueramt auf den Plan ruft.

Die Autorin schildert in einzigartiger, sehr gewöhnungsbedürftiger Sprache den Umgang der einzelnen Familienmitglieder mit der Trauer. Es gibt eindrucksvolle Begegnungen mit Nebenfiguren, die durch kleine, märchenhafte Geschichten in Verbindung mit der Verstorbenen standen. Was ist Realität, was ist Fiktion? Der Leser ist mit der Lektüre gefordert und muss sich sein eigenes Bild machen.

Durch die sehr spezielle Ausdrucksweise ist der Roman nicht einfach zu lesen. Man muss sich auf den Stil der Autorin einlassen. Ich konnte das nur bedingt. Die kleinen Geschichten rund um Bassert, die tragische Figur Ginster, Marlene und die Obdachlose Bille fand ich sehr berührend, während mir zu anderen Teilen des Buches einfach der Zugang und das Verständnis fehlte. So fand ich den letzten Abschnitt mit dem umgedrehten Tisch doch sehr abstrus. 

Ich war sehr neugierig auf das Buch mit der interessanten Thematik, aber begeistern konnte es mich letztlich leider nicht.

Bewertung vom 23.08.2022
Intimitäten
Kitamura, Katie

Intimitäten


sehr gut

Leiser und beeindruckender Roman mit Tiefgang
In "Intimitäten", dem aktuellen Buch der amerikanischen Autorin Katie Kitamura, das im Hanser Verlag erschienen ist, wird die Geschichte einer Dolmetscherin erzählt.

Die namenlose Ich-Erzählerin zieht von New York nach Den Haag, nachdem ihr Vater gestorben ist und ihre Mutter zurück in ihre Heimat Singapur gegangen ist. In Den Haag hat die kluge und mehrsprachige Protagonistin einen Vertrag für die Dauer eines Jahres als Dolmetscherin beim Internationalen Gerichtshof unterschrieben. Sie lernt Jana kennen, die Kuratorin einer Galerie, und freundet sich mit ihr an. Sie verliebt sich in den Niederländer Adriaan, dessen Frau ihn ein Jahr zuvor wegen eines anderen Mannes verlassen hat und mit diesem in Lissabon lebt. Adriaan begibt sich zur Klärung wichtiger Fragen nach Lissabon und bittet die Ich-Erzählerin, in der Zeit seiner Abwesenheit in seiner Wohnung zu leben. Aus der angekündigten Woche werden Monate ....

Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf einem wichtigen Prozess, in dem die Ich-Erzählerin die Aussagen eines westafrikanischen ehemaligen Präsidenten zu übersetzen hat. Der Prozess ist eine gewaltige Herausforderung für sie, und die Übersetzungsarbeit für den angeklagten Kriegsverbrecher bringt sie an ihre Grenzen. 

Das Buch ist ein ruhiges, ein unaufgeregtes Buch, in dem nicht sehr viel passiert. Dennoch hat es mich in seinen Bann gezogen und gefesselt. Es geht um Lüge und Wahrheit, um Recht und Gerechtigkeit. Die Autorin hat mir mit ihrem intelligenten und klaren Sprachstil einen Einblick in die Tätigkeit der Dolmetscher und speziell in die Gedankenwelt der Ich-Erzählerin vermittelt. Es war für mich faszinierend zu lesen, welche Verantwortung mit der Tätigkeit verbunden ist und wie belastend die Arbeit am Internationalen Gerichtshof ist, der sich in erster Linie mit Genoziden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschäftigt.

Obwohl ich die Handlung als eher distanzierte Beschreibung empfunden habe, konnte ich mich sehr gut in die Protagonistin hineinversetzen. Die Charaktere sind sehr schön gezeichnet und authentisch. Auch die Begegnungen mit den Nebenfiguren sind fesselnd beschrieben.

Das Buch hat mir nicht nur viel Lesefreude bereitet, sondern auch sehr viel Wissenswertes aus der Welt der Dolmetscher und ihrer Tätigkeit vor Gericht vermittelt.
Leseempfehlung von mir und 4 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


ausgezeichnet

Literarisches Highlight
Wie all ihre Werke hat der Suhrkamp Verlag auch "Violeta" veröffentlicht, den aktuellen Roman von Isabel Allende, der anlässlich ihres 80. Geburtstags erschienen ist. Ich hatte hohe Erwartungen an das Buch - und ich wurde nicht enttäuscht!

Die Autorin beschreibt in ihrem mitreißenden Buch das Leben von Violeta del Valle, das 100 Jahre währte.
Violeta wird als sechstes Kind des wohlhabenden Sägewerkbesitzers Arsenio del Valle und seiner Frau Maria Gracia geboren. Der Vater ist glücklich, nach fünf Söhnen endlich die ersehnte Tochter bekommen zu haben. Nach dem Ausbruch der Spanischen Grippe lebt die Großfamilie, zu der auch zwei Tanten gehören, auf Veranlassung des Vaters isoliert mit den Bediensteten in ihrem hochherrschaftlichen Haus. Als der Vater während der Großen Depression sein gesamtes Vermögen verliert, trifft er eine folgenschwere Entscheidung. Nun ist die Familie gezwungen, in einen abgelegenen Landesteil umzuziehen und ein einfaches Leben zu führen.

Violeta erzählt während der Corona-Pandemie ihre Lebensgeschichte in Form eines Briefes an ihren geliebten Enkel Camilo. Sie schildert ihm darin mit beeindruckender Offenheit ihr Leben und berichtet von ihrer Kindheit, ihren Liebesbeziehungen, vom Kämpfen für die Rechte der Frauen, aber auch von Wohlstand und Armut, Erfolgen, Verlusten und Trauer. Auch ihre Fehler und Schwächen verschweigt sie nicht. Ein großer Teil des Buches widmet sich den politischen Ereignissen in ihrem namenlosen Land, den Kriegen sowie dem Aufstieg und Fall von Diktatoren.

Isabel Allende hat einen großartigen und intensiven Roman geschrieben, der mich tief bewegt hat. Ihr kluger Sprachstil fesselte mich bis zur letzten Seite. Sie hat das lange Leben von Violeta, ihre Beziehungen zu den zahlreichen Familienmitgliedern, Partnern und Freunden ganz wunderbar beschrieben. Die Charaktere sind meisterhaft und authentisch dargestellt. Ich habe die willensstarke Violeta, die mich tief in ihre Gefühlswelt blicken ließ, sofort in mein Herz geschlossen und mit ihr die Höhen und Tiefen ihres Lebens durchlebt. Aber auch viele Nebenfiguren faszinierten mich, wie ihr Bruder José Antonio und ganz besonders ihr irisches Kindermädchen Josephine Taylor.  

Sehr gern und mit viel Lesefreude habe ich Violeta durch ihre 100 intensiven Lebensjahre begleitet. Ich habe sie als verzogenes Kind erlebt, als eigenwillige Partnerin, liebende Mutter, erfolgreiche Geschäftsfrau und leidenschaftliche Kämpferin für die Rechte der Frauen. Die Geschichte ist packend und authentisch erzählt, ich habe mich keine Minute gelangweilt.

Unbedingte Leseempfehlung von mir für diesen hervorragenden Roman und 5 Sterne!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.