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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3573 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2023
Anders leben - Franz Kafka und Dora Diamant
Lamping, Dieter

Anders leben - Franz Kafka und Dora Diamant


ausgezeichnet

Im nächsten Jahr jährt sich der Todestag des Schriftstellers Franz Kafka (1883-1924) zum 100. Mal. Er ist der weltweit meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache. Im Vorfeld des literarischen Jubiläums erscheinen bereits zahlreiche Neuerscheinungen. Der Literaturwissenschaftler und Kafka-Experte Dieter Lamping, der sich schon ein Leben lang mit dem Schriftsteller befasst hat, widmet sich in seinem Buch dem Ausnahmeschriftsteller und seiner letzten Liebe.

Die Schauspielerin Dora Diamant (1900-1952) war lange Zeit die Unbekannte an Kafkas Seite. Die beiden begegneten sich im Juli 1923 im Ostseebad Müritz, wo der 40jährige Kafka Linderung für seine Lungentuberkulose suchte. Kafka hatte nach seiner krankheitsbedingten Frühpensionierung Prag verlassen und war nach Berlin gegangen, wo das Paar nach der Ferienzeit noch einige kostbare gemeinsame Monate verbrachte. Kafka wagt zum ersten und einzigen Mal, was ihm zuvor unmöglich erschien: das Zusammenleben mit einer Frau.

Es ist der Anfang eines neuen Lebens – wenn auch nur für ein paar Monate. Durch die Hyperinflation der Jahre 1923/24 war das Paar ständig gezwungen, neuen, bezahlbaren Wohnraum in der Reichshauptstadt zu finden. Lamping schildert ausführlich die einzelnen Stationen und das Alltagsleben. Man schmiedete sogar Hochzeitspläne, doch da war von Anfang an die Angst, etwas Lauerndes, über das Dora jedoch so gut es ging hinwegsah. In die letzten Jahre fiel auch Kafkas Freundschaft zu dem Schriftsteller Max Brod (1884-1968), der als sein Nachlassverwalter die noch nicht veröffentlichten Texte vernichten sollte. Dass Brod schließlich den letzten Willen seines todkranken Freundes überging, verdanken wir u.a. Kafkas Roman „Der Prozess“.

Die Neuerscheinung hat Lamping mit zahlreichen Originalzitaten versehen, die einen ersten Einblick in Kafkas Schaffen geben. Außerdem hat Simone Frieling einige Grafiken beigesteuert. Fazit: Ein gelungener Auftakt des Kafka-Jubiläums 2024.

Bewertung vom 26.09.2023
Feinde
Mailer, Norman

Feinde


ausgezeichnet

Nach dem ersten Band „Gespenster“ von Norman Mailers „Epos der geheimen Mächte“ hat der Langen Müller Verlag nun den zweiten Band „Feinde“ vorgelegt. Der Originaltitel und die deutsche Übersetzung des zweibändigen Epos erschienen beide1991/92.

Mailer erzählt in „Feinde“ die Geschichte des jungen CIA-Offiziers Harry Hubbard weiter. Es ist die Zeit der frühen 1960er Jahre. Harry kommt in geheimer Mission nach Florida, wo er eine Invasion exilkubanischer Kräfte auf Kuba vorbereiten soll. Er arbeitet an verschiedenen Taktiken, um Castros Regime zu stürzen. Doch er ist nur das Werkzeug undurchschaubarer Kräfte, die ihn für ihre Zwecke missbrauchen Letztendlich scheitert die Invasion in der Schweinebucht; Kennedy gelingt es, die Kubakrise abzuwenden. Aber nicht nur die zwielichtigen Kennedys und nicht zuletzt die Monroe zappeln im Netz, das Mailer gesponnen hat.

Am Ende des Buches arbeitet Harry mit seinem Vater zusammen, nachdem er endlich seine Erwartungen erfüllt hat, und geht sogar dazu über, seinen alten Chef, Bill Harvey, zu entlassen. Er hat in der Agentur gewissermaßen Erfolg gehabt. Das Buch endet jedoch damit, dass er in Moskau nach Harlots angeblichem Tod sucht und überzeugt ist, dass sein ehemaliger Mentor immer noch irgendwo da draußen ist. Das Buch endet mit dem Satz „Fortsetzung folgt“, obwohl dies nie der Fall war.

In der Nachbemerkung zu seinem über 1000-seitigen Opus betont Mailer, „dass er dieses Buch mit dem Teil meiner Phantasie geschrieben habe, der seit vierzig Jahren bei CIA ein- und ausgeht. … Ich brauchte der Agency weder anzugehören noch ihre Mitarbeiter gut zu kennen und konnte doch zuversichtlich glauben, dass ich begriffen habem wie sie im Innersten funktionierte.“

Bewertung vom 25.09.2023
Frühling der Revolution
Clark, Christopher

Frühling der Revolution


ausgezeichnet

2023/24 jährt sich zum 175. Mal die Revolution 1848/49, die sowohl einen Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte markiert als auch die erste europaweite Bewegung für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit darstellte. Vor 175 Jahren trat in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche Parlament zusammen. Der Versuch, auf parlamentarischem Weg Einheit und Freiheit zu schaffen, scheiterte 1849 zwar an den erstarkten alten Gewalten, aber das Werk der Paulskirche wirkte weiter – bis in unser heutiges Grundgesetz.

Häufig wird die 1848-Revolution von Historikern als eine gescheiterte Revolution angesehen. Dem widerspricht der bekannte britische Historiker Christopher Clark in seinem neuen Buch. „Frühling der Revolution“. Auf 800 Seiten (über 200 Seiten Anmerkungen) beleuchtet er umfassend und mit vielen Details die revolutionären Ereignisse von 1848–1849, wobei er auch bisher wenig beachtete Quellen heranzieht. Die europaweiten Geschehnisse werden in neun Hauptkapitel chronologisch präsentiert, dabei aber auch in thematische Abschnitte unterteilt.

Überall in Europa entwickelten sich neue politische Ideen, Glaubenssätze und Erwartungen. Die politischen Umwälzungen und gesellschaftliche Veränderungen betrafen z.B. die Rolle der Frau in der Gesellschaft, das Ende der Sklaverei, das Recht auf Arbeit, die nationale Unabhängigkeit der europäischen Länder oder die jüdische Emanzipation.

Clark schafft es dabei, die verschiedenen Handlungsstränge und Themen geschickt miteinander zu verknüpfen. Obwohl Revolutionen in verschiedenen Ländern schnell aufeinander folgten, war es nicht so, dass eine Revolution den Funken für die nächste auslöste. Vielmehr wurden alle Revolten durch eine Reihe gemeinsamer sozialer und politischer Bedingungen hervorgerufen, die sich über den gesamten Kontinent erstreckten. Das sogenannte „Scheitern“ war die Tatsache, dass die Revolutionäre nicht in der Lage waren, eine ausreichend starke internationale Solidarität aufzubauen, die „der Bedrohung durch die konterrevolutionäre Internationale“ standhalten konnte.

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Bewertung vom 25.09.2023
Die Entdeckung der Milchstraße
Lesch, Harald;Scorza-Lesch, Cecilia;Latußeck, Arndt

Die Entdeckung der Milchstraße


ausgezeichnet

Und dort oben leuchten die Sterne. Die Menschen haben schon immer faszinierend zum Himmel geschaut. Erst die Astronomie und die Erforschung des Himmels hat bewiesen, dass die Milchstraße, eine Galaxie, die aus vielen Milliarden Sternen besteht, unser Zuhause ist.

Das Autoren-Trio Harald Lesch, Cecilia Scorza-Lesch und Arndt Latusseck erzählt in der Neuerscheinung die Entdeckung und Erforschung der Milchstraße. In den Jahrhunderten seit der Erfindung des Fernrohrs gab es immer wieder Astronomen, die sich der Erforschung des Sternenhimmels widmeten. Immer wieder waren es Neugier, Hartnäckigkeit und Visionskraft, die neue Ergebnisse hervorbrachten. Eines dieser Schlüsselergebnisse lieferte z.B. im 18. Jahrhundert das Geschwisterpaar Wilhelm und Caroline Herschel, die mit selbst entworfenen Teleskopen ein erstes Bild über die Ausmaße der Milchstraße entwickelten.

In 18 Kapiteln verfolgen die AutorInnen die einzelnen Etappen der Erforschung unserer Galaxie von den Anfängen (teilweise noch ohne Teleskop) bis zum modernen Bild unserer Milchstraße – von den Dunkelwolken, der Radioastronomie, der Infrarotstrahlung, der Entdeckung der Spiralarme und des Zentrums der Milchstraße bis zu den Zukunftsperspektiven der Milchstraße. Dabei werden auch immer wieder die Biografien und wissenschaftlichen Leistungen einzelner Forscherpersönlichkeiten beleuchtet – wie die Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel, Edwin Hubble, Edward Barnard oder Arthur Eddington, aber auch solch stiller Protagonisten wie die amerikanische Astronomin Henrietta Leavitt, die den Zusammenhang zwischen der absoluten Helligkeit der pulsierenden Sterne und der Periode ihrer Helligkeitsschwankung entdeckte.

Die Neuerscheinung ist mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet; die Erläuterungen und Beschreibung verlangen zwar einige Astronomiekenntnisse, sind aber sehr verständlich geschrieben.

Bewertung vom 25.09.2023
Edvard Munch

Edvard Munch


ausgezeichnet

Der norwegische Maler und Grafiker Edvard Munch (1863-1944) war einer der wichtigsten Künstler der Moderne. Er gilt als Wegbereiter des Symbolismus und Expressionismus. Neben über 1700 Gemälden schuf er auch zahlreiche Grafiken und Zeichnungen. Viele seiner Gemälde mit ihrer radikalen Modernität schockierten zur Jahrhundertwende (1900) die Öffentlichkeit, heute dagegen sind sie weltberühmt und sie sind in vielen Museen vertreten.

Vor allem in Deutschland war Munch sehr beliebt; so gab es von 1892 bis 1933 immerhin 65 Ausstellungen in Berlin. Die damalige Reichshauptstadt wurde für ihn zu einem wichtigen Produktions- und Ausstellungsort. Die enge Geschichte von Edvard Munch und Berlin will nun die Ausstellung „Zauber des Nordens“ (15. September 2023 bis 22. Januar 2024) anhand von rund 80 Werken (Gemälden, Grafiken und Fotografien) erzählen und dokumentieren.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche und reich illustrierte Begleitkatalog zu dieser bemerkenswerten Ausstellung erschienen. Der Katalogteil zeigt neben den Ausstellungswerken auch Werke anderer Künstler dieser Epoche. So wird der Übergang vom Naturalismus zur Moderne dargestellt. Im Essayteil (sieben Beiträge) beleuchten renommierte KunsthistorikerInnen besondere Aspekte in Munchs Leben und Berliner Schaffen. Sabine Meister widmet sich Munchs erster Ausstellung in Berlin 1892, die sich zu einem Skandal ausweitete, Janina Nentwig beschäftigt sich mit Munchs „Lebensfries“ in der Berliner Secession 1902, in dem der Künstler zentrale Themen seines Werkes abhandelte. Während Andreas Schalhorn einen Überblick über Munchs Druckgrafik der Berliner Jahre gibt, behandelt Christina Feilchenfeldt die Zusammenarbeit mit der Kunsthandlung Paul Cassirer. Abschließend lässt Dieter Scholz die große Munch-Retrospektive in der Berliner Nationalgalerie 1927 Revue passieren.

In dem umfangreichen Anhang „Edvard Munch und Berlin“ sind neben einem Verzeichnis der ausgestellten Werke und Literaturhinweisen die einzelnen Berliner Ausstellungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts noch einmal näher kurz erläutert und mit einigen historischen Abbildungen ergänzt. Fazit: Ausstellung und Katalog dokumentieren umfassend Munchs fruchtbare Jahre in der Kunstmetropole Berlin.

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Bewertung vom 24.09.2023
Das goldene Buch der Fußball-Weltmeisterschaft
Schulze-Marmeling, Dietrich;Beyer-Schwarzbach, Bernd-M.

Das goldene Buch der Fußball-Weltmeisterschaft


ausgezeichnet

Bisher gab es von 1930 bis 2022 insgesamt 22 Turniere der Fußball-Weltmeisterschaft. Am 13. Juli 1930 erfolgte der Anpfiff zur ersten WM in Uruguay mit dem Eröffnungsspiel Frankreich gegen Mexiko. Und am 18. Dezember 2022 in Katar wurde Argentinien Weltmeister im Finale gegen Frankreich durch Elfmeterschießen.

„Das goldene Buch der Fußball-Weltmeisterschaften“ aus dem Verlag Die Werkstatt lässt diese 22 spannenden Turniere noch einmal Revue passieren. Jedes einzelne Turnier wird auf mehreren (meist rund zwanzig) Seiten mit einem längeren Text und historischen Abbildungen (teilweise ganzseitig) vorgestellt. Dabei werden besonders hochdramatische Spiele (wie die Endspiele) oder herausragende Spielerpersönlichkeiten ausführlich behandelt.

Da kann man noch einmal das Wunder von Bern, das Wembley-Tor, das Wunder von Córdoba, das deutsche Sommermärchen von 2006 oder das blamable Abschneiden der deutschen Mannschaft 20218 und 2022 nachvollziehen. Es wird an die Karriere der Fußballstars wie Pelé, Franz Beckenbauer, Michel Platini, Diego Maradona, Renaldo oder Lionel Messi erinnert. Aber auch gesellschaftliche und politische Themen werden angeschnitten.

Der umfangreiche Anhang bringt dann neben den ausführlichen Turnierstatistiken auch Rekordlisten und einen Länder- und Turniervergleich. Der ausgezeichnete Bild-Text-Band mit seiner Fülle an Informationen, seiner üppigen Illustration und der edlen Ausstattung verdient wirklich das Prädikat „Goldenes Buch“. Da bleiben keine Wünsche offen. Ein absolutes Muss für alle Fußball-Fans.

Bewertung vom 24.09.2023
Auf der Suche
Fontane, Theodor

Auf der Suche


ausgezeichnet

Theodor Fontane ist vor allem bekannt für seine Romane wie „Effi Briest“, „Der Stechlin“ oder „Frau Jenny Treibel“, die hervorragende Beispiele des poetischen Realismus sind. Neben diesen realistischen Romanen und seinen kulturhistorischen Heimatschilderungen („Wanderungen“) hat er auch kurze Erzählungen und Geschichten verfasst, die er selbst „Short Stories“ nannte und bewusst für eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift verfasst hatte.

Die Aufbau-Neuerscheinung versammelt sechs literarische Kostproben dieser Stories. In der titelgebenden Geschichte „Auf der Suche“ berichtet Fontane von einem Besuch der gerade eröffneten chinesischen Botschaft im Berliner Tiergarten, der sich in seinen Augen in eine exotische Flusslandschaft verwandelt. „Eine Frau in meinen Jahren“ erzählt von einer Zufallsbegegnung im Kurpark von Bad Kissingen. Der Spaziergang endet dann auf dem örtlichen Friedhof. In der Story „Im Coupé“ ist es die Begegnung einer allein reisenden Frau und eines jungen Mannes in einem Nachtzug.

Die Geschichte „Onkel Dodo“ zeigt den Apotheker und Psychografen Fontane. Besagter Onkel Dodo wird während eines Erholungsaufenthaltes im Harz von einem Gesundheitsapostel so lange in die Mangel genommen, bis er vorzeitig und krank den Urlaub abbricht. Abgeschlossen wird die Auswahl durch zwei Dorfgeschichten aus dem Riesengebirge. Ergänzt wird die Neuerscheinung durch ein Nachwort des Herausgebers Iwan-Michelangelo D’Aprile, der kompakte Erläuterungen zu den einzeln Stories gibt.

Bewertung vom 24.09.2023
Ach, wie gut, dass niemand weiß ...
Essig, Rolf-Bernhard

Ach, wie gut, dass niemand weiß ...


ausgezeichnet

Der Sprichwortexperte Rolf-Bernhard Essig hat bereits mehrfach zu Herkunft und Hintergründen von Redewendungen und geflügelten Worten publiziert – zuletzt über Redensarten, die ihren Ursprung im Handwerk haben. In der Neuerscheinung „Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ hat er nun über 200 Sprachbilder aus dem Märchenbereich gesammelt, die in unsere Alltagssprache Eingang gefunden haben.

Ob „Sieben auf einen Streich“, „Siebenmeilenstiefel“, „Sesam, öffne dich!“, „Doktor Allwissend“, „Kreide fressen“ oder „etwas im Schilde führen“ – sie alle haben ihren Ursprung in der Märchenwelt von den Gebrüdern Grimm, über Baron Münchhausen, Ludwig Bechstein bis zu Hans Christian Andersen. Die sprichwörtlichen Redensarten sind noch heute in aller Munde. Man könnte sagen: „Und weil sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute!“

Der Autor erklärt ausführlich, welche Märchen oder historischen und literarischen Hintergründe sich hinter den Redensarten verbergen sowie den heutigen Sprachgebrauch – und das in einer bunten Mischung aus Fakten und Spaß an der Sprache, unterstützt von humorvollen Illustrationen von Nataša Kaiser. Ein sehr unterhaltsames Buch, in dem es nicht heißt: „Erzähl mir keine Märchen“.

Bewertung vom 24.09.2023
Karl Wolfskehl
Wolfskehl, Karl

Karl Wolfskehl


ausgezeichnet

Der Schriftsteller und Übersetzer Karl Wolfskehl (1869-1948) war einer der bedeutendsten deutschen Dichter in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Sein literarisches Schaffen umfasste Prosa, Dramen und vor allem Lyrik, die um religiöse und mythologische Themen kreiste. So gehörte er dem Stefan-George-Kreis an. Wegen seiner jüdischen Herkunft floh er zu Beginn des Nationalsozialismus in die Schweiz und von dort nach Italien. Nach der Annäherung von Deutschland und Italien ging er über Australien nach Neuseeland, wo er bis zu seinem Tode lebte.

In seinem Gedichtzyklus „Die Stimme spricht“ (1934/36) setzte sich Wolfskehl mit seinem jüdischen Glauben, dem Exilschicksal jüdischer AutorInnen auseinander und thematisierte dabei die vom Nationalsozialismus erzwungene Polarisierung zwischen „deutsch“ und „jüdisch“. Die Gedichte entstanden im Wesentlichen in Italien; mit ihnen trat Wolfskehl erstmals aus dem Dunstkreis der Stefan-George-Publikationen heraus.

Im Quintus Verlag ist nun dieser Gedichtzyklus erschienen. Die Neuerscheinung folgt dabei der „erweiterten“ Ausgabe von 1936 und wird durch Gedichte ergänzt (1947), die den früheren Fassungen hinzugefügt wurden. Die Änderungen und Ergänzungen sind ein Indiz für die Anstrengungen, die Wolfskehl bei diesem Zyklus walten ließ. Seine Sprache war Deutsch; doch in seinen Gedichten (besonders in „Die Stimme spricht“) spiegelte sich seine enge Verbundenheit zum Judentum wider.

Ergänzt wird die Neuerscheinung, die einen Karl Wolfskehl aus der Vergessenheit holt, durch einige historische Abbildungen, durch umfassende Erläuterungen und ein Nachwort des Herausgebers Ralf Georg Czapla, die auch mit der Biografie des Schriftstellers bekanntmachen.

Bewertung vom 23.09.2023
Jahrhundertstimmen 1945-2000 - Deutsche Geschichte in über 400 Originalaufnahmen
Sarkowicz, Hans; Herbert, Ulrich; Krüger, Michael; Geipel, Ines; Collorio, Christiane

Jahrhundertstimmen 1945-2000 - Deutsche Geschichte in über 400 Originalaufnahmen


ausgezeichnet

Nach den „Jahrhundertstimmen Teil 1“, der historische Originalaufnahmen der deutschen Geschichte zwischen 1900 und 1945 präsentierte, legte der Hörverlag nun den zweiten Teil seiner Hör-Edition mit rund 400 Originalaufnahmen der Jahre 1945 bis 2000 vor. Vorausgegangen waren aufwändige Recherchen, u. a. im Deutschen Rundfunkarchiv. Nun lässt sich die wechselvolle deutsche Geschichte dieses halben Jahrhunderts nachhören – von den Nachkriegsjahren mit der Teilung Deutschlands über den Kalten Krieg in den 1950er und 1960er Jahren, die Annäherung der beiden deutschen Staaten in den 1970er Jahren, der Wiedervereinigung 1989/90 bis hin zur Jahrtausendwende.

Die Palette der Hörbeispiele reicht von der ersten Sendung des sowjetischen Besatzungssenders am 13. Mai 1945 aus Berlin über die Rede von Theodor Heuss nach seiner Wahl zum ersten Bundespräsidenten, das Verhör von Adolf Eichmann im Auschwitz-Prozess in Jerusalem, Wolf Biermanns Pressekonferenz nach seiner Ausbürgerung 1976 bis hin zur Rücktrittserklärung Erich Honeckers am 18. Oktober 1989 und zur Weih-nachtsansprache von Bundespräsident Johannes Rau am 25. Dezember 2000.

Konrad Adenauer, Rudolf Augstein, Joseph Beuys, Egon Bahr, Stefan Heym, Robert Havemann, Angela Merkel, Ernst Reuter, Alice Schwarzer oder Carl Zuckmayer … sie alle kommen hier zu Wort. Natürlich fehlen auch nicht solche fast schon legendäre Reden wie „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, „Ich bin ein Berliner“, „Wir sind das Volk“, „Blühende Landschaften“ oder die „Ruck“-Rede des Bundespräsidenten Roman Herzog.

Neben der Vielfalt der Hörbeispiele besticht das umfangreiche Booklet (immerhin 132 Seiten) mit den ausführlichen historischen Erläuterungen zu den einzelnen Originalaufnahmen – dazu ein Beitrag zur Geschichte des Radios in Deutschland seit 1945 und die Viten der HerausgeberInnen.