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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 378 Bewertungen
Bewertung vom 09.04.2018
Die letzte Reise der Meerjungfrau
Gowar, Imogen Hermes

Die letzte Reise der Meerjungfrau


ausgezeichnet

„Sie denken an uns, selbst wenn wir weit weg sind. Sie bilden sich ein, uns zu sehen. Sie erzählen sich Geschichten über uns“.
Geschichten hat Jonah Hancock natürlich schon über Meerjungfrauen gehört. Umso größer die Überraschung, dass sein Handelsschiff mit einer echten Meerjungfrau von der großen Fahrt zurückkehrt. Während er noch darüber nachsinnt, wie er den Verlust der teuren Anschaffung auch nur ansatzweise bereinigen kann, steht auch die junge Angelica Neal vor Geldsorgen. Bisher hat sie ihr Leben als Liebchen eines reichen Mannes bestritten, nur hat der leider unlängst ins Gras gebissen.

Was habe ich diesen Roman genossen! Die junge Autorin hat mit ihrem Debut mein Leserherz gewonnen und das liegt nicht nur an der außergewöhnlichen Geschichte, sondern auch an ihrem Erzählstil. Das 18te Jahrhundert wird in kräftigsten Farben gemalt, die Beschreibungen geben ein dreidimensionales Bild ab und ich habe mich sehr schnell in Hancocks Büro heimisch gefühlt, in Angelicas Wohnung vom Obst genascht oder in Mrs. Chappells Bordell die Dekadenz bestaunt. Die Autorin lässt sich Zeit eine stabile Atmosphäre aufzubauen, so dass sich die Geschichte langsam und natürlich entwickeln kann. Ich brauche keine actionlastige Story, wer da einen anderen Geschmack hat, dem wird die letzte Reise der Meerjungfrau nicht stürmisch genug sein; für mich war das Tempo perfekt. Sehr gut gefallen haben mir auch die Charaktere, die bei weitem keine 08/15-Pappkameraden waren. Der Fokus liegt mal auf Jonah, mal auf Angelica, was Einblicke in zwei völlig unterschiedliche Lebensweisen jener Zeit bringt. Die beiden sind grundverschieden und gerade diese Gegensätze machen den Reiz aus (was Jonah manchmal an Energie fehlt, hat Angelica wiederum im Überfluss). Gemocht habe ich beide, auch wenn so jeder seine Fehlerchen hat. Aber nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch kleine Nebendarsteller (ich liebe Hancocks Nichte Sukie) haben sich sehr gut ins Gesamtbild eingefügt, sodass die Geschichte sehr rund geworden ist. Die Meerjungfrau bleibt ein mysteriöses Kuriosum, und als Leser wird die eigene Fantasie immer wieder mit einem durchgehen. Obwohl oft in Geschichten thematisiert, hat die Autorin diesen Wesen doch noch ein neues Gesicht verpassen können. Die Handlung entwickelt sich unvorhersehbar, ist manchmal spannend, oft auf feine Art und Weise witzig und schlägt doch auch ernste Töne an. Rundum gelungen also.
Mir hat dieser Roman ausnehmend gut gefallen und ich bin sehr froh, dass die Autorin bei ihrer Tätigkeit im Britischen Museum über eine „echte“ Meerjungfrau gestolpert ist und so zu diesem Roman inspiriert wurde. Was hätten wir ansonsten für eine gute Story verpasst ; )

Bewertung vom 04.04.2018
Kleine Feuer überall
Ng, Celeste

Kleine Feuer überall


ausgezeichnet

In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. Die Familien sind stabil, die Kinder allesamt schlau und ohne größere Probleme. So scheint es zumindest. Als die Familie Richardson ihr Heim abgebrannt vorfindet, löst sich schnell der glänzende Lack, der die Probleme bisher kaschiert hat.

Schon in „Was ich euch nicht erzählte“ hatte mich die Autorin mit ihrer Erzählkunst eingefangen, sodass ich mit entsprechend hohen Erwartungen ans neue Buch gegangen bin. Enttäuscht wurde ich nicht, wieder einmal hat mich Celeste Ng mit ihrem feinen, leisen Stil in ihren Bann gezogen. Sie versetzt den Leser in die idyllische Kleinstadt, die Dynamik der Gemeinde wird hervorragend aufgegriffen und schnell kann man sich als Leser in die verschiedenen Figuren einfühlen. Dass hier nicht alles Gold ist was glänzt, das hat man als Leser schnell begriffen, die Enthüllungen sind trotzdem bisweilen überraschend. Gerade das langsame Entwickeln der Handlung, gepaart mit intensiven Gefühlen und einer zunehmend Beklemmung, machten für mich den Reiz der Geschichte aus. Ng zeichnet ihre Figuren sehr menschlich, jeder wird sich in irgendeinem Protagonisten wiederfinden können. Man kann ihre Gedanken und Handlungen immer gut nachvollziehen, verstehen muss man ja nicht jeden. Die Autorin greift eine Vielzahl an gesellschaftlichen Themen auf, von Rassismus über kulturelle Unterschiede bis hin zu der Frage was eine gute Mutter/Familie ausmacht. Es werden oft beide Seiten beleuchtet, immer wird der Leser jedoch zum Nachdenken angeregt. An mancher Stelle hätte ich mir die Handlung etwas extremer gewünscht, dass die Protagonisten noch mehr wagen, noch mehr ihr wahres Ich zeigen. Doch unterm Strich hat mich „Kleine Feuer überall“ sehr angesprochen und ich habe es sehr gerne gelesen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.03.2018
Der Zorn der Gerechten / Scythe Bd.2
Shusterman, Neal

Der Zorn der Gerechten / Scythe Bd.2


sehr gut

Nach dem letzten Konklave ist nichts mehr wie es mal war. Citra wird zu Scythe Anastasia und entwickelt gemeinsam mit ihrer Mentorin Marie ihren ganz eigenen Stil mit dem Nachlesen von Menschen umzugehen. Doch auch Rowan, einst ebenfalls Scythelehrling, geht weiterhin dem Nachlesen nach: als dunkler Rächer, als Wächter über fehlgeleitete Scythe. Denn innerhalb des Scythetum klafft eine große Lücke zwischen denen, die sich an althergebrachte Regeln und Gesetze halten und jenen, die diese Regeln beugen bis sie brechen.

Der erste Teil der Reihe hatte mir schon sehr gut gefallen und Teil zwei macht seinem Vorgänger alle Ehre. Ebenfalls wieder sehr ansprechend und flüssig erzählt, liest sich die Geschichte nicht nur sehr schnell sondern auch sehr spannend. Der Konflikt zwischen Alt und Neu führt zu einigen unvorhersehbaren Wendungen, die noch mehr an die Seiten fesseln. Auch das Konzept der zukünftigen Welt wird weiter ausgebaut und erleuchtet. Die Einblicke in das „Gehirn“ des Thunderheads, der leitenden künstlichen Intelligenz dieser Welt, waren aufschlussreich und haben zum Nachdenken angeregt. Ist in solch einer perfekten Welt wirklich alles perfekt? Und ist der Mensch überhaupt fähig, sich auf so eine Perfektion einzulassen? Mir haben die „Gedanken“ des Thunderhead auf jeden Fall sehr gut gefallen, sie geben zudem einen schönen Kontrast zu der rein menschlichen Handlung ab. Viele der Protagonisten kennt man aus Band 1, neue Figuren fügen sich hervorragend ins Gesamtkonzept ein und bringen frischen Wind in die Handlung. Das Ende habe ich leider als etwas trashig empfunden, da hätte der Autor sicherlich Besseres gekonnt. Doch das hat mir keinesfalls die vorherigen schönen Lesestunden madig gemacht und schickt mich auf jeden Fall mit einigen Fragenzeichen im Kopf in die Warteschleife zum dritten und letzten Band. Eine schöne Fortsetzung!

Bewertung vom 16.03.2018
Der Zopf
Colombani, Laëtitia

Der Zopf


sehr gut

In Indien kämpft die Unberührbare Smita dafür, dass ihre Tochter einmal ein besseres Leben führen kann. In Italien kämpft Giulia für das Überleben ihrer traditionsreichen Perückenfabrik. Und in Montreal kämpft Sarah eigentlich vor Gericht für Gerechtigkeit; auf einmal jedoch um ihr Leben.

Laetitia Colombani ist für ihr Debüt bereits international gelobt worden und auch ich habe ihren Roman sehr gemocht. Sie flicht die drei Frauenschicksale sehr schön zu einer wunderbaren Geschichte, die einen berührt. Die Handlungsstränge um Smita und Sarah haben mir mehr zugesagt als der in Italien, sinnbildlich ist er aber ja auch das Bindeglied zwischen den anderen beiden und muss vielleicht einfach nicht so gehaltvoll sein. Die drei Frauen sind alle auf ihre Weise sehr stark, da immer jeweils aus ihrer Perspektive erzählt wird, kann man ihre Gedanken sehr gut nachvollziehen. Allen gemein ist auch der weitgehend einsame Kampf gegen widrige Umstände, die sich aus dem sozialen Gefüge ihrer jeweiligen Umgebung ergeben. Selbst im aufgeklärten Kanada zeigt Sarahs Schicksal, dass man auch als erfolgreiche und starke Frau schnell aufs Abstellgleis geschoben werden kann; und man sich dann am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen muss. Auf jeden Fall bietet „Der Zopf“ viel Stoff zum Nachdenken über die Stellung der Frauen in aller Welt. Ab und an schießt die Autorin etwas übers Ziel hinaus und lässt sich auf Klischees ein, doch dann besinnt sie sich wieder und man verzeiht den Ausrutscher schnell.
Colombani erzählt sehr mitfühlend und trotz des oft traurigen Stoffes wirkt ihre Geschichte nicht zu melodramatisch oder süßlich. Der mitunter poetische Ton hat es mir sehr angetan, sodass ich die kleinen Schwächen in der Handlung dann auch verschmerzen konnte und den Roman sehr genossen habe. Ein schönes Debüt, das Lust auf weitere Werke aus der Autorenfeder macht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2018
Zu nah / Frankie Sheehan Bd.1
Kiernan, Olivia

Zu nah / Frankie Sheehan Bd.1


ausgezeichnet

Frankie Sheenan kämpft noch mit den Folgen ihres letzten brisanten Einsatzes, bei dem sie schwer verletzt wurde. Doch das Verbrechen in Dublin kennt keine Pause und so wird sie nach kurzer Rekonvaleszenz direkt wieder ins kalte Wasser geworfen. Was zuerst wie der Selbstmord einer erfolgreichen Wissenschaftlerin aussieht, wird schon bald zum Mordfall. Frankie rennt die Zeit davon, denn der Mörder ist noch lange nicht fertig.
Irgendwie konnte mich in letzter Zeit kein Thriller so richtig packen und fesseln. Bis mir „Zu nah“ in die Finger gekommen ist. Olivia Kiernans Geschichte ist spannend und überraschend, legt zwischenzeitlich ein hohes Tempo vor. Gleichzeitig kann sie sich aber auch Zeit lassen einzelne Aspekte herauszuarbeiten, auf Land und Leute einzugehen. Ich fand diesen Spagat sehr gelungen. Frankie als Hauptperson fand ich sehr sympathisch. Es gibt schon viele Thriller mit „angeschlagenen“ Ermittlern, die Autorin hat hier trotzdem etwas Eigenes geschaffen. Umso mehr freut es mich, dass Sheenan wohl in einem zweiten Band wieder ins Rennen geschickt werden wird.
Kiernan erzählt sehr flüssig und angenehm, zusammen mit den spannenden Entwicklungen führt das dazu, dass man förmlich an den Seiten klebt. Ich habe „Zu nah“ quasi in einem Rutsch durchgelesen und mich dabei bestens unterhalten gefühlt. Endlich mal wieder ein packender Thriller, der dieser Bezeichnung auch gerecht wird.

Bewertung vom 05.03.2018
Schweigegelübde / Emma Vaughan Bd.2
Bierach, Barbara

Schweigegelübde / Emma Vaughan Bd.2


gut

Der Tag könnte für Emma nicht schlechter beginnen: muffeliger Teenie am heimischen Frühstückstisch, dem Exmann droht aufgrund einer möglichen IRA-Vergangenheit immer noch das Gefängnis und jetzt muss Emma auch noch zum Toxscreening. Dass das positiv ausgehen wird, ist schon abzusehen, nimmt sie doch seit Jahren starke Schmerzmittel. Trotzdem machen die Verbrechen vor der Kleinstadt Sligo natürlich keinen Halt. Ausgerechnet in der Klinik, in der Emma zum Test einbestellt wird, scheint ein Todesengel umzugehen. Ältere Herrschaften sterben plötzlich an Herzversagen; ohne jemals zuvor Symptome in dieser Richtung gezeigt zu haben…
Band 1 mit Emma habe ich ganz gerne gelesen, und auch Band 2 kann durchaus unterhalten. Das Flair der irischen Kleinstadt mit all seinen Macken und Eigenheiten macht eine schöne Atmosphäre. Emma als Ermittlerin fand ich schon im ersten Band etwas überzeichnet, auch in diesem Teil wurde ich mit ihr nicht endgültig warm. Die Handlung entwickelt sich zunächst recht ansehnlich, dann bekommt man den Mörder aber schon viel zu früh auf dem Silbertablett zwischen den Zeilen serviert, was der Spannung dann natürlich einen gehörigen Dämpfer verpasst hat. Wirklich schade, ich wäre gerne noch etwas länger im Dunklen getappt. So liest man sich durch seitenweise Ermittlungen, die einem zunehmend stümperhaft anmuten, haben die Ermittler doch dieselben Informationen wie der Leser. Im Hintergrund entwickelt sich ein zweiter Fall, der mir dann wesentlich besser gefallen hat. Geschrieben ist das Buch dann wiederum sehr flüssig und es ist wirklich gut zu lesen.
Fazit: Ein etwas leichterer Krimi, der mit seiner schönen Atmosphäre aber Punkte gutmachen kann.

Bewertung vom 25.02.2018
Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)
Lehnberg, Stefan

Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)


sehr gut

Mysteriöses geschieht im Frankfurt von 1801: zwei Stadträte werden ermordet (?) aufgefunden, Depeschenreiter werden ausgeschickt (allerdings nicht von offizieller Stelle) und immer wieder hat man die drohende Besatzung durch Napoleon im Nacken. Eigentlich sind Goethe und Schiller nur zu einem Anstandsbesuch angereist, doch plötzlich finden sie sich mitten im Geschehen wieder.

Schon in „Durch Nacht und Wind“ hat das Ermittlerduo Goethe/Schiller gezeigt, dass sie weit mehr können als am heimischen Schreibtisch große Literatur hervorbringen. Ich kenne Band 1 nicht, man kann aber ohne Probleme mit der Carambolaffäre in die Reihe einsteigen. Die beiden Ermittler ähneln dem bewährten Holmes/Watson-Team: Goethe ist brillant, etwas unnahbar und geheimnisvoll. Schiller der brave Chronist der beiden, verheiratet und – naja nicht ganz so überschlau wie sein Kumpan. Als Team haben mir die beiden trotzdem gut gefallen. Ich hatte mir etwas mehr Verbindung zu ihrem historischen Vorbild erwartet, zwar wird immer wieder auf das literarische Werk der beiden angespielt, so ganz abgenommen habe ich es dem Autor dann doch wieder nicht. Nichtsdestotrotz ein schönes Duo, das gut durch die Geschichte führt. Die entwickelt sich zu einem ganz netten Krimi, der zwar nicht hochkarätig nervenaufreibend, aber durchgehend ganz spannend ist. Den historischen Kontext der Bedrohung durch Napoleon fand ich sehr ansprechend, Lehnberg hat da eine hübsche fiktive Story drumrum gebastelt. Erzählt ist das Ganze aus Schillers Sicht, er schreibt standesgemäß etwas altertümlich, was aber beim Lesen keinesfalls stört, sondern den Leser eher in die richtige Stimmung versetzt. Insgesamt liest sich die Geschichte sehr flüssig.
Mir hat „Die Affäre Carambol“ ganz gut gefallen und ich bin gespannt welche Fälle die beiden in Zukunft noch lösen werden.

Bewertung vom 22.02.2018
Wenn Martha tanzt
Saller, Tom

Wenn Martha tanzt


gut

Im Jahre 1900 wird Martha in Pommern geboren. Schnell entwächst sie der ländlichen Idylle Türnows und landet als junge Erwachsene im Dunstkreis des Bauhausgenies Gropius. Aus einer musikalischen Familie stammend, kann sie ihrer synästhetischen Veranlagung entsprechend dort Musik mit der bildenden Kunst und dem Tanz verbinden.
Am Anfang des nächsten Jahrhunderts stehen ihre Erinnerungen in Form eines Tagebuchs bei Sotheby‘s zum Verkauf. Enthalten: einige wertvolle Werke bekannter Künstler wie Paul Klee oder Kandinsky.
Tom Saller hat sich in seinem Debutroman ein interessantes Setting ausgesucht, die Welt der Bauhauskünstler fand ich sehr spannend. Marthas Blick auf diese Welt erscheint trotzdem irgendwie immer etwas eingeschränkt, ich hatte immer den Eindruck, dass sie mit ihrem „Talent“ nicht so richtig ernst genommen wurde. Nichtsdestotrotz erfährt man viel Neues und mir hat dieser Ausflug nach Weimar gut gefallen. Zwar bemüht sich Saller um einen historischen Kontext, nicht immer schafft er eine authentische Einbindung ins soziale und politische Geschehen seinerzeit. Ich mochte leider auch den Erzählstil nicht so gerne; die Aufteilung in eine „Vergangenheit“ und eine Rahmenhandlung im „Jetzt“ hat mir gut gefallen, doch sprachlich konnte ich Sallers Roman nicht viel abgewinnen. Auch die Figuren haben mich nicht richtig überzeugt, ich muss nicht immer in alle tiefsten Tiefen der Gefühlswelt eines Protagonisten vordringen, aber gerade Martha als Dreh- und Angelpunkt der Handlung hätte ich dann doch gerne etwas besser kennengelernt.
Insgesamt wirkte der Roman auf mich noch etwas unausgegoren, auch wenn durchaus ansprechende Passagen enthalten waren, die ich sehr gerne gelesen habe.

Bewertung vom 21.02.2018
Die Rache der Polly McClusky
Harper, Jordan

Die Rache der Polly McClusky


gut

Polly ist ein schüchternes Mädchen, das in der Schule getriezt wird und das nicht nur, weil sie mit ihren 11 Jahren immer noch ihren Teddy ständig bei sich trägt. Sie wohnt eigentlich bei ihrer Mutter, umso erstaunlicher ist es, dass eines Tages ihr Vater vor den Schultoren auf sie wartet. Der ist nach Jahren frisch aus dem Gefängnis entlassen, leider nachdem er dort den falschen Leuten kräftig ans Bein gepinkelt hat. Die Aryan Steel haben ihm Rache geschworen, und so befindet sich nicht nur Nate, sondern auch Polly in höchster Gefahr. Eine irre Flucht beginnt…

Mich hat der Klappentext angesprochen, diese Mischung aus verqueren Figuren, dramatischer Flucht und die Verbindung zur Aryan Steel hatte ich mir sehr interessant vorgestellt. Leider hat die Geschichte nicht alles halten können, was ich mir erhofft hatte. Man erfährt einen Großteil der Handlung aus Pollys Perspektive, die ich eigentlich ganz sympathisch fand. Irgendwie konnte ich dem Autor ihr kindliches Alter nicht komplett abnehmen, sie handelt an einigen Stellen nicht so richtig nachvollziehbar. Natürlich ist ihre Situation eine sehr ungewöhnliche, trotzdem war ich oft nicht wirklich überzeugt. Ihren Vater Nate dagegen fand ich recht glaubwürdig, auch wenn er an vielen Stellen gängigen Klischees entspricht und nichts wirklich Neues darstellt. Der Autor arbeitet bereits an einem Drehbuch zu Polly, und das schien ihm beim Schreiben des Romans immer schon im Hinterkopf gewesen zu sein. Viele Szenen kann ich mir im TV sehr viel besser vorstellen, als sie im Buch rüberkommen. Harpers Stil ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, hat mir dann aber doch gut gefallen. Er weiß Spannung zu erzeugen, sodass ich schon immer wissen wollte wie es weitergeht, auch wenn ich insgesamt nicht komplett gefesselt war.
Unterm Strich kann man Polly durchaus mal zur Hand nehmen, man verpasst aber auch nichts, wenn man lieber auf die Verfilmung wartet.

Bewertung vom 19.02.2018
Die Herzen der Männer
Butler, Nickolas

Die Herzen der Männer


gut

In den 60er Jahren werden Nelsons Ferien von seinem Besuch im Pfadfinderlager dominiert. In der Schule hat er quasi keine Freunde, daheim wird er vom Vater unterdrückt und nicht für voll genommen. Im Lager soll das alles anders werden, er arbeitet hart an seinen Abzeichen, darf morgens zur Ansprache sogar die Trompete spielen, hält sich vorbildlichst an alle Regeln. Trotzdem kann er sich weder bei Gleichaltrigen noch bei dem mitgereisten Vater ins rechte Licht rücken und bleibt in seiner Außenseiterrolle. Auch noch Jahre später.

Nickolas Butler hat es mir mit seinem Roman nicht leicht gemacht. Ich tat mich mit dem ganzen Mikrokosmos des Pfadfinderlagers etwas schwer, konnte mich nicht richtig hineinversetzen. Dort gelten eigenen Regeln, die jedoch am laufenden Band unterlaufen werden, auch wenn Einzelne dagegen arbeiten. In Ansätzen kann ich mir das soziale Gefüge dort schon vorstellen, so richtig überzeugt haben mich die Ausführungen nicht. Regelrecht anstrengend fand ich das ständige Gerede von Werten, Heldentum und „echten“ Männerfreundschaften, die als Ideal dahingestellt werden, obwohl kaum ein Protagonist wirklich danach zu streben scheint. Nelson ist da die Ausnahme, leider fand ich ihn als Figur nicht wirklich nahbar. Auch im weiteren Verlauf der Handlung konnte ich seine Handlungsintentionen oft nicht nachvollziehen. Mir hat die Handlung gerade in der zweiten Hälfte etwas besser gefallen. Die erste Hälfte habe ich zwar durchaus mit Interesse gelesen, hätte das Buch aber auch jederzeit zur Seite legen können, in der zweiten Hälfte (und somit in der nächsten Generation) waren mir die Figuren dann doch etwas näher.
Butlers Stil ist zunächst nüchtern, mit der Zeit liest man sich aber ein. Er erzählt immer etwas distanziert, mit der Zeit gelingt es ihm aber trotzdem ein intensives Lesegefühl aufzubauen. Der Ton ist immer etwas melancholisch, oft auch unnötig altbacken, hat mir unterm Strich nur mittelmäßig gefallen.
„Die Herzen der Männer“ ist ein mehrschichtiger Roman, der aber in seiner ganzen Ausführung irgendwie an meinem Geschmack vorbeigedriftet ist. Potential war da, konnte aber meiner Meinung nach nicht ausgeschöpft werden.