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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Insgesamt 2518 Bewertungen
Bewertung vom 01.08.2023
Perlenbach
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach


ausgezeichnet

Im Ullstein Verlag erscheint Anna-Maria Casparis Roman "Perlenbach", der zweite Band der Eifel-Roman-Trilogie. Sie erzählt die Geschichte dreier Leben an der Schwelle zum 20. Jahrhundert.

Monschau, Ende des 19. Jahrhunderts: In der Tuchmacherstadt treffen Wilhelm, Jacob und Luise als Kinder aufeinander, von dieser Zeit an verbindet sie eine dauerhafte Freundschaft. Der Bauernsohn Wilhelm lebt in Wollseifen in ärmlichen Verhältnissen beengt mit etlichen Geschwistern und unter der Fuchtel eines jähzornigen Vaters. Dem kargen und arbeitsreichen Leben kann Wilhelm immerhin in den Wintermonaten entkommen, denn dann wird er als Gesellschaft für Jacob von dessen Vater Herr Becker nach Montjoie geholt und geht mit Jacob in die Schule. Dort lernt Wilhelm auch Jacobs Freundin Luise kennen, sie ist die Tochter eines Arztes. Alle drei verbindet seit diesen Kindertagen eine dauerhafte Freundschaft und alle wollen ihre Lebensträume verwirklichen. Doch ihr Leben verläuft unter den Gegebenheiten und Zwängen der Zeit in anderen Bahnen.

Anna-Maria Caspari nimmt uns in "Perlenbach" wie schon in "Ginsterhöhe" mit in die Eifel. Sie beschreibt das beschwerliche Leben der Bewohner von Monschau (Monjoie) zwischen 1867 und 1904.
Jacob und Luise entstammen guten finanziellen Verhältnissen und nehmen jeden Winter den Bauernjungen Wilhelm als ihren Freund in Monschau auf, ihre Freundschaft festigen sie mit Perlen aus dem Perlenbach. Für ihre Zukunft haben alle unterschiedliche Vorstellungen von ihrem Leben. Luise möchte Ärztin werden wie ihr Vater, doch in dieser Zeit ist ein Studium für Frauen kaum vorstellbar. Jacob soll die Tuchfabrik seines Vaters übernehmen, hat daran aber wenig Interesse und wird zur Ausbildung bei einem anderen Tuchfabrikanten geschickt. Wilhelm sieht in der Tuchfabrik seine Chance, der bäuerlichen Armut entfliehen und dort eigenes Geld zu verdienen.

Drei Kinder aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten haben große Pläne für ihre Zukunft und schwören sich mit ihren Perlen aus dem Perlenbach die ewige Freundschaft. Die Autorin beschreibt auf fesselnde Weise ihre Lebenswege und lässt die Leser in eine Zeit voller politischer und gesellschaftlicher Zwänge eintauchen. Es wird eindringlich und lebendig dargestellt, welche Hindernisse den Freunden in den Weg gelegt werden und wie ihr Leben verläuft. Luise kämpft sich tapfer als Frau durch ein Studium und schafft die Ausbildung zur Ärztin. Der kränkliche Jacob entdeckt seine homosexuelle Neigung, doch das ist in dieser Zeit noch gesetzlich verboten. Und Wilhelm verspielt seine Chance in der Tuchfabrik und landet wieder auf dem Bauernhof, doch er findet sein persönliches Glück mit einer Frau.

Die Geschichte bringt sehr eindrücklich die Schwierigkeiten der damaligen Realität zum Ausdruck und wird durch Tagebucheinträge der Gouvernante Friederike noch mit Lebensdingen der drei Freunde und wichtigen historischen Fakten des Weltgeschehens ergänzt. Durch diesen Trick ist der Leser nah am Zeitgeschehen und sieht die Lebenswege authentisch vor diesem historischen Umbruch.


Das Buch fesselt mich durch die unterschiedlichen Schicksale und Erlebnisse der Charaktere. Es war interessant zu sehen, wie sich die Freunde zeitlebens nicht aus den Augen verlieren und wie sie in Luises und Jacobs Fall zur gegenseitigen Unterstützung bereit waren. Sehr ergriffen hat mich das Schicksal von Wilhelms Familie und ich habe mit ihm gebangt, dass er doch noch zu seinem Glück finden würde.

Bewegende Schicksale aus der Eifel zeigen den schmalen Grat zwischen Träumen und Realität in der Gründerzeit. Dieser fesselnde Roman lässt auf eindringliche Weise das Zeitgeschehen lebendig werden und zeigt die Widrigkeiten des Lebens durch die drei Freunde.

Bewertung vom 29.07.2023
Tochter des Marschlands
Hartman, Virginia

Tochter des Marschlands


ausgezeichnet

Ein fesselnder Mix aus packendem Familiendrama und Krimi mit toller Natur Im Heyne Verlag erscheint das Romandebüt "Tochter des Marschlands" von Virginia Hartman.

Loni Mae Murrow hat ihr Talent zu Zeichnen zu ihrem Beruf gemacht, sie erstellt naturgetreue Illustrationen von Vögeln für ein Naturkundemuseum in Washington. Als sich ihr Bruder bei ihr meldet, weil ihre Mutter Ruth erkrankt ist, macht sie sich unwillig auf in die Kleinstadt Tenetkee im Marschland Floridas. Denn Loni hat ihre Heimat verlassen, um die Erinnerungen an den tragischen Tod ihres Vaters Boyd hinter sich zu lassen. Doch dann findet sie nach ihrer Rückkehr einen Hinweis, der den Bootsunfall des Vaters in eine andere Richtung lenkt. Sie begibt sich auf die Suche nach dem wahren Grund und kommt dabei auch den Dingen des Lebens auf die Spur, die ihr wichtig sind.

Loni ist in ihrem Beruf als Vogelzeicherin glücklich, die Liebe zur Natur hat sie von ihrem verstorbenen Vater Boyd geerbt, der ihr im Marschland Floridas die Augen für die Schönheit von Flora und Fauna geöffnet hat. Als Loni gerade mal zwölf Jahre alt ist, stirbt Boyd bei einem Bootsunfall. Ihre Mutter erwähnt nach seinem Tod nie wieder seinen Namen und erwartet das auch von Loni und ihrem viel jüngeren Bruder Phil. Als Loni bereits 36 Jahre als ist, erkrankt ihre Mutter an Demenz und ihr Bruder bittet Loni um Unterstützung. Während sie sich um ihre Mutter kümmert, fallen ihr ein paar Ungereimtheiten zum Tod ihres Vaters auf, sie beginnt mit ihren Nachforschungen, die auch ins Marschland führen. Sie mietet ein Kanu bei Adlai und die Landschaft übt sofort wieder eine unglaubliche Anziehungskraft auf Loni aus und Adlai gefällt ihr auch zunehmend besser.

Bei diesem Roman kann man wunderbar in Floridas Natur versinken, denn die Autorin zeigt Lonis Arbeit im Museum, beschreibt die großartige Botanik in lebendigen Naturbeschreibungen und erwähnt viele Vogelarten, auf die Loni bei ihren Kanutouren durchs Marschland trifft. Ich hatte mehrfach das Gefühl, auf einer Safari zu sein. Aber die Handlung lebt nicht nur davon, Loni ist der Aufklärung des Todes ihres Vaters auf der Spur und kommt nach mühevoller Nachforschung auch hinter die Wahrheit. Gleichzeitig spürt sie ihre persönlichen Wurzeln im Marschland, sie trifft Phil und seine kleine Familie, sowie ihre Schulfreundin Eileen und findet einen Menschen, dem sie vertrauen kann, Adlai. Zwischen ihnen bahnen sich Gefühle an, die im Roman aber nicht groß im Vordergrund stehen. Es paar Längen bezüglich der Buchkisten und deren Inhalts haben mich etwas im Lesefluss gehindert. Dafür ziehe ich einen halben Stern ab.

Die gut erzählte Geschichte hat mich mit der starken Loni, die sich im Marschland auskennt, mit der Krimihandlung und den landschaftlichen Gegebenheiten der schön beschriebenen Schauplätzen sofort an "Der Gesang der Flusskrebse" von Delia Owens erinnert. Vielleicht war dieser Roman ja ein Anlass für Virginia Hartman, etwas Ähnliches schreiben zu wollen. Auf alle Fälle hat sie es geschafft, mich von Anfang bis Ende zu fesseln und dabei ins Marschland zu entführen. Die Suche nach der Wahrheit von Boyds Tod sorgt bei einige Bewohnern für Aufregung, Drohgebärden und Widerstand und bringt damit auch spannende Momente mit sich, die für Loni auch zu einer Gefahr werden.


Dieses großartige Debüt eines interessanten Familiendramas vor landschaftlicher Kulisse kann ich unbedingt empfehlen. Wer Naturschilderungen mag, wird hier auf eine spannende Safari in Floridas Sümpfe entführt.

Bewertung vom 28.07.2023
Ziemlich bunte Zeiten / Die Freundinnen vom Chiemsee Bd.4
Schwarzhuber, Angelika

Ziemlich bunte Zeiten / Die Freundinnen vom Chiemsee Bd.4


gut

Leider nicht so toll wie die Vorbände
Im Blanvalet Verlag erscheint Angelika Schwarzhubers Roman "Ziemlich bunte Zeiten".

Der junge Ben ist Spitzenkoch und arbeitet in einem Delikatessenladen am Chiemsee. Stets ist er als Freund und Tröster von Anna, Ilona und Zoe in schwierigen Lebensmomenten an ihrer Seite. Seitdem die Beziehung mit seinem Freund Bernhard in die Brüche gegangen ist, hat er mit der Liebe abgeschlossen. Doch dann trifft er Florian und es fliegen die Schmetterlinge im Bauch. Aber zu einer neuen Partnerschaft ist er noch nicht bereit, jetzt sind seine Freundinnen an der Reihe und müssen ihrem Ben den Weg zum Glück ebnen.


Nachdem ich die bisherige Trilogie der drei Freundinnen am Chiemsee mit großer Freude gelesen habe, war ich gespannt, was der vierte Band beinhalten würde. Dieses Mal rückt der Koch Ben in den Mittelpunkt der Handlung und man erlebt, wie er nach einer gescheiterten Beziehung keine neue Liebesgeschichte anfangen möchte. Gerade ist er auch ganz zufrieden mit seinem Leben und genießt die Patchworkfamilie von Anna, Zoe und Ilona und deren Kindern und kann seine Kochleidenschaft mit einem Catering-Service ausleben. Doch dann lernt er Florian kennen und es trifft ihn Amors Pfeil mitten ins Herz. Aber er nimmt an, dass Florian hetero ist und will keine freundschaftliche Basis aufnehmen, sondern eine echte Beziehung. Genau da erscheint Bernhard und Bens Gefühle spielen ihm einen Streich.

Angelika Schwarzhuber unterhält ihre Leserinnen mit gewohnt lockerem und flüssigen Erzählstil und lässt die Widrigkeiten, Sorgen, Freuden und Wünsche ihrer Charaktere lebendig einfließen. Ich konnte mich gut in die Gefühle von Ben hineindenken, fand ihn aber als Figur recht blass und auch zu unentschlossen und hasenfüßig. Die queere Liebesgeschichte fand ich leider auch nicht so romantisch und absolut vorhersehbar. Charmant erzählt ist die Geschichte allemal, aber dieses Mal sprang bei mir der Funke irgendwie nicht über, die Handlung war mir durch die vielen kleinen Vorfälle des Lebens der zahlreichen Figuren insgesamt zu alltagsmäßig und ich konnte mit den Personen auch nicht so richtig mitfiebern.


Schade, dieses Mal konnte mich dieser Roman nicht ganz abholen, es fehlte mir vor allem der Humor, der die Vorbände immer so lesenswert gemacht hat.

Bewertung vom 26.07.2023
Helenes Hoffnung / Die Fabrik der süßen Dinge Bd.1
Romes, Claudia

Helenes Hoffnung / Die Fabrik der süßen Dinge Bd.1


sehr gut

Zwischen Liebe, Frauenpower und Lakritz
Im Aufbau Taschenbuch Verlag erscheint der erste Band der Romanreihe "Die Fabrik der süßen Dinge - Helenes Hoffnung" von Claudia Romes.
Köln, 1927: Helene von Ratschek hat als Tochter eines Süßwarenfabrikanten die Leidenschaft für süße Köstlichkeiten geerbt. Sie liebt es, eigene Rezepte für Lakritz, Konfekt oder Weingummi zu entwickel. Ihr Vater plant für seine Nachfolge in der Manufaktur Helenes beiden Brüder ein, Helene wird einfach übergangen und soll einen Geschäftspartner heiraten. Doch danach steht Helene nicht der Sinn, sie möchte ihr Leben frei bestimmen können. Deshalb zieht sie nach Hamburg und übernimmt bei der Konkurrenz eine Stelle und trifft dort auf den Fabrikantensohn Frederik.

Der Roman katapultiert mich in die Zeit um 1927 als Firmen den Söhnen der Familie überlassen wurden und sich das Rollenbild einer Frau auf Ehemann, Kinder und Haushalt beschränkte. Diese Rolle soll laut Helenes Vater auch ihr beschieden sein. Aber die junge Frau widersetzt sich den Wünschen und nimmt unter falschem Namen in einer anderen Süßwarenfirma eine Stelle an. Bei dieser Arbeit kann man ihr wunderbar über die Schulter schauen, sieht die Entstehung der süßen Köstlichkeiten und Lakritzspezialitäten und kann sich die Düfte wunderbar vorstellen.
Die Charaktere hat Claudia Romes gut dargestellt, sie zeigen Emotionen und besondere Ecken und Kanten, die sie klar definieren. Helene wurde mir während des Lesens immer sympathischer, ihre Suche nach einem selbstbestimmten Leben schlossen auch die große Liebe mit ein. Die Handlung ist gut nachvollziehbar, sehr klar kristallisiert sich heraus, dass Helene eine starke Persönlichkeit ist, sich gegen einige Widrigkeiten behaupten kann und trotz aller Süßigkeiten nicht ihre Gefühle vergisst. Der zeitbeschreibende und leichte Erzählstil führt flüssig durch die Handlung, große Spannungsmomente habe ich nicht erwartet und wurde von der Story gut unterhalten. Es hat mir gut gefallen, wie es Helene gelingt, ihrem vorgesehenen Schicksal die Stirn zu bieten.


Mit diesem Roman reist man in eine Zeit als die Emanzipation noch in den Kinderschuhen steckte. Die Protagonistin bereitete den Weg vor und ich erwarte mit Spannung den nächsten Band der Reihe.

Bewertung vom 25.07.2023
Nicht, dass noch einer sitzenbleibt! / Online-Omi Bd.19
Bergmann, Renate

Nicht, dass noch einer sitzenbleibt! / Online-Omi Bd.19


ausgezeichnet

Renate reformiert das Schulwesen!
Der 19. Band mit der Online-Omi Renate Bergmann führt in die Schule, in "Nicht, dass noch einer sitzenbleibt!" steigt Renate in den Schuldienst ein. Die Reihe erscheint im Ullstein Verlag.

Wie gewohnt hat mich Renate Bergmann mit ihren Ansichten und ihrer Auffassungsgabe humorvoll unterhalten. Sie bringt ihre Fähigkeiten nun in den Schuldienst ein, nachdem bei ihrer kleinen Verwandten Lisbeth schon in der ersten Klasse der Unterricht wegen Lehrkräftemangels vermehrt ausfällt. Das darf einfach nicht sein, beschließt die patente Renate und kommt über einen Zufall zu einem Job als LOVL (Lehrkraft ohne volle Lehrbefähigung) in einer Grundschule. Diese Aufgabe als Hilfskraft füllt Renate mit großem Engagement ihrer bodenständigen Art aus, natürlich nicht ohne ihre Erfahrungen aus der eigenen und aus Kirstens Schulzeit zum Besten zu geben. Aber kann sich Renate wirklich in den Schuldienst integrieren, werden die Schülerinnen und die Lehrkräfte das ertragen?

Ich hatte großen Spaß mit Renate! Dieses Mal legt sie den Finger auf die Probleme unseres Schulsystems, das mit ausgebrannten Pädagogen, Personalnotstand, hilfsbedürftigen Schüler:innen und verkorksten Eltern auch im wahren Leben reichlich überfordert ist und bei der Erfüllung des Lehrauftrags immer mehr in Rückstand gerät.

Renate stellt in der Schule unter Beweis, dass sie auch mit 82 Jahren noch über ihre volle Arbeitskraft verfügt. Das möchte ich zwar bezweifeln, habe es aber wegen der gut aufgemachten Geschichte mal einfach so hingenommen. Es hat mir gefallen, wie sie mit ihren Ideen die Kinder motiviert, ihnen spielerisch Rechnen und Schreiben beibringt und sogar einen Zoobesuch ohne Nervenzusammenbruch überlebt. Auf etwas überspitzte Art nimmt sie die Gespräche während des Elternabends zum Anlass aus ihrer eigenen Schulzeit zu plaudern und bringt dabei auch die ein oder andere Annekdote mit ihren Freunden Gertrud, Kurt und Ilse und einigen anderen Bekannten mit ins Spiel. Wer diese Personen nun noch nicht kennen sollte, erhält dieses Mal im Anhang ein Personenregister mit allen wichtigen Charakteren in Renates Leben. Auch ihre verstorbenen Männer werden hier mal in der richtige Reihenfolge und ihren Besonderheiten erwähnt.


Dieses Buch bringt die Misere an den Schulen in aller Öffentlichkeit ans Licht! Es wäre sogar eine hilfreiche Lektüre für die Bildungsminister:innen, die scheinbar die aktuelle Lage verkennen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2023
Petticoat und große Freiheit / Traumfrauen Bd.1
Jessen, Anna

Petticoat und große Freiheit / Traumfrauen Bd.1


sehr gut

Kurzweiliger Auftakt bringt die 50er Jahre hautnah zurück!
Im Goldmann Verlag erscheint der Romanauftakt "Traumfrauen. Petticoat und große Freiheit" von Anna Jessen.

Hamburg 1957: Die 20-jährige Klara Paulsen bewirbt sich als Bürokraft bei der Frauenzeitschrift »Claire«. Nachdem ihr Vater im Krieg gefallen ist, lebt sie mit ihrer Mutter in ärmlichen Verhältnissen und verdient sich als Aushilfe in einem Fotoatelier etwas Geld, nebenbei besucht sie eine Sekretärinnenschule und hofft auf eine gute Anstellung. Als Sekretärin bekommt sie eine Absage, aber im Verlag wird eine Fotoassistentin gebraucht. Diese Chance nimmt sie sofort an und findet sich schnell zurecht. Dort macht sie neben einigen neuen Freundinnen auch die Bekanntschaft mit ihrem Chef Heinz, der sie beruflich sehr unterstützt. In dieser Männerdomäne hat sie jede Unterstützung nötig, denn die anderen Kollegen zeigen ihr deutlich, was sie von einer Frau im Beruf halten.



Bei dieser Lektüre tauche ich in die Welt der 50er Jahre mit Hamburger Lokalkolorit ein und sehe, wie sich die Menschen ein neues Leben nach den Kriegsjahren aufbauen und die Leidensjahre und menschlichen Verluste hinter sich lassen wollen. Mode und Frisuren werden wieder wichtig, die aufkommende musikalische Szene spiegelt die Lebensfreude der Menschen wieder. An der Seite von Klara erlebt man die Zukunftsträume der jungen, aufgeweckten Frau, durch sie wird die gesellschaftliche Rolle der Frau und die Arbeitswelt sichtbar, die damals noch ganz klar von den Männern dominiert wurde. Klara und ihre Mutter führen nach dem Tod ihres Vaters ein karges Leben, immerhin hat Klara bei einem Fotografen als Aushilfe das Fotografieren gelernt und füllt mit dem verdienten Geld die leeren Kasse. Ihre Hoffnung liegt auf einer Stelle als Sekretärin, doch da bekommt sie eine Absage und hat im letzten Moment Glück, weil bei der Redaktion eine Fotoassistentin ausgefallen ist. Über diese Stelle lernt sie nicht nur tatkräftige und lebensfrohe Freundinnen kennen, sondern auch Heinz Hertig, der sie beruflich unterstützt und als Mensch schätzt.

Klara war mir von Beginn an sympathisch, ihre schlagfertige, unkomplizierte Art und ihr Mut Neues zu wagen, machen sie zu einer fesselnden Romanfigur, der man gerne folgt. Und gemeinsam mit ihren Freundinnen Elke, Rena und Vicki bietet sich viel unterhaltsames Potential, denn die Frauen halten zusammen.

Bei der Arbeit in der Fotoredaktion muss sich Klara mit den Anfeindungen und Intrigen ihrer Kollegen herumschlagen, Frauen wurden damals einfach als minderwertige Arbeitskraft angesehen oder als schmückendes Beiwerk. In der Handlung wird realistisch gezeigt, wie Sekretärinnen einfach mal so gegen eine jüngere Frau ausgetauscht wurden. Anna Jessen lässt die 50er Jahre bildhaft wieder auferstehen, beschreibt die finanziellen Engpässe, die Veränderungen in der Mode und baut die musikalische Entwicklung der Schlagerwelt und des Rock mit ein. Sie zeigt aber auch wie Homosexuelle damals geächtet durchs Leben gingen.

Der authentische, flüssige und flotte Erzählstil von Anna Jessen hat mich locker durch die Geschichte gelotst und lieft wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Manche Szenen waren vielleicht etwas zu nebensächlich, gehören aber inhaltlich auch zum großen Ganzen dazu. Eine kleine Unstimmigkeit hat mich verunsichert, mal wurde ein Bruder Klaras erwähnt, dann wieder eine Schwester. Das sollte man noch abändern, ansonsten fühlte ich mich gut unterhalten.


Der Romanauftakt der Traumfrauen ist ein unterhaltsames Lesevergnügen, das mir kurzweilige Lesestunden beschert hat und die 50er Jahre wieder aufleben lässt. Auf den Folgeband bin ich schon sehr gespannt!

Bewertung vom 22.07.2023
Fritz, der Gorilla
Sperber, Jenny von

Fritz, der Gorilla


sehr gut

Interessantes Buch über Arterhaltung und Zoogefangenschaft
Im Hirzel Verlag erscheint das Sachbuch "Fritz, der Gorilla" von Jenny von Sperber.

Der charismatische Fritz ist ein Gorillamännchen, als sogenannter Silberrücken ist er das Oberhaupt einer Gruppe von Weibchen im Nürnberger Zoo. Jenny von Sperber ist fasziniert von diesem Tier und recherchiert über sein Leben, geboren wurde er 1963 in Kamerun und kam 1966 als sogenannter Wildfang nach Deutschland. Jenny befragt Pfleger und Menschen, die ihr etwas über Fritz und seine Nachkommen erzählen können. Dabei wird deutlich, dass man in den 70er Jahren in den Zoos noch keine genauen Kenntnisse darüber hatte, wie man Gorillas artgerecht hält.

"Das Erhaltungszuchtprogramm hat es seit den 70er Jahren geschafft, eine genetisch gesunde Zoogorillapopulation in Europa aufzubauen, die sich selbst erhalten kann." Zitat Seite 138 *bezieht sich auf den Westlichen Flachlandgorilla

Jenny von Speyer gibt vielseitige Einblicke in die Entwicklung europäischer Zoos von den 60er Jahren bis heute und sie beschreibt, welche Fehler in der Tierhaltung von Gorillas gemacht wurden. Im ersten Kapitel beschreibt die Autorin, wie es Fritz, dem Waisenkind aus dem Dschungel Kameruns erging. Die Trennung von der Mutter ist aus heutiger Sicht ein no go!


Im zweiten Kapitel geht es um "Fritz, das Gründertier" und damit um seine Nachfahren. Man zog Jungtiere beispielsweise per Hand auf, damit entstand eine Prägung auf den Menschen. Kamen diese Tiere später in eine Gorillagruppe, hatten sie teilweise Anpassungsschwierigkeiten und konnten typisches Gorillagebahren schlicht und einfach nicht richtig einschätzen.

Aus heutiger Sicht muss man sich fragen, ob es zeitgemäß ist, wenn wir Menschenaffen einsperren. Das EEP (Europ. Erhaltungszuchtprogramm) hat Zuchterfolge, die den Bestand der Gorillas in Gefangenschaft sichern kann. Aber ist das überhaupt sinnvoll?

Im Buch geht es hauptsächlich um Fritz, der als sozialer und ausgeglichener Silberrücken galt und damit menschliche Züge besaß. Er wurde in Gefangenschaft über fünfzig Jahre alt und hatte eine Menge Nachkommen, über die im Buch berichtet wird. Davon sind mir einige aus dem Hannover Zoo bekannt, besonders seine Enkelin Zazie und ihre Kinder habe ich öfter besucht. Ich habe mich häufig gefragt, wie sich diese Tiere wohl fühlen, wenn sie auf die nächste Fütterung warten müssen und von den Besuchern angestarrt werden.


Der Erzählstil lässt sich trotz der vielen eingebauten Fakten gut und durch beigefügte Fotos auch sehr anschaulich lesen. Die vielen Anekdoten sorgen für unterhaltsame Szenen und die Beschreibung der früher üblichen "vermenschlichten" Aufzucht der Gorillababys finde ich sehr aufschlussreich. Da ist es gut, dass man inzwischen neue Erkenntnisse besitzt.
Was mir bei diesem Buch richtig gut gefallen hat, sind neben einigen allgemeinen Fakten über Gorillas auch die detaillierten Beschreibungen vom Verhalten in der Gruppe, mit Pfleger:innen und die unterschiedlichen Charaktere der Gorillas. Sie haben sich mit ihrem Leben arrangiert, aber ob sie wirklich ein glückliches Gorillaleben führen, ist fraglich.


Ein interessantes Buch über Arterhaltung, Zoohaltung und das Verhalten von Gorillas in Zoos und in Freiheit. Ein aufschlussreiches Buch für alle Gorillafans, das über Vor- und Nachteile der Zootierhaltung nachdenken lässt. Arterhalt um jeden Preis, darüber streiten sich die Wissenschaftler!

Bewertung vom 20.07.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


sehr gut

Ein einfühlsamer Sommerroman über die Sehnsucht nach Leben

Sophie hat innerhalb eines Jahres ihren Vater und ihre beste Freundin beerdigen müssen. Als sie auf Rügen Abschied von ihrer Freundin nimmt, hat sie in einem Café eine kurze Begegnung mit einem Mann, dem sie versehentlich ihren Kaffee aufs Hemd schüttet. Von diesem Moment an schleicht sich der Mann in Sophies Gedanken und Träume. Doch sie ist verheiratet und stellt sich die Frage, ob ihre Ehe sie glücklich macht. Ein paar Wochen später sucht sie nach dem Unbekannten und ihr Leben nimmt eine neue Wendung.

Anne Barns hat mit diesem Buch ihr übliches Fahrwasser verlassen und präsentiert uns einen Sehnsuchtsroman, der einfühlsam Sophies Leben, ihre Gefühle und Träume begleitet.
Protagonistin Sophie trifft bei einer zufälligen Begegnung einen Mann, der ihr danach nicht wieder aus dem Kopf geht. Während ihr wahres Leben immer komplizierter wird, flüchtet sich in eine Traumwelt, in der dieser Mann an ihrer Seite ist. Sie fängt an, nach ihm zu suchen und findet ihn, doch kann dieser Traum in der Realität auch wahr werden?

Der Erzählstil ist einfühlsam und beschreibt auf sehr poetische und bildhafte Weise die Suche Sophies nach ihrem Traummann. taucht man mit Sophie in die Szenerie Rügens ein, erlebt viele kulinarische Momente, sowie unterschiedliche Gefühle und Träume, die überzeugen und gespannt weiterlesen lassen.

Auf eine sehr berührende und einfühlsame Art beschreibt Anne Barns Sophies Suche nach dem unbekannten Mann, aber auch die Suche nach sich selbst und ihrem persönlichen Lebenssinn. Beim Lesen bin ich gespannt Sophies Träumen gefolgt und spürte ihre Melancholie, ich in ihr neues Leben auf Rügen eingetaucht und habe diese Zeit genossen, denn die Gegend wird immer wieder wunderbar in die Geschichte eingeflochten.

In diesem Roman erlebt man eine Frau auf der Suche nach ihren Träumen, macht eine Reise in die landschaftliche Schönheit Rügens und wird zu einem Neuanfang mitgenommen, der Mut macht.

Bewertung vom 19.07.2023
Emil Nolde
Ring, Christian

Emil Nolde


sehr gut

Persönliche Skizzen von Emil Nolde
Im Prestel Verlag erscheinen Emil Noldes "Farbige Notizen /Coloured Notes", die von Christian Ring zusammengestellt und beschrieben werden. Christian Ring (*1976) ist seit 2013 Direktor der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde in Seebüll.

Emil Nolde fertigte als Momentaufnahmen Skizzenblätter an, die er selbst als „intime farbige Notizen“ bezeichnete. In diesem Geschenkband sind dreißig der schönsten Skizzenblätter enthalten, von denen zwölf erstmals hier veröffentlicht sind.

Der Künstler Emil Nolde (1867–1956) gilt als einer der Hauptvertreter des deutschen Expressionismus und als Künstler der Klassischen Moderne. Nach Studienjahren entfernte er sich unter dem Einfluss des Neoimpressionismus vom romantischen Naturalismus und begann mit seinen farbig leuchtenden Blumenbildern und reiste um 1913/14 in die Südsee. Er blieb zeitlebens mit der Natur und seiner Heimat im deutsch-dänischen Grenzgebiet verbunden.

In diesem schön ausgestatteten Buch darf man sich auf dreißig farbige Kreidezeichnungen Noldes freuen, die er in erster Linie für sich als Gedankenstütze für spätere Gemälde angefertigt hat.

Christian Ring startet mit einer Einführung über den Expressionisten Emil Nolde und gibt darin Erklärungen zum persönlichen Schatz des Künstlers ab, seine kleinen, farbigen Kreidezeichnungen, von denen es etwa vierhundert gibt. Sie befinden sich im Nachlass des Künstlers, der in der "Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde" verwaltet wird. Das Buch hat eine Besonderheit, denn der Text wird im Anschluss an den Deutschen auch auf Englisch vorgestellt.

Zu den Skizzen wird der Titel und die Größe des Bildes genannt, teilweise auch das Entstehungsjahr. Die Skizzen zeigen Flora und Fauna, aber auch Personen und erstrahlen in voller Farbbrillanz, die Reproduktion der Werke ist also qualitativ hochwertig. Man kann die Strichführung, die Schattierungen und auch den Farbauftrag sehr gut erkennen. Auf mich persönlich wirken die Skizzen jedoch nicht so ausdrucksstark wie die Gemälde.

Nach dem Abschnitt mit den Kreidezeichnungen gibt es eine kurze Biografie mit den wesentlichen Daten des Künstlers. Auch diese wird auf Englisch wiederholt.

Den Abschluss des Buches macht der Artikel "Zur Südseereise", in der Christian Ring Noldes Porträt-Auftrag der Bevölkerung erwähnt und seine späteren Gedanken zum Kolonialismus zitiert.


Für Nolde-Fans ist dieser hübsche Geschenkband eine Möglichkeit, mehr über den Künstler zu erfahren und durch die Skizzen den persönlichen Moment zu sehen, den Noldes Augen als Motiv faszinierte.

Bewertung vom 18.07.2023
Wünsche unter azurblauem Himmel / Villa Amalfi Bd.2
Romanelli, Giulia

Wünsche unter azurblauem Himmel / Villa Amalfi Bd.2


sehr gut

Ein wunderschöner Amalfi-Roman zum Träumen
"Villa Amalfi - Wünsche unter azurblauem Himmel" von Autorin Guilia Romanelli erscheint im Bastei Lübbe Verlag.

Ida hat sich in der Villa Amalfi mit ihrer umsichtigen Mitarbeit als rechte Hand des verwitweten Eigentümers Vittorio emporgearbeitet. Das sieht Vittorios Tochter Guendalina gar nicht gern, dabei hat sie für die Arbeit im Hotel nichts übrig. Doch das hält sie nicht davon ab, ihre Intrigen zu spinnen. Für Ida kommt der Moment, wo sie ihrem geliebten Thomas ein Geheimnis beichten muss, wie wird er das auffassen? Und wird Idas Wunsch nach einer glücklichen Ehe in Erfüllung gehen?

Ganz wunderbar entspannt kann man sich bei der Lektüre dieses Romans zurücklehnen und im Urlaubsmodus in die zauberhafte Idylle der wunderschönen Amalfiküste eintauchen.

Guilia Romanelli erzählt eine lebendige Story, die sich um das Hotel Villa Amalfi und ihrer Angestellten rankt. Allen voran ist die liebenswürdige Geschäftsführerin Ida die Hauptfigur und wer den Vorband der Reihe nicht gelesen haben sollte, wird über die wichtigen Inhalte noch einmal in Kenntnis gesetzt, sodass man sich auch als Neuling der Reihe an diesen Roman wagen kann.

Die Beschäftigten der Villa Amalfi bilden ein eingespieltes Team, sie sind miteinander so eng verbunden wie in einer harmonischen Familie, die ich alle ausnahmslos ins Herz geschlossen habe. Jede Person gibt ihr Bestes, ob im Service, in der Küche oder in der Betreuung der Gäste, um ihnen den Aufenthalt so schön und erinnerungswürdig wie möglich zu machen. Das wissen viele Stammgäste zu schätzen und genießen alljährlich ihren Urlaub im Ambiente des zauberhaften Hotels mit der guten Küche und bei den geführten Ausflügen. Doch es gibt auch Nörgler unter den Gästen, denen sich Ida annehmen muss. Ida ist die gute Seele des Hotels, sie kümmert sich neben Vittorio um die Führung der wichtigen Belange und hat damit alle Hände voll zu tun.

Privat genießt sie ihr großes Liebesglück mit Thomas, der ihr nicht nur auch eine große Stütze geworden ist. Ich verrate hoffentlich nicht zu viel, wenn ich in diesem Zusammenhang klingende Hochzeitsglocken erwähne. Dieses Ereignis ist ein Höhepunkt im Buch und bringt Idas Leben die gewünschte Erfüllung.

Doch wo Sonne ist, das ist auch Schatten und so gibt es hinter der romantisch anmutenden Urlaubskulisse der Villa Amalfi auch Schwierigkeiten und Intrigen, die für Turbulenzen und Aufregung sorgen.

Als Leserin habe ich mit Ida mitgefühlt, wenn die hinterhältige Guendalina oder Idas gewalttätiger Vater mit ihren Aktionen für unerwartete Spannung sorgen. Und auch unerwartete Baustellen treiben Ida die Sorgenfalten ins Gesicht. Man kann mit den Protagonisten mitfiebern und wird am Ende mit einer zufriedenstellenden Lösung überrascht, die mich zufrieden mit einem Lächeln das Buch schließen lies.


Ein wunderbarer und liebenswert erzählter Urlaubsroman, der das spezielle Flair Amalfis abbildet und mit einer lebendigen Geschichte rund um das Hotel zu unterhalten weiß.