Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1899 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2023
Der Trost der Schönheit
Arnim, Gabriele von

Der Trost der Schönheit


ausgezeichnet

Erinnerungen, Überlegungen und Reflexionen

Gabriele von Arnim hatte mich schon als Literaturkritikerin immer beeindruckt, als sie zuletzt mit ihrem atemberaubenden Buch „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“ geradezu brillierte.
Man glaubt es kaum, aber ihr neues Buch Der Trost der Schönheit ist mindestens so gut. Es geht viel ums Altern, aber vor allen ums Leben und was man daraus macht.
Es ist ein suchendes Buch. Daher ist der Untertitel Eine Suche auch sehr zutreffend. Es geht auch viel ums Sehen und wahrnehmen und wie wichtig es ist, alles genau zu betrachten um Schönheit zu erkennen. Doch auch das muss man erst einmal aushalten.
Gabriele von Arnim setzt literarische oder philosophische Zitate ein, aber noch wirkungsvoller sind ihre Erinnerungen, die zum Teil bis in die Kindheit zurückgehen. Dadurch wird es ein sehr reflektierendes Buch.
Sprachlich ist es fein gewoben, ein Genuß.

Gabriele von Arnim hat ein wundervolles Buch geschrieben, dass mehr als ein Essay ist, gleichzeitig für dieses Genre eine Perle.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.08.2023
Mattanza (eBook, ePUB)
Fabiano, Germana

Mattanza (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nora und die Fischer von Katria

Dieser nahezu verzaubernde Roman hat geringen Umfang und deckt doch einen Zeitraum von 1960 bis 2012 auf der Insel Katria ab.
Traditionell gibt es einen männlichen Anführer, der Rais genannt wird, doch jetzt blieb der männliche Nachwichs aus und Nora wird von Geburt an zur neuen Rais vorgesehen. Ausgebildet wird sie vom strengen Großvater, den bisherigen Rais.
Ihre wichtigste Rolle dabei ist Mattanza, die traditionelle Thunfischjagd.
Die Insel wird so lange fortbestehen, wie jemand von ihrem Blut die Mattanza anführt, so der Glaube.

Noras Leben ist geprägt und vorgezeichnet durch die ihr zugewiesene Rolle, so sieht sie ihre Familie immer nur sonntags und verbleibt sonst beim Rais und ihren Aufgaben.
Dadurch wird sie aber auch zur entschlossenen Persönlichkeit. Das hat mich an dem Buch beeindruckt.

Germano Fabianos Beschreibungen sind detailreich, um Beispiel über den Thunfischfang und sehr interessant. Man kann sich kaum losreißen vom Buch. Ein Buch mit so einer Handlung gehört wirklich zum Mare-Verlag.

Bewertung vom 05.08.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


sehr gut

Stimmungen

Ein ungewöhnlicher zeitgenössischer Roman, der vor allen von Stimmungen lebt.
Die Protagonisten sind Teil der Filmbranche. das bestimmt einen Teil der Dialoge mit, die die Oberflächlichkeit zeigen.
Anfangs finde ich die Hauptfigut Leila schwer fassbar. Sie hat einerseita einen kalten, präzisen Blick auf die Gesellschaft, ist ansonsten sehr auf ihre Beziehung zu Leon fixiert, wobei es auch noch einen anderen gibt. Zudem neigt sie dazu, sich und andere falsch einzuschätzen.
Mit der Drehbuchautorin Aichi steht sie irgendwo zwischen Freunschaft und Konkurrenz.

Sie verbirgt ihre Emotionen und hat offensichtlich einen inneren Mangel, den sie durch Wut und latente Aggressivität auffüllt. Das ist keine gute Mischung für eine egoistische Frau, die sich etwas vormacht.

Nora Haddada hat auf subtile Art ein Porträt einer Frau mit gestörter Gefühlslage geschaffen.

Bewertung vom 05.08.2023
Natürlich kann man hier nicht leben (eBook, ePUB)
Inan, Özge

Natürlich kann man hier nicht leben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Geschichte der Eltern
Natürlich kann man hier nicht leben ist ein ziemlich guter Debütroman, der eine gewisse Zeit in der Türkei zeigt.
Die 16jährige Nilay ist in Deutschland als Kind türkischer Flüchtlinge geboren. Es drängt sie danach, in die Türkei zu gehen. Das bildet geschickt die Klammer dazu, die Geschichte der Eltern zu erzählen. Selim und Hüyal erleben die Zeit der Militärdiktatur in der Türkei ab 1980. Man gewinnt durch diese gut und realistisch entworfenen Figuren ein Bild davon, unter welchen Bedingungen normale Menschen damals lebten, bedroht durch die Repressalien der Rechten.
Die Handlung zieht sich durch die Jahre 1980 bis 1993. Dann gehen Selim und Hüyal aus Sicherheit nach Deutschland. Das ist zunächst auch nicht einfach.
Man kann die Figuren und ihr Emotionen verstehen. Die Autorin hat die Zeit gut recherchiert und nachempfunden. Das ist die Stärke des Buches. Es ist zu hoffen, dass Özge Inan noch weitere Romane schreiben wird, denn dieser ist ihr gut gelungen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.08.2023
Wir träumten vom Sommer
Rehn, Heidi

Wir träumten vom Sommer


ausgezeichnet

In Wir träumten vom Sommer führt uns die routinierte Schriftstellerin Heidi Rehn ins München von 1972. Wir begleiten da die Figur der junge, selbstbewussten Amrei, die bei den Olympischen Spielen als Hostess arbeiten wird.
Es gibt immer wieder Rückblicke ins Jahr 1968. So verbreitet Heidi Rehn noch mehr Stimmung und Atmosphäre dieser besonderen Zeit
.
Dennoch wäre ich als Leser lieber kontinuierlich im Handlungsstrang 1972 geblieben, denn da gibt es eine Erwartungshaltung, die Ereignisse um die Geiselnahme.
Amrei nimmt die Ereignisse in der Nähe wahr, ohne selbst direkt beteiligt zu sein. Das ist ein guter Ansatz um zu zeigen, wie sich jemand währenddessen fühlte. Das Olympia-Attentat von 1972 wurde schon häufig erzählt, daher wird nicht ein weiteres mal die Details gebraucht.
Nicht ganz so zwingend fand ich die Schilderungen von Amreis Liebesleben und Freundschaften. Einige Nebenfiguren bleiben eher auf der Oberfläche dargestellt.
Das Buch ist gut, kommt aber über gehobenes Mittelmaß nicht hinaus.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.08.2023
V13
Carrère, Emmanuel

V13


gut

Emmanuel Carreres neues Werk V13 ist kein Roman sondern ein Konzentrat aus Kolumnen von ihm, die er Journalist und Beobachter des Pariser Terror-Prozesses schrieb.
Der Prozess, der 2021 begann dreht sich um den Tag im Jahr 2015 als der Islamisch Staat gezielt Terroranschläge vornahm, z.B. in Bataclan.

Carrere geht sehr sorgfältig vor, wirft einen Blick auf Opfer und Überlebende wie Täter und auf Angehörige beider Lager.
Der Empathie des Autors ist es geschuldet, dass man das Buch nicht nur wie einen Bericht liest. Man nimmt Anteil.

Grégoire Leménager hat das Nachwort mit dem treffenden Titel „Der Journalist“ geschrieben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


ausgezeichnet

Der Grenzbereich


Der Fotograf Hirasaka empfängt in seinem Atelier gerade Verstorbene in einem Zwischenbereich hin zur Ewigkeit. Er ist ihr Wegbegleiter und zeigt ihnen Fotos, die ihr Leben dokumentieren. Für jeden Tag des Lebens eine Aufnahme.

Noch einmal anhand eines Fotos einem besonderen Moment im Leben zu zeigen.
Mit dieser Methode kann SanKa Hiragi verschiedene Geschichten erzählen und sie durch diesen Rahmen zusammenhalten.

Die erste Episode dreht sich um Hatsue, die Kindergärtnerin und Erzieherin war. Eine Aufgabe, der sie mit Leidenschaft nachging. Für mich der stärkste Abschnitt. Aber auch die nächsten Kapitel haben einiges zu bieten.
Der nächste Gast ist ein eigenes Kaliber, ein gewalttätiger Yakuza.
Mitsuro, ein Mädchen als letzter Gast schließt das Buch mit einer Überraschung ab.

Die Übersetzung aus dem Japanischen von Yukiko Luginbühl und Sabine Mangold kommt mir gelungen vor, da sich der Text gut und flüssig lesen lässt. Wirklich ein Lesevergnügen.
Ein lesenswertes Buch!

Bewertung vom 30.07.2023
Vatermal
Öziri, Necati

Vatermal


ausgezeichnet

was für immer verloren war

Vatermal ist ein beeindruckender Debütroman von Necati Öziri, der als Dramaturg schon einiges an Erfahrung hat und das merkt man den Buch in der Gestaltung und bei den Dialogen an. Das Buch hat auch schon außergewöhnlich viel Aufmerksamkeit erhalten. Schon ein Ausschnitt hat vorab beim Bachmann-Wettbewerb den Kelag-Preis gewonnen.
Es ist einerseits eine Ansprache eines Sohnes ans einen unbekannten Vater, andererseits ein Porträt der deutsch-türkischen Familienmitglieder: Arda, seine Mutter Ümran und seine Schwester Aydin.
Der Vater Metin hat die Familie schon lange verlassen. Das zerstörte die Familie ein Stück weit. Die unstabile Mutter kümmert sich wenig um ihre Kinder.
Während Arda die Hauptfigur ist, gibt es doch auch einige Passagen, in dem seine ältere Schwester Aylin den Blickwinkel einnimmt. Aylin verbringt dann auch im Gegensatz zu Arda viel Zeit außerhalb. Das gibt ihr Halt, dennoch lässt die Familie sie innerlich nicht los.
Auch Ümrans Kindheit wird gezeigt. Detailliert schildert sie, was für immer verloren war.
Schließlich sind die Passagen von Ardas Jugend noch ziemlich spannend.
Der Autor vermittelt die Gefühlslage der Figuren. Als Leser kann man sie alle gut verstehen.

Bewertung vom 29.07.2023
Mittwoch
Wondratschek, Wolf

Mittwoch


sehr gut

Wolf Wondratschek ist eine eigenwillige und außergewöhnliche Gestalt der deutschsprachigen Literatur. Grandios, dass der Ullstein-Verlag sein Werk neu veröffentlicht.
Sein Roman Mittwoch zeigt einen Reigen. Wondratschek beherrscht den fließenden Übergang zwischen den Figuren und schlüpft nahtlos von Figur in Figur. Wie von ihm bevorzugt sind es meistens einfache Menschen wie ein Gastwirt, sein Sohn, eine Prostituierte, eine Friseuse, ihr Chef …
Auch das Box-Genre nimmt wieder seinen Platz ein, wie so häufig bei Wondratschek.
Immer wieder kann man verschiedene Figuren ein kurzes Stück begleiten. Das ist sehr interessant, erlahmt gegen Ende hin jedoch ein wenig bzw. die letzten Abschnitte sind nicht mehr ganz so stark.
Dennoch ein lupenreiner Wondratschek, der bietet was Fans erwarten.

Bewertung vom 29.07.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Die Schwestern

Mord auf der Insel Gokumon ist der zweite Teil der japanischen Krimireihe von Seishi Yokomizo.
Interessant daran ist, dass er kurz nach dem Krieg angesiedelt ist. Da war auch unter Protagonist Kosuke Kindachai. Jetzt ist er zurück
Er ist überlebender, im Gegensatz zu seinem sterbenden Kameraden, der ihn bat, seine Schwestern zu schützen. Daher fährt er auf die Insel Gokumon.
Nach 9 Jahren trifft er auch Kommissar Isokawa wieder und sie ermitteln wieder zusammen. Ihnen zur Seite der Wachtmeister Shimizu.

Der anfängliche gesellschaftliche Aspekt tritt schließlich zugunsten des Kriminalfalles zurück.

Seishi Yukomizo schreibt -dialogreich, aber fast sachlich, aber durch seine sympathische Hauptfigur doch empathisch. Sein Stil hat die Jahre überdauert. Man spürt das Alter, aber der Text ist immer noch gut lesbar.
Mir persönlich hat dieses Buch besser gefallen als der erste Teil Die rätselhaften Honji-Morde.