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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2020
Eiskalte Provence / Commissaire Leclerc Bd.6
Lagrange, Pierre

Eiskalte Provence / Commissaire Leclerc Bd.6


sehr gut

Ex-Polizist Albin Leclerc und sein Mops Tyson ermitteln in einem brisanten Fall. Der Weihnachtsfrieden von La Roque-sur-Pernes ist gestört.

Eine Wandergruppe wird von einem Regenschauer überrascht und sucht Schutz in einer der alten Bories und macht eine grausige Entdeckung. Eine Tote mit Blumenkranz im Haar und im weißen Brautkleid lehnt an der Mauer der Hütte.

Natürlich macht der Fund sofort die Runde und Albin Leclerc wird hellhörig. Als pensionierter Kriminalbeamter ist seine professionelle Neugierde sofort geweckt und auch wenn seine frühere Kollegen nicht immer sehr erfreut über seine Hilfe sind, erkennen sie seine Erfolge durchaus an.

Trotz vorweihnachtlichem Stress, Albins Lebensgefährtin Veronique möchte in großem Familienkreis feiern, beginnt Albin mit den Recherchen. Natürlich zusammen mit seinem Mops Tyson, zu dem er inzwischen eine fast symbiotische Beziehung pflegt. Er hat viel Respekt für Tysons Riecher.

Die Reihe um Albin Leclerc umfasst inzwischen schon einige Bände, kürzlich habe ich den ersten Band gelesen und bin nun das neue Buch ohne Schwierigkeiten eingestiegen. Die Zusammenarbeit zwischen der offiziellen Polizeidienststelle und dem Privatier Leclerc gestaltet sich gut, ein paar Reibereien und Frotzeleien belebt die Geschichte. Überhaupt ist doppelte Perspektive ein Pluspunkt des Bandes. Nicht nur aus der Sicht der klassischen Polizeiarbeit samt akribischer Spurensuche, sondern auch der Blickwinkel der ganz privaten Ermittlungen, die Klatsch und Tratsch einschließen, bringen Leclerc und die Kommissare weiter. Das bietet neben der Spannung auch immer wieder ganz witzige Szenen. Auch die Geschichte von La Roque-sur-Pernes spielt eine Rolle und wird interessant mit dem Kriminalfall verwoben.

Das fand ich sehr gut aufgebaut und der Krimi hat meine Erwartungen erfüllt. Ich mag es, wenn Landschaft und regional-typisches eine Rolle spielen und in den Plot eingebaut werden. Mit dem pensionierten Leclerc hat der Autor auch eine interessante Figur geschaffen, kauzig und ein wenig eigen, aber immer mit einem guten Riecher. Seine Dialoge mit Matteo, dem Besitzer des Café du Midi, sind wirklich klasse. Vor allem weil Matteo, wie viele Südfranzosen sich politisch am rechten Rand verortet, aber den Gegenargumenten Leclercs nie gewachsen ist.

Der Krimi steigert sich bis zum einem furiosen Ende, das mir allerdings ein wenig zu dick aufgetragen war. Da kommt es zu einem richtigen Showdown samt gecrashter Autos- und Explosionen, die ich eher bei einem Actionthriller erwartet hätte.

Aber natürlich siegt das Gute und Weihnachten kann friedvoll gefeiert werden.

Bewertung vom 20.09.2020
Alsterschwan
Seemann, Regine

Alsterschwan


ausgezeichnet

Eine ausgelassene Halloween Party wird jäh unterbrochen. Ein blutüberströmter Jugendlicher torkelt in den Garten, entsetzt merken die Kids, dass das keine gelungene Maskerade ist. Vor seinem Tod kann der Junge noch einige Sätze sprechen, die die ermittelnden Kommissarinnen Stella Brandes und Banu Kurtoglu als einen Hinweis auf weitere vermisste Jugendliche verstehen. Auch Fynn war vor seinem Tod schon einige Zeit als vermisst gemeldet und sein schlechter körperlicher Zustand zeigt, wie hart seine Gefangenschaft war. Die Zeit für die beiden anderen vermissten Jugendlichen wird knapp.

In ihrem dritten Kriminalroman über die beiden sehr sympathischen Ermittlerinnen Stella und Banu verknüpft Regine Seemann wieder zwei Handlungsstränge zu einem unglaublichen spannenden Geflecht. Das ist ein Markenzeichen der Autorin, ihre Krimis haben auch immer einen Bezug zur Vergangenheit, die ein Prolog bereits anklingen lässt. Ansonsten sind die Fälle völlig in sich abgeschlossen, man kann als unabhängig von der Reihenfolge die Bücher einzeln lesen, ohne das Vorwissen nötig wäre.

Die nervenaufreibende Polizeiarbeit in der Gegenwart stellt die beiden so unterschiedlichen Kolleginnen in den Vordergrund. Ihre Persönlichkeiten ergänzen sich vielleicht grade deswegen so gut. Banu ist die große Kümmerin, klammert vielleicht auch mal, was besonders ihre Tochter Merve spürt. Aber ihre Absichten sind immer gut. Stella dagegen ist eher spontan, prescht schon mal vor, bleibt aber trotzdem immer eine Teamplayerin. Das private Leben der Kommissarinnen bleibt präsent, aber auf eine dezente Weise. Das fand ich angenehm realistisch.

Der zweite Handlungsfaden führt in die 70iger Jahre, schwer erziehbare Jugendliche und Außenseiter werden in einem Ferienheim untergebracht. Eine seltsame Atmosphäre liegt über diesem Heim und es scheint niemand darüber sprechen zu wollen.

Wie in einem Puzzle fügen sich Stück für Stück die Geschehnisse zusammen und die Geschichte hat mich nicht mehr losgelassen. Gerade das Thema im historischen Teil des Krimis fand ich aktuell, sind doch ähnliche Ereignisse erst in den letzten Jahren bekannt geworden.

Alsterschwan ist wieder ein ganz besonders spannender Kriminalroman, dabei anspruchsvoll und aktuell, also unbedingt eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 17.09.2020
Soko mit Handicap: Der Tote und der Taucher
Franke, Thomas

Soko mit Handicap: Der Tote und der Taucher


sehr gut

Theo, ein junger Psychologiestudent lebt in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung. Der Tod des Mitbewohners Mike erschüttert alle, er war zwar an ALS erkrankt, aber am Tag vorher noch munter und beim gemeinsamen Karaokeabend bester Laune. Theo ist entsetzt, wie oberflächlich der Arzt einen natürlichen Tod konstatiert, obwohl einige Ungereimtheiten ins Auge fallen.

Zusammen mit seinen Mitbewohner will er mit der „Soko Handicap“ ein wenig tiefer bohren. Glücklicherweise ist Theos Schwester Polizistin und einige seiner Beobachtungen lassen auch bei ihr die Alarmglocken schrillen. Vor allem Autist Keno scheint etwas bemerkt zu haben, er ist vollkommen aufgelöst und spricht nur noch vom Taucher.

. Ein interessanter zweiter Handlungsstrang verweist in die Vergangenheit und man ahnt, es wird noch eine Bedeutung bekommen.

Das Setting für diesen Kriminalroman ist besonders und das ist auch die Absicht des Autors Thomas Franke. Er arbeitet als Sozialpädagoge in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung und er zeigt, dass es völlig egal ist, ob jemand „behindert“ ist oder nicht. Aber er legt den Finger auch auf Missstände und plötzlich bekommen Stichworte wie Barrierefreiheit, Pflegenotstand, Mangel an empathischem Fachpersonal eine ganz andere Bedeutung. Auf einer Fahrt in die Innenstadt habe ich plötzlich den Weg mit den Augen eines Rollstuhlfahrers betrachtet und war erschrocken, denn ich hätte mein Ziel nie allein erreichen können.

Seine Figuren wachsen dem Leser schon nach wenigen Seiten ans Herz und plötzlich vergisst man Rollstuhl oder Trisomie21, man fiebert einfach mit Theo, Lene, Paula, Scotty und Keno. Wie sie ihre Möglichkeiten und besonderen Fähigkeiten einsetzen und ermitteln, ist spannend und immer wieder auch sehr witzig. Der menschliche Ton der Geschichte hat mich sehr beeindruckt. Natürlich möchte der Autor auch eine Botschaft vermitteln und das macht er sehr unaufdringlich und ohne erhobenen Zeigefinger. Für mich war dieser Kriminalroman eine echte Bereicherung des Genres.

Die Geschichte endet offen – ein zweiter Band ist bereits in Arbeit und ich bin sehr gespannt, wie sich das Rätsel um Mikes Tod und des geheimnisvollen „Tauchers“ auflösen wird.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2020
Volkswagen Blues
Poulin, Jacques

Volkswagen Blues


ausgezeichnet

Vielleicht ist seine Schreibblockade der Grund, dass sich der Schriftsteller Jack Waterman mit der Vergangenheit beschäftigt. Vor Jahren hat er das letzte Lebenszeichen seines Bruders Theo erhalten: eine unleserliche Postkarte aus dem kanadischen Ort Gaspé. Plötzlich wird es im bewusst, was für eine große Rolle sein Bruder in seinem Leben spielte und er fühlt sich auch schuldig, nie nach Theo gesucht zu haben.

Mit einem alten VW Bus will er den verwehten Spuren folgen und hätte er nicht unterwegs eine junge Anhalterin mitgenommen, wäre sein Versuch wohl schon zu Anfang gescheitert. Aber die „Große Heuschrecke“, wie er Pitsémine wegen ihrer langen und dürren Beine nennt, bringt ihn mit ihren Ideen auf die Spur. Außerdem ist sie Mechanikerin, was bei einem so alten Bus mit fast 200000 km auf dem Tacho ein unschätzbarer Vorteil ist. Die Große Heuschrecke ist eine fast manische Leserin und vor allem die Geschichte der Landnahme der französischen Einwanderer und Entdecker interessiert sie, ist sie doch als Nachfahrin der indigenen Bewohner direkt davon betroffen.

Zusammen durchqueren sie den amerikanischen Kontinent, reisen wie die frühen Siedler auf dem Oregon Trail gen Westen und finden ab und zu Hinweise auf Theo. Für Jack wird diese Reise auch immer mehr in Reise zu sich selbst, je mehr er sich seiner Begleiterin öffnet. Dabei bleiben die Reisegefährten freundschaftlich distanziert, so siezen sich während der ganzen Fahrt.

Diese Road Novel – ich finde einfach keine passendere deutsche Entsprechung ist ein wunderbarer Reisebericht, leise und intensiv und auch ein wenig melancholisch erzählt. Ich habe bedauert, dass ich dieses Buch nicht bei Erscheinen vor 20 Jahren lesen konnte, ich hätte mich vielleicht für eine solche Fahrt inspirieren lassen. Schade, dass es so lange dauerte, bis dieses Buch endlich in Übersetzung in Deutschland erschien. So folge ich Jack und Pitsémine per Buch quer durch Amerika und lerne dabei sehr viel über die Geschichte der Siedler und Entdecker.

Man sollte sich Zeit nehmen und das Buch langsam lesen um die Geschichte besonders zu genießen, dann ist das Fernweh programmiert. Aber das ist ja auch das Ziel einer Reiseerzählung.

Bewertung vom 12.09.2020
Marcia aus Vermont (eBook, ePUB)
Stamm, Peter

Marcia aus Vermont (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nach einem Jahr in Amerika muss sich der junge angehende Künstler eingestehen, dass er den Durchbruch nicht geschafft hat und bittet die Eltern um Geld für ein Rückflugticket. Als kleine Rebellion bleibt er aber über die Weihnachtstage noch in New York. Dort lernt er Marcia kennen, die ihn auf der Straße um ein paar Dollar anschnorrt. Vielleicht noch ein kleines Geburtstagsgeschenk und er könnte gern mit in die Wohnung kommen – er lässt sich darauf ein und wird für ein paar Tage Teil einer sonderbaren Menage. Marcia ist die Geliebte eines Schriftstellers, ganz mit Einverständnis der Ehefrau.

An diese Weihnachtstage erinnert sich der Ich-Erzähler, inzwischen ein anerkannter Künstler, als er nach mehr als 30 Jahren wieder einen Winter in den USA verbringt. Als Gast einer Stiftung in Vermont. Verwirrt wird er durch ein Manuskript, dass in seinem Appartement findet, eine kleine Erzählung die eine Dreier-Beziehung schildert, die durch das Eindringen eines jungen Schweizer Künstlers gesprengt wird.

Eine kleine, durchaus stimmungsvolle Erzählung von Peter Stamm. Durch die Form der Ich-Erzählung erweckt es einen autobiografischen Anschein. Es ist kunstvoll komponiert, Peter Stamm ist einfach ein Meister der Sprache, aber wirkt – nicht nur der eisigen Temperaturen wegen – unterkühlt auf mich.

Bewertung vom 10.09.2020
Rebenopfer / Elwenfels Bd.1
Habekost, Britta;Habekost, Christian

Rebenopfer / Elwenfels Bd.1


sehr gut

Carlos Herb ist Ex-Polizist und verdient nun seine Brötchen als Privatdetektiv. Ein gut dotierter Routineauftrag führt ihn in die Pfalz. Der schwerreiche Unternehmer Strobel ist seit fast 3 Jahren verschwunden und wurde dort zuletzt gesehen. Seine Ehefrau will endlich Gewissheit und ans Erbe.

Carlos macht sich also auf in die Pfalz und der Zufall verschlägt ihn ins winzige Weinnest Elwenfels und damit fast in eine andere Dimension. Großstädter und Biertrinker versus Weinliebhaber und Dörfler, da sind Reibungen programmiert.

Das Buch hat mich komplett überrascht. Ich hatte einen Regionalkrimi mit der üblichen Mischung aus Ermittlungen und Lokalkolorit erwartet, aber die Autoren haben mich in eine besondere Geschichte geführt. Carlos taucht fast in eine Parallelwelt ein, als hätte ihn ein weißer Hase ins Wunderland mitgenommen. Statt des Hutmachers gibt es eine Miederwarenverkäuferin und eine böse Königin konnte ich auch ausmachen. Sogar die Existenz der Elwetritsche kann er nicht mehr anzweifeln. Dieses fabelhafte Wesen, eine Mischung aus Huhn, Ente und Frau weist ihm schon mal den Weg. Seine Erlebnisse und seine Erkenntnisse sind nicht für ihn nicht immer zu fassen, aber je näher er dem Wein und den Elwenfelsern kommt, desto näher kommt er seinem Auftrag. Aber was heißt schon Auftrag, wenn man mal ein in Paradies schauen durfte.

Die Habekosts haben mich in eine märchenhafte Welt entführt und mit jeder Seite die Lust an den Menschen und der Landschaft geweckt. Was kann es Schöneres geben, als im Herbst mit einem Dubbeglas ein Weinschorle zu trinken und die Langsamkeit des Seins zu genießen. Das hat der Leser mit dem Protagonisten Carlos gemeinsam.

Die Liebe zur Pfalz, ihren Eigenheiten, ihrem Dialekt ist richtig greifbar und das macht den Charme des Buches aus. Es wird auch spannend, auch wenn der Kriminalfall ganz anders ausgeht, als erwartet und als Leserin kann ich nur hoffen, dass es Carlos bald wieder mal Elwenfels führt. Es gibt doch sicher noch einige Geheimnisse, die zu lüften sind.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2020
Sterben im Sommer
Bánk, Zsuzsa

Sterben im Sommer


ausgezeichnet

Zsuzsa Bank, die ich seit ihrem Roman „Helle Tage“ sehr schätze, hat mich mit ihrem neuen Buch tief berührt.

Wie der Titel schon sagt, kreist es um den Tod ihres Vaters. Wie jedes Jahr will er mit seiner Familie die Heimat Ungarn sehen, ein Sommer im Dorf, die Wärme spüren, die Gerüche atmen, die Erinnerung aufleben lassen. Doch er wird krank und nun beginnt eine Odyssee für die Autorin und die Familie. Zuerst das Krankenhaus gleich hinter der österreichischen Grenze, da fühlt man sich besser aufgehoben, als in einer ungarischen Klinik. Dann nach bangen Wochen der Transport ins Uniklinikum Frankfurt, immer mit dem Wissen, dass die letzten Tage angebrochen sind. Vor dem Sterben, beim Sterben, nach dem Sterben – sie erzählt von Gefühlen, Ängsten und Überforderung. Gleichzeitig blättert sie das Leben der Eltern auf, die nach dem Ungarn-Aufstand nach Deutschland flohen und eine neue Heimat fanden ohne die alten Bindungen je kappen zu können.

Auch wenn die Klinikszenen manchmal kaum auszuhalten waren, wenn Frau Bank offen von der Überforderung des Personals spricht, von unsensiblen Ärzten berichtet, die wenig Zeit für den Patienten und die Angehörigen finden. In der Maschinerie des Klinikbetriebs bleibt die Menschlichkeit oft auf der Strecke.

Trotz des ernsten Themas schwingt eine spätsommerliche Stimmung durch das Buch, manchmal traurig und fast immer melancholisch, doch auch mit der Gelassenheit, die schöne Erinnerungen mit sich bringen. Es ist ein autobiografischer Bericht, in einer wunderbar sensiblen Sprache erzählt, die mir ein Genuss war. Ich habe das Buch mit großer Empathie gelesen, es hat mich angerührt, doch wurde es nie sentimental.

Bewertung vom 09.09.2020
Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1
Seeburg, Uta

Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1


sehr gut

Wilhelm Freiherr von Gryszinski, durch und durch preußisch, kommt zur Jahrhundertwende als Sonderbeamter nach München. Er soll im bayrischen Königreich die modernen Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei einführen, also Spurensuche, Fingerabdrücke und was es sonst als technische Neuerungen gibt.

Wider Erwarten gefällt ihm und seiner kleinen Familie der Aufenthalt im sinnenfrohen München sehr gut. Besonders die Küche hat es ihm angetan und seine Besuche auf dem Viktualienmarkt gehen nie ohne ein paar Schmankerln ab.

Dann sein erster Mordfall: Der bekannte Bierbeschauer Sperber wird tot an der Isar gefunden, eingehüllt in ein exzentrisches Cape aus Federn. Die Spuren sind ausgefallen, Gryszinski meint den Abdruck eines Elefantenfußes zu erkennen. Als Bierbeschauer hat Sperber sicher eine Menge Feinde, denn sein Urteil über die Reinheit des Biers kann über den Erfolg der Brauer entscheiden.

Bei seinen Ermittlungen trifft Gryszinski auf den neureichen „Exilpreußen“ Lemke, der seit seiner Heirat mit einer Brauereierbin im Geschäft mitmischen will.

Der historische Kriminalroman war ein Lesevergnügen von der ersten Seite an. Ein Zeit- und Sittenbild vom München des beginnenden 20. Jahrhunderts, farbig und lebendig beschrieben aus der Sicht eines preußischen Offiziers. Der Zusammenprall von bayrischer Gemütlichkeit und preußischer Korrektheit ergeben immer wieder witzige Szenen. Vor allem, wenn Gryszinski im Lauf der Zeit immer mehr zur bayrischen Lebensfreude neigt. Ich habe mich dabei bestens unterhalten. Uta Seeburg hat sich Figuren ausgedacht die lebensecht und mit vielschichtigen Charakteren ausgestattet.
Besonders gelungen fand ich seinen Gegenspieler, den dubiosen Geschäftsmann Lemke, der sich mit seinem Reichtum seine Bubenwünsche erfüllt. Seine Villa gleicht einem überdimensionalen Spielzimmer mit Eisenbahnwaggon, U-Boot und Fesselballon und vielen technischen Spielereien. Auch Gryszinskis Ehefrau ist toll porträtiert. Zwar scheint sie immer in einem Roman versunken zu sein, aber ihre Hinweise bringen ihn oft auf eine neue Spur.

Für mich war dieser historische München-Krimi eine richtige Entdeckung.

Bewertung vom 06.09.2020
Neid kennt kein Gebot / Südtirolkrimi Bd.8
Neubauer, Ralph

Neid kennt kein Gebot / Südtirolkrimi Bd.8


gut

Commissario Fabio Fameo ist schon lange im idyllischen Südtirol heimisch geworden. Zusammen mit seiner Südtiroler Frau Elisabeth und den gemeinsamen Kindern bewohnt er den historischen Ansitz Esser. Doch das Idyll wird empfindlich gestört als eine Gruppe Touristen in einem Weiher einen abgetrennten menschlichen Arm finden. Einer der Touristen, selbst Koch, weist die Polizisten auf die typischen Vernarbungen von Schnittverletzungen am Finger hin. Es tauchen noch weitere Körperteile auf und Fameo kommt unter Druck.

Ralph Neubauer ist ein Südtirol Fan und manchmal denke ich, dass er die Form des Kriminalromans gewählt hat um seine Leser auf unterhaltsame Weise diese Landschaft näherzubringen. Er kennt alle einschlägigen Restaurants und baut sie so in die Handlung ein, dass man das Buch auch fast als kulinarischen Reiseführer lesen könnte. Die Geschichte der Sterneküche in Südtirol ist wirklich interessant und der Hinweis auf typische Rezepte gefiel mir auch. Glücklicherweise verzichtet der Autor auf die Rezepte im Anhang, das ist inzwischen wirklich nicht mehr originell.

Auch vieles aus der Südtiroler Geschichte fließt in die Handlung ein. Dazu kommt noch eine ganz sympathische Eigenart des Autors: er baut gern Menschen, die ihm begegneten in die Handlung ein. Das birgt allerdings die Gefahr, dass sich die Geschichte zerfasert und in Nebenhandlungen verliert. Das passiert manchmal auch hier und wenn ich es auch nicht sehr störend empfand, hat es doch die Handlung abgebremst und auch dem Spannungsbogen des Plots nicht gut getan. Besonders fiel mir da die Geschichte um einen deutschen Bergwanderer und seiner Frau auf und die Verwicklungen eines urlaubenden deutschen Staatsanwalts auf.

Aber trotz all den Abschweifungen behauptet sich die Krimihandlung dann doch und nimmt gegen Ende deutlich an Fahrt auf. Auch wenn ich mich mit meinen Vermutungen schon früh bestätigt sah, war die Auflösung gut gemacht und in sich auch schlüssig.

Neubauers Südtirol Krimis sind eben eine Liebeserklärung an Land und Leute.

Bewertung vom 01.09.2020
Tod in der Provence / Commissaire Leclerc Bd.1 (eBook, ePUB)
Lagrange, Pierre

Tod in der Provence / Commissaire Leclerc Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Es gibt wirklich jede Menge Südfrankreich-Krimis die von deutschen Autoren mit französisch klingenden Pseudonymen verfasst wurden. Von Pierre Lagrange kannte ich bisher noch nicht, aber in Vorbereitung auf die Neuerscheinung habe den ersten Band um Albin Leclerc gelesen.
Albin Leclerc ist ein Polizist mit viel Erfahrung gewesen, lediglich einen Fall in seiner langen Karriere konnte er nicht lösen. Im Ruhestand merkt er nun, dass sein junger Mops Tyson zwar ein lieber Begleiter ist, aber kein Ersatz für seine Arbeit ist.
Als die Leiche einer jungen, rothaarigen Frau auftaucht, ist Albin elektrisiert. Es waren genau die Morde und Verstümmelungen an jungen Rothaarigen, die er nicht aufklären konnte. Er ist sicher, ein Serientäter hat wieder zugeschlagen. So mischt er sehr zum Missfallen seiner Nachfolger wieder eifrig in den Ermittlungen mit.
Der Plot ist ziemlich durchsichtig konstruiert. Alles ist durchaus logisch und auch spannend erzählt, aber ich hatte eigentlich schon nach wenigen Kapiteln den Täter im Auge. Zwar waren die mir Hintergründe bis zur Aufklärung nicht ganz klar, aber das Grundgerüst der Geschichte war mir zu leicht zu erraten.
Schön sind die Provence Stimmungen getroffen. Natürlich wird Boule gespielt und Pastis geschlürft, man sieht die Platanen gesäumten Straßen und Plätze gleich vor sich und hört das Klacken der Kugeln. In diese Atmosphäre kann man sich richtig wohlig vertiefen und das ist für mich auch immer ein Grund zu diesen „Urlaubs-Krimis“ zu greifen.
Albin Leclerc ist ein knurrig-kauziger alter Herr, dem man nicht so leicht etwas vormachen kann. Eine Figur, die ich ganz gelungen fand und die wirklich das Zeug für Fortsetzungen hat.
Jetzt bin ich gespannt, ob sich bei weiteren Folgen die Spannung noch steigern kann.